ftr.343 ♦ 4H.IahrgaSg
Seilage Ses Vorwärts
Krankentassen unö Merzte.
Die„Freie Vereinigung", eine radikale Gruppe im Groß-Ber- liner Aerztebund, hatte die Aerzte zum Montagabend in den Post- Hörsaal sArtilleriestr.) geladen, um zu dem Thema:„Was treibt den Kassenarzt zum Streik?" Stellung zu nehmen. Um einen Massenbesuch zu bewirken, hatte man, wie der Vorsitzende in seinen einleitenden Morien bemerkte, das zugkräftige Wort Streik ge- wählt, obwohl es sich gar nicht um eins Arbeitsniederlegung han- delt, sondern nur um die Erklärung des oertragslosen Z u st a n d e s, während dessen Dauer die Kassenpatienten als Pri- varpatienten zu behandeln sind. Der Einladung waren über 30g Aerzte gefolgt, deren einmütige Begeisterung für den.Streik" sich bei allen Rednern, die die Not des Aerzte st andes an der chand von Beispielen und Zahlen schilderten, in lautem Beifall kund- gab, um so lauter, je energischer und temperamentvoller dieselben gegen die Kassen vorgingen. Am lautesten bei den Ausführungen eines der letzten Redner, der aus übervollem 5) erzen den Leidens- weg des geplagten, vom Kassenvorstand geschuriegelten Kasten- arztes schilderte und starte Tone gegen die.Schwäche" der bis- herigsn Aerzteoertrster in den Berhandlungen mit den.Kastenge- walligen" fand. In das patriarchalische Verhältnis zwischen Patienten und Arzt früherer Zeiten habe die staatliche Zwangsversicherung mit rauher lhänd eingegriffen, ohne die seinerzeit noch unorganisierten und da- her ohnmächtigen Arzte auch nur zu hören, mitraten und mittaten zu lassen. Die Folge war eine immer größer werdend« und immer schwerer empfundene Abhängigkeit des Arztes vom Kastenvorstand, eine besonders in der traurigen Gegenwart geradezu unleidlich ge- . wordene Beschränkung in den Srzlstchen Verordnungen, ei;« empörende Bevormundung und auch sin Ton ganz unwürdige Behandlung der Aerzte seitens der.Kassenherren". Rur kleinste Quantitäten minderwertiger Arzneien, Quanten, die oft nur ein bis zwei Tag« reichen, dürfen verschrieben werden: um 100 Gramm Verbandwatte(nach einem Abort, Entbindung, einer Verletzung) zu oerschreiben, müssen zwei Rezepte a 50 Gramm geschrieben wer- den, teuere oder.nicht zugelassene" Verordnungen, Bäder usw. bedürfen der vorherigen Abstempelung im überfüllten Kassenlokal usw., so geschähe alles, um dem Kranken ebenso wie dem Arzt die Behandlung, die Heilung zu erschweren. Bon der Kaste angestellte, daher abhangige.Vertrauensärzte" greifen rücksichtslos in die Be- Handlung ein, schreiben die Kranken gegen die bester? Einsicht des behandelnden Arztes nach einmaliger Untersuchung.gesund und beschränken den Kassenarzt dermaßen m seinen Verordnungen, daß taum noch de? Zweck, eine den Kranken möglichst schnell und völlig wiederherstellende Behandlung möglich ist. Der Kastenarzt ist ge- nötigt, bei jeder Verschreibung— oft in Gegenwart des Kranken— das von den Kasten zusammengestellte und von Jahr zu Jahr mehr die Bewegungsfreiheit des Arztes einschränkend« Derordnungsbüch. lein der.erlaubten" Arzneimittel und.zulässigen" Mengen hervor- zuziehen und einzusehen, um nur ja nicht die verboten« Arznei, das verbotene Quantum Tropfen, Pulver, Tees, Verbandstoffe usw. zu verordnen— anderenfalls er„regreßpflichtig" gemacht wird, d. h. aus feiner Tasche die Mehrkosten bezahlen muß. Nicht die elende Bezahlung der kafsenärztlichen TSÄgtiett, nicht das Makerieve fei die Hauptsache. sondern diese ganze, den heutigen Aerztestand erniedrigende und - korrumpierende Behandlung seitens der Kastenbureaukrati«. Einst- mals«in höchstgeachteter, unabhängiger Stand, sei er heute— durch die Abhängigkeit von den Kasten— bereits so heruntergekommen, daß Aerzte, weil sie von den Kasten so erbärmlich bezahlt werden, sich von den Kassenpatienten Trinkgelder in die Hand drücken ließen, ja selbst ihrerseits von ihnen Geld forderten, daß Kassenpatienten ganz ungenügend, im Ramsch verarztet werden, um durch die Masse der Gutscheine für die minderwertige Bewertung des einzelnen zu entschädigen. Wenn gewissenhafte, vielbeschäftigte Aerzte 10, 11, 12 Stunden uich darüber täglich zu„arbeiten ge- zwungen sind, um nur dürftig mit ihren Familien durchzukommen, dann erstirbt alles Ethos. Der verstorbene Gynäkologe an der Eharite Prof. G u ff e r o w nannte unsere Kunst den schönsten Beruf, aber das traurigste Gewerbe. „Sorgen Sie dafür," schloß Dr. Zwirn seine wirkungsvollen Worte,
„daß das anders wird, zerreißen Sie Ihre Ketten, damit Sie nicht im Alter auf eine verpfuschtes Leben zurückblicken müssen!" In einer einstimmig angenommenen Entschließung wurden die Forderungen der Aerzte zusammengefaßt, Honoris- rung entsprechend dem Entwertungsfaktor(mit Zuschlägen für Berufsunkosten und Epidemieklausel), Wahl der Ver- lrauensärzte durch die Kassenärzte und Kassemnitglieder, Neuord- nung der Nachuntersuchungen, Beschränkung der Versicherung auf die wirtschaftlich Schwachen usw. Weiter wurde beschosten, daß zu den Einigungsverhandlungen vor dem Ministerium für VoCkswohlfahrt Vertreter der.freien Ver- einigung" zugezogen werden müssen und endgültige Beschlüsse nur nach Zustimmung einer allgemeinen Aerzteversamnllung gesaßt werden dürfen. Und endlich: Massenversammlungen in allen Stadtteilen Berlins einzuberufen, um die Kastenmitglieder aufzuklären, um den Ar- beitern die Not der Aerzte und die Not der Kranken bei der heutigen Herrschaft der Bureaukratie in den Kasten vor Augen zu führen. * E» ist nur zu begrüßen, wenn innerhalb der Aerzteschast eine Bewegung im Entstehen begriffen ist, welch« den wirtschaftlichen und moralischen Niedergang des Standes aufzuhalten sucht, welche insbesondere neben der materiellen auch die ethische Seite des Kampfes mit den Krankenkassen in den Vordergrund rückt. Be- dauerlich sind nur die ganz einseitigen und von nur geringem oder gar keinem sozialen Verständnis für die Krankenoersicherung ge, tragenen Uebertreibungen und zum großen Teil unberechtigten An- klagen gegen die Träger dieser Versicherung, di« Rückständig keit in der Bewertung der hygienischen Borteile bei der Ausdehnung der Versicherung über den Kreis der wirtschaftlich Schwachen usw. Wenn der schönste Beruf heut« zu dem traurigsten Gewerbe geworden ist, so liegt das an der ganzen modernen großkapitalistischen Entwick- lung, nicht bloß an den Krankenkassen.„Die Bourgeoisie," sagte Marx,.hat der Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt" und erst wenn der Arzt als Gesundheitsbeamter aufhören wird. Ge- werbetreibender zu sein und von dem Unglück seiner Nebenmenschen zu leben, wird der schönst« Beruf wieder erstehen, von den mate- riellen Schlacken der Gegenwart gereinigt. Hoffen wir, daß es nicht zu dem oertragslosen Zustand kommt, de? allen Teilen, nicht zuletzt den Aerzten, unermeßlichen Schaden bringen dürfte, hoffen wir, daß es noch in letzter Stunde gelingt, durch ruhige und verständnisvolle Berhandlungen im Ministerium für Volkswohlfahrt den berechtigten Forderungen der Aerzte- fchast feiten» de? Krankenkassen zu genügen und damit das Los der
vor öer Katastrophe! El» WarnungSrnf der sozialdemokratischen Stadt- verordneten. Im Hinblick auf die bis zur Uuerträgllchkeik gesteigerte Zlot weiter Kreise der Bevölkerung richten in der Berliner Stadtverordnetenversammlung unsere Genossen folgende dringendeAnfragean den Blagistrat: «Wir fragen den Magistrat, ob er bereit ist. mit äuherster Beschleunigung und denkbar gröhlem Nachdruck mit der Reichsregierung in Verbindung zu treten, um diese zu veranlassen, gegenüber der von Stunde zu Stunde sich verschärfenden Notlage der Berliner Be. volkerung die notwendigen Abwehr maßnahmen zu er- greisen und die drohende Gefahr einer Katastrophe abzuwenden." Die Anfrage wirb hoffentlich schon m der nächsten Stvdwcr- ordnetensitzung, am Donnerstag dieser Woche, vom Magistrat be- antwortet werden.
)«i Als die Wasser fielen. Von Otto Rung . Den Blick von den dunklen Lidern beschattet, aber äußerst aufmerksam hörte Gerda zu. Gude spürte den erregenden und heißen Duft ihres Haares. Behaglich und genießend kuschelte sie sich in den Stuhl— wie damals, als sie mit ihm in ihrer kleinen Kajüte gesessen und ihre Fabeln erzählt hatte. Der Hofmeister brachte einen Burgunder von seltener Marke, der, verstaubt, schräg in einem Weidenkorb lag. Gude nahm die Flasche, um einzuschenken. Gerda saß rechts von ihm, und, um ihr Glas sehen zu können, mußte er sich fast ganz umdrehen. Sie schob es ihm näher hin, aber dabei kam es aus seinem Gesichtsfelde heraus. Der Wein wurde auf das Tischtuch vergossen. Verwirrt entschuldigte er sich. Gerda lachte munter, schwieg aber auf einmal. Aufmerksam betrachtete sie das rauchgrauo Glas, das er wie fiels ÜW fefsiM fübiinbctcn rechten Auge trug, utlb sie verstand im selben Augenblick. 'ruher nicht gewußt hotte. Don ihren Lippen kam tON Mstern— wohl eine„nwillk.irNche Bitte um Verzechung. Aber Gude sah �»alei-h de» Schwager: Narr und mN ver- zogenen Zügen verfolgte der die stumme Szene: unerträgliche Qual. Angst und faß lagM UNverschleiert in seinem Blick entblößt. « . Gude machte an diesem Abend die alte Sache zwischen sich und dem Schwager auf. Nie hatte er sie so klar wie jetzt gesehen. Er ließ von neuem das kurze Beisammen. em in '.enen jungen Iahren als Kameraden auf der Kadettenschule an seinem Geiste vorüberziehen. ' Er konnte sich selbst— vor jetzt bald zwanzig Iahren— gleich nach bestandenem Examen, den ersten Tag in der neuen Uniform mit dem feuervergoldeten Dolch in blankem Bau- dosier über der Schulter sehen. Zum ersten Male war er sich als Soldat, als halber Offizier schon vorgekommen. Seme Mutter hatte ihn sich in der feinen Uniform drehen lassen und gesagt, daß er hübsch aussähe. Der Vater hatte ihn sich bei einem bast'gen Besuch zu Hause angesehen, obwohl er am.selben Tage mit dem Geschwader in See stechen sollte. Er hatte hier und da an Mütze und Haltung des Knaben gerückt und verbeisert, sich über die neuen Bügelfalten in den Hosen— die große..Erjmdung jener Zeit nach hundert Iahreg
Elefantenbeinen— aufgehalten. Die Falten waren ihm nicht seemannsmäßig genug! „Zeig' nun, daß du dem Korps Ehre machst, daß ich mich deiner nicht zu schämen brauche. Halt' das Bandolier blank! Die Ehre eines Offiziers ist siebenmal die eines Gentlemans, ist blanker als ein Spiegel." Edith hatte ihn stumm betrachtet, während sie, die langen Beine in gestopften Strümpfen unter dem allzu kurzen Kleide, das die Mutter am passendsten für ein fünfzehnjähriges Kind fand, auf der Kante eines Stuhles faß. Er selbst sah sich ver- legen in der Uniform in dem hohen Pseilerspiegel, in dem der Vater seine Gala mit den roten Aufschlagen und den breiten Epauletten zu mustern pflegte. Selbst Hermansen betrachtete ihn mit halbmürrischem Respekt und nannte ihn „Herr Kadett". Gnde kam es vor, als läge das Jahrhunderte zurück. Zeitalter schienen vergangen zu sein seitdem: das Steinalter seines Aufenthalts in Afrika , das Mittelalter Rußlands und schließlich das Chaos des Krieges, die gewaltige Probezeit für jene Disziplin bes Mutes, bic Äcfchlechter hindurch die mili- tärifche Äee seiner Borfahren gewesen— und wohl heute noch sein eigenes Ziel wgr! Doch jetzt entsonn er sich jener kurzen Zeit, da er selbst Uniform truo. mit dem tinbehagen, da? er stet? bei barbari- schen Methoden und brechender Logik fühlte. Für ihn war es nur eine Station auf der langen nebligen Fahrt. Lebend war er durchgekommen, nur fein linkes Auge war verloren. Er konnte sich selbst mit seiner Klaffe von der Promenade heimkommen sehen Im Hofe der Kadettenschule, unter dem hohen Uebungsmast, steht ein Kadett der ersten Klaffe und wartet auf die Jüngeren. Es ist der Schultyrann. genannt der Eskimo — der kurz darauf seinen Abschied erhielt und aus der Fahrt mit einem Kaussahrteischiff unter der chinesischen Küste ertrank— damals aber noch m vollem Schwünge, kurz- bolsig und kurzbeinig, baumstark, mit einem papiergrauen. von roten Pickeln übersäten Gesicht. Sein Kommando lautet: „Richt euch!" und aus seiner Tasche fährt ein aeteertes Tau- ende. Drei Schläge über den Nacken und:„Rechts um— Marsch!" Wer muckst, kriegt drei Schläge extra, wer seinen Borge- setzten meldet, wird zu Spießruten verurteilt!— Gude entsann sich ihrer allex, dieser Despoten der ersten Klasse, der Stubenältesten mit ihrem zähen Jargon, den sie auf dem BanZerdeck von in den Hafenkneipen und Laster- höhlen der ganzen Welt befahrenen Matrosen gelernt hotten, erinnerte M chrxx losen Fäuste, ihrer verantwoxtungslojen
Mittwoch, 25. Juli 1423
in der heutigen schweren Zeit doppelt und dreifach gefährdeten und kranken Kassenmitglieder zu erleichtern. Die andere Seite. Bon einem krankenkossenbeamlen erhalten wir zu diesem Thema folgende Zuschr.st: „Doß sich die Berliner Aerzte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in einer großen Notlage befinden, ist für jeden, der die Verhältnisse kennt, zweifellos. Der wirtschaftliche Zusammen- bruch Deutschlands hat den Aerzten ihre Haupteinnahmequelle, den Privatpatienten, entzogen. Der Mittelstand ist fast völlig auf- gerieben und die Arbeiterschaft so verelendet, daß sie nur in dringendsten Fällen privatärztliche Hilfe in Anspruch nehmen kann. Dazu kommt noch die erhebliche Vermeh- rung der praktizierenden Aerzte. Der Krieg brachte einen Zustrom junger Mediziner, und die Kriegssolgen nötigten manchen alten zur weiteren Tätigkeit. Um die Aerzteschast zu retten, zmang man deshalb den Krankenkassen die freie Arztwahl, d. h. die Pflicht aus, jeden Arzt zur Kasser.behandlung zuzulassen. Die Zahl der Kassenärzte wurde bei- nahe verdreifacht. Das hatte einen Vorteil, aber auch Nachteile, die sich immer störender bemerkbar machten. Der Vorteil trat so lange in Erscheinung, als Privatpatienten in befriedigender Menge vorhanden waren. Die Kastenpatienten verteilten sich auf olle Aerzte, so daß jeder noch eine Nebeneinnohme aus der Kasten- Praxis hatte. Nach dem Verschwinden der Privat- patienten belebten aber nur noch die Kassen- Mitglieder das Sprechzimmer. Und nun zeigte sich ein großer Nachteil der freien Arztwahl. Jeder Arzt hatte jetzt wohl einige Kastenmitqlieder in Behandlung, konnte aber von dem für diese gezahlten Pauschalbetrag nicht existieren, während anderer- seit? die Krankenkassen doch nur ein Arzthonorar aufbringen konn- ten, das im Rahmen ihrer Zahlungsmöglichkeit lag. Diese Tat- sache ist die Ursache des ständigen Streites zwischen den Aerzten und Krankenkassen. Kein vernünftiger Mensch wird bestreiten, daß die Berliner Aerzte von den Kassenhonororen nicht leben können, solange der jetzige Zustand der allgemeinen Kassen- Praxis bestehen bleibt. Andererseits wird aber auch niemand ver- langen können, daß die Krankenkossen mehr zahlen, als sie haben. Die Allgemeine Ortekrankenkasse der Stadt Berlin hatte beispielsweise im Monat Juni ein« Beitrags- einnähme von rund sechs Milliarden Mark. Sie wird im Juli voraussichtlich rund drei Milliarden Mark Arzthonorar zu zahlen haben. Eine Verdoppelung des Hone- rars(für den einzelnen Arzt gewiß nicht zu viel) würde die Krankenkaste zwingen, die gesamten Junibeiträge ihrer Mitalieder den Aerzten zu geben. Wo bleiben dann aber die Apo- theker, Zdrankenhäuser, Badean st alten, die Mit- tel für Kranken-, Wochen-, S:ill- und Sterbegeld, wo die anderen lausenden Ausgaben? Kann den Kastenmitgliedcrn zugemutet werden, allein den Aerztestand zu erhalten und zu diesem Zweck außerordentlich? materielle Opfer zu bringen? Mit welchem Recht will man auch diese Last wieder den minderbemittelten Bevölkerungsschichten auferlegen, sind die Kast?n- beitrage nicht schon reichlich hoch? Soll der Aerztestand erhalten bleiben— und das wollen wir doch alle—, dann muß ein anderer Weg gesucht werden. Man beschränke die Kassenpraxis, verbiete den Kaffenärzten jede Privattätigkeit und verpflichte die Kranken- kastm zu einer ausreichenden Bezahlung der Kassenärzte. Zahlung?- fähige Krankenkassen lassen sich mit Hilfe der Gesetzgebung schaffen: ich denke dabei gleichzeitig an den Ballast überflüssiger Berwaltunas- arbeiten und an die Ersatzkasten. Die Privatpraxis verteilt sich dann auf einen kleinen Kreis von Aerzten und gibt vielleicht wieder einer gewissen Anzahl die Existenzmöglichkeit. Den übrigen müßten Reich, Staat oder Gemeinde ein Tätigkeitsfeld schaffen, soweit nicht noch Verpflanzungen(Austausch von Stadt und Land) durchführ- bar sind. Ein Ausweg muß gesunden werden. Den Krankenkassen muß eine arbeitsfreüdige Aerzteschast zur Per. fügunq stehen. Krankenkaffen und Aerzte gehören zusammen, wie Genoste Dr. W e y l in seiner letzten Landtaqsrede bereits ausführte. Und die Aerzteschast ist ohne Krankenkassen nicht mehr existenz- fähig." Das Ergebnis öer Einigungsverhanölungen. Die Einigungsverhandlungen zwischen Aerzten und Kranken- kästen, die am Dienstag im preußischen Wohlfahrtsministerium stattfanden, haben zu folgendem vorläufigen Ergebnis geführt: Eine engere Kommission aus je vier Vertretern der Aerzte und der Kasten tritt am Mittwoch zusammen, um die eigentlichen Ve-
Knabenaugen mit dem Schimmer von Rache für die Prügel, die sie selbst einmal bekommen hatten, als sie die Jüngsten waren und den Spitznamen„Frösche" führten. Der mongolische Prinz Wang-Ho, der in Europa zum Seeoffizier erzogen wer- den sollte, war stets nur Zuschauer, wenn die anderen das Tauende gebrauchten, lächelte nur mit den weißen Zähnen in dem breiten, gelben Gesicht und notierte ohne Zynismus, allein um in seiner Heimat darüber zu berichten, diesen Zug von Europas Geist und Kultur.— Gude sah den Stubenältesten Jörgen Stark, den Sohn des Admirals, den feschesten Kadetten des ganzen Korps, vor sich. Beim Iahresball der Schule führte er an, die jungen Töchter der Offiziersfamilien folgten ihm mit feuchten Augen, wenn er aufrecht und zwanglos durch den Saal schritt und die suchte, die er für diesen Abend auszeichnen wollte. Holger erinnerte sich der bebenden Atemzüge seiner Schwester, als sie kurz nach ihrer Konfirmation auf ihrem ersten Kadettenbnll daraus wartete, ob sie vielleicht die Auserwählte— ob er plötzlich vor ihr strhen bleiben würde. Stark schlug wie die andern Stubenältesten, und er schlug hart, aber mit eirker besonderen Munterkeit, die gleichsam den Schmerz milderte. Wenn sein klingense Kommando„Richt euch!" ertönte, rr>ar es, als gäbe er von seinem eigenen Itelyer- schuft an abgchärtetex Kraft. Und sein Tauende mit den drei Knoten traf wie ein Ritterschlag, dessen Striemen wochenlang wie blaue Auszeichnungen auf den bloßen Schultern saßen. Ob es die Eistaufe im Winter oder die Pütze in der Koje fiir einen„Frosch", der todmüde nach der Hundewache hinein- kletterte, galt, immer war er der Erste dabei. Gude erinnert? sich, wie er mit in dem Kreise um die Jüngeren stand, die zu der kläglichen Rolle des Stiers bei der Eornda aussrwählk waren. Die war nach der Tradition vieler Geschlechter die Mannheitsprobe für die siebzehnjährigen neuen Kadetten: der Stier wurde mit verbundenen Augen von den beiden Toreo- doren der ersten Klaffe in die Arena gelassen: jeder von diesen war mit einem knotigen Stock bewaffnet. Wenn der Stier für heute frei sein wollte, mußte er die Ringmauer brechen, er. mußte sich seinen Weg spießen, denn ein Stier Hot mir feine Stirn und gebt nicht mit den Fäusten drauf los!„Zum Teufel, halt' die Flossen auf dem Rücken. Mensch!"— und rings um den Stier wirbelte es von pfeifenden Tauenden, die auf Kreuz und Rücken, Schienbein und Schenkel Hagelten, bis fein Kör- per eine einzige Beule blutrünstiger Striemen war. bis d'e Haut in Streifen und Fetzen hing wie das Bündel der Banderilla.(Fortsetzung folgt.)