Zukunft eine Selbstverständlichkeit ist. Auch hier ist es die Aufgabe der Neichsregierung, das Selbstverständliche rascheste ns zu verwirklichen. Cuno und Becker, mit Hermes im Hintergrunde, können auf der Grundlage des Schreibens der Industrie der Entente und im besonderen Frankreich jetzt ein begründetes An- gebot machen, dessen Rahmen die deutschen Sachwertbesitzer selbst vorgczeichnet haben. Auf Forderungen und Bedingungen der Interessenten hat sie nicht zu hören, denn ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit ist es, für das WohlderGesamt- h e i t zu sorgen. Wir brauchen wirtschaftliche Klarheit, sie ist nur teuer zu erkaufen, aber sie muß bezahlt werden. In den breiten Massen des Volkes ist der Wille zum Staat uner- fchütterlich. Will man ihnen aber, statt Hoffnung zu geben, Elend zulegen und sie in der Hölle unserer Not eine Stufe weiter rücken lassen, dann kann es kein Halten geben. Industrieangebot und Noten werden nicht die Not des Tages lindern, die wir erleben. Deswegen find die Fragen der goldwerten Steuern und der Wiedergutmachung Sorgen der nächsten Woche. Das Elend, das der neuerliche Marksturz über uns gebracht, muß morgen und übermorgen durch ausreichende Lohn- und Gehaltser- h ö h u n g e n abgebremst werden. Hunderttausende, ja Mil lionen von Müttern wissen in diesem Augenblick nicht mehr, wie sie Donnerstag und Freitag Brot für den Mann und Milch für die Kinder kaufen und bezahlen sollen. Darum: heraus mit den Devisen, her mit den vor dem Steuererheber ver- steckten stillen Reserven, nehmt von den Auslandskontenl Es ist Sturm im Lande. Wir wissen, daß Hunger und Elend keine Erzieher zum Sozialismus sind, mürbe gewordene Pro- letarier sind nicht Klassenkämpfer für eine durchdachte Weg- fühnmg in die Zukunft. Weil sie die ganze Zukunft und den Staat wollen, deswegen verlangen die Massen heute stürmisch ausreichende Existenz. Es muß ihnen Gehör ver- schafft werden._. n-- Reichswehr und Republik. Einige für die Reichswehr unerquickliche Feststellungen macht unser Parteiorgan in Schwerin „Das freie Wort". Wie erinnerlich wurde vor einiger Zeit in Hamburg-Altona ein Putschplan aufgedeckt. Nach Bekanntwerden der Machen- schaften wurden im Wehrkreis H Stettin wesentliche Veränderungen vorgenommen. Unter anderem übernahm oie Führung der Infanterie General v. Ledebur, bisher Kom- Mandant in Breslau . Seine erste Tat war, wie unser Schweri- ner Parteiorgan mitteilt, daß er die neu einzustellenden Sol- baten nur im M o n a r ch i st e n b l a t t, den„Mecklenburger Nachrichten", suchte. Seit der Uebernahme des Kommandos durch den General fympachisieren einzelne Soldaten öffentlich mit Völkischen, Ehrhardt-Lieder werden von der Reichswehr gesungen. Im übrigen zeigt folgendes, vom Ad- jutanten des Generals Watter , Hederich, an den aus der Hamburger Affäre bekannten Generalmajor a. D. H e l l f r i tz gerichtete Schreiben, wie es bei den neuen Militärs im Wehr- kreis II aussieht: Berlin , 27. April 1323. Hochverehrter Herr General! Bei meiner Anwesenheit in Breslau erfuhr ich vorgestern, daß als 2. F. nach Schwerin der bisherige Kommandant von Breslau , General von Ledebur versetzt sei. Ich habe durch unsere Bveslaner Bekannten, besonders auch durch meinen dort tätigen Bruder, erfahren, daß Herr General von L. stets außerordentliches Verständnis für unsere Sache gezeigt hat und die Zusammenarbeit mit ihm und seinen Organen die denkbar beste war. Im Auftrage des Herrn v. W. er- laude ich mir Ew. Hochwohlgeboren auf diese Tatsache aufmerksam zu machen und anzuregen, recht bald mit ihm in Fühlung zu treten. Abgesehen von der bekannten Zusammenarbeit könnte es auch viel- leicht dem Neuaufbau in Mecklenburg dienlich fein. (v. Waldow wird selbst die Verbindung haben.) Von unsern Berliner Dekannten wurde uns heute mitgeteilt,
daß ein Apotheker Pfaff, Lübeck , Sandstr., der„was hinter sich haben will" und Anschluß sucht, sehr gern mit maßgebender ört- licher Stelle von uns in Verbindung kommen möchte. E' will dies schon früher einmal versucht haben. Vielleicht ergründen Herr General bald mal, was daran ist und erfassen ihn evtl.(Graßmann erl. 2. ö. 23. tz.) Das Schreiben betr. Pollack erhielt ich eben, ich werde die Sache wunschgemäß erledigen. Vielleicht haben Herr General die Güte, Herrn V. zu bitten, sich den 11. Mai frei zu halten, an diesem Tage wird hier in Berlin eine Tagung a la Stuttgart sein, eine Einladung er- geht in diesen Tagen an die Teilnehmer.(Gleich beigefügt.) Mit der Versicherung der vorzüglichsten Hochachtung bin ich mit gehorsamsten Gruß Euer Hochwohlgeboren sehr ergebener Hederich, Die eingeklammerten Stellen des Briefes stammen von Hellfritz. Von Waldow ist ein Schweriner Generalstabsoffi- zier, G r a ß m a n n ist der Bataillonskommandeur in Lübeck . Aus dem Schreiben selbst geht hervor, daß zwischen den Völkischen und dem Reichswehrkreis II auch heute noch Ver- bindungen bestehen, über die Nachforschungen anzustellen, Pflicht des Reichswehrministeriums ist. Die oben angesiihrten Tatsachen geben zu den schwersten Bedenken Anlaß.
Der sozialdemokratischen Landtagsfraktion war m den Derhand» ! langen über die Besetzung des Innenministeriums u. a. die Stellung ! eines ehrenamtlichen Ministers, der im Kabinett nur b e- rate nue Stimme haben sollte, angeboten worden. Sowohl dieses „Angebot" wie das, die Kraft- und Wirtschastsfragen unter einem sozialdemokratischen Dirigenten entweder im Arbeitsministerium olm im Innenministerium bearbeiten zu lassen, wurde von unserer Fraktion mit Recht abgelehnt. Die sozialdemokratische Fraktion veröffentlicht folgende Er- klärung: „Die sozialdemokratische Fraktion stellt fest, daß die beiden anderen Koalitionsparteien ihr den Einfluß in der Stoatsleitung nicht einzuräumen bereit sind, den sie nach dem Maß ihrer Ver- antwortung vor dem Volke und nach ihrer Stärke bean- spruchen muß und der auch von den beiden anderen Parteien grundsätzlich als berechtigt anerkannt worden ist. Unter diesen Umständen ist die sozialdemokratische Fraktion nicht in der Lage, sich weiterhin an der Regierung zu beteiligen."
Drei punkte...
Die„Rote Fahne " veröffentlicht in ihrer Sonntags-Aus- gäbe den Wortlaut der in der Kammersitzung vom 29. Mai von C a ch i n verlesenen Erklärung zur Ruhrpolitik der ftan - zösischen Regierung. Da heißt es im Schlußsatz des von der „Roten Fahne" wiedergegebenen Textes: „Von Hunger und Arbeitslosigkeit getrieben, fetzten sich die Ar- beitermossm in Bewegung, um die Schieber und. Kapitalmagnaten zu bekämpfen. Cuno bittet Sie nun, sich mit ihm zur Niederwerfung dieser Arbeiter zu vereinigen... Wir sahen all diese Folgen der Ruhrbesetzung voraus." An jener Stelle, wo die„Rote Fahne" drei unscheinbare, harmlose, nichtssagende Punkte druckt, steht in dem französi- schen Original dieser Erklärung, so wie es in der„Huma- nit6" vom 39. Mai veröffentlicht wird: .3m Augenblick, in dem die Kommunisten Miseren Truppen in den Straßen von Gelsenkirchen Ovationen darbringen, werden Sie aus Regierungssolidarität mit Herrn Cuno die ftanzösischen Soldaten auffordern, daß sie sich in den Dienst der Ruhrkapitalisten stellen, die bereits dies« Mitwirkung gegen die Arbeiter verlangen? Sie über- nehmen in dieser Stund« eine gefährliche Verantwortung." Warum hat die„Rote Fahne" diese Stelle ihren Lesern vorenthalten? Sollte ihr etwa das Zeugnis Cachins, wonach die Kommunisten in den Straßen von Gelsenkirchen den fran- zösischen Soldaten Ovationen dargebracht haben, unbe- quem sein? Sollte ihr die Art, wie der große Revolutionär Cachin an die nationalistischen Instinkte der reaktionären Kammer des„Nationalen Blocks" appelliert, unangenehm sein? Zumal in einem Augenblick, wo man sich als die ein- zigen entschlossenen Gegner des ftanzösischen Imperialismus und Militarismus hinstellt im Gegensatz zu den„Sozialoer- rätern", die im Bunde mit Cuno und Stinnes die Kapitulation vor Poincar6 und Loucheur vorbereiten. Da druckt man lieber drei kleine Punkte und denkt sich: es wird schon niemand darauf kommen!
Bmtsnieüerlegung Keils. Sluttgarl, 4. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Der Arbectsmimster Genosse Keil ist entsprechend dem Beschluß der sozialdemokratischen Landtagsftaktion von seinem Amt zurückgetreten. Zentrum und Demokraten wollen den Versuch einer Minderheitsregie- rung machen. Sie erwarten von der Sozialdemokratie ein« ab- wartende Haltung. Nach Lage der Verhältnisse dürfte sich diese Erwartung bald als falsch herausstellen.
Die üeutschvö'lkische firmee. Prahlereien oder Putscherei? München , 4. Juni. (Eigener Drak�bericht.) Eine wertvoll« Ergänzung über die Umtriebe und die Organisationen der National- aktiven in Bayern bringt heute die„München «? Post", der von wohl- unterrichteten Kreisen aus Tirol folgende Mitteilung zugeht: An- läßl'ch des Streiks des Deutschnationalen Handlungsgehilfenver- bandes in Innsbruck , der politisch ganz im Fahrwasser der Nationassozialisten segelt, fand zur Ausbreitung der Hakenkreuzler- bewegung vor kurzem in Innsbruck eine Reihe von Zusammen- künften und Beratungen statt, wobei Informationen über die„Bor- bereitungen in Bayern ", vor allem über die Organisationen der sogenannten Vaterländischen Kampfterbände gegeben wurden. Die Führer dieser Kampfgemeinschaft seien Ludendorff und Hitler . Ludendorsi trete aus politischen Gründen weniger in die Oeffentlichkeit. Die militärische Agentur sowie die Stoatsleitung hätte ein Generalleutnant von Tutschek. Bei der Oberleitung befind» sich auch«in Bureau, in dem Stammroller, aller wehrfähigen Männer angelegt werden. Die Daten hierzu werden von Staatsangestellten geliefert. Di« nationalaktiven Der- bände sollen in Deutschland SO Regimenter zu 10000 Mann ausstellen, pon denen 18 in Preußen, 4 in Bayern , 7 in Sachsen und Oberschiesien, je 5 in Baden und Württemberg , 3 in Pommern , 3 in Thüringen und 5 in den Nordseeprovinzen sich bilden sollen. von den vier Regimentern in Bayern sei Rr. 1 in München komplett aufgesielll. Nr. 2 sei für Rosenheim . Nr. 3 für Augsburg und Tit . 4 für Armiken bestimmt. Rr. 2, 3 und 4 seien erst im Entstehen be- grissen. Waffen und Ausrüstungsgegenstände stünden genügend zur Verfügung. An der Spitze dieser Regimenter stehen ehemalig« Offiziere, die zu den maßgebenden Faktoren der Reichswehr gute Beziehungen hätten. Di« politische Leitung habe die Nationalsozialistische Partei. Die deutsche Regierung sei offiziell nicht zu haben für die Sache, jedoch hätte man immerhin durch Mitglieder der Deutschnationolen Partei eine ständige Fühlungnahme. In ganz Denlschland seien schon gegen 200000 Mann vorbereitet. Tutschek ist auch insofern eine interessante Persönlichkeit, als«r offenbar auch den Verbindungsmann darstellt zwischen Hitler und Kahr , von denen es doch hieß, daß sie miteinander vollständig verfeindet seien. Seite an Seite mit Kahr reist Tutschek nämlich in der letzten Zeit in Bayern herum und macht in vater- ländischer Agitation für den Bund Bayern und Reich, dessen Bor - sitzender Kahr ist. Es ist also vollständig klar, daß die Fäden zwischen Kahr und Hitler hinter den Kulissen sehr eifrig fortgespvnnen werden. Das Reichswehrmimsterium teilt zu der Meldung der„Film- BZ.", daß dem Fridericus-Rqr-Divektor vom Ufa-Palast am Zoo das E. K. Il und die österreichische Tapferkeitemedaille verliehen worden sei, mit, daß Ignatz Wilhelm als Oesterreicher die Tapser- keitsmedville bereit; feit 131S und das E.K. überhaupt nicht besitzt. Wir fragen: Woher stammt die Meldung in der„Film-BZ"? Und: Wie kommt es, daß das Reichswehrministerimn so vorzüglich über den Fridericus-Rex-Direktor Bescheid weiß?
Der Ruf nach dem hunö. Bon Karl Fischer. Früher hörte man häufig von dem Ruf nach dem Kind, der sich schließlich zum Schrei nach dem Kind verschärfte� Wenn einer Dame der sogenannten guten Gesellschaft ein kleines Malheur passiert war, dann sagte man: sie hat ihre Selbst- ftändigtcit geltend gemocht und sich ein Kind gewissermaßen aus eigenen Kräften angeschafft, ohne lange auf einen legitimen Ehe- aalten zu lauern. Kmn aber so eine kitzliche Geschichte be, einem Madchen aus dem Volk« vor, dann konstatierte man gerechterweise kurz und bündig: Schweinebande! Früher gab es— ach was hatten wir nicht ftüher alles für Herrlichkeiten— unter den vielen vertrackten Polizeiverordmingen, die sämtlich mit: Verboten ist! anfangen, auch eine, die praktisch und probat war. Sie stellt« unter Straf«, wenn die Hunde den Burgersteig beschmutzten, und ordnete an, daß sie dieses Geschäft auf dem Damm zu besorgen hätten. Das war nicht nur nützlich, sondern auch notwendig, denn in der seinen Gegend, wo jeder einen Hund hielt, ebenso wie man ein Dienstmädchen und Zentralheizung haben mußte, und wo man am Morgen die lieben Hunde auf die Straße führt«, war der Bürgersteig so— besetzt, daß man oft nicht wußte, wie man es machen sollte, um dem Schmutz aus dem Wege zu gehen. Und weil diese Polizeiverordnung gut ist, hat man sie auch m unsere Zeit mit hinübergenommen.— Die Geschichte ist freilich nicht ganz ohne Schwierigkeiten. Wenn ein Hund nicht gerade zur Gattung der klugen Hunde gehört,— wir hatten ja auch Hans, das kluge Pferd— dann weiß er natürlich nicht, daß er sich nicht auf den Bürgersteig setzen darf, sondern sich gefälligst auf den Damm zu dem Geschäft zu scheren hat. Nun ist zwar die 5>errin des Hundes gehalten, dafür zu sorgen, daß dieser sich im entscheidenden Augenblick auf den Damm setzt. Aber die kümmert sich meistens den Deibel darum. Sie wartet eine Weile, bis sie glaubt, nun ist es lange genug und der Hund seine Last los und ledig, dann ruft sie den Hund, geht in die Wohnung zurück, und die Possanten können ja sehen, wie sie vor Schmutz die Füße setzen. Solch eine gleichgültige und unachtsame Herrin eines Hundes war dieser Tage von einer Frau beobachtet worden, die auf ihrem Wege schon mehrmals— ausgeglitten und daher in Wut geraten war. Sie machte einen Sipomann darauf aufmerksam und forderte, daß er einschreite. Indessen, die Herrin des Hundes hatte die Gefahr, die ihr drohte, gerochen, sie rief ihren Hund und verschwand um die Ecke. Allein der Hund, wie Hunde nun so sind, hörte nicht auf Frauchen, sondern hatte ganz andere und wichtigere Dinge auf der Straße zu sehen und zu suchen. � Da lockte der Sipomcmn den Hund, lieblich und liffig, und siehe da, der Hcmd kam wirklich schweifwedelnd zu dem Hüter der Ordnung.
Der aber faßte mit festem Griff nach dem Halsband des Hundes, griff sich die Hundemarke, schrieb die Nummer in sein dickes Notizbuch und ließ den Hund dann wieder laufen. Die Herrin des Hundes wird mm der Strafe nicht entgehen, da in die Liste des Magistrats eingetragen ist, wem der Hund mtt dieser Nummer gehört. Dieser Sipomcmn war ein gewandter imd geistesgegenwärtiger Beamter, und der Herr Polizeipräsident sollte ihn ball» zum Ober- Wachtmeister befördern. Aber diese schnell zugreifende Tat des Beamten sollte auch Sinnbild und Symbol dafür sein, wie man in aller Ruh« und mit Sicherheit, ohne Aufwand von viel Kraft und Zeit, die Rechts-' bolschewisten und Linksbolschewisten, die immer wieder die Republik beschniutzen, beim Kanthaken kriegen kann. Die Herren Deutschnationalen und Kommunisten pflegen bei diesen Attentaten im Hintergrund zu bleiben und andere, die, ebenso wie di« Hunde nicht wissen, um was es sich handelt, zu diesem Geschäft vorzuschicken. Wenn sich bei Gefahr die deutschnationalen und kommumsttschen Helden um die nächste Ecke verkrümeln, soll man sie ruhig laufen lassen und einen der andern— Hunde sich heranholen, die nicht wissen, was sie tun. Ebenso wie man nach der Steuermarke des Hundes den Herrn herausfindet, wird man auch bei den andern Hunden aus untrüg. lichen Zeichen schließen können, wer eigentlich an der Schweinerei schuld ist und den Schuldigen, trotzdem er sich, in Gefahr geraten, so kühn rückwärts konzentrierte, unter Strafe stellen können. Das ist entschieden ebenfalls praktisch und probat, und der republikanische Bürger wird in Zukunft davor bewahrt bleiben, in deutschnationalen und kommunistischen Dreck zu treten.
lieber ethnologische Reiseergebnisse aus Mittelamerika berichtete auf Einladung der Gesellschaft für Erdkunde Dr. Walter Leh- mann im großen Hörsaal des Kunstgewerbemuseums. Der Redner brachte eine solche oerwirrende Fülle von Material und Völker- namen, daß viele Hörer es vorzogen, nicht zu folgen, und während des Vortrages den Saal verließen. In Lichtbildern sah man den Urwald Costaricas, dieses undurchdringliche Durcheinander, auf das sich den größten Teil des Jahres Regen ergießt. Man sah Palmen in den verschiedensten Formen und dos Hochland mit feinen Bergen, die die Schneegrenz« erreichen. Mächttge Vulkane ragen im südlichen Mittelamerika gen Himmel, und eine prächtige Aufnahme zeigte einen Kratersee. Charakteristische Waldbildungen haben ein park- artiges Ausseben, und der dortige Sommer ist von dem unseren sehr verschieden, denn die Sommorlandschaft zeigt entlaubte Bäume. Man erblickte aus der Leinwand«inen Indianerhäuptling mit dem Zeichen seiner Würde, einem Stab. Auch wurde man mit einer reinen Indianerin aus Honduras bildlich bekanntgemacht. Sie beherrschte noch, wie der Redner sagte, eine schon aussterbend« Sprache. Die Indianerin von heute trägt sich etwas stark theätta- lisch. Alles in allem aber erliegen die Indianer immer mehr und mehr dem demoralisierenden Einfluß europäischer Kultur. Bei den Ausgrabungen wurden in den Gräbern reiche Funde, namenttich von Goldsachen, gemacht. Einen großen Teil dieser wertoollen Gegenständ« besitzt unser Musrnm für V ötterf nnd«. In alten
Zeiten betrachteten die Bewohner Mittelainerikas das Suchen nach Gold als einen heiligen Brauch, der bei ihnen irgendwie mit dem Sonnenkult zusammenhing. Sie erzielten wunderbare Vergoldungen unter Anwendung gewisser Pslanzensäuren. Man gewahrte im un- crschöpflichen Formenreichtum bei technischer Vollendung Gesäße in krokodilartigen Formen, Menschen mit dämonischen Gesichtern und Klangvlatten, Eidechsen aus Gold, ein Fledermausmotto(das man auch im Antillengebiet und in Venezueto wieder antraf), Scheiben, die Kolumbus als Spiegel erwähnt, usw. Im südlichen Mittel- amerika und im westlichen Indien bemerkt man vielfach die gleichen Einflüsse. Steinköpfe mit reicher Frisur fand man hingegen aus- schließlich bei Ausgrabungen im Hochland von Costarica . Während bowlenartige Gefäße, bei denen das Truthahnmotto verwendet wurde, mexikanischen Einfluß zeigen. Und da ist es uns interessant, daß die Iungazteken, die der Allgemeinheit am bekanntesten sind, nur während eines kurzen Zeitraumes tonangebend waren, e. d. Die ftelen Berufe und die Umsatzsteuer. Der finanzpolitische Ausschuß de» vorläufigen Reichswirtschaftsrats überwies die ihm vom Reichsfinanzministerium zur Begutachtung vorgelegten Ent- würfe einer Reihe von Verbrauchssteuern, deren Steuersäg« an die Geldentwertung angepaßt werden sollen, einem Arbeitsausschuß zur Ueberprüfung. Er nahm dann«inen Ausschußbericht über die Besteuerung der Autorenrechte entgegen und faßte dazu den Beschluß, daß die Angehörigen der freien Be.» rufe von der Umsatzsteuer zu befreien seien, so- weit ihr Einkommen aus schriftstellerischer, künst- ierischer oder wissenschaftlicher Betätigung her- rühre, mindestens feien aber für die Umsatzstcuerpflicht von Leistun- gen, welche Angehörige freier Berufe unter Verarbeitung von Material ausführen, Ausnahmebestimmungen zu schassen, die bei der Ermittlung der Höhe des Umsatzes den Materiolwert berück- sichttgen. Hoffentlich haben die entscheidenden Stellen ein Einsehen und beseitigen wenigstens die Auswüchse der Steuergesetzgebung, die direkt kulturfeindliche Wirkungen haben. Zu den größten Unge- heuerlichkeiten auf diesem Gebiet gehört es, daß die freien Schriftsteller von dem Erlös ihrer Arbeit nicht nur Einkom- men-, sondern auch Umsatzsteuer(und zwar vom Brutto- Ertrage!) zahlen müssen, während die meist besser situierten, fest besoldeten Schriftsteller von der Umsatzsteuer befreit sind. Der hochentwickelte Stand der deutschen krüppelsürsorge ist vor einigen Tagen auf einem Iubilüumstongreß der Nieder» ländischen Orthopädischen Vereinigung unter dem Präsidium von Murk Jansen- Leiden verhandelt worden, und dieser Kongreß ist wohl der erste Versuch, die inter - nationale Wissenschaft wieder zusammenzu- bringen. Es waren erschienen aus England: Sir Robert Jones, Liverpool ; aus Frankreich : Dr. Calot, Paris : aus Amerika : Prof. Albe«, New Pork; aus Deutschland : Prof. Biesalski, Berlin-Dahlem ; aus Oesterreich : Prof. Lorenz und Prof. Spitzy, Wien ; aus Italien : Prof. Putti, Bologna . Di« Verhandlungsgegenstönde bezogen sich am ersten Tage auf rein orthopädisch fachwissenschaftlich- Fragen; am zweiten Tage be- richtete jeder der Redner über den Stand der Krüppelsürsorg« in seinem Lande. Der außerordentlich hohe Stand der Krüppelfüv-
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