Heerführers verkündet hatte, er werde durch die materielle Macht die Zustimmung und den sittlichen Halt erlangen, muß er jetzt einen Ersatz suchen für diese materielle Macht, die an- fängt, ihn in Stich zu lassen, weil sie sich unfähig zeigt, aus einem gesetzwidrigen Mittel der Vergewaltigung zum Alis- druck und Träger der Gesetzlichkeit zu werden. Und er sucht ' tatsächlich nach einem solchen Ersatz: er fängt an, zu Kom- promiß und Zugeständnis zu schreiten. Dabei scheint er noch zu schwanken zwischen dem Zu- geständnis nach rechts und dem nach links, wobei die Situation in Süditalien ihm die Entscheidung gleichzeitig schwer und dringend macht. In Süditalien, namentlich in Sizi- lien, macht sich nämlich eine antifaschistische Bewegung geltend mit ausgesprochen monarchistischem Charakter. Die dortigen Antifaschisten tragen als Abzeichen den„Saldo", die kleinste Kupfermünze, mit dem Bilde des Königs; si� scharen sich um die bisherigen politischen Führer des Bürgertums, um die- selben, die früher jeder Regierung Botengänge taten und Süd- italien zur Stütze aller Ministerien machten. Mit diesen Ele- menten muß Mussolini paktieren durch Zugeständnisse und Halbheiten, wie es seine Vorgänger getan haben, oder er muß ihnen entgegentreten, wobei er riskiert, auch die monarchisti- schen Gruppen Oberitaliens, die sich auf die offiziell aufgelöste nationalistische Organisation stützen, zu verletzen. Daß sich der Ministerpäsident zu Zugeständnissen entschließt, ist um so wahr- scheinlicher, als sich immer mehr die Beweise häufen, daß in der Praxis die faschistischen Theorien nicht jene Zustimmung finden, auf die in den offiziellen Kundgebungen gepocht wird. Der Faschismus wU bekanntlich alle öffentlichen Be- triebe der Privatindustrie übergeben: dagegen hat dieser Tage eine Urabstimmung in Genua ein« große Mehrheit zugunsten der Uebernahme der Gaswerke und der öffentlichen Autos in den Kommunalbetrieb ergeben. Auch gegen die überspannte Schutzzollpolitik, die sich beim Faschismus mit dem„Liberalismus" gegenüber dem Privatkapital verträgt, macht sich eine energische Gegenströmung der betroffenen Schichten geltend. In dem„Monolith" der faschistischen Ein- heit treten also so viele Sprünge auf, daß der Heerführer, wie jeder andere Politiker, sich gezwungen sieht, die Basis um so mehr zu verbreitern, als sie weniger fest gefügt ist. Man will Anzeichen dafür haben, daß diese Erweiterung nach links erfolge. In der Emilia ist sin durch und durch reaktionärer Vertrauensmann des Faschismus, der einen Ar- tikel„Nieder die Freiheit!" und eine Verherrlichung der Er- mordung Woronskys zu den Perlen seiner politischen Tätigkeit zählt, durch den Faschisten Grandi ersetzt worden, der so weit geht, das nicht uwpistischs Programm des Sozialismus auf- rechtzuerhaltsn. Wir halten dafür, daß der Ministerpräsident, der keine politischen Grundsätze, sondern nur politische Zwecke kennt, selbst noch nicht darüber im klaren ist, ob es ihm frommt, sich nach links oder nach rechts anzulehnen. Er fühlt nur, daß er auf die Macht, durch die er Italien regieren wollte, nicht weiter in dem bisherigen Ausmaße zählen kann, daß sie ihm gefährlich wird, daß sie ihm alle gemäßigten Elemente ent- fremdet und praktisch den Satz vom starken Staat durch ihr Regime der rohen Willkür Lügen strafen. Aus diesem Zustand der Unklarheit über die eigene Hol- tung will sich nun der Faschismus durch ein von jeder Diktatur erprobtes Mittel heraushelfen: durch die Ablenkung auf den „äußeren Feind", will sagen auf Sozialisten und Kom- m u n i st e n. Wenn schon einmal der Faschismus, trotz der gegenteiligen Befehle des Heerführers, sich der Gewalttat nicht entwöhnen will, so soll er sein Mütchen nicht im eigenen Lager kühlen, sondern gegen die„Feinde der Nation" vorgehen. In der Tat kündet Mussolini in einem Telegramm an die Faschi- sten von Modena eine„neue Welle" faschistischer Energieent- faltung an. Sein Familienblatt bringt ähnliche Prophezei- ungen. Das heißt aber, den Teufel durch Beelzebub austreiben. Erlaubt der Heerführer heute, auf„allgemeinen Wunsch" eine neue Extratour gewaltsamer Verfolgungen, so läßt er die Geister/ die er zügeln will und nicht kann, sich einfach aus- toben. Er wird also nachher mit einer-noch weniger zu bändigenden Schar zu rechnen haben. Die letzten Wochen haben ge- eigs, daß es mit der„gesetzlichen Vergewaltigung" nicht io
Schopenhauer unö Pestalozzi. gm Verlag van ff. A. Brockhaus in Leipzig find soeben„Schapen . Hauers Reifetagebüchcr au» den Jahren 18015— 1804--, erausgeqeben von Charlotte Gwinner , erschienen. Da» mit zahl» reichen Illusir'tionen geschmiickte Bändchen veröffentlicht zum ersten Mal die Aufzeichnungen des sechzehn>ähr>gsn Schopenhauer Uber«ine ?lcise. die er mit seinen Eliern durch volland, England, Frankreich . die Schweiz , München . Wien . Berlin und Dresden machte iinterm 81. Mai I80l findet fich folgende interessante Schilderung des Besuches. den die Reifenden der Erzlchnngsanfialt des berühmten Pädagogen Pestalozzi <1740—1827) im Schloff zu Bnradort(Kanton Bern ) abstatteten, und des Gegenbesuche», den Pestalozzi Ihnen machte. .im sechs Uhr kamen wir in Burgdorf an, wo wir diese Nacht rieben. Wir gingen sogleich nach unserer Ankunft das Institut des 'eriihmten Pestalozzi sehen, über dessen neue Erziehungsmethode so viel gesagt und geschrieben ist. Das Institut nimmt das alte ehe- malige Schloß des Amtmanns ein, welches auf einer Anhöhe liegt, und aus dessen Fenstern man eine Aussicht hat, die es allein der Mühe wert mach� würde hinaufzugehen. Wie fanden den Herrn Pestalozzi nicht zu Hause, aber die unteren Lehrer waren sehr bereit, uns einen kleinen Begriff von der Methode des Unterrichts zu geben. Wir wohnten einer Probe des Unterrichts ganz junger Knaben von sechs bis acht Jahren im Rechnen, Lesen und der Sprache bei. Ueberhauvt teilt Pestalozzi die Gegenstände des Unterrichts in Denken. Reden und Rechnen. Der Hauptzweck und Grundsah seiner Methode ist der: ganz ohne Hilfe des Gedächnisies zu lehren:«wrum zielen alle seine Bemühungen einzig und allein darauf ab, daß die Aufmerksamkeit des Schülers nicht durch Wärter und Zahlen von der Sache oder dem Begriff selbst abgeleitet werde. Er kann durch- aus nicht Schüler gebrauchen, welche schon einen anderen Unterricht genossen haben.> Seine Lehrlinge rechnen nicht mit Zahlen: sondern mit Stücken Pappe, welche als Einheiten betrachtet werden und diese zählen sie nicht:„Eins",„zwei",„drei", sondern:„Einmal eins", zweimal eins",..dreimal eins" ulw., um sich nie vom Begriff der Sache selbst zu entfernen. Auf dieselbe Art fahren Pestalozzis Lehrling«, statt das Einmaleins zu lernen, so fort: Er legt die Stücke Pappe nicht mehr einzeln, sondern in Haufen, zwei bei zwei, dann zählen sie: „Einmal 2",„zweimal 2",„dreimal 2", viermal 2", fünfmal 2". „sechsmal 2" usw., dann sechsmal 2 ist zwölfmal 1, ist viermal, dreimal 1", ist 1 und s�mal, achtmal 1" usw. Er legt die Stücke Poppe in immer arößere Haufen und läßt sie so bis zu den größten Zahlen hinauf zäblen. Dann legt er ihnen Fragen vor, z. B.: Wievielmal ist„acbtmal 2" in„viermal, zwölfmal 1" enchalten? Antwort: Dreimal. �iese Fragen werden endlich so schwer, daß der, welcher ge- w. ü ist mit der Feder zu rechnen, sie nicht beantworten kann, und doch sieht man sie von achtjährigen Knaben auflösen. So bilden sich seine Schüler nach und nach zu den geübtesten Kopsrcchnern. !db sie aber damit bei großen zusammengesehien Ausgaben durch- kommen können, ist desiemingeachtet sehr zweifelhaft. Auch ich weiß nicht, ab crseine erwachseneren Zöglinge auf diese Art zu rechnen Wtsahren sickßt.
geht, wie mau mochte. Die Gerichte geben sich nicht überall zu Guillotinen der„Umstürzler" her, und die Kammer hat die Autorisation zum strafrechtlichen Vorgehen gegen� die Kommunisten, die das Manifest der Dritten Internationale unter- zeichnet haben, nicht erteilt, so daß diese Abgeordneten sich weiter unter dem Schutz« der parlamentarischen Immunität befinden. Das ist mehr, als man von dieser Kammer erwarten durste. Es weisen so verschiedene Anzeichen darauf hin, daß der Faschismus an der Unmögsichkeit krankt, mit dem Menschen- material und mit den Mitteln zu regieren, die ihm zur Re- gierung halfen. Die nächste Kraftprobe für Mussolini wird also darin bestehen, diese Menschen und diese Mittel über Bort» zu werfen._ Lenstb scblagt öie yarfe. Offiziöse Erläuterung des Jndustrieangebots. „Hier ist Panier aufgeworfen für eine offen« und klare Sache. Mit diesen Worten feiert der offiziöse Journalist der Stinnesgruppe, Paul L e n s ch, in der„Deutschen Allgem. Ztg." das Schreiben des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Es gelingt Herrn Lensch vortrefflich, die ganze Frage auf die Höhe dos Prinzips zu bringen, indem er auseinandersetzt, mit dem Sozialismus sei es nichts, also müsse es eben andersherum gemacht werden: Man darf annehmen, daß der deutschen Regierung mit der Erklärung der Industrie das gezeben ist, was sie zur Durchführung ihrer Rcparationspolitik braucht. Es wird sich zeigen, ob sie die Kraft hat, sie durchzuführen. Di« Erklärung führt aus dem Hell- dunkel unserer Tage, das ein Gemisch von So- zialismus und Kapitalismus ist, heraus und stellt die Regierung vor die Entscheidungsfrage: Das eine oder das pudere? Sozialismus ist Pleite. Kapitalismus ist Geschäft. Es leb« dos Geschäft!— Es hat schon viele Journalisten gegeben, die den Kapi- talisimis verteidigten. Lensch ist der erste, der sich für ihn mit der ganzen Kraft seines Gemüts begeistert. Und gerade dadurch erwirbt er sich das Verdienst, die Dinge klarzustellen: denn was die Erklärung der Industrie proklamiert, das ist eben der Kapitasismus pur und simpel, dem selbst der„Tropfen sozialen Oels", mit dem einst das Kaiserreich gesalbt sein wollte, eine höchst verdächtige und unzulässige Beimischung ist. Selbstverständlich will euch Herr Lensch den Achtstundentag „elastisch gestalten", er höhnt über die Sozialdemokraten, die„voll und ganz" an ihm festhallen. Hier wird der Leser bedenklich. Denn Herr Lensch sollte der letzte sein, der behauptet, daß es die So- zialdemotraten mit der Arbeit nicht ernst nähmen; er kennt aus eigener Erfahrung einen Fall, in dem ein sozialdemokratischer Chef- redakteur wegen„beharrlichen Unfleißes" entlassen wurde. Wenn er jetzt findet, daß acht Stunden nicht genug sind, ja muß die Frage erlaubt fein, ob das für alle gill oder immer nur für die anderen im Sinne des bekannten Worts: „Die Arbeit ist doch eins schöne Sache! Stundenlang könnte man so stehen und zusehen!"
Münchener �usti?. München , 29. Mai. (Eigener Drahtberichti) Bor dem Schöffen- gericht München hatte sich auf Anklage des Oberreichsanwalls ein Student zu verantworten, der in einem öffenllichen Lokal damit ge- prunkt hatte, beim seinerzeitigen Empfang des Reichspräsidenten in München mitderBadehosegewinktzu haben. Das Gericht erblickte tn dieser Aeußerung weder eine Roheit, noch eine Ver- öchtlichmachung, was nach der Auffassung der Reichsgerichts nötig fei, um eine Verurteilung nach dem Gesetze zum Schutze der Republik auszusprechen. Demgemäß wurde der Angeklagt« frei- gesprochen. Die Herreu LeutenantS. München , 29. Mai.•(Eigener Drahtbericht.) In dem Prozeß wegen Landfriedensbruch bei der Erstürmung des Hotel Grünwald durch Nationalsozialisten sind neben den An- geklagten, die noch alle jugendlichen Atters sind, bereits sämtliche 28 Zeugen vernommen worden. Die Mehrzahl dieser Zeugen waren entsprechend ihren Aussagen sympathisierende Zuschauer. Dazu ge- hörten auch einige Leute der grünen Polizei, die der Zerstörung im Hotelinnern ruhig zusahen. Einer hat sogar geäußert:„Schlagt nur
Beim Lesen läßt Pestalozzi die Knaben gar nicht das Alphabet lernen. Er stellt ihnen gleich ganze Silben und Wörter auf. Das sonderbarste ist die Art, auf welche sie die Sprachen lernen. Er fängt damit an, sie mit den Namen der Teile ihres Körpers be- kanntzumachen. Zu diesem Zweck stellt er sie all« in eine Reihe. Einer unter ihnen sagt vor und die anderen wiederholen es ein- stimmig:„Der Kopf":(Alle Knaben legen die Hände auf den Kopf) „Der Kopf liegt auf dem höchsten Teil des Körpers, zwischen den Schultern:„h täte": la t4tc est situee sur'la plus haute partie du corps, entre les epaulcs. usw. So läßt er sie all« Teile ihres Körpers in beiden Sprachen nennen und deren Lage beschreiben. Und immer ist er bemüht, ihnen eine sinnliche Vorstellung von der Sache, die sie nennen, zu geben. In der kurzen Stunde, in welcher ein Durchreisender einem solchen Unterricht beiwohnt, kann er nur einen unvollständigen Be. griff davon erhalten. Der Erfolg allein kann lehren, ob durch diese von der anderen so ganz verschiedene Erziehungsmethode verstän- digcre Menschen gebildet werden. Etwas, was uns ollen Bewunderung abzwang, waren mathe- matische Figuren, die in allen ihren Verhältnissen ganz richtig ge. zeichnet waren uvd von denen wir mit Erstaunen hörten, daß sie ohne Lineal und Zirkel gezeichnet und das Werk achtjähriger Kinder wären. Kaum waren wir wieder zu Haufe, als wir schon einen Besuch von Herrn Pestalozzi erhielten, der. mittlerweile zu Haus« gekommen, von unserer Visite bei ihm gehört und uns gleich nachgeeilt war. Herr Pestalozzi scheint schon sehr alt, hat aber dessenungeachtet einen außerordentlichen Grad von Lebhaftigkeit. Sonderbar ist es, daß er sich so wenig auszudrücken weiß; er spricht deutsch und französisch, beides gleich schlecht, stottert oft, und weiß feine Worte nicht zu finden. Auch in seinem Institut sprechen Lehrer und Schüler das schlechte Schweizer Deutsch . Er sagt« uns, er wähle seine. Lehrer nie unter den Gelehrten, weil diese nach ihren' eigenen Grundsätzen arbeiten und sein« Methode nicht befolgen würden: er nimmt im Gegenteil lieber Leute aus den niederen Bolksklassen, von gesundem Menschenverstände und ohne Vorurteil«.—
Zum Streit um öas Kroll-Haus. Das Personal der Großen Dolksoper hielt gestern «in« Betriebsvollversammlung ab, die als Kundgebung für Heber- Weisung des Kroll-Hauses an die Volksoper veranstaltet wurde. Obmann Körner vom Gau Berlin der Genossenschaft Deutscher Bübnenancehöriger betonte in seinem Referat die künstlerischen und die sozialen Momente, die nach seiner Meinung dafür sprechen, das der Vollendung entgegengehende Kroll-Haus nicht der Staatsoper, sondern der Dolksoper einzuräumen. Professor Epstein, der über eine Konferenz im Ministerium für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung berichtete, verwahrt« die Volksopsr aeoen den iyr von der Volksbühne gemachten Vorwurf, ein eigentlich kapitalistisches Unternehmen zu sein. Im Sinne des Referenten sprachen noch Der- treter des Solopersonals, des Chorpersonals, des Orchssterperfonals, des technischen Personals und der Aktionär«. Schließlich wurde folgende Resolution«instimmig angenommen:„Die Betriebs-
alles zusammen, wir sehen nichts." So ist auch begreiflich, daß sich der Schaden nach dem Geldwert im Januar auf 6 Millionen Mark beläuft, davon hat das Reich 3,6, der bayerische Staat 2,6, und die Gemeinde München 1,6 zu tragen. Die Aussagen der Hotelangestelllen waren teilweise für die Angeklagten außerordentlich belastend. Mitunter halle man aber auch den Eindruck, daß einige Aussagen unter der Angst vor nationalsozialistischen Rache- alten zustande gekommen sind. Unter diesen Umständen ist es klar, daß die Verhandlung kein einwandfreies Bild der Vor- gänge bei der Erstürmung des Hotels gegeben hat. Die Ereignisse sind keineswegs objektiv geklärt, was schon aus den Worten des Vorsitzenden hervorgeht:„Es ist ja leider auch hier so, daß man dl« Hauptschuldigen meistensnichterreicht." So ließ denn auch der Staatsanwalt in seinem Amrage die Anklage gegen den einen Rädelsführer, Leutnant Heine, fallen, wahrend er gegen den anderen, Leutnant Ludovici, 8 Monate Gefängnis beantragte. In ähnlichen Strafausmaßen hält sich fein Antrag gegen die anderen 6 Angeklagten, denen er im übrigen sämtlich mil- dernde Umstände zubilligt, weil ihre Handlungen nicht aus unehrenhaften Motiven entsprungen seien. Das Urteil -vird heute nachmittag gefällt.
.3esatzun(?szwilcbenfall. Essen, 28. Mai. (WTB.) Am 25. Mai gegen K10 Uhr abends warfen mehrere Leute, die dem Alkohol allzu reichlich zugesprochen hatten, in einer Wirtschaft an der Essener Straßen in Stoppenberg eine Fensterscheibe ein, weil der Wirt ihnen die Abgabe einer Flasche Branntwein verweigerte. In einem Zimmer der Wirtschaft befanden sich während des Dorfalles 3 bis 6 franzöfi'fche Offiziere. Sie griffen sofort nach ihren Schußwaffen und schössen auf die Täter; außerdem wurden aus der naheiliegenden Schule Soldaten herbeigernfen, die die Täter ver- folgten. Bei dem Dorfall wurde ein« bisher noch unbekannte Person««tötet, ferner wurde ein Arbeiter durch einen Kopf- schuß und ein anderer Arbeiter durch einen Oberschenkelschuß schwer verletzt. Di« beiden Verletzten wurden dem Krankenhaus in Stop- penberg zugeführt. Von den Franzosen wurde niemand verletzt. Im Anschluß an diesen Vorfall wurden von der Vesatzungsbehörde 29 bis 25 Personen festgenommen. Die Untersuchung ist einge- leitet. Milöe Gerüchte. Essen, 28. Mai. (WTB.) Im ganzen Industriegebiet waren heute Gerüchte verbreitet, wonach es in Bochum wieder zu großen Straßenkämpfen gekommen sei, wobei es viele Tote ge- geben haben soll. Diese Gerüchte entsprechen nicht den Tatsachen. Der heutgie Tag ist mit Ausnahme der frühen Morgenstunden ruhig verlaufen Heute früh hallen die Unruhestifter wiederum versucht, von der Eiscnbahnbrücke an der Wilhelmshauser Straße aus die Feuerwehr zu beschießen,(?) sie wurden jedoch vertrieben. Berletzungen hat es dabei nicht gegeben. Der gestern als tot vom Kampfplatz getragene Oberstadtsekretär Blum ist nur schwer o er- w u n d e t. Man hofft, ihn am Leben erhalten zu können. (Auch der Lebensmittelhändler Stratmann, dessen angeblich bestialische Ermordung in der ganzen bürgerlichen Presse sign. riext«— es sollte ihm der Hals mit einem Rasiermesser durchgeschnitten sein—, ist, wie jetzt zugegeben wird, nicht ermordet sondern bei Schießereien tödlich verletzt worden.(D. Red.) Bochum, 28. Mai. (WTB.) Der heutige Tag ist o o l(k o m- men ruhig verlausen; nur in den frühen Morgenstunden schössen kommunistisch« Patrouillen ihre Revolver in die Luft ab.(!!) Bochum ist zurzeit ohne Gasversorgung. In den gcwerb» lichen Betrieben, insbesondere aber in den Krankenhäusern, i" denen sich die zahlreichen Derwundeten der letzten Tage, von denen mehrere dringend operativ bedürftig sind, befinden, wird die man gelnde Gasversorgung katastrophal bemerkbar. Essen, 29. Mai. (MTB.) Die Teuerungskrawallc die am Samstag hier einsetzten, fanden gestern ihre Fortsetzun Roch der.Kölln ischen Zeitung" staute sich vor allen Lebenswille'- geschäften imStadtinnerndieMenge.um von den Wa. en deren Preise gewaltsam herabgesetzt worden waren, möglichst viel zu erlangen. Die meisten Geschäfte waren gegen mit- tag bereits ausverkauft. Bochum . 29. Mai. (WTB.) Während des Sonntags er- wies sich Wch der Kölnischen Zeitung " die durch Selbstschutz aus zweitausend Mann verstärkte städtisch« Feuer- wehr als Herr der Lage. Es gelang, die Ruhe aufrechtzuerhalten und größere Zwischenfälle zu vermelden. Vollversammlung der Großen Dolksoper hat von den bisherigen Verhandlungen wegen Ueberlassung des Kroll-Hauses an die Große Dolksoper Kenntnis genommen. Sie stellt sich voll und ganz auf den Standpunkt, den Aufsichtsrat und Direktion der Großen Volks- oper bei den Verhandlungen«ingenommen hoben. Abgesehen von den künstlerischen Verpflichtungen, die für den Staat bestehen, einem Opernunternehmen, das ehrliche, zielbewußte Arbeit am Volks ge- leistet hat, weitestgehende Unterstützung zuteil werden zu lassen, ver- weist die Versammlung aber auch auf die soziale Seit«, wonach die Gefahr besteht, daß ein«ingespielter Kunstkörper durck Borent- Haltung des Kroll-Hauses existsirzlos gemacht wird. Wie in der Debatte Kroll-Haus— Volksoper öfter betont, wiederholt die Der- sammlung, daß der Besitz von Kroll keine Lebensnotwendigreit für die Staatsoper, Aufführungen der Staatsoper bei Kroll keim: Lebensnotwendigkeit für die Volksbühne, der Besitz von Kroll aber ein« Lebensnotwendigkeit für die Große. Volksoper ist, die sonst ab Herbst 1921 kein Heim mehr hat, wodurch ihr gesamtes Persona' brotlos wird. In letzter Stunde richtet daher das Personal der Großen Dolksoper an den Landtag das Ersuchen, den Lebensinter essen der Großen Volksoper gerechte Würdigung zuteil werden?" lassen." Nach dieser Resolution zu urteilen, scheint es, daß das Persona' der Großen Dolksoper über die Sachlage durchaus irrtümlich unter- richtet ist. Dem geschäftstüchtigen Direktor der Bolksoper kommt es — wie wir neulich auseinandersetzten— vor allem darauf an, durch die Uebernahme des Krollhauses sich die finanzielle Unter- stützung aus Staatsgeldern auf alle Fälle und für alle Zukunft zu sichern und sein Unternehmen zu einer zweiten Staatsoper avancieren zulassen. Wenn ihm das Schicksal seines Personals so sehr am Hxrzen liegt, so hätte er nicht all« Lorschläge, die ihm in anderer Form die Durchführung seines Unternehmens ermöglichen sollten, rundweg abgelehnt. In seiner unermüdlichen Bearbeitung der bürgerlichen Presse hat übrigens Herr Direktor Lange jetzt eine neue Methode eingeschlagen. Im .Lokal-Anzeiger" veröffentlicht er heute ein- Zuschrift, in der er die bürgerliche Reaktion gegen die Volks- bühne aufzuputschen versucht. Er gibt das Versorechen, daß er als Inhaber des Krollhauses auch dem„Bühnenvolksbund" und der„Deutschen Bühne" Vorzugspreise bewilligen werde, und er weist dunkel auf den„Willen einzelner Personen" hin,„die letzten Ende- auch nur die Tolksbübne als Mittel zum Zweck verwenden". Damit hat dieser wahrhaft volkstümliche Bühnenleiter seines Herzens tiefste« Sehnen enthüllt und wir dürfen wohl hoffen, daß unsere Ge- nossen im Landtag nunmehr energisch gegen seine Machenschaftei. Stellung nehmen werden. VoltSdühne«nd Jnzendbewegunq. Mittwoch, den 30..-bendZ 7 Ubr. findet w der Aula de- KS&nsschcn Kvinn-isiumS. in der Iiiselftiaize. eine öfienillche Versammlun-, Natt, in der Dr. Neltriepke. wcneralsekretär der Volksbühne E. B. Arthur Krämer.(Veit Stcnk. Adols Koch u. a. über daS Thema„Volksbühne und Jugendbewegung- sprechen werden. Alle Jugendlichen sind eingeladen. Ttaatsoper. In der Violetta-Aufführung fingt am DienStaa die Tiielpartie Fräulein Rosalia Gorikaje, Mitglied der Staats-aladeuuscheu Oper)« Petersburg .