HbenSausgabe Nr. 248> 40. Jahrgang Ausgabe L Nr. 123
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokrat» fcben parte» Deutlcblands
Die pariser Kammersihung.
Paris . 29. Mai. (WTB.) Nachdem Tardieu mit der Forderung noch akttoeren Borgehens geschlossen hatte, ergriff Ministerpräsident Poincore das Wort, um Tardieu in Widerspruch zu setzei� mit seinen früheren Reden und Zeitungsartikeln. Er sagte, Tardieu habe verkmgt, man hätte im Ruhrgebiet im Mai den Belagerungszustand proklamieren müssen. Tatsächlich b e st e h e dieser Belagerungszu- stand fest Beginn der Besetzung. Di« Regierung habe es für nützlich gehalten, ihn Deutschland nicht anders zu notifizieren, als durch die Realität d«: Tatsachen. Tardieu habe seit mehreren Monaten alle Handlungen der Regierung verurteilt. Er— Poincare— würde glauben, sich einer An klag« auszusetzen, wenn er nicht das Gefühl hätte, für das Wohl seines Landes zu arbeiten. Entgegen der B«- hauptung Tardieirs müsse er feststellen, daß die Besetzung des Ruhr- gebiets viele Monate hindurch sorgfältig vorbereitet worden sei. Wenn man nicht von Anfang an die Besetzung streng durchgeführt habe, so sei das geschehen, um der deutschen Regie. rung die volle Verantwortung für ihre Handlungen zu überlassen. und um nicht die Reparationstommission bei Feststellung der Der- fehlungen zu behindern. Aus dem rechten Rhcinufer hätten die Erlasse Ron Anfang an Gesetzeskraft bekommen, aber aus dem linken Rheinuf-b sei die Rheinlandkommission nach dem Friedens- vertrag« alleinige Herrin der Entscheidung. Wenn man nicht vorsichtig vorgegangen wäre, würde man heut« größte Schwierigkeiten haben. Tardieu habe ferner behauptet, man habe fünf Wochen gelvartet, ohne das Ruhrgebiet e t n z u- kreisen; das fei falsch, denn am 25. Januar sei das erfolgt. Was die Kohlenvorräte anbetreffe, seien Tardieus Behauptungen nicht viel richtiger. Die Ausbeutung sei sorgfältig vorbereitet worden. Die Vorräte hätten erst in kleinen Mengen abttansport werden müssen, damit die deutschen Industriellen ihre Aushäusung nickst hätten verhindern können. Di« Organisatton sei regelmäßig durch, geführt worden. Poincare erinnert alsdann daran, daß im Jahre 1919 Marschall Avch einen okkupaklonsplan für die Ruhr ausgearbeitet habe. Das fei geschehen in dem Augenblick, m dem Deutschland noch nicht entwaffnet gewesen sei. Bier Jahre später sei die Entwaffnung zum größten Teil durchgesührH man hätte also n i ch t n ö t i g gehabt, die Truppenmeng« aufzubieten, die Tardieu verlange. Würde man das getan hoben, hätte man «ine Jahresklasse mobilisieren müssen, was 100 Millionen Kosten verursacht hätte. Weiter erklärte Polncarö. daß'die militärischen Mittel, die man im Ruhrgebiet anwende, genügend feien, und daß Tardieu selbst, wenn er die Ruhr besetzt hätte, nicht zur Mobilisierung einer Jahresklasse geschritten wäre. Poincare sprach dann über die Rede de« Abg. Herriot am letzten Freitag. Darüber sagt« der Mimsterpröstdent, der Abg. Herriot hätte die Errichtung eines Zolltordons in den Rheinlanden einer Besetzung des Ruhrgebiet » vorgezogen. Diese Methode, die von England und Bel« gien zurückgewiesen worden sei. wäre vollkommen wirlungs- tos gewesen.(Abg. Herriot: Dann hätten wir die Zölle«innehmen können.) Pomcarc«erwiderte schnell: In Papier mark, das ist nicht da,, wo» wir nötig haben. Vergessen Sie nicht, daß Belgien und England vorher vom Mimstrrprästdenten Brian d verlangt haben, daß dieser Zollkordon aufgehoben würde.(Lriand bestätigt das.) Hätten Sie also vorgezogen, daß ich mich von Belgien trenne, um die Ruhroktion zu verhindern? Abg. Herriot gibt sich großen Illusionen hin, wenn er glaubt, daß man sich weiter aus alliiert« Verhandlungen hätte einlassen können, wie die im Januar in Paris . (Herriot bleibt dabei, daß das Memorandum vom 11. Januar die Tür osscngelassen habe für eine spätere Verständigung.) Poin» care fährt fort, Sie lasten immer die Diskussion auf der Pariser Konferenz außer acht. Wir wollten durch ein neue» Moratorium den deutschen Wider- stand nicht ermutigen. Der Abg. Herriot habe verlangt, daß die Ruhraffär« vor dem Winter ein Ende sind«, da er das Ende der Kohlenlager befürchtet. Er(Poinoare) teil« diese Befürchtungen nicht, denn man habe Mittel gefunden, um die Läger a u s z u> füllen. Er glaube nach den der Regierung aus Deutschland zugekommenen Nachrichten, daß der Widerstand des Deut- schen Reiches jetzt seinem Ende entgegengehe. (Abg. Cachin: Das hat man immer während des Krieges gesagt!) Poincare erwidert«: Aber wenn man auf Sie gehört hätte, der Sie immer verlangten, daß wir frühzeitig verhandeln sollten, wo wären wir jetzt? Wir haben die Deutschen während de« Krieges bekommen, wir werden sie auch jetzt haben, Wenn Deutsckd land seinen Widerstand fortsetzen will, dann sind wir bereit, auch unsere Operationen fortzusetzen. Es wäre nicht gut, Deutsch- land zu sagen, daß wir gespalten sind, und je mehr wir jetzt un- geduldig sind, um so weniger beeilt Deutschland sich. Es muh wissen, daß wir. so lang« es nötig ist, warten können. Man hat gesagt, Deutschland muß kapitulieren: dieses Wort erschreckt mich nicht, es ist auch gor nicht deplaciert gegenüber einem Gegner, der widerspenstig ist. Deutschland muß.zahlen, was es schuldig ist. Nur die unter dem Druck getrofsenen Maßnohmen können die Regelung der ganzen Angelegenheit erleichtern. Zn Deutschland gibk es vielleicht eine Partei, die die Pslicht Deuischiands, zu zahlen, anerkennt. Dies« Partei ist aber sehr schüchtern und wankend und unterliegt ihren eigenen Bedenken. Bevor wir auf ihren Bei- stand zählen, ist es bester, aus uns selbst zu zählen. IVU haben die Utopisten auf die deutscher Soziaidemokra.ten gerech- rtti. Was haben sie verhindert? Ich wünsche, daß es viel« Deuts-be gäbe, die Freund« der Gerechtigkeit und de, Friedens sind, aber wir selbst werden uns die Reparationen verschossen müssen. Abg. Herriot erklärt« darauf, daß er für die Ruhrkreditc stimmen werde. Cr bleibe davon überzeugt, daß es inter. «ssant für Frankreich wäre,«inen Kontakt mit den deutschen Demokraten zu suchen, indem man diesen Deutschen zeige, daß man, wenn man Frankreich h�lse, sei»-! Remraiionen zu erlangen, sie in ihren Emanzipalionsbestrebungen uMcrstützen werd«. Tie Abstlinmnng. Im ganzen haben bei der Abstimmung außer den Sozialisten imb Kommuinsten zehn bürgerliche Abgeordnet« gegen tzie Rührt redite gestimmt, nämlich drei Sozialifttsch-Raditale, dar-
unier Abg. Hennesty, vier Radikale,«in Mitglied der demokratisch- republikanischen Linken, der ehemalige Unterstaatssekretär Albert Favre sowie zwei Abgeordnete, die keiner Partei angehören. Nach 11 Uhr abends war die. Sitzung beendet. Eine Pariser Eca-Meldung besagt, da? von Poincare gefor- derte Vertrauensvotum fei nicht mit 505 gegen K7, sondern mit 481 gegen 75 Stimmen angenommen worden.
„Oeuvre" gibt von der Stimmung innerhalb der Parteien folgendes Bild: Die äußerste Recht« befand sich zwischen ihrem Elemencismus und Poincarismus in einer sehr schwierigen Lage und enthielt sich jeder Stellungnahm«. Die Linke folgt« dem Duell zwischen Poincare und Tardieu als Zuschauer. Di« Leute des Bloe national zeigten sich im allgemeinen recht flau gegenüber Poin- care, für Tardieus Erklärung, der Mißerfolg im Ruhrgebiet sei darauf zurückzuführen, daß die Operation oder die Operationen zu weit geführt worden seien, waren sie ihm dankbar. Trotz oller Anstrengungen konnte Poincare nicht den gewünschten Enthu- siasmu» entfachen. Im übrigen zeigt sich die offiziell« Press« mit dem Er- folg, den Poincare gestern errungen Hot, außerordentlich zufrieden. Herve schreibt in der„Victmre", auf dem Gebiet der äußeren Politik könne Poincare nicht geschlagen werden. Er sei um so unoerwunddarer, al» im Grund« genommen der Präsident der Repu- blik auf seiner Seit« steh«. Sein« inner« Politik dagegen sei an- fechtborer und leichter zu treffen, da er sich andauernd weigere, sich zwischen der Politik Herriot » und C a i l l a u x' und der Politik des Aloe national zu entscheiden. Tardieu habe ihn auf dem Boden angegrissen, wo er nicht zu schlagen ist. Der„Figaro" findet begeistert« Töne über die gestrigen Aus- führungen- Poincares. Die Kammer hat'« begriffen, daß es leicht fei, in einer fo großen Operation, wie sie von Frankreich feit vier Monaten in friedlicher Weis« durchgeführt wird, Irrtümer am Anfang und Fehler im Verlauf der Aktion festzustellen. Sie Hab« den großen Wert des bereits erreichten Refultats anerkannt und die bewundernswerten Anstrengungen desjenigen de- griffen, auf dessen Schultern die Verantwortung für eine derartig« Aktion liegt._ Die üeutsche Sondierung in London . London , 30. Mai. (EE) Die„Daily Mail" meldet: Auf dl« Bitte des Reichskanzlers Dr. Euno hatderDirektordervarm- ftädter Bank in London Besuche gemacht, um eine Fühlung- nähme in der Reparattonsftage herzustellen. Er hatte auch Ne- sprechungen mit der industriellen Gruppe des Unterhauses. Man hat den Eindruck, daß er greifbare Anregungen machte. Er kehrte noch Berlin zurück, um dem Reichskanzler Bericht zu erstatten. Deutschland will im eigenen Lande 100 Millionen Pfund Sterling aufbringen, um damit Frankreich , Belgien und Italien die Rc- parationen zu bezahlen. Der deutsche halboffizielle Abgesandte hatte auch eine Anzahl von Besprechungin mit den höchsten Londoner F i n a n z autoritäten. Man hat die Hoffnung, daß«ine wirk- liche Grundlage für Besprechungen mit Deutschland geschaffen werden kann. Der deutsch « Botschafter in London . Dr. St Homer, hatte gestern eine Besprechung mit Lord Curzon . Einem Vertreter der Reuter-Agentur teilte die deutsch « Botsckzaft mit. daß man von einer deutschen Abordnung, die noch London kommen sollt«, um mit der englischen Regierung in der Reparationssrage zu verhandeln, nichts wisse. Der Botschafter meint, daß Deutschland sein« neuen Vorschläge i« der nächsten Woche bekanntgeben werde. Der englische Botschafter in Berlin , Lord d'Abernon, trifft heute in London «in. » Londou, 30. Mai. (WTB.) Der diplomatisch« Berichterstatter des„Daily Telegraph " schreibt, sowohl in britischen als auch in deutschen amtlichen Kreisen werden die Bericht« nachdrücklich in Abrede geestllt. wonach Erörterungen zwlschen den beiden Regierungen und ihren Botschaftern entweder in London oder in Berlin stattgefunden hoben. Di« britisch« Reigerung Hab« «» von Anfang an klargelegt, daß sie alle derartig« Unterredungen ablehnen werde, fo daß keinerlei Schritt« in diesem Sinn« von Berlin auch nur versucht wurden.
Dollarftanö unveränüert. Die Aussagen des Reichsbankpräfldenten im Ausschuß des Reichstages, die zwar die Industrie wesentlich entlaste- t e n(I), aber deutliche Hinweis« aus spekulative Au»- schreitungen an der Börse enthielten, haben die Devisen. spekukation etwas eingeschüchtert. Man rechnet mit der Möglichkeit gelegentlicher Attacken der Reichsbank gegen die hohen Devisenkurs«. Infolgedesien zeigt« sich heute ein« gc-- wisse Berslauung am Markte der ausländischen Zahlungsmittel. Der Dollar stellte sich gegen Mittag auf 59 2 00. Auf der Grund- lag« der ermäßigten Kurse zeigt« sich jedoch im Hinblick aus die erneut» Steigerung des Dantnotenumlaufe» der Reichsbank um weitere 474 Milliarden Mark auf 7587 Milliarden Mark wieder ein größeres Interesie für Devisen. Allerding» blieben dl« Kurse im wesentlichen unverändert. Die amtliche Devisennotierung zeigte schließlich«ine geringe Steigerung gegenüber den gestrigen Kursen. Am Essektenmorkt« gab es bei Eröffnung des offiziellen Ber- kehrs ebenfalls ein« leichte Abschwächung. Im weiteren Verlauf wurde jedoch die Tendenz wieder fester und es traten neu« Kurssteigerungen aus der ganzen Linie ein.
poincares Mehrheit. Die ursprünglich gemeldeten Abstimmungsziffern über die Vertrauensresolution für PoincarS haben nach späte- ren Meldungen eine kleine Korrektur erfahren. Danach würde die Regierungsmehrlzeit nur 481(statt M) betragen, die Oppv- siiton sich um 8 Stimmen auf 75 vermehrt und etwa 60 Ab- geordnete Stimmenthaltung geübt haben. Die Tatsache, das; außer den Sozialisten und Kommunisten eine Schar von linksbürgerlichen Abgeordneten in aktiver oder passiver Oppo- sition den Trennungsstrich zu der Regierung nicht verwischen will, ist an sich nicht gleichgültig. Dennoch bleibt die Regie- rungsmehrheit so erdrückend, daß es gänzlich verfehlt wäre, sich über die Festigkeit des Kabinetts Poincarä irgendwelchen Illusionen hinzugeben: in au'zenpolitischen Fragen, namentlich in der Ruhrbesetzung, kann sich das Ministerium auf die u n- bedingte Gefolgschaft einer ungeheuren Parlaments- Mehrheit stützen, die über die Massen des Nationalen Blocks hinaus bis tief in die Reihen der Radikalsozialisten reicht. Und, obwohl sich die Stimmung des französischen Vol'kes feit den letzten Wahlen zweifellos wesentlich verändert hat, dürfte auch in den Massen der Wähler eine starke Mehrheit die Politik der militärischen Gewalt an der Ruhr gutheißen. Ob in den Fragen der inneren Politik das Kräfteverhältnis ebenso günstig für die gegenwärtige Regierung ist, muß dagegen stark bezweifelt werden. Das hat neuerdings die empfindliche Ohr- feig« bewiesen, die der Senat durch die Ablehnung der Strar- Verfolgung der Kommunisten dem Senat versetzt hat, sowie die zehnfache Wahl des eingekerkerten Führers der Matrosen» meuteret vor Sebastopol, Marth, in zehn Pariser Vororten, wobei der Nationale Block nur in einem Falle versucht hat. einen Gegenkandidaten aufzustellen, und auch dort vergebens. Gustave ijerv6 dürfte schon das Nichtige getrosfen haben, wenn er heute in der„Victoire" schreibt, Poincar6 sei auf außenpoli- tischem Gebiete unverwundbar. Der Ausgang der gestrigen parlamentarischen Kraftprobe war ans zwei Gründen von vornherein nicht zweifelhaft: Einmal hatte Poincarci es sehr geschickt verstanden, die Bewilligung der Ruhrkredite mit einem allgemeinen Ver- trausnsvotum zu verknüpfen, so daß sich diejenigen, die gegen I h n gestimmt hätten, zugleich auch di« finanziellen Mittel zur Fortführung der Ruhroperation abgelehnt haben wür- den. Die ohnedies sehr schwachmütigen Nadskalsozialisten, die est Januar stets erklärt haben, daß sie für die Ruhrkredits chon deshalb stimmen würden, weil die„Ehre" der französi- chen Trikolore auf» Spiel gesetzt sei, wurden dadurch wohl oder übel gezwungen, ein Vertrauen auszusprechen, das sie inner- lich gar nicht empfinden. Ferner ist Poincarä aber auch der Umstand zugute ge- kommen, daß er gerade von Tardieu angegrissen wurde. Dieser ehrgeizige Politiker, der in den Kreisen der Lin- ken allgemeiner Antipathie begegnet, wirft Poincarä seit i»her und besonders seit Beginn der Ruhraktion vor, daß seine Poli- tik Deutschland und den Alliierten gegenüber noch viel zu schwach sei. Im Bargleich zu Tardieu ist Poincarä in den Augen der Linken noch immer der vernünftigere Mann, das kleiner« Uebel. Es ist ungefähr so � um einen Vergleich an- zuwenden, der natürlich nur in einigen Punkten stimmt—, wie wenn die Regierung Cuno Gegenstand eines heftigen Angriffes der Hergt, Helfferich und Mulle wäre: würde die deutsche Sozialdemokratie dann für eine Vertrauenerssolution zu- gunsten des Reichskabinetts stimmen, so wäre damit noch lange nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie sich für die Regierung Cuno begeistert oder daß sie auch nur innerlich zu ihr Ver- tra-en empfindet. Die Debatte selbst hat eigentlich keine wesentlichen Momente zutage gebracht. Sie war vielmehr eine rein per- sönlicheAuseinandersetzung zwischen Tardieu und Poincarä. für die nicht einmal die große Masse des französi- schen Volkes Interesse hat, und die deutsche Oesfentlichkeit erst recht nicht. Etwas mehr Beachtung verdienen die Ausführungen Poincaräs gegenüber Herriot , der wieder einmal einen schüchternen Versuch unternahm, die Kammermehrheit davon zu überzeugen, daß es doch zwei Deutschland gibt und daß Frankreich zumindest versuchen sollte, sich mit demjenigen Teil Deutschlands zu verständigen, her die Pflicht der Wieder- gutmachung anerkennt. Was Poincarä darauf zu erwidern wußte, beweist nur, daß er über die deutschen Verhältnisse sehr mangelhaft unterrichtet ist. Er wirft der deutschen Sozialdemo» k r at i e vor, daß sie„schüchtern und wankend" sei. Glaubt er etwa, auf die Sozialdemokratie rechnen zu können, um eine Kapitulation Deutschlands herbeizuführen, dann werden feine Hoffnungen ebenso wenig in Erfüllung gehen, wie die Erwartungen jener französischen Spießer, die, um das bs- rühmte Wort von Iauräs zu gebrauchen, auf das„Zusammen- wirken der s ch w a r z e n Kolonialtruppen Frankreichs mit den roten Truppen Deutschlands " rechneten. Herr Poincarä müßte mindestens ebenso gut wie wir wissen, warum die deutsche Sozialdemokratie im Unglückssommer 1914 nicht im- stand« war, den Ausbruch des Krieges zu verhindern: Es war eben darum, weil die französisch? Republik unter seiner Führung mit der reaktionärsten Militärmacht der Welt, dem russischen Zarismus auf Tod und Leben verbunden war. Und mögen über die Schuldfrage vom Juli 1914 die Ansichten noch so verschieden sein, über die S ch u l d f r a g e vom Januar 1928 gibt es in der deutschen Sozialdemo- kratie nur eine Meinung: das möge sich gerade Herr Poin- c a r ä gesagt sein lasten!