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g u n g und Versöhnung zu predigen, so bitter schwer und fast unmöglich man es ihnen auch machte. Wer aber will die Verantwortung dafür übernehmen und welche Perspektiven tun sich für die europäische Menschheit auf, wenn diese Politik der Verständigung Schiffbruch erlsidet? Es ist höchste Zeit, an den Verhandlungstisch zu treten mit dem ehrlichen Willen, die Atmosphäre zu entgiften, die Gegen- sätze auszugleichen, klare Bahn für ein friedliches Zusammen- leben der Völker zu schaffen. Möge der neue Schritt Deutsch- lands in diesem Geist von der Welt aufgenommen werden! » Die deutsche Note wird den fremden Regierungen am Donnerstag überreicht und am Freitag veröffentlicht.

Sensationsgereüe. DieNeue B e r l i n e r Z e i t u n g", ein ausschließlich von Sensationen liebendes Presseuntsrnehmen, bringt heute einen Aufsatz über die Haltung der Sozialdemo- k r a t i e, der nicht anders dann als albernes Gerede bezeichnet werden kann; danach soll sich in der Partei ein Umschwung" vollzogen haben und ihrAbfall" von der Re- gierung sich vorbereiten. Jeder politisch Unterrichtete weiß, daß die Sozialdemo- kratie gegenüber der Regierung Cuno seit jeher eine völlig unabhängige und durchaus kritische Haltung einge- nommen hat, so daß es für sie keinesUmschwungs" und keinesAbfalls" bedarf, um zu einer solchen Haltung zu ge- langen. Es ist daher barer Unsinn, von einer völligen V e r- ü n d e r u n g in dem Verhalten der Sozialdemokratischen Partei zu reden. Ebenso ist auch die Behauptung, daß Genosse Dr. H i l- f e r d i n g mit der Industrie über ihr sogenanntes Angebot verhandelt habe, aus der Luft gegriffen.

Der Nlarksturz. (Fortsetzung von der ersten Seite.) Bankier Loeb: Selbstverständlich haben die Devisenkäufer nicht auf Heller und Pfennig soviel Devisen angeschafft, als sie jeweils brauchten. Unter dem Gesichtspunkte der Depots in den Banken vor dem Kriegs, die alle auf Goldmark lauteten, sind die Devisenvorräte der beiden Banken jedoch gering. Auf den Einwand des Genossen Robert Schmidt, daß man früher doch nur den unmittelbaren Bedarf an Devisen gedeckt habe, daß man aber heute Devisen kaufe, um sein Geld anzulegen, während das vom Standpunkt der inneren Wirtschaft aus besser in wertbeständigen Anleihen geschehe, weiß Bankier L o e b nur zu er- widern, datz für Importeure, Grossisten usw. keine andere Möglich- keit bestünde, ihren ausländischen Geldverpflichtungen von Saison zu Saison nachzukommen. Er muß aber zugeben, daß es auch Kun- den gegeben hat, die überhaupt keine Geschäfte bettieben haben und dennoch ihre Gelder in Devisen anlegten. Den Bestand an ausländischen Noten in Deutschland schätzte Bankier Loeb vor einem halben Jahre in einer Unterhaltung mit Keynes auf ein­undeinhalb Milliarden. Er glaubt auch vor einer Ueber- schätzunq der Devisenbestände bei dem einzelnen warnen zu müssen, da die Zahl der Privatpersonen, die über die nötigen Goldmark ver- fügten, um Devisen für sich zu erstehen, doch recht gering sei. Von der Existenz ausländischer Markverwertungs gesell- sch asten, die mit Hilfe deutscher Banken auf dem Umweg über ausländische Devisenbestände Mark b eleihungen vorgenommen haben, was die Reichsbank verhindern wollte, ist Bankier Loeb nichts bekannt. Er kennt lediglich ausländische Markverwertungsgesell- schasten, deren Aufgabe darin besteht, deutsche Effekten, Grundstücke usw. für im Auslande befindliche Markbeträge zu erstehen. Auch als Genosse Hertz seine Frage näher präzisiert und die Londoner Firma Mortimer, Diggs u. Cy. nennt, die bei Wprozentiger Devisendeckung zehn Milliarden Mark auf mindestens drei Monate bei einem Zinssatz von 7 Proz. monatlich in Mark verleiht, erklärt Herr Loeb, daß ihm diese Firma unbekannt sei. Genosse Robert Schmidt fragt, ob nicht die Dermuhmg nahe- liege, daß die privaten Geldinstituke von der Reichsbank große Kredite sich gewähren ließen und ihre Verpflichtungen dann erst mit ent- werteter Mark abgegolten und auf diese Art große Verdienste ein-

geheimst hätten? Ob es demgegenüber nicht richtig gewesen wäre, den Diskont der Reichsbank erheblich zu erhöhen. Präsident Häven st ein gibt als außer Zweifel stehend zu, daß Devisen mit von der Reichsbenk gewährten Mitteln gekauft worden seim. Er bestreitet aber, daß mit einer starken Herauftetzung des Diskont- fatzes den nachteiligen Folgen hätte wirksam gesteuert werden können. Ein schärferes Mittel als die Diskonterhöhung sei die Eindämmung der Kreditgewährung gewesen. Genosse Robert Schmidt erkundigt sich dann nach der Art und Weise der Buchführung der in den Devisenverordnungen vorgesehenen Kon- trolle der De Visenbeschaffung, welche Verfehlungen dabei nachgewiesen, welche Besttafungen erfolgt wären. Staatssekretär T r e n d e l e n b u rg gibt zu, daß bei der Handhabung der allen Devisenverordnung eine Reihe von Ver- fehlungen festgestellt worden und Bestrafungen erfolgt stnd. Auf Grund der neuen Verordnung, die bekanntlich den Kreis der melde- Pflichtigen Firmen und Geschäfte erweitert, durch Einbeziehung der Devisenbanken und der mit Handelskanimerbescheinigungen ver- sehenen Finnen liegen Besttafungen noch nicht vor und sind bei der Kürze der Zeit auch noch kein- abschließenden Ersahrungen ge- sammelt worden. Genosse Hertz beantragt, daß von dem Leiter der Deviscnbeschaffungsstelle dem Ausschuß eine Liste der Ramen der verfehlenden Firmen und ihre Bestrafungen unterbreitet werden. Gegenüter Bedenken des Vorsitzenden und des Ausschußmitgliedes Dernburg weist Genosse Hertz darauf hin, daß Verfehlungen gegen Gesetze immer öffentlich bekanntgegeben würden und werden müßten und daß selbst der Reichswivtschafts- minister Becker diejenigen, die sich solche Verfehlungen zuschulden kommen ließen, in öffentlicher Rede als Verbrecher bezeichnete. Der Ausschuß beschließt auch auf Drängen unserer Genossen, in seiner nächsten Sitzung die Frage der Devisenbeschaffung zu erörtern und sich entsprechend dem Antrage Hertz«ine Liste der verfehlenden Finnen und ihrer Bestrafungen vorlegen zu lassen. Er behält sich vor, ob diese Liste der Oeftentlichteit bekanntgegeben werden soll. Im weiteren Verlauf der Sitzung entspinnt sich ein Frage- und Anttonrtspiel zwischen dem deutschnationalen Herrn H e l f f e r i ch nick» dem Reichsbankpräsidenten H a v e n st e i n. Herr Helfterich versucht, die Stimmungsmomente besonders in den Vordergrund zu stellen, die gegen die Mark gewirkt Haiden, und bemüht sich um den Nachweis, der in der Grenadierftraße hellen Jubel erregen wird, daß die Mark doch fallen mußte. Zwischendurch läßt er sich von Herrn Havenstein immer wieder bestätigen, was er gesagt hat. Die erfreuliche Uebereinstimmung der Meinungen dieser beiden Männer wird nur einmal unterbrochen, als Genosse Schmidt mit einer Zwischenbemerkung auf den Widersinn der Behauptung Helfferichs hinweist, wi r hätten ja gar keine Inflation.

Czernin gegen Renner. Der sozialdemokratische Staatskanzler soll englische Besetzung verlangt haben. Die deutschösterreichische O«sfenllichkeit ist im Augenblick erregt durch den Angriff des Abg. Ezernin, des ehemaligen k. u. k. Außenministers, auf den Genossen Dr. Karl Renner und damit auf die Sozialdemokratische Partei. Ezernin hat nämlich im Nationalrat, als Genosse Renner gerade nicht anwesend war, be- hauptet, der englische Oberstleutnant Strutt habe ihn, Ezernin, schriftlich zu der Erklärung ermächtigt, daß Dr. Renner als Staats- kanzler die Besetzung Deulschösterrcichs durch englisch « Truppen verlangt habe. Genosse Otto Bauer ttat dieser Beschuldigung sofort scharf entgegen, und Genosse Renner erklärte in derArbeiter-Zeitung , daß Czernins Behauptung unwahr ist. In der Montagsitzung des Nationalrats erklärte Abg. Renner, bei dem Briefe des Oberstleutnants Strutt handle es sich wahr- scheinlich um boshaftes Gerede, bei dem Abg. Ezernin um eine Verleumdung der Sozialdemokraten. In Renners Unter- redung mit Strutt sei nur die Sicherung des Transports des Ex- kaifers Karl durch ein paar englische Soldaten zur Sprache gebracht worden. Das Schreiben Strutts müsse er für apokryph halten, denn er könne nicht annehmen, daß ein englischer Offizier auf Grund der Erfahrungen, die er mit ihm(Renner) gemacht habe, ihm vorwerfen könne, daß er zu seinem persönlichen Schutz habe Truppen hcreinrufen.ckoollen.(Das steht nämlich in dem Brief Sttutts an Ezernin. Red.) Das englische Osfizierspatent berechtig« niemanden, gegen die Polittk eines anderen Landes und gegen einen Regierungschef, mit dem er verhandelt habe, mit seinen Vorwürfen vorzugehen. Ezernin aber, der das Gegen-

Große Volksoper:Julius Cäsar ". Georg Friedrich Handels Vermächtnis an die Welt heißt Oratorium. Hier schuf er die Form und mit der vorbildlichen Form auch den Geist des weltlichen Oratoriums mit großen biblischen Er- eignissen als Thema, mit Volksschickfal als Träger der Handlung. Diese Oratorien waren dreiaktig wie die Oper und waren für die Bühne geschrieben. Handels eigentliche Opern nun, 4t) an der Zahl, wollten auch reformieren: da sie über London fast nicht heraus- kamen, so haben sie propagierende Kraft kaum zeigen können. In der Oper verschwindet der Chor Handels schönstes darstellerisches Mittel vollkommen. Sie besteht nur aus Rezitation und Arie, be- gleitet von Eembalo und kleinem Orchester. Di« Texte sind zum größten Teil erbärmlich, und schon daraus folgt, daß eine musik- dramatische Idee etwa im Sinne Glucks oder Wagners bei Händel ganz zurückgedrängt wird durch die Wirkung, den Ausdruck der Musik. Italiener zwar, verabscheute er die Schablone, und es ge- lang ihm, dank mKrhörter Einfälle der Phantasie, totfächltch im musikalischen Rhythmus, in der Musikgebörde und Melodie den be- sonderen Seelenzustand, die Physiognomie der Singenden zu ver- deutlichen. Zuweilen machen das kleine Farbennuancen, Tupfer der einförmigen Orchesterpalette, zuweilen macht es die Anlehnung an einen Tanz. Aegypter und Römer sind deutlich, Cleopatra und Cornelia nicht minder scharf von einander unterschieden, und in Cäsar spielen Liebe, Trotz, Macht, Ironie ihre eigenen musikalischen Roten aus. Rezitatton und Arie werden Träger von Wünschen, Begierden, Hoffnungen, Schicksalen. Es sind die vormeggenomme- nen Leitmotive des heutigen Musikdramas. In der Partitur zu Julius Cäsar finden sich derartige Betrachtungen und Gesänge in Fülle, in denen tiefstes Weh, maß- lose Trauer, sanfte Elegie wie aus der Musiksesl« selber heraus- klingen. Andras, wi« Schlachttus, Racheschrei, Liebe sw erben, ist auch einmal mit oberflächlicher, beqncmer Melodie rasch hingeworfen. Dem Pathos und der Ergriffenheit aber dienen Arien. Largos unn das aüsdrucksgeladen« recitstivo sccompagnatc» in so gewaltiger Sicherheit der Seelenschilderung, daß darüber die Stagnation des Dramas gern vergessen wird. Di« zwei bedeutendsten Stück« sind wohl der große Monolog der Cleopatra und besonders Casars Rezitativ an der Urne des ermordeten Pompejus:�Ima del eran Pompejo", Geist des großen Pompejus in Gis-Moll, durch 12 Tonarten hindurchgeführt bis.�s-Moll, auch technisch«in Meister- stück. Ein poetisches"Wort ist hier im rechten dramatischen Augen- blick zu einer Szene von zwingendem Gefühl geworden. Die vielen da capo-Arien sind melodisch nicht alle vollwertig, italienisch nach Bau- ort und Stil. Martelloto und Colocatur versuchen sich in den Dienst des Ausdrucks zu stellen, nicht bloßer Schmuck zu fein, nicht äußerer Zierrat. So sttömt eine Flut von Schönheit in dieser Liebesgeschichte (zwischen Cäsar und Cleopatra) aus uns ein. Ein Oratorium mit verteilten Rollen. Eine Szenenfolge, ein organischer Situation?- Wechsel, eine klug geordnete Erzählung. Das Drama selbst wagt sich nicht heraus," wirklich« Bewegung fehlt, auch dem Temperament

und dem handelnden Vorstoß wird durch Wiederholungen(in der Arie) Abbruch getan. Wir sind Zeugen psychischer Abläufe, nicht schauspielerischer, äußerlich vorgestellter Ereignisse. Die Einzel- nummer berückt uns, die Bindung zu einem Ganzen ist uns ent- rückt oder gleichgültig. Wort und Musik sind ineinander verkapselt, wenn der Lyriker schafft. Dem Dramatiker entgleitet der sttaf'e Zügel. Dielleicht sind wir durch das Musikdrama Wagners ver­wöhnt, vielleicht irregeführt. Ick) wag« zu bezweifeln, ob die Oper Händels dem Theater gerettet werden kann. Trotz der unerhört schönen Musik. Die Aufführung der Volksoper war im Barockstil geHallen: so wie Händel und seine Zeit Cäsar sahen, so sahen auch wir den Helden und seine reisberockte weibliche Um- gebung. Die Szene wurde durch eine Bühne auf der Bühne intim verkleinert, Arien wurden in bewußter Stellung vor dem Vorhang gesungen, hinter dem die nächst« Dekoration aufgestellt werden konnte. Das ganze Werk dauerte ein« Stunde lang. Sachlich der Kapellmeister H ö ß l i n, ausgiebig in der Farbe der Cembalist V. E. Wolfs . Und von den Solisten nenne ich an der Spitz« die beiden aus Oratoriengeist Stimme, Kraft und Haltung sammelnden Sänger Wilhelm G u t t m a n n(Cäsar) und Eleanor Schloß- hauer-Reynolds(Cornelia). Cleovatta, die dramatischste der undramatischen Rollen, wurde von Melanie Kurt groß und cm- feuernd gesungen, dem Ptolemäus des Magnus Andersen fehlt noch die Flottbeit der Eolvratur, Gunnar G raarud sang frisch den Nextus. Im ganzen konnte man mit der Einstellung des Ensembles auf«inen ganz entlegenen Stil zufrieden sein. Der ver- dienstvolle Bearbeiter Oskar Hagen war anwesend. Kurt Singer .

Die dumme Liebe" und die Berliner Kritik. In dieser Sommer-Singspielsaison, dachte ich, wäre es schwer, die bereits dar- gebotenen Dummheiten zu übertreffen: Der Sommerdirektion des Central-Theaters gelang es.Die dumme Lebe", ein Spiel mit Gesang und Tanz von Adolf Aldermann und Fritz L n n Z e r, aufzuführen. DiesesSpiel" erfordert ebensowenig wie jeder andere Sommerschmarren ein« kritische Auseinander- setzung. Wohl aber mahnt er an die Notwendigkeit einer Aus- «inandersetzung mit der Kritik. Seit Ial?rzehnten er- fordert es die traditionelle Unsitte, daß der Theaterkritiker.?war mit unerbittlicher Lupe ein literarisches Werk zu betrachten, ein Amüsier- stück dagegen mit einem verzeihend zugekniffenen Auge zu besuchen hat. Dieses Unrecht mag so lange seine Geltung haben, als das milde zu bebandelnde Amüsierstück seine Aufgabe erfüllt: nämlich, mit Geschmack zu unterhalten. Sobald es aber gegen diese Aufgabe verstößt, ist Milde des Kritikers ebenso ein Verbrechen am Publi- knm wie die Aufführung desSpiels mit Gesang und Tanz". Dem künstlerisch ambitionierten Kitsch erliegt der Durchschnittszuschauer nicht so leicht wie dem nur geschmacklosen. Der nachsichtigen Schwachheit des Theaterberichterstatters, der die Operette milder behandelt, weil sie angeblich weniger schädlich ist, hat man es zu verdanken, daß in diesem sommerlichen Berlin fast jede neue Operette tolpatschiger, dümmer, geschmackloser, sinnloser, ordinärer ist als die vorhergehende. Die Kritik hätte die Pflicht entweder die

teil von dem wisse, hätte als Mann von Ehre diese Dinge nick) wiedergeben dürfen. Renner warf schließlich dem Abg. Czernu vor, daß er wiederholt während des Jahres 1919 sowohl bei den tschechoslowakischen Gesandten in Wien als auch bei der interalliierten Generalen interveniert habe, um ein« B e> setzung Wiens herbeizuführen. Abg. Ezernin wies entschieden die Behauptungen zurück daß er sich den Brief Sttutts bestellt hätte und daß dieser Bries apokryph sei. Weiter bezeichnete er Dr. Renners Anschuldigunz als erlogen. Nachdem Abg. Genosse Seitz dargelegt hatte, daß die ganz« Beweisführung Czernins unhaltbar sei, war die Angelegenheit erledigt.

die fienüerung ües Groß-Serliner Gesetzes. Der Ausschuß des preußischen Landtages hörte in seine» gestrigen Sitzung die drei Landräte der Kreise Teltow , Ober- und Niederbarnim , den Oberbürgermeister B ö ß, sowie eine Reih« von Bezirksbürgermeistern als Sachverständige über di« Aenderung des Groß-Berliner Gesetzes an. Di« drei Landräte der Berlin benachbarten Kreise traten für die Aus- gemeindung einer ganzen Reihe von Landgemeinden, so u. a. Frohnau , Rahnsdorf , Friedrichshagen , Teile von Zehlendorf usw.«in. Dem traten Oberbürgermeister B ö ß, de« Stadtkämmerer Dr. Karding, wie die Bezirksbürgermeister ent- gegen. Ministerialdirektor Dr. Freund als Vertreter der Regie- rung wies darauf hin, daß das Gebiet Groß-Berlins auf Grünt des früheren Zweckverbandsgesetzes und auf Grünt der kommunalpolitischen Erfahrungen geschaffen sei, die zu diesem Gesetz geführt haben. Insbesondere gebrauch« Groß-Berlimzu seiner Entwicklung«inen ausreichenden Wald- und Sied- lungsgürtel auf eigenem Territorium. An dies« Vernehmung über die Frage einer eventuellen Aenderung des Ge- biets schloß sich weiter eine Aussprache über die Aenderung der augenblicklich so sehr umstrittenen Zuständigkeit zwischen Zentrale und Bezirken an. Oberbürgermeister Böß legte das Schwergewicht in seinen Ausführungen auf engere per- sonelle Beziehungen zwischen Magistrat und Dezirksbiirger- meiestrn. Von den Bürgermeistern betonte u. a. Scholz-Ehar- lottenburg, daß auch di« urfprüngliihen Gegner des Gesetzes Groß- Berliti sich der Tatsache nicht verschließen könnten, daß Groß- Berlin besteh« und einschließlich der Finanz- und Steuerhoheit der Zentrale erhalten bleiben müsse. In Betrackt kommen könne nur«ine solche Aenderung, di« klarere Verbältnisse und schärfere Abgrenzung der Kompetenzen der einzelnen Verwal. tungzorgane schaffe. Der Landtagsausschuß, dessen Sitzung sich über den ganzen Tag hinauszog, brach nach der Vernehmung der geladenen Sachverständigen di« Beratung ab und beschloß in einer in der nächsten Woche stattfindenden Sitzung über eine eventuelle Gebietsänderung, die keine Aussicht auf Annahme im Aus- fchuß hat. e n d g ü l t i g z u b« f ch l i« ß« n. Die weiteren Fragen werden kaimt vor Beendigung der Beratungen über die neue Städteordnung wieder aufgenommen werden.

Der Münchener Prozeß. München , 5. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Dos heutige Kreuz- verhör, dem der Angeklagte Fuchs unterzogen wurde, drehte sich vor allem um die Feststellung, ob Fuchs nach dem Willen Richerts für eine sofortig« bayerische Aktion einge- treten sei. Als Termin für diese Aktion war Donnerstag, der 22. oder spätestens Freitag der 23. Februar in Aussicht genommen. Als theoretische Vorbereitung dafür galt die Unterredung zwischen Richert, Fuchs und Machhaus, Meyer, Fridmann und Kauttcr in der Wohnung des Machhaus am 29. Februar abends. Hier wurde durch die drei letztgenannten Zeugen einwandfrei festgestellt, daß es sich für Richert und Fuchs darum handelte, daß Frankreich gerade im jetzigen Augenblick die bayrische Aktion dringend benötige. damit Unruhen in Mittel- und Norddeutschland entstehen, das Kabinett Cuno gestürzt werde und so der nationale Widerstand gebrochen werde. Dazu genüge schon die kleinste Aktion in Südbayern oder auch in München , aber sie müsse sofort er- folgen, später sei es nutzlos, denn inzwischen seien die Derttäge zwischen den großen Jnduftriekonzernen Deutschlands und Frank- reichs unterschrieben, wodurch die Regienmg Cuno sowieso erledigt werde.

Sommerspiclzeit zu ignorieren oder vor ihren täppischen Lächerlich- keiten zu warnen. Nein! Die Kritik ichmunzelt! Dann aber mögen die Sommerdirektionen die Referate bezahlen und die Rc- fcrenten sich als Jnserotencrgenten zu erkennen geben. Die üblichen Zehn vom Hundert des Inserats sind ihnen eh' zu gönnen. Es ist dasselbe Publikum, das durch Herbert Jhering , Berlins leidenfchast- liehen Theatsrkritiker, vor Sudermann und Sudermännern gewarnt wird im Winter, und das von Schulze und Müller in den Schund geschickt wird im Sommer. Wenn die Kritik die Aus- gäbe hat, Publikum und Theaderleitung zu erziehen, dann muß sie das Publikum vor dcm gesungenen Schund, der durch die Melodie gefährlicher ist, ebenso warnen wie vor dcm gesprochenen. Wenn aber Schulze und Müller es nicht tun, dann nehme sich Herbert Jhering selbst die Mühe. Von derdummen Liebe" im Eenttal- Theatcr ist(der Vollständigkeit halber) noch zu sagen, daß die Mc- lodien Victor Holländers besser sind als die Texte vielleicht, weil es schwer ist, in Melodien, die übrigens ent- und angelehnt sind, so greifbar geschmacklos zu sein wie in Worten. R tb. Die Abnahme des Storchs. Ueberall bei uns, in Preußen, Sachsen , Mecklenburg usw. ist eine Abnahme der Brutpoare unseres Storches festzustellen. Selbst in dem storchrcichen Ostpreußen geht die Zahl sehr zurück. Die Ursachen sind nach Ansicht des Breslauer Professors Pax verschieden. Die Abnahme der Strohdächer spielt mtt. Biel« Störche mögen aud) in Afrika am Genuß vergifteter Heuschrecken verenden. Zweifellos ist aber die Zahl der Srörche durch rücksichtslosen Abschuß stark vermindert worden: der Storch ist als Feind der Niederjagd erschienen. Es liegt also die Gefahr vor. daß dieser schöne Eharaktervogel unserer Landsdiaft ganz aus- stirbt. Erfreulicherweise ist der Storch jetzt auf die Liste der Bogel gesetzt worden, denen nicht mehr nachgestellt werden darf. » Ein unkerirdischer Fluß bei Lübeck . Durch zahlreiche Bohrun- gen im Lübecker Gebiet ist in neuerer Zeit festgestellt worden, daß tief unter der Trave ein Fluß mit zahlreichen Nebenflüssen mit dem Meere in Verbindung steht. Dieser unterirdische Wasserlauf ergießt sich in die Lübecker Bucht . Sein« Mündung in die Ostsee liegt 35 Kilometer weiter draußen als die oberirdische Mündung der Trave . Hier steht also das Grundwasser in dttekter Verbindung mit dem Meere. Je nach den Verhältnissen bewegt es sich ent- weder nach der See zu oder das Ostseewasser dringt in das unter- irdische Flußsystem ein. Dies« Entdeckung ist von großer praktischer Bedeutuna. Sie enthält die Erklärung, weshalb die Wasservcr- sorgung Lübecks nicht ausschließlich mit Hilf« des Grundwassers durchgeführt werden kann, da nur in ganz oberflächlichen Schich- ten genießbares Wasser vorhanden sst. Di« großen Wassermengen der Tiefe sind infolge ihrer Verbindung mit dem Meer« salzhaltig und daher unbrauchbar. Im Deutsche » Qpernbaus gastiert am Sonntag Mafalda Salvaiim als Martha inTiesland'. Alexander Kipnitz fingt DemncrSlag den Land­grafen im.Tannhäuser'. Deutsche Buchausstellung in MoSkau . Die Verhandlungen über die Veranstaltung einer deulschcn BuchauSitellung in Moskau find mit der ruifischen Vcriretiing in Berlin zum Abschlufi pcbracht worden. Die Aus- slellung. die gcisleSwisscnschasllichc. technische Lilcratur. Mufikbücher und Kunstblätter umsaßt, wird voraussichtlich Mitte Juli eröffnet werden.