Nr. 22H ♦ 40. Fahrgang
Seilage öes vorwärts
freitag. 18. Mai 192c,
Eine /lrbeitssitzung der Stadtverordneten.
Die Stadtverordnetenversammlung konnte gestern in flotter Arbeit einen beträchtlichen Teil des ihr vorgelegten Pensums bewältigen. Eine Reihe Anträge und Anfragen, darunter die Anfrage wegen der Bemessung des Milch- preise?, wurde in sachlichen Erörterungen oder nach Aus- kunft des Magiftratsvertreters ohne Debatte erledigt. Hervor- zuheben ist, daß in Sachen der B r e n n st o f f- G e s e l l- schaft die Gegner kommunaler Einrichtungen für den Klein- Handel eine Niederlage erlitten. Erst zum Schluß kam es noch zu dem Krach, ohne den die Kommunisten sich keine richtige Stadtveordnetensitzung denken können und an dem die Deutsch - nationalen ihre Freude haben. « Als kurz noch 5 Uhr die ordentliche Donnerstagssitzung ihren Anfang nahm und zunächst fünf Anfragebeantwortungen erledigt werden sollten, war von den dafür zuständigen Magistratsmitgliedern noch niemand zugegen: man setzte diese fünf Punkte aus und wandte sich einem kommunistischen Antrage aus dem Februar zu, über den bereits ein Ausschuß beraten hat. Nachdem der Ausschußbericht er- stattet war, wurde auch bei diesem Gegenstand konstatiert, daß die zuständigen Dezernenten noch abwesend waren, und man stellte auch ihn einstweilen zurück. Inzwischen hatten sich am Magistratsttsch einige Stadttäte dem Kämmerer zugesellt, und so konnte nun die erste der Anfragen, die der Demokraten über die Milchversorguag und die Erhöhung des ZRilchpreises verhandelt werden. Stadtrat Dr. Richter beschränkte sich auf den Hinweis, daß die fallende Tendenz des Butterpreises leider nicht an- gehalten habe, daß im Gegenteil mit dem neuen Marksturz die Ler- teuerung der ausländischen Fette neue Fortschritte gemacht habe, deren Rückwirkung auf den Milchpreis nicht ausgeblieben sei.— Der Interpellant Merten stellte demgegenüber die ganze Misere der Berliner Milchversorgung in helles Licht. Der Grundfehler liege in der Normierung des Milchpreises in Relation mit dem Butterpreis, aber doneben sei auch die ungenügende Akttvi- tat der städtischen Verwaltung und speziell des Ernährungsdezer- nenten an den Leiden schuld, unter denen die Bevölkerung wegen ungenügender Zufuhr und unmäßiger Preise seufze.— Ein neues Mitglied der Wirtfchaftspartei, der Milchhändler Reins, suchte darzutun, daß für die Verminderung der Zufuhr die seit 1914 ver- änderten Verhältnisse w der Landwirtschast verantwortlich seien. An sich sei der Erzeugerpreis auch heute nicht zu hoch. Jedenfalls feien die Händler an der Verteuerung unschuldig, während das Milch- amt zum Teil zu hohe Vergütungssätze für feine Tätigkeit in Rech- nung stelle. Don den Kommunisten hielt Schwenck ihm entgegen, daß die wiederholten Preisherauffctzungen eine Steigerung der Zufuhr nicht bewirkt hätten: sehr viel könnte gespart werden, wenn man die völlig überflüssigen Milchpächter und die ganz unberechttgte Sammelgebühr der Prooinzmolkereien ausschalten wollt«, wenn ferner dafür gesorgt werde, daß die Milch nicht in so verschmutztem Zustande, wie es meist der Fall sei, nach Berlin gelange. Wirksame Abhlse könne nur die Gesetzgebung bringen: aber diesen Vorschlag weiterzugeben, habe ja die Mehrheit abgelehnt.— Der M a. gistratsvertreter wollte die Bemängelungen von Merttn nicht gelten lassen und verteidigte lebhaft die Institution der Milchpächter: Herr Reins werde auch von seiner vorgefaßten Meinung gegen das Milchamt zurückkommen, wenn er erst in die städtische Verwaltung näheren Einblick genommen habe.— Dr. Kirchner(dnatl.) und Dr. Falkenberg<DVp.) oerkannten auch ihrerseits nicht die klägliche Eituatton, in der sich Bersins Milchversorgung befindet, aber sie stehen nach ihrem eigenen Zugeständnis dem Problem ratlos gegenüber: natürlich wollen beide von Zwangswirtschaft und Höchst- preisen nichts wissen.— Damit schloß diese Aussprache. Die Anfrage der Deutschnationalen betreffend die angeblichen Mehlschiebungen bei der Neuköllner Sroßhandelsgesellschasl beantwortete Stadtrat Richter dahin, daß derartige Vergehen oder Verbrechen nicht vorliegen: die Gesellschaft habe allerdings 12 Ml) Doppelzentner nicht zur Brotbereitung, sondern zur Nudelfabrikatton verwendet.(Hört, hört!) Ob der Stadt ein Schaden daraus er- wachsen sei, werde noch geprüft, eventuell sei die Gesellschaft ersatz- pflichttg. Eine weitere von Koch begründete Anfrage der Deutschnatio- nalen bettifft die Angriffe, die der Regierungspräsident
Grützner in Düsseldorf öffenttich aus die Berliner D«völke- rung deswegen gerichtet hat, weil dies« den Ruhrflüchtlingen die größten Hindernisse bereite. Oberbürgermeister RSsz stellte fest, daß die lebhasten Bemühungen Grützners um die Ruhrflüchtlinge all- fettige Anerkennung fänden. Gegen jene Beschuldigungen müsse di« Berliner Bevölkerung aber in Schutz genommen werden: auch sei ein Schreiben an Grützner, das ihn um Mitteilung von Material ersuchte, bis heute ohne Antwort geblieben. Die Bevölkerung wj� die Stadtverwaltung würden auch weiter jederzeit alles tun, was billigerweise und unter Rücksichtnahme auf ihre eigenen Nöte er- wartet werden könne. Nachdem soweit die Anfragen erledigt waren, kehrte man zu dem kommunistischen Antrag vom 15. Februar zurück, der eine Aenderung des prozentualen Verhältnisses zwischen Männer- nnd Frauenlöhnen fordert. Der ständige Tarisausschuß hat im Anschluß an diesen Anttag am 20. April beschlossen, vorzuschlagen, den Magistrat zu ersuchen, bei den nächsten Verhandlung«» im Reichsarbeitsmimste- rium folgende Vorschläge zur Abgleichung der Frauenlöhne zu ver- tteten: Ausgangspunkt ist der Lohn des gelernten Vollarbeiters, zurzeit 967 M.— 100 Proz. pro Stunde: hiervon erhalten die Frauen vom 18. bis 21. Lebensjahre, ob gelernt oder ungelernt, 90 Proz., vom 21. bis 24. Jahre desgleichen 95 Proz., vom 24. Lebensjahre ab 100 Proz. Entsprechende Aenderungen sind für Mindererwerbsfähige und Jugendliche vorgeschlagen. Dankwardl(DVp.) hatte den Ausschußanttog zu vertteten, wandte sich aber in der Aussprach« gegen ihn.— Schumacher(Kom- munist) erhob gegen die Vertreter der Stadt den Vorwurf, daß sie bei den Verhandlungen im Ministerium den Standpunkt des Aus- fchusses nicht vertteten hätten: der Oberbürgermeister wies diesen Vorwurf zurück.— Reust er lehnte für die Demokraten den Ausschuhvorschlag ab, der dann mit 93 gegen 77 Stimmen fiel, da nur Sozialdemok raten und Kommunisten dafür stimmten. Den Anttag der Wirtschastspartei, die Versammlung zu er- suchen, die ReNeserung der Krankenhäuser mit Fleisch uud wurstwaren durch die städtische Schlächterei in Hobrechtsfelde nur dann vorzunehmen, wenn die Preise denen des privaten Handels entsprechen, hat der Ausschuß abgelehnt. In der Aussprache gaben sich Mädel(Wirtfchaftspartei) und Dr. Kirchner(Dnat.) all« Müh«, den Ausschußbeschluß dahin auszulegen, daß es den Krankenhausverwaltungen freigestellt werde, ihre Ware von da zu beziehen, wo sie es für angemessen halten. Genosse Rrolal ttat ihnen mit Entschiedenheit entgegen, Hobrechts- felde renttere sich gut und liefere billiger als jede private Lieferung. Dem Ausschußanttog entsprechend wurde der Antrag der Wirt- schaftspartei abgelehnt. Hierauf nahm di« Versammlung die am Dienstag ver- schoben? Abstimmung über die zur Berliner Brenn- stoff-Geselljchaft gestellten Anträge vor. Der demo- trattsche Anttag, die sofortige Einstellung der Belieferung Privater anzuordnen, blieb in der Minderheit, er fiel mit 87 gegen 85 Stim men. Im übrigen wurde der Ausschußanttag angenommen. Auch der allgemein gegen die Bedrohung des Kleinhandels durch die städtische Konkurrenz gerichtete Anttag der Wirtschaftsparteiler verfiel der Ablehnung. Vom 13. März datiert der Anttag der Deutschnationalen, den Magistrat zu ersuchen, für den Fall, daß infolge Uebernahme des Haltekinderwesens durch die Stadt neue Beamten- stellen erforderttch werden, diese an erster Stelle mit den fteiwerden- den Aufsichtsdamen des Polizeipräsidiums zu besetzen.— Der Haus- haltsausschuß hat am 3. Mai'den Anttag abgelehnt. Nach kurzer Aussprache, in der Frau Stadtrat Weyl und Genosse Dr. Cohmann feststellten, daß dem Magistrat gar kein Wahl- recht zustehe, entschied die Mehrheit dem Ausschußanttage gemäß. Den Antrag der Wirtschastspartei betreffend das B e w i l l i- qungsrecht der Stadtverordneten überwies die Der- sammlung der gemischten Deputation für die Reorganisation der Verwaltung als Material. In Erledigung eines kommunistischen Anttages wegen Sündigung von Zunglehrern wurde weiter beschlossen, den Magisttat zu ersuchen, die Durch- schnittstlassenfrequenz vorübergehend von 40 auf 35
herabzusetzen und auch an den Gemeindeschulen den o b l i g a» torischen Spielnachmittag einzuführen. Mit 82 gegen 79 Stimmen beschloß man, die Ausschußvorschläg« zur Planwirtschaft bei den höheren Lehranstalten in Alt-Berlin dem Ausschusse zurückzugeben. In der Absicht, die verschiedene Leistungsfähigkeit der Gast- und Schankwirtschaften und des Branntweinkleinhandels besser zu er» fassen, hat der Magistrat den Erlaß einer besonderen Be» triebssteuerordnung vorgeschlagen: der Ausschuß Hot ihr im wesentlichen zugestimmt. Nach einer Verwahrung des Kom- munisten Dörr gegen die.verfehlte" Steuerpolittk des Magistrats nahm die Versammlung den Entwurf an. Auf die großen Mängel, die heute die Turnhallen auf- weisen, lenkte Kube(Dnat.) die Aufmerksamkeit hin: viessach fehlen Mattatzen und Geräte oder befinden sich in skandalösem Zu- stände. Ein Antrag von dieser Seite, der auf Besserung dringt, wurde angenommen. Die erhöhten Armenunter st ützungsrichtfätze, die der Magistrat am 4. April beschlossen hat und zur Kenntnis bringt. wurden von Nawrocki(Komm.) für völlig ungenügend erklärt, der Erhöhung auf die jeweiligen Sätze der Erwerbslosenunterstützung beantragte. Auf der Rechten stieß die Darlegung Nawrockis auf Widerspruch und Gelächter, was ihn und seine orteigenossen zu immer temperamentvolleren Erwiderungen veranlaßte, so daß allmählich wieder eine Art Radaustimmung über die Versammlung kam. Stadttat hintze stellte fest, daß die Wohlfahrtsdeputation am letzten Montag eine weiters, über die Sätze vom 4. April hinaus- gehende Erhöhung beschlossen hat: Herr Nawrocki sei Mitglied der Deputation, aber am Montag nicht erschienen.(Hört, hörtl) Gegen die.unerträgliche Beschränkung" der Redefreiheit der Kommunisten durch den Vorsteher(der Nawrocki in seinen Ausführungen mehrfach unterbrochen und schließlich zur Sache gerufen hatte) legt« Dörr Verwahrung ein; für den Ausdruck.Schikanierung" erhielt er einen Ordnungsruf. — Noch schärfer ging Nawrocki selbst gegen den Vorsteher vor, der Veranlassung nahm, ihm zwei Ordnungsrufe zu erteilen. Der kommunistische Antrag kam nicht zur Abstimmung, da es sich bei der Magifttatsvorlage nur um Kenntnisnahme Handelle. Die Vorlage wegen Bildung einer Straßenbahn-Be- triebs-G. m. b. H. ging an einen Ausschuß, ebenso die Vorlag« bett. Maßnahmen zur Verbilligung des Bestattungs- wesens. Zum Schluß überwies die Versammlung den kommunistischen Dringlichteitsantrag betr. den sofortigen Beginn der Aus- führung oller ftädttschen Bauvorhaben an den Hauptausschuß. Schluß nach 9 Uhr._ Unterhaltung um Mitternacht. Das Rollen des Zuges verhallt langsam in der Ferne. In dunkler Schwere sticht die einsam« Straß« in die Nacht. Nur hin und wieder mall sich, wie ein breiter Oelflrck, der Widerschein einer Laterne auf Pfiaster und Bürgersteig. Ein« schmal« Mondsichel lehnt melancholisch auf einem Kissen von Kühle und Stille. Alles Leben erscheint erstorben und verweht. Zwei Gestalten gehen vor mir tn gemessener Entfernung. Die eine, klein und dick, drängt die Dunkelheft mft turzschlürfenden, schnellen Schritten beiseite, die ander«, lang und schlank, zerschneidet sie mit scharfen militärischen Tritten. Und ihr« Stimmen, die ich im Näherkommen deutlicher höre, sind ihre Wesensphotogrophi«. Der Dicke spricht langsam, leidenschaftslos und em wenig asthmatisch, der Longe kurz und geschraubt schrill. Der Dick« brummelt gemütliche „Ganz recht so... auch während de, Krieges haben sie heimlich gesoffen. Sekt und Wein... ist gar nicht nötig w diefer Zeit... Franzosen sollen ihren Sekt und Likör allein saufen." Der Lang« aber schneidet ihm brüsk das Wort ab:„Im Krieg," er lacht höhnisch und spitz,„im Krieg, dos war toll. Die Drückeberger hätten sie herausholen sollen." Inzwischen bin ich an dem Sprecher vorbei- gegangen und habe mit einem raschen Seitenblick im Scheine der Laterne gesehen, daß es ein noch verhältnismäßig junger Mensch sst Hinter mir aber, in der kalten, scharfen Luft, knallen seine wütenden Haßwort« wie ferne Gewehreinschläge:.Schlapp« Regierung... Erzberger... Juden... an die Wand stellen... nattonale Der- teidigung... auch heute nicht zu spät... Bayern , das sind Kerle... großartig... Hut ab... Majestät sollte wiederkommen.. In unermeßlicher Höhe leuchten und blitzen die ewigen Sterne.
Heimweh.
Eine Geschichke der Sehnsucht von John TD. Nylander.
Sein Blick folgte einem Fußpfade, der unter dem hohen Gewölbe von Brotfruchtbäumen vom Strande her auf die Insel führte. Der Weg machte bald eine Biegung und ver- schwand, aber ich merkte, daß er ihn noch weiter verfolgte, §anz bis nach seinem Heim. Dachte er vielleicht auch an seine 'rau? Mein Ruderdollen war fertig. Ich bezeichnete mit dem Messer die Länge nach dem, den"ich abgebrochen hatte, als wir hereinruderten, und suchte nach einer Säge, um ihn ab- zuschneiden. „Laß es siegen, bitte," sagte ich zu Sam, der das Messer nehmen wollte.„Es ist eben geschliffen, und an Bord haben wir keinen ordentlichen Schleifstein." „Nicht so. Iungensl man darf nicht naseweis sein," sagte Stone verweisend.„Ich hatte euch doch auch gesagt, daß ihr immer Hosen tragen sollt, solange der Schoner hier ist. Geht zur Mutter und laßt sie euch geben! So— marsch mit euch beiden!" Die Säge hatte sich endlich in den eisenharten Holzpflock eingebissen. blieb aber bald wieder darin stecken. Ich starrte Stone an, ohne ganz klar darüber zu sein, was mich plötzlich so verwirrt machte. Aber in der nächsten Sekunde hatte ichs.„Stone, Sie— Sie sprechen ja schwedisch, finnländisch-schwedisch noch dazu! Sind Sie aus Finnland ?" rief ich auf schwedisch und sprang auf. „Ja. das bin ich." antwortete er.„Sie stammen doch nicht auch daher? Ich bin aus Inga, aus den Schären," fügte er hinzu.„Von Storholmen. Stenlnnd heißen wir." Freudig reichte ich ihm meine Hand. Er nahm sie und hielt sie lange in der seinen, wobei er mir treuherzig in die Augen sab... � Ich konnte keine Worte finden. Es war ja m vnver- mutet gekommen. Auch er schwieg. Ueber seine harten Züge kam eine Wärme und eine fast hisslose Weichbeit. die mir in die innerste Seele drang. Das Vaterland, die Heimat, die Schären— alles wurde plötzlich lebendig.« Ein Ruf Wilson» unten im Boot versetzte mich wieder nach Nanawaj. „Die Tonnen sind voll! riet er.„Bielleicht paddeln wir vn Bord, dann kommen wir noch rechtzeitig zum Schaffen!"
„Nein, nein," sagte Stone.„Sie müssen jetzt hierbleiben. Wieviel gibt es jetzt für uns zu plaudern! Sam, fahre du mit dem Boot zum Schoner hinaus und sag dem Kapitän Mc Night, daß er hierbleibt. Ich bringe ihn nachher an Bord. Und Elias, spring du nach Hause und sag der Mutter, daß wir kommen." „Aber daß Sie in den langen Jahren des Schwedische nicht vergessen haben," sagte ich, als wir zusammen durch den Wald wanderten.„Es kommt doch wohl nicht oft vor, daß Sie Schwedisch hören? Und daß Ihre Knaben es ver- stehen!" „Nein, oft war es nicht der Fall.— Zwölf Jahre werden es wohl sein, seit ich zuletzt jemand aus der Heimat sah. Es war einer aus Iakobstad. Er war Segelmacher auf einem Engländer, der östsich von Marshall aufrannte. Sie segelten in zwei Booten nach Poumato und landeten hier, um Broviant und Wasser zu holen. Es sah übel mit ihnen aus.' „Und in den ganzen zwölf Iahren sonst niemand!" rief ich.„Und doch haben Sie den Knaben Ihre Muttersprache gelehrt. Versteht Ihre Frau auch Schwedisch?" „Ja, sie ist es, die den Jungen das meiste beigebracht hat. Sie konnte schon Schwedisch, als ich sie zuerst sah. Das war vielleicht der Hauptgrund, daß wir uns heirateten und ich hier auf den Inseln blieb. Als kleines Mädchen kam sie zu einer schwedischen Missionarsfamilie auf Tahiti . Aber als sie erwachsen war, und das ist hier ja sehr früh der Fall, nahm der Vater sie fort und brachte sie nach Mongareva, wo ich damals war, und dann— er zögerte etwas,„taten wir uns zusammen. Der Missionar auf Mongareva hat uns getraut," fügte er hinzu, als läge ihm daran mir zu zeigen, daß alles in gehöriger Ordw'ng sei.„Sie ssest und schreibt beinahe besser als ich. auch Englisch . Wir bekommen ia bin und wieder Zeitungen oder dergleichen durch den Missionar. — Da kommt sie!" Ein beves Kleid tauchte in diesem Augenblick bei der nächsten Biegung des Weges auf. Alls sie uns gewahr wurde, blieb sse zögernd stehen „Komm. Maria," rief Stone.„Hier bringe ich einen Land-mann!" Sie kam heran, streckte mir läch-wd aber voll Würde ihre Hand entgeaen und grufite freundlich. „Denk nur. Maria, wir stammen beide fast von derselben Insel." lachte Stone ganz heiter. Es war das erstemal, daß ich ihn lachen hörte. Aber ich sah, daß ein Schatten über das hübsche, sanfte Gesicht seiner
Frau flog. Sie faßte seine große, grobe Hand, und Seite an Seite wanderten wir drei dem Hause zu. Der Schiffer hatte recht. Eine prächtige Frau, eine Perle, dachte ich bei mir. Wie sie mit elastischen Schritten neben dem schwerfälligen, etwas gebeugten Stone herging, glich sie fast einem jungen Mädchen. Ihr dichtes Haar fiel von einem schnurgeraden Scheitel mitten auf dem Kopfe an beiden Seiten bis auf die Schultern. In diesem schwarzen Rahmen erschien ihre Ge- sichtsfarbe im Schatten der Bäume überraschend hell. Sie trug ein weites Gewand von dünnem, lichtblauem Stoff, um die Taille von einem breiten Bande zusammengehalten, und an den Füßen hatte sie, ebenso wie Stone, kunstreich au? Gras geflochtene Sandalen. Ganz wie eine Dame, mußte ich mit dem Schiffer sagen, eine wahre Offenbarung im Vergleich zu den Weibern , die den ganzen Tag über rauchend und schwatzend unter den Bäumen am Landungsplatze herumlungerten, und, sobald man in ihre Nähe kam, um Tabak bettelten. Wir hatten viel zu plaudern, und die Stunden vergingen im Fluge, bis der Mond vorsichtig über den Waldesrand lugte und eine ganze Flut von silberweißem Licht in die Deranda goß, wo wir saßen. Wir stellten fest, wo Storhalmen lag, mit einem rotgemalten Häuschen, das zwei Fenster nach der See hatte, ein Birkenwäldchen dicht daneben gegen Ölten, das Stallgebäude gegen Westen und der Seeschuppen auf einem kahlen Berge am Strande. Ia, ich glaubte mich ganz deutlich der Stelle zu entsinnen. Der Bater muhte nun auch wohl längst der Mutter im Tode gefolgt fein, vermutsich war der Bruder jetzt Eigentümer der Kätnerstelle. Es war eine gute Stelle, zwei Kühe, ein Dutzend Schafe und ein gutes Fischwasser. Alles, was man hatte, konnte man an Aufkäufer verkaufen, die mit ihren Fisch- kässen angesegelt kamen und Fische einholten, die sie nach Helsinglors beförderten, ftm Sommer gab e? dort vies Leben und Bewegung. Jeden Montag kam der Dampfer Maien vorüber aul seiner Fahrt nach Stockbolm. und am Freitatz ficdr er zurück. Aber im �mte? war es still Wenn da? Eis l�neettei war. lief man Schfittichub und konnte m einer Stunde da? kftftsand erreichen. Ja den einen Winter waren er und der Bruder sogar bis zr »? S�dt gela"ten. Cr versuchte seiner Frau das Eis zu schildern da? wie eine dicke Glasscheibe über dem Wasser liege. Sie batte immer still dabei gesessen und zugehört, ließ aber ihre großen glänzenden Lugen nicht von um». (Fortsetzung folgt.)