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Nr. ZSH 4H.?ahrgaüg

Seilage öes vorwärts

Vonnerstog, 5. �utt 192?

von üer Iran, Ohnmächtiges

In dieser Zeit, da die Not der Handarbeiter aufs höchste ge- stiegen ist, und die geistigen Arbeiter nahezu zermalmt werden, soll man auch einmal eine Stimme anhören aus Kreisen, die leider noch nicht in festen, kampffähigen Organisationen zusammengefaßt sind. Sie stehen als ohnmächtige Einzelexistenz den schweren Wirtschaft- l'chen Bedrohungen gegenüber. So sind oft die Lebensverhältnisse alleinstehender Frauen und Mädchen, die keine feste Beschäf- t i g u n g und auch sonst keinerlei Existenzmittel haben, besonders schwierig. Wie die Not der Zeit diesen nur noch vegitierenden Menschen fast jede Lebensmöglichteit nimmt, geht aus folgender Schilderurrg hervor: » Als Mitarbeiter an einem großen wissenschaftlichen Werk kam ich während des Krieges noch Berlin . Ich kam also in eine Stei- lung, die kewer vor mir innegehabt hatte, sondern die neu geschaffen worden war. Ende 1920 tauchte dann der Demobilmachungskom- missar in unserem Betrieb auf und erkundigte sich nach meinen Per- sonalien. Als Antwort auf seinen Besuch kam der Befehl memer sofortigen Entlassung und eine hohe Strafandrohung für den Verlag. Persönlich aber kam ich dadurch in das tieffte Elend: ich war nirgendwo arbeitsberechtigt, weil ich vorkrieglich bei einem Berlage beschäftigt wurde, der sofort bei Kriegsausbruch seine Spe- zialabteilungen einstellte. Einer anderweitigen festen Anstellung aber stand das Demobilmachungsgefetz entgegen.

Ein Hungerberuf. Ich blieb in Berlin , da ich doch beim besten Willen nicht in eine xbefiebige fremde Stadt fahren konnte, wo ich nicht einmal ein Zimmerchen bekommen hätte. Nun mache ich den Versuch, mich durch kunstgewerbliche und schriftstellerische Ar- b e i t e n zu ernähren. Kunstgewerbliche Arbeiten erfordern unbe- dingt eine Art Betriebskopital, das ich freilich nicht habe. Es ist außerordentlich schwer, von Geschäft zu Geschäft zu laufen und seine Sachen anzubieten. Die meisten Geschäfte sindreichlich versorgt" oderder betreffende Herr ist gerade nicht zugegen". Man kommt selten dazu, die Sachen überhaupt nur zum Ansehen vorzulegen. Hat man Glück, dann werden die Arbeiten in Kommission ge- ncmmen. Und wenn man eine Arbeit verkauft, ist womöglich eine andere, die sich durch zarte Farben oder empfindliches Material aus­zeichnet. derartig verstaubt, daß sie gänzlich unbrauchbar wurde. Am besten ist es noch, wenn manunter der Hand" verkauft. Dabei kommt nur der Bekanntenkreis in Frage, der immerhin ein kleiner und für kunstgewerbliche Arbeiten(Lesezeichen, Teepuppen, Kaffeewärmer. Silhouetten usw.) nicht allzu ausnahmefähig ist. Will man ihn geneigt machen, so muß man die Schaufen st erpreise unterbieten. Man hatdoch keine Ladenmiete und kein Per- sonal zu bezahlen" und dergleichen lchön« Dinge mehr werden einem unaufgefordert erzählt. Die schriftstellerische Betätigung ist noch das traurigste Kapitel. Alle Zeitungen reduzieren den Inhalt. Sa ift ein Existenzminimum nicht zu erreichen. Daher ist äußerste Einschränkung geboten. Bei einer Invalidin, die mir ihr Z i m m er gab und selbst in der Küche haust, fand ich Unter- schlupf. Ich bezahle dafür Miete, Licht und Feue- r u n g, soweit für mich die Kohlen erschwinglich sind. In den ver- ftossenen Wintern konnte ich mir hin und wieder einen Zentner er- lauben, in dem bevorstehenden Winter werde ich jedoch wohl voll- kommen auf die Heizung verzichten müssen. Dann ist schwer ar- beiten für mich, zumal ich doch alles zu Hause schaffen muß und nirgendwo Bureauräume sind, wo ich mich mal(bei der Arbeit) vor- übergehend auswärmen könnte. Eine Zimmerbeleuchtung können wir uns nicht erlauben. Di« Lichtrechnung setzt sich nur aus Kochgas zusammen. Meine Wirtin geht beim Dunkel- werden ins Bett. Ick) darf abends auch nicht arbeiten, weil ich dann nichx auf meine Kosten käme und nicht das Geld ein- nehmen würde, das die Beleuchtung ausmacht. Bon der Kriegs- hintsrbliebenenfürlorge meiner Wirtin fiel ein Sohn im Kriege war eine Dam« recherchierend bei uns. Die sagt« meiner Wirtin:

Sie allein steht. Durchhungern. 'Jeder sei sich selbst der Nächste, sie solle ihr Zimmer do ch an Ausländer vermieten." Alltag öer Not. Meine Wirtin kocht das Mfttagessen und dafür ißt si e mit. Wir essen viel Hülsenfrüchte, weil die nahrhaft und selbst ohne Fleisch und Fett schmackhaft sind. Sonnabends kochen wir uns zuweilen von einem Viertelpfund Fleisch Graupensuppe. Darm essen wir die Suppe Sonnabends, das Fleisch jedoch mit einer Tunke und ein paar Kartoffeln Sonntags. Früher haben wir uns mit Suppenwürfeln leidlich gut durchgeholfen, doch werden die jetzt auch unerschwinglich teuer. Gemüse. Kohl usw. essen wir fast gar nicht, weil es, ohne Fett zubereitet, kaum mundet'. An Fett kommt nur Margarine in unser Haus, weil Butter, Schmalz und Pflanzenfett zu kofffpielig sind. Abends und morgens essen wir mitunter Haferflocken mit Salz und Wasser an- gesetzt oder eine leichte Mehlsuppe zu unserem trockenen Brot, dann und wann essen wir mal ein« Marmeladestulle und höchst selten ein Stückchen Brot, das mit Margarine besttichen ist. Die hohen Fahrpreise machen mir das Leben sehr schwer. Für mich existieren Straßenbahn und Untergrundbahn einfach nicht. Will ich ein Manuskript unterbringen oder eine Teepuppe verkaufen, so muß ich oft stundenlang laufen. Die Einnahme ist eben zu un- gewiß, um neben dem Zeiwerluft auch noch Fahrgeld auf das Konto der Arbeit zu bringen. Mein« wenigen Schmucksachen, meine Bilder und meine Bibliothek habe ich fast restlos verkauft. Es ist fabel- Haft, was einem die Menschen zu bieten wagen. Aber wenn man kein Brot im Hause hat, muß man sehr oft etwas zu Schleuder- preisen weggeben. So bietet z. B. jetzt noch eine große Buchhandlung für ein unbenutztes Buch, das G)l)00 M. im Ver­kauf kostet, eintausend Mark im Einkauf. Etliche wissenschaftliche Bücher, für einen Fachgelehrten von großem Wert, habe ich sogar als Altpapier verkauft, weil ich mich dabei am besten stand. Meine Kleider habe ich mir immer wieder modernisiert und geändert, aus zwei Kleidern eins gemacht usw. Mein« Schuhe besohleich mir selb st, das heißt, ich klebe und nagele Gummi- sohlen darunter. Jedoch selbst die sollen nicht mehr zu bezahlen sein... -» Soweit die Schilderung, die einen tieferen Einblick in das furcht- bare und enffagungsvolle Dasein jener Frauen gewährt, die keiner festen Beschäftigung nachgehen und gewissermaßen Freiwild für jede Ausbeutung sind. Jeden Genuß der bescheidensten Art müssen sie sich versagen und sie sind lange darüber hinweg, eine Sache für lebensnotwendig und selbstverständlich zu halten. Selbstverständlich ist ihnen nur der Hunger. Oer Gegenstanö täglichen öeöarfs. Bon juristischer Seite werden un» m diesem heute besonder» aktuellen Thema folgend« bemerkenswerten Ausfithrungon gemacht. Kürzlich ging durch die Presie die Aufsehen erregende Mttei- lung, daß ein Berliner Gericht Sekt zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs gerechnet hatte. Das ist nichts Neues. In der SchriftDie Preisprüfungsstellen" vom Geheimen Regierungsrat Dr. Hans Stadthagen und Prioatdozent Dr. Götz Briefs(Beiträge zur Kriegswirtschaft, Heft 22/23, Verlag Reimar Hobbing, Berlin ) wird Sekt zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs im Sinn« der Preisireibereiverordnung vom 8. Mai 1918 gerechnet. Nach der Reichsgerichtsentscheidung Band 53 Seite 117 ist deutscher Schaum. wein Gegenstand des täglichen Bedarfs,weil er zu den Genuß- Mitteln feinerer Art gehört, die vorwiegend tn den begüterten Kreisen der Bevölkerung begehrt werden und in solchen Kreisen dem täglichen Bedarf dienen". Zu dem Verzeichnisse van Gegen- ständen des täglichen Bedarfs, welches das Reichswirffchaftsminist«- rinrn Ende März vorigen Jahres herausgegeben hat, wird bemerkt: Ob Sekt unter den heutigen Verhältnissen, wo für Kranke andere Stärkungsmittel, die ihn ganz oder teilweise ersetzen können, in

weiterem Umfange wieder zur Verfügung stehen, noch zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs zu rechnen ist, kann zweifelhaft fein." Immerhin hat sich das Berliner Gericht an die oben er- wähnte Reichsgerichtsentscheidung gehalten. Di« Verordnung gegen Preistreiberei vom 8. Mai 1918(RGBl. Seite 395) stellt den Preiswucher mit Gegenständen des täglichen Bedarfs unter Strafe. Rur körperliche bewegliche Sachen, nicht auch Grundstücke, Gebäude, Nutzungsrechte und dergleichen fallen unter die Preistreibereiverordnung. Als Gegenstände des täglichen Bedarfs find olle diejenigen anzusehen, für die in weiten Kreisen der Bevölkerung ein tägliches Bedürfnis vorliegen kann, das alsbaldige Befriedigung erheischt und eines Schutzes würdig ist. Gegenstände, die nur verbotenen oder nach allgemeiner Anschauung unsittlichen Zwecken dienen, wie z. B. Empfängnisverhütungs- oder Abtreibungsmittel, werden von der Preisireibereiverordnung nicht betroffen: ebenso nach einer Reichsgerichtsenffcheidüng nicht die Er­zeugnisse der Schmutz- und Schundliteratur(Juristische Wochenschrift 1922 Seite 302). Von Gegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne der Preistreibereiverordnung kann dann nicht gesprochen werden, wenn es sich nur um den Bedarf einzelner Personen handelt. Auch Genußmfttel von feinerer Zuoereitung, die vorwiegend von den begüterten Kreisen des Volkes begehrt werden, fallen unter die Gegenständ« des täglichen Bedarfs, wenn in diesen Kreisen täg- lich ein Bedürfnis nach ihnen vorliegen kann. Preiswucher ist gegen Arme und Reiche in gleicher Weise verboten. Nur reine Luxus- gegenstände, d. h. Gegenstände, die nach Auffassung der breiten Masse des Volkes entbehrt werden können, ohne daß dadurch die allgemeine Lebenshaltung wesentlich beeinträchtigt wird, gehören nicht zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs. Ebenso können Gegenstände, die an sich zu denen des täglichen Bedarfs gehören. diese Eigenschaft dadurch verlieren, daß sie aus besonders wertvollem Material hergestellt sind und daß sie«ine über den Gebrauchswert hinausgehende, insbesondere künstlerische Ausstattung erhalten haben, oder daß sse einen Liebhaber-, Altertums- ober besonderen Modewert besitzen. Dagegen macht der Umstand allein, daß ge- wisse Gegenstände infolge ihrer hohen Kosten und der Verarmung weiter Volksschichten für den größten Teil der Bevölkerung uncr- erschwinglich sind, sie noch nicht zu Luxusgegenständen. Wenn man sich daraufhin das vom Reichswirtschaftsministerium herausgegebeneVerzeichnis von Gegenständen des täglichen Bedarfs" ansieht, so findet man unter den mehr als taufend Positionen u. a. Altpapier und Automobil«, Bibeln und Bier, Champagner und Cocain , Damenbandtafchen und Drehstrom- Motoren, Fahrräder und Feigen, Gänse und Gebetbücher, Geduld- spiele und Gerstengrütze, Grammophon und Grog, Kalbslsberwurft und Kautabak, Klaviere, Kognak und Kölnisches Wasser, Liköre und Lokomotiven, Menstruationstee und Möbel, Mottenpulver und Mundharmonikas. Nachtgeschirre und Nähmaschinen, Pferdedünger und Prolinees, Rattenfallen und Rum, Särge und Sekt, Sport- zeitungen, Sprengstoffe und Sprit, Schaumwein und Schmieröl, Stacheldraht und Stallmist. Torten und Trüffelpralinees, Vieh und Voile, Weihnachtsbäume, Whisky und Wörterbücher, Zigarren, Zug- ochsen und Zylinderhüte. Es gibt also wenig Ding«, die nicht zu den Gegenständen de? täglichen Bedarfs zählen und daher nicht unter dem Schutze der Preistteibereiverorduung stehen. Und trotzdem blüht der Wucher. weil die schlimmste Benachteiligung breiter Schichten des Volkes am wenigsten durch Preistteibereigesetze und-Verordnungen zu fassen und well in den meisten Fällen die unbedingt notwendige Mit- arbeit des Publikums fehlt, ohne die alle Wucherbsbärden nahezu machtlos sind. A. M. Die Airkus-Krawalle vor Gericht. Im Lauf« der gestrigen Verhandlung richtete Rechtsanwalt Dr. Weinberg an den Zeugen Oberregierungsrat Dr. Weiß die Frage, ob es richtig sei, daß Staatskommissar Dr. Wcismann für ein Verbot der Versammlung des Bundes für Freiheit und Ord- nung gewesen sei. Oberregierungsrat Dr. Weiß erwiderte, daß er darüber keine Auskunft geben dürfe, da es sich um eine innere Dienstangelegenheit handele und er keine Genehmigung zur Aussage habe. Weiterhin bekundet der Zeuge Dr. Weiß,' daß nach Schluß der Versammlung vor dem Zirkus einige Trupps von Burschen zu sehen waren, die den Eindruck eines m i l i- tärisch organisierten Saalschutzes machten. Dem Ver- teidiger Dr. Herzfeld erwiderte der Zeuge, daß monarchistische

2-1 Als die Wasser fielen. Don Otto Rung . Es folgten einige Worte über Kapitän Högelund: Rustad hielt ihn in strenger Quarantäne. Zu allererst muh der Direktor aus ihm heraus, schrieb Rustad. Als ich ihm neulich in den Ueberzieher half, fand ich den Zipfel eines seidenen Taschentuchs aus feiner Jrusttasche lierausstecken: es saß da noch von seiner Direktionszcit her, wie es in der Saison vor- nehm war! Der Kapitän schluchzte laut, als ich ihm die Tor- heit und den Hochmut jener Zeiten vorhielt. Jetzt halte ich ihn im Fischkasten, lasse ihn nicht eine Minute außer Sicht; wenn er nachts wach liegt, spiele ich Domino auf dem Wasch- tisch mit ihm, und nicht einen einzigen Tropfen Whisky kriegt «r. ohne daß ich selbst mittrinke, ich will ihn schon wieder zur Raison bringen! Die Zwillinge werden wir auch schon noch zu fassen kriegen! Wir haben in der Schiffahrtszeitung annonciert: Kehrt zurück zu Papa nach Göteborg , olles vergeben! Das Telegramm schloß: Alles Nötige betreffs Verpfls- gung usw. überlasse ich Ihrem Takt als Gentleman. Gude faltete das Telegramm zusammen. Er war soweit ganz beruhigt und begnügte sich damit, zurückzutelegraphieren: Sache sckon geordnet. Alles wobl an Bord! Dieses Schiffsdeck war ihm allmählich eine friedliche kleine Welt geworden, in der er sich ganz sammein konnte. Gerdas Gesellschaft war ihm in der Rul)ezeit. die er sich noch der Arbeit des Tages gönnte, jetzt unentbehrlich Sic trafen sich täglich zur selbe» Zeit, wenn sie gegessen hatte. Er hatte das Gefühl, als wäre sie seiner Obhut übergeben worden, als hatte er sie heimlich adoptiert. Zudem war sie ein kluger und oft ausgelassen heiterer Kamerad, der ihm gern von semem Reich- tum abgab und auch hin und wieder geduldig dem lauschen konnte, was er erzählenswert fand. Ihre Nähe gab ihm ein tiefes, stilles Behagen, zuzeiten auch eine Unruh« von eigener intensiver Süße. Er fühlte ihre Zurückhaltung, ein Weichen in ihrem Blick, einen Nerv>n ißrsn Bewegungen als suchte auch sie sich von dem Ber - langen zu befreien, das sie beide spürten. Er selbst konnte sich nur eine ruhige Freundschaft wün- schcn. Auf ihre Art waren sie beide heimatlos. Das schien ihm eine genügende Grundlage für einen Bund zu sein. Das Leben draußen war beunruhigend genug, neue Aufträge kamen täglich und forderten feine Kraft. Die große Bank, die die Dänische Werft finanzierte, gab

ein Lebenszeichen von sich. Der leitende Direktor der Bank ließ Vorfragen, wann es ihm paßte, zu einer vertraulichen Besprechung zu kommen. Gude hatte die Papiere der Werst durchgesehen, sein Be- richt war in großen Zügen fertig. Sein Entwurf zur Re- konstruktion der Werft war in Ordnung. Die ganze Bewc- gung in der schwindelnden Fahrt der Öänifel�en Werft dem großen Format entgegen, die darauffolgende Krise und den Fall hatte er aufgedeckt, hatte ohne Schonung den wildoerwe- genen, oft geradezu verrückten Kurs, den Andreas Pauli und feine Leute verfolgt hatten, bloßgelegt. Gude saß Direktor Steensen gegenüber in dessen Privat- kontor. Durch die Scheiben erblickte er den frühlingsblauen Himmel mit einer einzigen ballartigen, weißen Wolke und, eine Straßenlänge entfernt, die Mastspitzen vom Kanal, wo Kutter und Fischerboote lagen. Das Gebäude stand, wie die anderen großen Banken, ganz nahe am Hafen als Ecksteine der Stadt dem Sunde und allem Seeverkehr zugewandt. Türme über Wellen! Er war durch die Räume der Bank gekommen. Wie früher pulsierten die mächtigen Kontore, der Strom wogte ein und aus durch die weißen Vorhallen, Schwingtüren wirbelten ihn so*t wie Turbinen, aber das Ge- dränge war ohne Leben, es floh träge und sauer wie eine schlammige Kloake dahin, die Kunden hingen schwer mit Mienen wie matte Bankerottierer über den Schranken. Die Bank rechnete ab: Die überzogenen Konten, die valutakranken Rembourse, die wertlosen Aktien, die Nulldividenden. Und hinter allen Wänden lauerte die gewaltige Panik, nur zurück- gehalten von der Trägheit des Marktes bei dem jetzt niedrig- sten Wasserstand: Schlamm fließt langsam! Direktor Steensen saß müde und zusammengesunken in seinem Sessel, er war ein graßer, magerer, knochiger Mann, noch mit dem korrekten Gepräge englischen Schnittes, der das Vorbild vor dem Kriege war, ober verblichen, die Knochen in den pferdeartigen langen Kiefern waren lose, die Hände faßten die Papiere, die Tude ihm reichte, nicht fest. Es waren die Bilanz der Dänischen Werft, die kritische Revision, der Entwurf zur Fortsetzung des Betriebes. Gude legte in wenigen Worten seinen Plan vor: Die und die Chancen gab es jetzt für die Schiffahrt, nicht bedeutend, aber doch von einigem Wert. Eine, vielleicht zwei der Tochter­gesellschaften konnten gerettet werden. Dieser und jener Markt konnte gewisse feste Routen tragen. Mit ein paar großen Reedereien hatte Gude unter der Hand verhandelt, es war von Aufträgen und Neubauten die Rede, die Firmen waren nicht unwillig, auch von der Dänischen Werft Angebote entgegen- zunehmen.

Doch Gude sprach sich klar über die gewaltsame Ope- ration aus, die vorangehen mußte: Abschreibung des Aktien­kapitals, neuer Beginn auf neuer Kreditgrundlage: die Bank mußte Aktten zu einem Drittel des Wertes übernehmen: der Rest war verloren, mußte als Verlust abgeschrieben werden. Es gab keinen anderen Ausweg. Direktor Steensen sah mit einem gehetzten Ausdruck auf: Alles das hatte er erwartet, auch er sah keinen Ausweg. Die Bank war Großaktionär. Der größte Teil des Verlustes würde sie treffen, darauf war man vorbereitet. Die privaten Aktiv- näre muhten auch bluten, dabei war nichts zu machen. Ra!" meinte Gude,die hohen Dividenden bis zu aller- letzt haben den Herren ja auch Trost und Deckung genug ge- geben." Direktor Steensen wandte langsam den Kopf, sein knor- pellger Hals knackte in dem hohen Kragen. Hatte Herr Gude diesen Punkt in seiner kritischen Durchsicht berührt? Gude nickte trocken: Als man voriges Jahr um diese Zeit beschloß, fünsundzwanzig Prozent Dividende zu geben, lag der Ruin der Dänischen Werst für Direktion und Auffichtsrat klar auf der Hand! Das Aktienkapital war aufgezehrt, die Tochter- gefellschaftcn waren aufgelöst, die meisten Schiffe verkaust oder aufgelegt und alle Neubauten zum Stillstand gekommen. Gude zuckte die Achseln.Nichtsdestoweniger wurden fiir rund dreihunderttaufend Kronen Tantiemen an Aufsichtsrat und Direktion ausbezahlt!" Steensens Miene straffte sich:Die Gewinnverteilung wurde der Generalversammlung vorgelegt und von ihr ge- nchmigt." Ja, das weiß ich," sagte Gude.Nichtsdestoweniger war die Dänische Werft damals hoffnungslos insolvent." Der Auffichtsrat konnte nur von den Anggben der Direktion über die ganze Stellung der Werft ausgehen. Und die Aussichten für die Zukunft waren zu der Zeit in hohem Grade günstig. Wir saben die Dinge damals sehr optimistisch an. Alle!" Steensen wandte sich mit Autorität um.Sie wissen doch, daß ich selbst im Auffichtsrat sitze." Ja, das weiß ich," sagte Gude. Und ich finde Ihre Kritik ganz überflüssig! Der Aus- sichtsrat kannte Direktor Pauli als einen Mann von hervor- ragender Tüchtigkeit und wußte, daß er im Besitz einer klaren und nüchternen Voraussicht mar. Wir konnten uns damals nur in jeder Weise aus sein Urteil verlassen." Damals und immer noch?" fragte Gude. Durchaus!"_., (Fortsetzung folgt.)