Abendausgabe
Nr. 324 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 162
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Vorwärts
Berliner Dolksblatt
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dod sut
Freitag
par 13. Juli 1923
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Strafexpedition nach Barmen.
Baldwin redet, Poincaré marschiert.
rat heute unter dem Vorsitz von Millerand mit der gestrigen Rede Baldwins im Unterhause beschäftigen. Die Ausführungen Baldwins hätten die Tür für ein Einvernehmen zwischen Frankreich und England vollkommen verschlossen. Bor. allen Dingen werde sich Poincaré zunächst mit der belgischen Regierung ins Einvernehmen feßen.
In seinem Kommentar zu der Rede Baldwins stellt der Matin" fest, daß in ihr auch nicht mit einem einzigen Borte der passive Widerstand verurteilt werde. Infolgedessen fchwinde die Hoffnung, doch noch zu einem Einvernehmen zwischen Frankreich und England zu gelangen. Troßdem habe Poincaré den französischen Botschafter in London angewiesen, die Besprechungen mit den englischen Ministern
Münster , 13. Juli. ( Eig. Drahtbericht.) Heute morgen So vorsichtig die englische Regierungserflärung auch ab- Nach derselben Quelle wird sich der französische Minister7 Uhr wurde Barmen von starter franzöfifcher Kavallerie gefaßt ist, so ist sie doch in ihrem Kern eine Auflehnung gegen und Infanterie befeht. Stärkere Patrouillen fühlten nach das absolutistische System, das Frankreich innerhalb der Elberfeld vor, um Anschluß an nach dort marschierende Entente zu seinen Gunsten eingeführt hat, und ein behutsam Truppen zu machen; doch ist Elberfeld zur Stunde noch un- portastender Versuch, das tonstitutionelle System zurüdzu bejezt. In Barmen find bis jetzt befeht: Hauptbahnhof, Rat- gewinnen. Damit ist auch schon gesagt, daß es fich feineswegs haus, Reichsbant, Deutsche Bant. Auf der Straße befindliche um eine neue Machtfonstellation in Europa handelt, die hier Schutzpolizei wurde entwaffnet. In Vohwinkel liegen etwa in Erscheinung tritt, sondern nur um eine Auseinandersehung 20 Lafifraftwagen mit Infanterie marichbereit. Die Be- innerhalb einer Machttonſtellation, die man auch in Engsehung von Elberfeldist tündlich zu erwarten. land noch als eine gegebene Tatsache betrachtet. Nur wenn man sich bessen bewußt bleibt, daß England nichts Deutschland Die Franzosen wieder abgerückt! zuliebe tut, sondern nur darauf bedacht ist, seinen traurig daBarmen, 13. Juli. ( WTB.) Die Franzosen sind gegen hingeschwundenen Einfluß in Europa allmählich wieder zurückBarmen, 13. Juli. ( WTB) Die Franzosen find gegen zuerobern, gewinnt man zu den neuesten außenpolitischen E 11 Uhr abends vollständig wieder abgerudt. Wie bei eignissen den richtigen Gesichtswinkel. einer Besprechung mit dem Oberbürgermeister, der während eignissen den richtigen Gesichtswinkel. Eine Uebereinstimmung zwischen Deutschland und Engder vorübergehenden Besetzung in feinem Amtszimmer fest- land besteht nur insoweit, als Deutschland unter der Ruhrgehalten wurde, von einem Dolmetscher erklärt wurde, han- befeßung direkt leidet und England indirettin materieller delle es fich bei dem Borstoß um eine Strafmaßnahme wie in moralischer Beziehung. Ferner auch darin, daß Enggegen die Schutzpolizei wegen des Zwischenfalles bei Rons- land wirtschaftlicher Lösungen unter Vermeidung von Gewalt dorf. Außer einigen Schutzpolizeibeamten ist der Reichs- fucht und daß Deutschland solche Lösungen natürlich lieber sehen bankdirektor Dr. Krusius von den Franzosen verhaftet und muß als die fortgesetzten gewaltpolitischen Borstöße Frantabgeschleppt worden. Während der Befehung wurde der Zug reichs. Nichts aber wäre falscher, als wenn man deshalb von verkehr fortgesetzt; die Züge durften aber nicht verlassen, und der englischen Antwort, die in Borbereitung ist, lauter Andie Bahnsteige nicht betreten werden. In dem Straßenbahn- nehmlichkeiten erwarten würde. verkehr trat dadurch eine Behinderung ein, daß an verschiedenen Stellen Panzerautos quer über die Schienen gesetzt wurden. Neben den staatlichen und städtischen Gebäuden waren auch die Ausgänge der Stadt stark besetzt.
Gestern hat der englische Ministerpräsident unter lautem Beifall der öffentlichen Meinung seines Landes die militaristische Politik Frankreichs als zmedlos und schädlich gekennzeichnet; und so sehr er sich hütete, in seine Rede einen Gefühlston zu legen, der als freundliche Empfindung für das gequälte deutsche Bolt gedeutet werden könnte, hat er sich doch nicht der elementaren Menschenpflicht entzogen, auch über die Leiden der Bevölkerung in den vergewaltigten Gebieten einige Worte zu sagen.
Schließlich fann man bei aller Vorsicht der Beurteilung doch feststellen, daß ein diplomatischer Fortschritt erzielt wurde, der auf das deutsche Memorandum vom 7. Juni zurückzuführen ist. Wer sich daran erinnert, welche Mühe sich Die Sozialdemokratische Partei gegeben hat, um das Zustandekommen dieses Memorandums zu bewirken, der wird jetzt wohl auch den politischen Gedanken er fennen, von dem sich die Partei damals leiten ließ.
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fortzusetzen.
Der Petit Parisien" protestiert gegen die Kritif, die Baldwin an der franzöfifchen Ruhrpolitif übe, ohne gleichzeitig auch den deutschen paffiven Widerstand zu verurteilen. Das Journal" hat den Eindruck, daß Baldwin den Bermittler zwischen Paris und Berlin spielen wolle und des halb auf eine Brandmarkung der Attentate verzichtet habe. Der Figaro" endlich ist der Anschauung, daß die Form der Rede Baldwins nach den in Berlin gehegten Erwartungen bort geradezu fatastrophal wirken müsse. Das ist ein Irrtum, niemand in Berlin hat erwartet, daß Baldwin Deutschland. an den Hals fallen werde.
Tardieur läßt im ,, Echo National" die Gelegena heit nicht vorübergehen, ohne die Politik Boincarés im Sinn der Gruppe Clemenceaus zu fritisieren. Baldwin habe mehr Schwierigkeiten aufgewiesen, als Lösungen vorgeschlagen. Im ganzen genommen vertagte die gestrige Rede die Ungewißheit, die feit 3 Wochen anbauert und verschiebe die Lösung ins ungemiffe. Nichts Unnerföhnliches fei gesagt wor den, und bereits darüber münsche man sich gegenseitig Glüd. Aber auf beiden Seiten des Kanals herriche Unverständnis und polltommener Mangel an gemeinsame m Fühlen. Nachdem man gemeinsame Opfer gebracht und Der Berichterstatter des Echo de Paris" schreibt, eine gemeinsames Blut vergossen habe, verliere man sich im 3ant Bersönlichkeit, die über die Ansichten der französischen Regie- über die Art des Vorgehens. Baldwin bilde sich ein, Herte früh hat der französische Militarismus rung unterrichtet sei, habe ihm erflärt, die Höflichkeit Baldwins Deutschland wolle bezahlen und es handle sich nur darum, auf diese Rede Baldwins feine Antwort gegeben. Es mag dürfe Frankreich nicht über die ungeheuren Mei- feine Zahlungsfähigkeit festzulegen. Poincaré seinerfein, daß dieses neue ruhmvolle Unternehmen schon vor nungsverschiedenheiten täuschen, die Frankreich feits bilde fich ein, daß er das Ruhrge= der Rede Baldwins in Borbereitung war, aber jedenfalls ist und England trennten. Es läge nicht in der Macht Poincarés, biet in fruchtbarer Weise besett halte, es auf Befehl der französischen Regierung ins Werk gesetzt auch mir das Geringste an der Aktion im Ruhrgebiet zu und ein produftives Pfand daraus ge. morden, und man hat keinen Anlaß gesehen, diesem Befehl ändern, solange die deutsche Regierung ihre Haltung nicht macht habe. Jeder dieser beiden Herren meint Tar mit Rücksicht auf die diplomatischen Ereignisse zu widerrufen. ändere. Poincaré habe immer erklärt, daß Frankreich bereit dieur, betrachte Schatten als Wirklichkeit. Mag Baldwin reden, Poincaré marschiert. sei, feine Truppen nach Maßgabe der Zahlungen zurückzu- Von der Linken sei der Artikel des Deuvre" erwähnt, Man sieht an diesem Vorgang deutlich, wie sich die der ziehen. In dieser Richtung sei es der französischen Regierung, zeitigen Machthaber Frankreichs die Verteilung der Rollen die von der öffentlichen Meinung unterstützt werde, nicht mög innerhalb der Entente vorstellen. Mit Befriedigung hat man lich, ihre Entschlüsse zu ändern, um so weniger als Deutsch in Paris notiert, daß Baldwin eine diplomatische land durch die Unterstüßung Englands in Sonderaktion wenigstens unmittelbar nicht beabsichtige. In seinem Widerstand ermutigt werde. Solange zwischen treibt man die eigene militärische Sonderaktion Frankreich nicht sicher sei, bezahlt zu werden, werde es das nach Belieben weiter vor. Man hält es für selbstverständlich, Pfand des Ruhrgebiets behalten und nicht aufgeben.- Der ir, fagt ,, Deuvre" ,,, bedauern mit Baldwin, daß Frank daß die englische Regierung ihre geplante Note an Deutschland gleiche Berichterstatter meldet, es sei nicht unwahrscheinlich, in Paris zur Prüfung einreicht, aber man hält offenbar den daß eine zusammenkunft Baldwins und Boin Gedanken für unmöglich, daß man den Einmarschplan für car és stattfinden werde, sobald die Ansichten der beiden Barmen- Elberfeld zuvor in London zur Prüfung hätte ein Ministerpräsidenten sich so genähert hätten, daß nüßliche Er reichen sollen. gebnisse einer Untersuchung zur Unterredung zu erwarten feien.
leber den Ronsdorfer Zwischenfall geht uns eine Privat meldung zu, nach der die neue Besetzung auf Reibereien zwischen der französischen Wache und der Grenz bevölkerung zurückzuführen ist. Nach dieser Meldung sollen französische Zollbeamte deutsche Zivilisten mißhandelt haben, worauf die Zollbeamten von bewaffneten Deutschen unter schweren Mißhandlungen herausgeholt und nach Elberfeld ge schleppt worden seien, von wo sie die Behörden dann wieder ins besetzte Gebiet zurückbrachten. Mag auf diese Weise auch ein unmittelbarer Anlaß zur militärischen Aktion gegeben gewesen sein, so hätte die französische Regierung doch neue Strafegpeditionen als höchst unzeitgemäß empfinden müssen, wenn ihr an der Stimmung in England auch nur das allergeringste gelegen hätte.
Börse- Baldwin- Barmen.
in dem es heißt, die englische Regierung werde den Alliierten ihren Antwortentwurf auf Deutschlands Borschläge vorlegen. Das sei die wesentlichste Tatsache. Nach sechsmontigem Stillschweigen tritt England aus seiner Reserve heraus und ver birgt nicht seinen Wunsch, nunmehr, wenn man so sagen fann, die Leitung der diplomatischen Aktion zu übernehmen. reich durch sein starrfinniges Schweigen sich die Initiative bei so schmerwiegenden Umständen entgehen läßt. Wir hoffen, daß diese nicht wieder einmal darauf beschränkt wird, den englischen Bundesgenossen zu versichern, daß Frank reichs Standpunft unabänderlich ist und daß es nicht mehr der Mühe für wert hält, die Lage zu prüfen.
Rasche Vorbereitung der Antwortnote. Paris , 13. Juli. ( EE.) Wie der Petit Parifien" aus London meldet, wird der englische Entwurf der Antwort auf die deutsche note der französischen, belgischen und italienischen Regierung ipätestens am Montag übergeben werden..
Die Erklärungen des englischen Premierminifters Baldwin haben bereits an den Weltbörsen eine wesentliche Erholung des Kurses der deutschen Mark hervorgerufen. Im heutigen BorDer parlamentarische Korrespondent der Times" erfährt, daß mittagsverkehr von Basel , Amsterdam und anderen Städten hielt diefe Tendenz zunächst an. Als jedoch die Belegung von Barmen die englische Antwortnote an Deutschland nicht sehr lang sein wird. und Elberfeld bekannt wurde, die man im Auslande als eine Sie wird sich dem Vernehmen nach hauptsächlich mit der deutschen Demonftration Boincarés gegen Baldwin betrachtete, stellte sich ein Anregung, die Leistungsfähigkeit durch eine internationale neuer martsturz ein. Bon verschiedenen Pläten des Ron Sachverständigenfonferenz prüfen zu laffen, beschäftigen. tinents wurden gegen Mittag Martkurse gemeldet, die einer Barität Der Times" zufolge wird die Note in Vorschlag bringen, eine derSolche Straferpeditionen und Verschleppungen fremder on 260 000 bis 280 000 entsprechend.( Wenn der Abzug artige Körperschaft durch die Reparationsfommiffion zuStaatsangehöriger ins Gefängnis sind nicht das Mittel, der Franzosen aus Barmen bekannt wird, dürfte sich der Martfurs fammenstellen zu lassen. Der Zustimmung der italienischen Regie. 3wischenfälle zwischen zivilisierten Bölfern beizulegen.. im Ausland wieder nach der Baldwin- Rede richten! Red.) Im rung sei Baldwin sicher, doch könne man aus seiner Rede schließen, Die Politik der Geduld, in der sich England übt, und die Berliner amtlichen Devisenverkehr kamen diese Schwankungen nicht er hege die Hoffnung, daß auch die belgische Regierung Politik des Uebermuts, die Frankreich treibt, laffen sich nicht so sehr zum Ausdrud. Die Notierungen fonnten nur wieder unter die englischen Vorschläge annehmen werde. beffer fennzeichnen als durch diese neuesten Tatsachen. äußerst scharfen Repartierungen durchgeführt werden. Bei der Eigenart der militaristischen Denkweise ist es nicht auf die begehrten Devisen wurden nur 4 Proz. zugeteilt. London unmöglich, daß die Pariser Machthaber sich einbilden, die notierte 860 000, Amsterdam 73 000. Die Festseßung des Dollar. neuen Maßnahmen tönnten in Deutschland gewissermaßen als furses zog fich sehr in die Länge, da eine außerordentlich große Nach ein Gegengewicht gegen Baldwins Erflärung mirten. frage, fo gut wie gar feinem Angebot gegenüberstand. Am Effekten Vielleicht will man noch einmal durch eine Massendemonstration martt war die Tendenz anfangs im Hinblick auf die anhaltende Geld. von Infanterie, Artillerie und Kavallerie den Deutschen zeigen, marftversteifung und die höhere Bewertung der Marf an den Bläzen wer heute tatsächlich in Europa die Macht hat. lleber- der ausländischen Börsen etwas flauer. Auf verschiedenen Märkten flüffig zu sagen, daß folche Spekulationen aussichtslos findergaben fich Rursrüdgänge. Der Umschwung der Tendenz im De am allermeiſten bei den arbeitenden Maffen visenverkehr zog jedoch auch am Effektenmarkt einen durchgreifenden Deutschlands , auf die militaristische Demonftrationen Stimmungswechsel nach sich. Die Spekulation nahm zu den späteren zwar stets aufreizend, aber niemals überzeugend wirten. Rurfen auf der ganzen Linie Rüdfäufe vor.
Aus, New Yort melbet Daily Mail", die Enttäu. fchung über die Erflärungen Baldwins sei groß, weil Bald. win mit feinem Worte den Vorschlag des Staatsfefretärs Hughes auf Einberufung einer internationalen Prüfung der Sachverständigentonferenz zur Prüfung deutschen Leistungsfähigkeit berührt habe. Man hoffe aller dings in Washington , daß es sich in der Ree mehr um eine Er. öffnung handele, der nun auch die Taten folgen würden. An der Börje war der Eindruck der Rede sehr schlecht, es herrschte