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auf seinö einseitige Beeinflussung, d.h. auf das Fehlen diplo- matischer Beziehungen zwischen Frankreich und dem Vatikan während des Weltkrieges zurückzuführen gewesen sei. Jetzt stellen die Radikal-Sozialisten höhnisch fest, daß die Wiederaufnahme der Beziehungen zum Vatikan an der Dcutschfreundlichkeit" des päpstlichen Stuhles nichts geän- dert habe und sie werden sich dieses zugkräftigen Arguments gegen den Nationalen Block in ihrem Wahlfeldzug bedienen. Das ist der Zweck der Interpellation des radikal-sozialistischen Abgeordneten D u m e s n i l. Der Royalist de M a g a l l o n dürste umgekehrt die Schuld an dieser Stellungnahme des Papstes der Unfähigkeit des französischen Botschafters beim Vatikan I o n n a r t zuschreiben. Auf letzteren sind die Royalisten besonders wütend, seitdem er bei den Wahlen zur französischen Akademie dem geistigen Führer derNation Frangaise" M a u r r a s vorgezogen wurde. Nur sehr wenig Leute in Frankreich haben den Mut, den wahren Sinn und die wahren Ursachen des für die Ruhr- Politik Poincar6s so peinlichen Friedensappell des Papstes zu begreifen, nämlich die fortschreitende moralische Jso- lierung Frankreichs in der Welt. Das wagen, außer den S o z i a l i st e n, nur einige wenige pazifistische Katholiken, die sich um denchristlich-sozialen" Marc S a n g n i e r scharen. Letzterer hat ebenfalls eine Jnter- pellation eingereicht, in der er diese bittere Wahrheit der Re- gieiung und der Kammermehrheit auseinanderzusetzen beab- sichtigt. Aber er wird, wie bei früheren Gelegenheiten, als ein Prediger in der Wüste ungehört bleiben, wenn nicht gar als ein Ketzer niedergebrüllt werden, und dürste diesmal nicht einmal auf die Züstimmung der Radikalen rechnen können, denen der Antiklerikalismus als Wahlparole wichtiger ist, als die außenpolitische Vernunft. Nur die S o z i a l i st e n wer- den ihm beistehen, wie aus den vorstehenden Aeußerungen des Genossen B o n c o u r hervorgeht. So ergibt sich die etwas eigentümliche Lage, daß die ungeheure Mehrheit der französischen Katholiken im Gegensatz zum Papst steht, der Verständnis fast ausschließlich bei den papstfeindlichen So- zialiften findet..,_ Krisenftimmung in Paris . Konflikt zwischen Senat und Ffinanzminister. JJ a c i s, 30. Juni. (Cca.) Die Flnanzkommission der Kammer hak heute trotz der gestrigen Abstimmung der Sommer das zwei­jährigen Budget auch in der neuen Fassung der Regierung mit It gegen 7 Stimmen abgelehnt. Finanzminister de Lasteyrie erklärte, er werde hierüber im Senat die Vertrouenssroge stellen. Der Senat ist zu einer R a ch t s i h u n g zusammengetreten. Nach den ungeheuren Mehrheiten, die P o i n c a r 6 nach feinen letzten Reden im Senat und in der Kammer erhalten hat, kann sich dieser Konflikt kaum gegen ihn selbst richten. Vielmehr dürfte der Finanzministsr de L a st e y r i e, der meist eine recht unglückliche Figur in allen Budgetdebatten macht, das eigentliche Ziel dieses Vorstoßes der Mehrheit des Senats und der Minderheit der Kammer sein. Poincarss Senatsrede am Freitag ist von einer selbst bei ihm überraschenden Unversöhnlichkeit und Brutalität gewesen. Sie richtete sich scheinbar nur gegen Deutschland , aber der wahre Grund dieser Rücksichtslosigkeit dürfte das Pap st schreiben gewesen sein, dessen peinlichen Eindrnrck er durch eine rhetorische Gegenoffen- s i v e wettmachen wollte. Auch das ungeduldige Drängen der englischen Regierung auf eine etwas beschleunigte Ant- wort auf ihren Fragebogen glaubt- Poincarö durch eine derartige Fanfare beantworten zu können. Es hat ja keinen Zweck, zu verhehlen, daß diese Rede die Aussichten auf eine baldige friedliche Regelung des Ruhr- konflikts verschlechtert hat. Die beabsichtigte Wirkung dieser Rede ist eine weitere Zuspitzung der internatio- nalen Lage. Poincar6 will offenbar Zeit gewinnen, weil er auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch und auf den politi- schen Zerfall Deutschlands spekuliert. Ihm kommt es, wie

Laienmeöizin. Von Dr. med. Norbert Marx. In der letzten Zeit wird in vielen Betrieben, wie sich aus Zuschriften aus den K»eisen der Arbeitnehmer an unser Parteiblatt ergibt, Propaganda gemocht für die biochemischen Heilmethoden und es verlohnt sich, tn einem Arbeiterblatt einiges darüber zu sagen. Ich will gleich vorausschicken, daß. hier steine Lanze für die S ch u l m!d i z i n, wie sie an den Universitätm gelehrt wird, ge- brachen werden soll und daß uns deren ideellen wie ganz besonders materiellen Mängel, die sich besonders durch ihre enge Ver- bin düng mit der chemischen Großindustrie ergeben, wohl bewußt sind: aber diese zu große Mischung von Dichtung und Wahrheit, wie wir sie bei der Biochemie finden, muh im Volks- interesse zurückgewiesen werden. Di« Biochemie geht aus von der Zellulorpathologie Birchows, d. h. die einzelne Körperzelle wird als die Trägerin der Krankheit betrachtet: eine an sich unonfeclstbare Tatsache, die aber dahin er- gänzt werden muß, daß auch die Konstitution, die vererbt wird und die sozialen Einwirkungen, von denen ich schon in anderen Artikeln gesprochen habe, einen gewichtigen, wenn nicht, wie es den An- schein hat, einen entscheidenden Einfluß haben. Bor mir liegt die abgekürzte Therapie von Dr. med. Schüßler, 1922 erschienen, die nur so von nach meinem Dafürhalten für den Nichtmediziner unverständlichen Fachausdrücken strotzt, um so der ganzen Bewegung ein wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen. Es gibt nur 11 anorganische Heilmittel, die für alle Krankheiten genügen. Diese dürfen nur in den kleinsten Gatzen angewandt werden, da alles auf die Molekularbewegung in den Zellen ankommt. Das ist der Grundsatz, nach dem uns jeder Laie ohne jede anatomische und andere Vorkenntnis des menschlichen Körpers behandeln kann: denn so heißt es Seite 7. Die Moleküle treten durch dag Epithelium der Mund- und Schlundhöhle in das Blut und diffundieren nach allen Richtungen. Diese Erkenntnis, die in der gangen wissenschaftlichen Physiologie noch unbekannt ist, wird hier ohne jede Begründung als Glaubenssatz hingesetzt. Wenn also ein Mensch eine Ktankheit in der großen Zehe hat, braucht er nur das Possende von den 11 Salzen zu nehmen, und das kommt dann dorthin, wo es der Körper braucht. Daß bei dem Durchtritt durch andere Zellen, daß im Blute selbst eine chemische Verände. rung vor sich geht, wird nicht m Betracht gezogen. Am besten wird diese Heilbewegung durch Anführen von Bei- spielen aus ihrer Praxis illstustriert., Da heißt es S. 21: Exsudate und Transsudate. Eine Erklärung wird nicht gegeben, da die Sache ja jeder Laie kennt. Austritt von Faserstoff Kslciuw chloratum, Austritt von Ciweis Lalcama phosphorica, von hellem Wasser Matrum rnoniaticurn, bei Austritt von gelblichem Wasser dkatrum sulphoricum, Austritt von Schstleim, wieder Matrum rnoniaticurn. Mehr steht juckst in hjejem Kapitels hg ja wegen her. Einfachheit her

es scheint, hauptsächNch auf den innerpolstischen Prestigeersolg einer Kapitulation Deutschlands an. England sieht zwar den Wahnsinn dieser Katastrophenpolitik deut- lich ein, fühlt sich aber machtlos dagegen. Baldwin läßt alle drei Tage an Poincarös Tür mit der höflichen Frage an- klopfen, wann er endlich auf eine Antwort auf seinen Frage- bogen' rechnen dürfe. Die letzte Antwort Poincarüs war feine Scnatsrede, wonach Frankreichs Ruhrpolitik unverändert fortgesetzt werde, zumal sie dem Wohle der deutschen Republik diene,...! * Paris , 30. Juni. (Eca.) DerTcmps* beschäftigt sich in seinem heutigen Leitartikel mit dem, was er denAuftakt der Ver- Handlungen" nennt. Die Rede, die Poincare gestern im Senat gehalten hat, und die Aufnahme, die diese Rede im Senat gefunden Hat, hätten aufs neue bewiesen, daß Frankreich sichnichtausder Fassung bringen lasse. Im übrigen, so schreibt derTemps", hätten zwei Gefahren bestanden. Die erst« Hab« darin bestanden, durch Erschöpfung nachzugeben, und die andere darin, durch Nervosität zu übertreiben. Beide Gefahren habe die gestrige Debatte im Senat vermieden. Poincare habe den Standpunkt auf- recht erhalten, den die französische Regierung gemeinsam mit der belgischen Regierung«ingenommen habe. Aber in demselben.Maße, wie die französisch« Politik kein Nachgeben kenne, hielte sie sich auch von jeder Uebertreibung fern. Poincare habe mit Entrüstung den Vorwurf einer Eroberungspolitik zurückgewiesen. Man denke nicht daran, Deutschland zu zerstückeln. Im Gegentdil, der Satz Poincares:Die französischen Truppen verteidigen nicht nur den unterzeichneten Friedensvertrag, sondern die deutsche Repu- b l i k selber gegen die Folgen einer Verirrung" würde den deutschen Republikanern endlich die Augen öffnen.(Höchstens über die Ver- blendung Poincares, aber die haben wir schon längst erkannt. Red. d.Vorwärts".)_

die parchim-Märe geht nach Leipzig . Aus dem»eichsjustizministerium wird milgeteilk, daß der 0 b errei ch s a nw at t die llnlerfuchuug wegen des Mordes an dem Landwlrkschastscleven Malter S a d o w in parchim und die damit im Zusammenhang stehenden Zuwider- Handlungen gegen das Gesetz zum Schutze der Rcpublk an sich ziehen wird. Dieser Beschluß ist das Ergebnis einer Besprechung, die am gestrigen Nachmittag im Reichsjustizministenum stalt­fand und an der neben den Vertretern des Oberreichsanwaltzs auch Bevollmächtigte der Schweriner Staatsanwaltschaft und des Berliner Polizeipräsidenten zwecks gegenseitiger Unter- richtung über die bisherigen Ermittelungen teilnahmen. Es darf wohl der bestimmten Erwartung Ausdruck ge- geben werden, daß der Oberreichsanwalt von dem Recht leinen Gebrauch machen wird, das ihm der Z 13 Abs. 3 des Schutzgesetzes gibt, wonach er eine Untersuchung an die zu- ständige Staatsanwaltschaft abgeben kann. Wenn wirklich die Aufdeckung der Fäden und die Bloßstellung der Hintermänner des Parchimer Feme -Mordes erreicht werden sollen, so ist- es nötig, daß der Dberreichsanwalt und der Untersucbungsrichter beim Staatsgerichtshof die g e s a m- ten Ermittelungen selbst in die Hand nehmen. Nach all dem, was wir bisher über das Verhalten der Mecklenburger Justiz in diesem und in anderen politischen Berfahren mit- geteilt Huben, wird man es begreifen müssen, wenn wir be- sonderes Gewicht darauf legen, daß der Parchimer Mord restlos der Mecklenburger Atmosphäre entzogen wird. Jedenfalls ist diese Entscheidung zu begrüßen, die recht- l i ch eine Selbstverständlichkeit und politisch eine Not- wendigkeit war._ Die Fechenbach-Intcrpellaklon der sozialdemokratischen Fraktion im Reichstag steht als letzter Punkt auf der Tagesordnung vom Montag.' Es ist also anzunehmen, daß die Interpellation erst am Dienstag beraten wird. Von unserer Fraktion find als Redner die Genössen Dittmann und Radbruch vorgesehen.

Medizin sich jedes Wort erübrigt. Bei Nierenkrankheiten steht: Der Nierenentzündung entsprechen Rermon phosphoricum, Kaicium Chloratum und Natrum phosphoricum.(Notabene: Natrum ist in der Chemie unbekannt, wir lernen nur natriurn.) Den Eiweiß. harnen entsprechen Kali sulphoricum, Calcarea phosphorica, Kali phosphoricum und Natrum sumiatricum. Die begleitenden Symp­tome und die konstitutionellen Verhältnisse der betreffenden Kran- ken müssen bei der Wahl der Mittel den Ausschlag geben. Das Eiweißlasien nach Scharlach erfordert Kali sulphonicurn. Das ist alles über Nierenkrankheiten, eins der schwierigsten Kapitel der inneren Medizin: Kindbettfieber. Das spezifische Mittel dieser! Krankheit ist Kali phosphoricum. Zum Schluß noch etwas von der Tuberkulose. Da heißt es im letzten Absatz: Wie verhalten sich die Bazillen zu der Tuberkulose? Wenn Tuberkeln vorhanden sind, können Bazillen sich einfinden, um sie als Nahrung zu benutzen. Was für die Käsemilben ein alter Käse ist. das sind für die Bazillen die Tuberkeln. Nachdem durch Hunderttausende von Experimenten festgestellt worden ist, daß nur durch die Uebertragung von Tuberkelbazillen die Krankheit Tuberkulose entstehen kann, sie also eine ausge- sprochene Infektionskrankheit ist: nachdem das schon jedes Prole- tarierkind in dre Schule lernt, erlaubt sich die Biochemie mit päpst- licher Unfehlbarkeit zu erklären: Dt« Tuberkeln sind vorhanden, es können dann noch Bazillen dazu kommen. Das ist dasselbe, als wenn heute wieder die Kirche erklären wollte, die Erde steht still, die Sonne dreht sich um die Erde. Durch diese Kostproben, die nicht durch Sachkenntnis getrübt sind, die nur ein Gemengfel aus lateinischen Brocken darstellen, wird hoffentlich die noch urteilsfähige Arbeiterschaft erkennen, was die biochemischen Heilmethoden sind, ein zwar gut gemeintes, aber jeder objektiven Wissenschaft bares Vorhaben. Der Grundunterschied ist der, daß die wissenschaftliche Heilkunde die innere Ursache, die Biochemie aber nur die Symptome heilen will. Ein Beispiel mag ihre Schädlichkeit illustrieren. Ein Mensch hat Oedeme : der Laie nennt das Wassersucht. Die können kommen vom Herzen oder von den Nieren. Wie soll das der Laie, der in einem solchen Buch über Wassersucht nachliest, feststellen? Ein« sachgemäß« Behandlung kann hier aber nur nach einer genauen Feststellung erfolgen und die darf man von den Aerzten, wenn sie auch nicht allwissend sind, erwarten. Dann kann man nur allen urteilsfähigen Arbeitern zurufen: Hört, auf, euch nach Büchern selbst zu behandeln,- folgt nicht dem Rat eurer Tanten und Onkels, die auch mal etwas auf solch« Art geheilt haben: geht zum Arzt, von dem ihr glaubt, daß er euch Helsen wird und habt Vertrauen zu ihm.

MuseumSsührnng. Die nächste Flihnmg in derAbgußiammIung antiker Bildwerte in der Universität lgcöstnet Sonntag« 101, Montags'1,11'/, 2, Donnerstags 47) finde: am Donnerstag, den S. Juli, S Uhr statt.

Der Münchener Zememorü. Dr. Rüge verhaftet. München , 30. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Der politische Mord an dem Studenten Bau? geht seiner Aufklärung entgegen. Jetzt ist der bekannte Dr. Rüge unter dem Verdacht de? Anstiftung des Mordes verhaftet worden. Dieser Gang der Dinge mußte er- wartet werden', nachdem durch den F u ch s- M a ch H a u s- Prozeß bekanntgeworden ist, daß Baur kurz vor seiner Ermordung Privat. sekretär des Rüge war, in einer Zeit, in der dieser alle Vor- bereitungen für feineTscheka " traf, ganz nach dem Muster, wie er unter dem NamenGeheimrat Beiger" seinerzeit in Obcrschlcsicn ein« Organisation zur Beseitigung mißliebiger Persönlichkeiten ein- gerichtet hatte. Die Polizei verweigert einstweilen noch Auskunft über die Verhaftung des Dr. Rüge.

Sefchwerüe üer MünchenerDoft�abgewiefen München , 30. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Beschwerde des Verlags derM ün ch en er P o st" gegen das fünftägige Verbot (S. bis 10. Juni 1923) ist heute vom Oberlandesgericht ab- gewiesen worden. Bei dieser Entscheidung hat sich das Gericht auf den Standpunkt gestellt, daß in dem gegebenen Fall« die Vor- aussetzungen für die Anwendung des Z 1 der Notoerordnung gegeben sind, d. h. die Mitteilungen aus Tirol über die strafbaren Rüstungen und Mobilisierungen der Nechtsbolschewrsten in Bayern werden als eine Vorschublei st ungandie Franzosen betrachtet. Das ist um so sonderbarer, als Mitteilungen gleichen Inhalts vorher in einer Jnnsbrucker Zeitung veröffentlicht waren, dem Auslande also durch die Veröffentlichung derMünchener Post" gar nichts Neues gesagt wurde._ Was macht öer Solüatenschwüer? Vor kurzem haben wir schon darauf hingewiesen, daß der frühere Oberleutnant der Reserve H i l l e r , der während des Krieges in den Winterunbilden der Karpathen den Soldaten Helmhake buchstäblich zu Tade gemartert hatte und deshalb zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, bis heute diese Strafe noch nicht angetreten hat. Seitdem sind wieder zwei Wochen vergangen, aber das preußische Justizministerium hat sich bis heut« nicht bewogen gefühlt, auf jene mahnende Anfrage m der Oesfent- lichkeit sich zu äußern, und der verkommene Menschenschinder Hiller genießt anscheinend nach wie vor die Freiijeit. Aber auch ein anderer Fall scheint sich zum vollendeten Justiz- skandal auszuwachsen: die Angelegenheit des schießwütigen Herrn auf Petzow , v. Kähne. Die Potsdamer Strafkammer hatte es Anfang Juni fertiggebracht, die Einleitung des Hauptvcrfahrcns gegen Kähne wegen Erschießung eines jugendlichen Einwohners von Glindow auf seinem Grund und Boden abzulehnen. Der Staats- anmalt kündigte allerdings gleichzeitig an, daß er gegen diesen merk- würdigen Beschluß der Potsdamer Richter Beschwerde einreichen werde. Seitdem hat man nichts mehr gehört von dem Fall Kähne. Wir möchten daher auch hier an das preußische Justizministerium die Frag« richten: Ist diese Beschwerde erfolgt, und welchen Standpunkt hat die vorgesetzte Behörde eingenommen? Hält es das Justizministerium nicht für nötig, in diesen beiden Fällen nach dem Rechten zu sehen, wie es dringend geboten erscheint, und dem Dolksempfinden etwas mehr Rechnung zu tragen, als die preußische Justiz das bisher zu tun beliebte? Oder fühlt man sich auch in der Republik darüber erhaben?

Zritz Mler geht nach Lonüon. Wien . 30. Juni. (Eig. Drahtb.) Fritz Adler erklärte in der heutigen VertrauenSmännerbersammlung, daß er im August zu- nächst auf sechs Monate nach London zur Einrichtung des neuen Sekretariats der Internationale gehe. Er wird bei den Neuwahlen nicht mehr an erster Stelle kandidieren.

Enkeignuoz von Aloor- und Oedland. Der vorläufige Reichs- Wirtschaftsrat nahm einen von den Vertretern des La n d a r b e iter- verbandeS gestellten Antrag an, wonach die Regierung um baldige Vorlegung eines Gesetzes ersucht wird, nach dem Moor- und Oedland' zum Zwecke der Kultivierung gegen angemessene Entschädigung beschleunigt enteignet werden kann.

Die Grenze. Don Heinrich Minden, Dresden . Ein Zollhäuschen am Fahrweg, zwei oder drei Wächter davor. Ein Echlagbaum, etliche bunt bemalt« Pfähle. Irgendein Wogen, der anhält. Rings waldig« Umgebung. Di« Grenze.... Also hiev berührt sich Staat mit Staat. Auge und Verstand müssen die Einbildungskraft zu Hilfe nehmen. Diesseits Bäume, jenseits Bäume. Die nämliche Straße führt hinüber, ohne Unterbrechung. Nicht einmal ein Bach trennt die Gebiete. Weshalb da soviel aufhaltende Schwierigkeiten? Warum solch hochnotpeinliches Verhör, dies nicht endenwollende Taschendurch- stöbern? Sucht sich der Nachbar vorm Nachbar zu. schützen? Der Gegner vorm Gegner? Mitten in die friedliche Stille der fast un- berührten Landschaft trug Menschenwollen eine künstliche Schoidc- wand. Natur sonst, soweit das Auge schweift. Und diese Unnatir? Dennoch'---- ein Zauber umwebt die Grenze, der nirgendwo ander? zu finden ist. Knorrige Stämme formen sich zu einem Gehege von Spukge'stalten. Die Blätter der Buchen raunen von Schleichpfaden, Verstecken, von Abenteurern. Die Moos- bärte der Tannen und der lang herabwallende graue Bart des Försters scheinen sagenhaftes Alter zu künden. Buntfedcrn des Spechts und des Eichelhähers flimmern durchs Gezweig wie Fest- schmuck verwunschener Herrlichkeiten. Und der rotröckige Fliegenpilz lockt gleich einem glänzenden Irrlicht. In Knabenjahre»: war nttr die Grenze Magnet. Und ich bat meinen Vater allsommerlich, zum Ferienaufenthalt einen Ort recht nahe von ihr zu wählen. Dann blühten die Glockenblumen und meine Traumgebilde dicht nebeneinander auf taufrischer Wiese. Der- Abendhauch, der Morgenwind läutete sie. Ihr nimmermüder Ein- klang verriet tausendfältige Geheimnisse, niemals aber meinen Stolz über gepaschte Streichhölzer und durchgeschmuggelte Süßigkeiten. Die Lust war erfüllt von Honigduft, Bienen flogen von Blumen- ke'ch zu Blumenkelch. Und ich flatterte mit ihnen, vorbei am Zoll- wärterhäuschen, froh, leichtbeschwingt ins andere Land. Der Schlagbaum sollte mich schrecken, zurückhalten, hindern gar? Mir schien es, er hätte mich aus der heimischen Spielftube begleitet, Be- standleil meines Baukastens oder meiner Eisenbahn. Ich fragte damals nicht nach Paß und Paßgebühr, der Begriff Sichtvermerk hatte weder Sinn noch Bedeutung für mich. Nie und nimmermehr ahnte ich, welche Gefahren solche Schranke in sich bergen könnte. Mir war es unbekannt, daß es nur eines Krieges bedürfe, um sie tausendmal fester einzurammen, sie ins Ungemessene wachsen zu lassen. Nicht leicht trennt sich der Mann von trauten Kinderbildern. Indes: ich wollte jegliche Grenzlandstunden im Strom des Vor- gessens versenken, nähmen sie den Schlagbaum mit, an dem einst mein Jungenherz hing. Könnte ich freilich ein Märchenbuch schreiben: die Hand eines Künstlers müßte ihn mir mit farbigem Stift aufs Titelblatt werfen. DasDreimäderlhaus" in der Großen volksoper. DasDrei- mäderlhaus", ist so herzig, so rührwonnesam. Es greift einem ins Gemüt. So manche Träne kollerte von ergriffenen Wangen. Dies Singspiel hat eine besondere Note. Einmal hat es sogar ein deut, sches Parlament beschäftigt. Ms es einst Repertoirestück des Friedrich«