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Was fang ft Du mit Deinem Urfauß an? Antworten aus unferem Lefer Greife.
vom Wanöern. 5n früheren Jahrhunderten wurden jung« Nichtstuer auf die »große Icur" geschickt, meist in Begleitung eines älteren Kavaliers oder eines Kandidaten, die dann von dem Aufenthalt in den ftem- den Ländern, in Wien  , Venedig  , Paris   usw., meist mehr profitier- ten, als die noch etwas ungelenten Bären, denen sie als Führer dienten. Daneben aber bevölkerte eine Schar von K ü n st l e r n und Kunsthandwerkern die Landstraßen; wir wissen von Dürer  , daß er 1490 1494.wanderte". Später ging jeder bessere Geselle auf die Wanderschaft viele bis nach dem Orient, Nußland. Skandinavien  . Mft dem immer größer wer- denden Schienenneß verlor das Wandern seine Reiz«, nur wer die wenigen Groschen nicht besaß, die die Fahrt auf der Bahn kostete, trabte von einer Stadt zur anderen. So wissen wir. daß Hans v. Bülow und der junge Ritter bei schlechtem Wetter in Wagners Heim in Zürich   auftauchten; sie hatten wegen Geldmangels eine große Strecke des Weges zu Fuß zurückgelegt. Mit dem Auf- blühen des Sports kam das Wandern wieder zu Ehren, aber man verstand darunter den Besuch der naturschönen Gegenden, man .durchwanderte" den Harz  . Thüringen  , den Schrvarzwald, die Alpen  . Heute ist die Bahnfahrt teuer, der Aufenthalt in Hotels erst recht kostspielig, ein Besuch der fremden Länder wegen der Valuta" nahezu ausgeschlossen. Da heißt es einen Entschluß fassen, der den Geldbeutel schont und doch den Körper kräftigt, vämZZch: wandern, marschieren von Haus wog, nach irgendeiner Richtung, in der etwas alte Kultur sich vermuton läßt. Wie es für den Maler keine reizlose Natur gibt auch ein Kartoffelfeld kann ein künstlerisch hochstehendes Bild hervorrufen, so ist für den Wanderer auch in jeder Gegend etwas Eigenartiges zu finden. Gerade weil der Wanderer nicht auf die Landstraße angewiesen ist, wie der Radler und Autofahrer, lernt er das Land gründlicher kennen. Welche Dorteil« haben Goethe, Seume  , Weber fder.Demokrites'-Verfasser) und viele andere geistige Führer aus thron zahlreichen und weiten Wanderungen gezogen! Dem ein- fachen Arbeiter wird, wenn nicht gleich hoher geistiger Gewinn, so doch eine Freiheit des Herzens und eine Schürfung feiner Urteils- kraft beschieden sein, neben der Erinnerung an zn�mglos heitere Stunden in der freien Natur oder am Tisch der einfachen Dorf- schänke... D. Erholungsreise oSer Heimstätte! Für nicht wenige Arbeiter ist die Erwartung des Erholungs- Urlaubs der belfere Teil der sozialen Errungenschaft, da am Tage feiner An w e n du n g die Ratlosigkeit groß ist. Dem heutigen Lohn- empfänger fehlen die Mittel, um den Erholungsurlaub zusinan- zieren". Dieser scheinbar unüberwindliche Zustand muß natürlich nicht immer so bleiben. Am leichtesten noch läßt sich die Frage für den ledigen oder alleinstehenden Arbeiter lösen. Er schließt sich je nach seinem Alter und seiner Neigung den bestehenden Ii'gend- oder Arbeiter-Wanderverelnen an. Beiden Arten der Selbst- hilf« stehen heute schon wertvolle Erfahrungen und Einrichtungen für den Reiseverkehr zur Seite. Nach alledem verbleibt immer noch eine nicht unbedeutende Zahl von Arbeitern, Angestellten und kleinen Beamten, deren Familien­verhältnisse keine oder nur unzureichende Ersparnisie gestatten, um die Urlaubszeit mit Frau und Kindern an einer Erholungsstätte zu ver- leben. Für diese Bevölkerungsschicht gibt es nur einen Ausweg: Die Fluchtaus dem Steinhaufen der Großstadt. Schreiber dieses wurde aus gleicher Veranlassung Mitbegründer einer g e- nossenschastlichen Siedlung im äußersten Südosten von Berlin  , die in So Minuten Bahnfahrt zu erreichen ist. Ihre Bewohner sind Arbeiter, Angestellt« und Beamte. Die Siedlung ist umrahmt von Gärten und Feldern, die im friedlichen Wetteifer erfolgreich bestellt werden. Hier wird im Wechsel mit der eigentlichen Berufstätigkeit die Freude an der Arbelt immer wieder von neuem angeregt. In dieser Auslösung erfrischen sich Körper und Geist und«in frühzeitiger Verfall der Arbeitsfähigkeit wird verhindert. Diese heilsam« Wohn- weise ist naturgemäß auch bei den Frauen vorteilhast bemerkbar, und die Kinder gedeihen wie die Blumen auf dem Felde. Nun stelle man sich den Schattenbewohner einer Berliner   Mietkoserne vor. Sein Er- holungsurlaub kann höchstens als Palliatiomittel be- wertet werden. Auch nach der schönsten Urlaubsreis« wird er
wieder zurückkehren wüsten in ein« Umgebung, die ihm und seiner heranwachsenden Familie«ine menschenwürdige Lebensweise versagt. So entsteht die Frage: Was ist wichtiger, die Erholungs- reise oder der Gemeinschaftsbesitz einer Heimstätte? Wenn von ersterer gesprochen wird, kann man am herrschenden Wohnungselend nicht vorbeikommen, das die eigentliche Ursache des ungestümen Dranges nach Freiheit ist. Im Rahmen dieser Erörte- rung muß man sich mit dem Gesagten bescheiden. Indesten wäre es wünschenswert, wenn diese Besprechung der Anlaß wäre zu einer Volksbewegung, die dem sehnsüchtigen Verlangen nach einer gesunden Heimstätte die Wege ebnet. G. St. Mit 5rau unö KinS. Als Angestellter konnte ich es mir vor zwei und drei Iahren noch erlauben, mft meiner Familie, Frau und Kind(8 Jahr«) eine Sommerfrische zu besuchen. Wir waren damals in einem kleinen Dorf bei Bad Käsen mit herrlichem Blick auf die Rudelsburg  und Burg Saaleck  (letzte Station der Rathenau  -Mörder). Für volle Pension gaben wir vor zwei Iahren pro Person SV M. den Tag. Durch die Geldentwertung und die teueren Lebensmittelpreise konnte ich im vergangenen Jahr mir diese Tour nicht mehr leisten. Wir fuhren daher in die Gegend zwischen K ü st r i n und Lands- berg(Warthebruch). Hier fanden wir ein hübsches Zimmer, kochten selbst und zahlten dafür 199 M. Miete pro Woche. Der Dollar stand damals 899. Milch, Eier. Butter auch Fleisch waren erheblich billiger als in Berlin  , so daß wir bestimmt, falls wir in Berlin   geblieben wären, mehr gebraucht hätten, das Fahrgeld mit eingerechnet. Von einem halben Zentner Pflaumen kocht« meine Frau bei dem Bauern Mus in der Waschküche, was uns später auch noch viel geHolsen hat. Viele Steinpilze, die wir selbst suchten, haben uns zu mancher Mahlzeit verholfen. Eine Heidelbcertorte von felbstgepslückten Heidelbeeren, die mein« Frau gebacken hatte, war auch nicht zu verachten. Dieses Jahr fahren wir wieder in dasselbe Rest. Der Preis für ein Zimmer mit zwei Betten und Kochgelegenheit beträgt heute 2999 M. pro Tag. Dafür mutz man bedenken, daß, wie schon erwähnt, Eier, Butter und Mich bester und billiger als in Berlin   sind. Wir wohnen natürlich nur ganz einfach bei einem Bauern, nicht im Gasthof. In jener Gegend gibt es in den Dörfern immer noch Leute, die auf drei bis vier Wochen ein Zimmer abgeben können. Stundenlanger Laub- wald beginnt keine 5 Minuten vom Ort. G. S. Derlen! Ihr sollt nicht sein, ihr Sonnentag«, Entsremder mir von� Ziel und Kämpfen; ihr sollt den kühnen Mut nicht dämpfen, nicht sein Lergesienswonnentage! Ihr sollt die schwache Kraft erhöh'n, ich will erwerben neue Mafien, um dann, im ungestümen Schassen. in Sang zu wandeln alles Schmerzgestöhn! Paul Christof. Ein raffinierter Fahrradmarder. Ein gefährlicher Fahrradmarder, gegen den allein von der Staatsanwaltschaft I fünf Fe st nah meersuchen vorlagen, wurde von Kriminalbeamten des Polizeiamtes Friedrichshain   end- lich unschädlich gemacht. Ein gewisser Friedrich W i l l o w e i t, der zuletzt in der Bergstr. 11 wohnte und besonders die Gegend um den Stettiner Bahnhof herum unsicher machte, benutzte stets ein kleines Mädchen als Vermittlerin bei seinen Diebstählen. So auch jetzt wieder. Er hatte beobachtet,� daß in einem Lokal am Weidenweg 74 ein wertvolles Rad eingestellt wurde und schickte ein Mädchen hinein mit der Weisung, den Wirt um Herausgabe zu bitten. Weil der Wirt das Mädchen kannte und nicht wußte, wem das Rad gehörte, so händigte er es ahnungslos aus. Das Mädchen übergab das Rad seinem Auftraggeber, Und dieser fuhr davon. Der Schwindel kam aber bald ans Licht. Die Kriminalbeamten verfolgten die Spuren und kamen so an die Wobnung einer Geliebten de« Willoweit in der Tilfiter Straße, bei der er sich eingeschlosten hatte. Sie mußten mit einem Nachschlüssel öffnen und konnten dann den vielgesuchten Spezialisten festnehmen.
Die polizeistunüe. Verschärfte Bestimmungen für Berlin  . Am Ib. Juli treten verschärfte Bestimmungen über die Inns- Haltung der Polizeistunde m Kraft. Der Berliner   Polizeipräsident hat für den Ortspolizeibezirk Berlin   auf Grund des Notgesetzes vom 24. Februar 1928 in Verbindung mft der Verordnung des Ministers des Innern, des Ministers für Handel und Gewerb« und des Ministers für Bolkswohlfahrt über Schankerlaubnis und Posizei- stunde folgendes verordnet: § 1. Für Gast- und Schankwftfichaften jeder Art wird als Posizeiftund« die Zeit von 12 Uhr na cht s bis morgens 6 U h r festgesetzt. Während dieser Zeit sind die Schankräume für den Verkehr geschlossen zu halten. Ausnahmen können in einzelnen besonders gearteten Fällen von mir bewilligt werden. Regelmäßig darf der Beginn der Polizeistunde hierbei nur bis 2 Uhr nachts hinausgeschoben, das End« ftühestens auf 4 Uhr morgens festge- setzt werden.§ 2. In den Frühstunden bis 8 Uhr morgens ist der Ausschank von Branntwem oder branntw einhaltigen Getränken verboten.§ 3. Die Bestimmungen über die Polizeistunde finden auch Anwendimg auf geschlossene G e s e l l sch a f t e n(Klubs usw.) in den zu einer Gast- oder Schankwirtschaft gehörigen oder mit einer solchen in Verbindung stehenden Räumen, soweit damit «in gast- oder schantwirfichastlicher Betrieb verbunden ist.§ 4. Die Polizeistunde wird mich auf Räume ausgedehnt, die im Eigentum geschlossener Gesellschaften stehen oder von ihnen ermietet sind, falls m den Räumen Gast- oder Schank- Wirtschaft betrieben wird. Ausnahmen von der Bestimmung können in besonders begründeten Fällen von mir zugelassen werden. 8 5. Das Verweilen der Gäste über die Polizeistunde hinaus in den Wirfichaftsräumen ist nach dem Notgesetz oerboten und strafbar, ohne daß es einer besonderen Aufforderung zum Verlassen der Schank- räume bedarf. 8 9. Wer den vorstehenden Bestimmungen vor- sätzlich zuwiderhandelt, wird mft Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geld st rase bis zu einer Million Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Bei Fahrlässigkeit tritt Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark ein.§ 7. Erweist sich der Wirt oder sein Stellvertreter in der Ausübung semes Ge> werbes unzuverlässig oder ergeben sich aus seiner Geschäftsführung, insbesondere durch Nichtbeachtung der Posizeistunde, Unzuträglich- keifen, so kann der Beginn der Polizeistunde für seinen Betrieb auf «ine frühere Stunde festgesetzt werden, 8 8. Die§§ 2 und 6 der Polizeiverodnung betreffend Polizeistunde und Tanzverbot vom <59. Januar 1923 16. Februar 1923 treten bis auf weiteres ganz außer Kraft, die 88 8, 7 und 8 nur insoweit, als sie sich auf den' 8 2 a. a. O. beziehen,§ 9. Diese Verordnung tritt mft dem 16. Juli in Kraft.   8 19. Bereits bestehende geschlossene Gesellschaften im Sinne de, 8 4 werden von dieser Bestimmung so lange ausgenom- men, bis mif ihren Antrag auf Ausnahm ebewilligung im Sinne des Absatzes 2 daselbst enffchieden fit, sofern sie diesen Antrag innerhalb einer Woche nach Inkrafttreten dieser Verordnung stellen. Elne sonderbare heilige. Talen einer schwer hysterischen Frau. Am 16. Januar dieses Jahres, nachmittag, 6 Uhr, fanden Be­wohner des Hauses Stadtheide Nr. 3 in Potsdam   die 3 3 s ä h r i g e Gattin des Reichsarchivbeamten Bruno W i e s n e r im Bett mit schweren Messer st ichen in der Brust undim Unterleib vor. Die schwerverletzte Frau haucht« nur noch die Wort«»mein Mann hat mich gestochen": dann fiel sie in Ohnmacht. Im Krankenhaus erzählte di« Patientin dem Arzt und dem Pflegepersonal, daß ihr Ehemann auf ihr g e- kniet und sie g« stachen habe. Wiesner wurde sofort von der Polizei verhastet und war längere Zett in Untersuchungshaft. Nun mußte er sich vor der Potsdamer Strafkammer wegen g e- fährlicher Körperverletzung verantworten. Wiesner b e st r i t t jede Schuld. In der Verhandlung kam zur Sprache, daß Frau Wiesner eine strenge bigotte Katholikin gewesen sei, die stets mit einem weißen Stirntuch umhergegangen sei und sich als Heilige  " bezeichnet habe. In der heutigen Verhandlung verwei- gert« di« Ehefrau jede Aussage. Schon zweimal hatte sie S e l b st- Mordversuche unternommen, unter anderem hatte sie sich im vollen Braut st aat mit Petroleum übergössen und dann angezündet. Drei medizinische Sachverständige gaben ihr Gutachten dahin ab, daß die Frau eine schwer hyst e- r i s ch e Zdranke sei und es sei sehr leicht möglich, daß sie sich die Verletzungen selber beigebracht haben könnte. Darauf- hin beantragte der Staatsanwalt die Freisprechung und das Gericht schloß sich den? Antrage an.
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Als die Wasser fielen.
von Okko Rung.
Einmol mochte sie auch ihn interessiert haben. Bereit- willig hatte sie ihm ihr Herz ausgeschüttet, und jetzt sah sie, daß er nur aus Laune versucht hatte� auf ihrer Seele zu spielen. Er wollte wohl, daß sie als Saite in seinem Spiel mitklänge!.._,, Eigentlich hatte sie das nur erwartet. Diese Art von Mißgeschick betrachtet« sie nun schließlich rmt Nüchternheit. Damals, als sie zuletzt von einem Manne erwählt worden war, hatte sie gewig durchgemacht. Die Kolonie hatte ihn Jason mit dem goldenen Fließ ge- nannt. Er ließ diesen Namen gelten: Er wanderte unter ihnen, die Jacke über die linke Schulter geworfen� oder sonnte sich vor ihren Augen im Sande, nackt wie ein Grieche auf der Palästra, brmm wie Terrakotta von der Sonne gebrannt, muskulös und geschmeidig. Er war ihrer aller selbsterwahlter Führer, seine Ruhe war bezwingend, was er haben wollte, nahm er ohne Zögern. Sie hatten sich hier, ein Dutzend junge Leute, m einer Dünenreihe nah« bei Rymindegab, in Flscherhausern_ und Zelten gesammelt. Es war in der großen Zeit, Ms jedes Bild von der Staffelei weg verkauft wurde, ehe es noch trocken war. Regelmäßig kamen die Agenten der Aufkaufer und gingen in der Kolonie herum; es war Hausse in bemalter i-cin- wand. Jason mit dem goldenen Fließ empfing sie, zog sre aus und wurde mit diesen gerissenen Kaufleuten fertig, die Kuiffl in Arealen kauften; nachher aber ging er sachverständig von Staffelei zu Staffelei, erteilte Ratschläge, wählte aus und be- stimmte, wer diesmal verkaufen dürfte. Die Kolonie harte einen gemeinsamen Fonds, alles wurde in gleiche Teile geteilt, sie hielten als gute Kameraden in einer Baracke Haus, aber die Ehre, zu verkaufen, war ein Preis, den er mit seiner hohen Hand austeilte. Wenn sie alle zusammen gebadet hatten und sich hinter einer Düne lagerten, war er selten mit dabei, sondern hielt sich, rauchend auf dem Rücken ausgestreckt, abseits, oder er trainierte sich im Laufen am Strande entlang. Die Augen der jungen Mädchen folgten ihm berauscht. Zeitweise konnte er zu ihneu komme», ohne daß sie seinen
Schritt über den Sand hörten. Longe betrachtete er die Ar- beit, die jeder vorhatte. Beißend scharf, doch oft auch schonend kritisierte er. Die jungen Mädchen fühlten jedes seiner Worte wie eine Liebkosung: Keine von euch hat Talent! Aber wenn schon! Talent ist gut für Professoren, ist nur ein leeres akademisches Potent, ein Kniff der Kultur, um sich zur Primitivität zu schwindeln. Keine von euch kann malen! Was ihr auch lernt, soviel ihr, zum Teufel, auch dasitzt und Meer und Luft und euch selbst nackt studiert! Ihr könnt es vielleicht zum Handwerk bringen, aber nicht weiter, wenn ihr vom Talent allein lebt! Kunst ist nur eines: Fühlen!" Die Fähigkeit hat jeder, ob talentiert oder nicht, die tiefste Tiefe in eurer Seele ist ein brennender Trieb zu schaffen. Greift hinein und schafft! Drückt euch aus! Das ist alles! Könnt ihr das mit eurer Palette und wenn nicht, so mit euerin Körper! dann habt ihr Genie!" Er wählte unter ihnen. Alle wußten es, auch die jungen Männer, doch sie schwiegen. Gerda war seinem Blick gefolgt, der kurz und flüchtig war, wenn er die, die er in der Schar suchte, traf. Und die, die er sich erwählt hatte, hob ihr Antlitz nicht wieder, als wäre sie fiir ewig von ihrem Ja gebeugt. Aber keines der jungen Mädchen sprach von dem, was sie ge- sehen hatten, was sie voneinander wußten oder selbst er­lebt hatten. Die Männer lagen ausgestreckt, gedankenlos mit ihren Pfeifen umher und sahen zu. Nur ein einziges Mal hatte die Freundin Rigmor Gerda verraten, daß sie jetzt wüßte, wem der Blick galt, wer gezeichnet war: Sie liefen zusammen vom Baden mit ihren Kleidern den Strand hinauf. Sie hatten ihn aufrecht in der Nähe einer Düne stehen sehen, zögernd und gleichgültig; aber langsam wie ein spähender Vogel kam sein Blick und fiel nieder. Hellwach, brennend heiß hatte Gerda in jener Nacht ge- wartet. Die Schlagbank des Fischerhauses, auf der sie lag, hatte sie dicht wie ein Sarg eingeklemmt. Die helle Nacht lag blau hinter der Scheibe, die ihr Rock nur halb verdeckte. Seufzend schlug die ewige Brandung der Nordsee   gegen den Sand. Lange, lange konnte sie ihn kommen hören, konnte seinen leisen Schritt durch das knirschende Strandgras ahnen jetzt schwieg es, er ging über den Sand; jetzt trat er auf die Steinstufe vor ihrer Tür. Seine Hand hatte nach der Klinke getastet! Im selben Augenblick war sie av der Tür, stemmte sich
fest gegen deren Planken, hielt mit aller Kraft den Riegel, der langsam aus der Haspe   gedreht wurde und frei war. Sie taumelte zurück, atemlos, sank auf den Mauersteinen des Fußbodens in die Knie. Doch die Tür öffnete sich nicht. Sie sprang auf, erinnerte sich des Hakens, den sie gegen ihre Gewohnheit vorgelegt hatte. Durch die Türspalte sah sie seine Umrisse sich gegen die helle Nacht abheben. Stand er doch wild' und heiß wie sie selbst draußen gegen die Tür gepreßt! Aber sie sprach nicht. Kein Laut kam von draußen. Kei« Wort flüsterte er, weder Befehl noch Bitte: Ich bin es! Sei lieb und laß mich ein! Er schwieg. Und plötzlich sah sie die blanke Spitze eines Messers in der Türspalte zu dem Haken, der die Tür zuhielt, hinauftriechen. Sie sprang zurück, suchte, riß einen Mauerstein aus dem Fuß- boden los und hieb erbittert damit gegen die Messerklinge. Klingend sprang der Stahl entzwei. Es wurde sttll. Sie atmete schwer in Zorn, Scham und Haß. Warum hatte er denn nicht gesprochen nur eine flüsternde Bitte, nur ein einziges Wort von Milde oder Verlangen! Aber er schwieg. Er kam wie ein Dieb! Und nun sie lauschte: Wie er gekommen, so ging er fort: Schweigend! Es fror sie in ihrem dünnen Leinen, aber sie wagte nicht, sich von der Tüür zu entfernen; lange mußte sie warten, lange bis sie sicher war, daß er nicht wiederkam angstvoll, hoffend, ihn wild hassend, während sie sich an die sperrend« Klinke vor ihrer Tür klammerte. So vergingen Stunden, bis die Schubkarrenräder der Fischer über den Strand knirschten und der Tag kam. Die Messerklinge suchte sie am nächsten Morgen, fand sie aber nicht. Ihn sah sie in den Dünen zwischen den anderen. Er wandte flüchtig den Kopf, als sie kam, grüßte sie gnädig mit einem Nicken und streckte sich, wie immer für sich, auf seinem Platze im Sande aus. Aber sie erinnerte sich Rigmors Augen an jenem Morgen: sie waren betaut, heiß und verträumt, die Lippen bebten noch von heimlichem Genießen. Sie saß da. das Haar wie immer nach dem Baden aufgelöst, üppig wie ein Kornfeld und sah ihn an, der königlich, zynisch sich in die Düne geworfen hatte. In einem einzigen Blick begegnete Gerda dem grenzen- losen Hohn der Freundin, ihrem stolzen Triumph. Sie ver» stand jetzt, warum er so kurze Zeit vor ihrer Tür gezögert hatte und warum er»üht wiederkam. (Fortsetzung folgt.)