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?ibenöausgabe Nr. 360 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. ISO

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�entralorgan cler Vereinigten 8o2ialciemoKrati fcken Partei Deutfcklancls

Präsident harding gestorben. Calvin Coolidge fein Nachfolger.

New Dork.Z. Mngufl(WTB.) prastdent harding ist heule nachl gestorben. San Aranzisko. 3. August.(BXB.) Der Tod de, Präsidenken Harding ist ohne vorangegangene Anzeichen ein- treten, während er sich mit AamilienangehSrigeu unterhielt. ie Aerzte nehmen Schlagansall als Todesursache au.

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Warren S. Harding war am 2. November 1920 von den republikanischen Wahlmännern zum Präsidenten der Ver- einigten Staaten gewählt worden. Sein Sieg bedeutete die Rückkehr der republikanischen Partei zur Macht und die Kata- strophe der von seinem Amtsvorgänger Wilson unglücklich geführten demokratischen Partei. Jetzt geht sein Amt bis zum Ablauf der vierjährigen Wahlperiode auf den Vizepräsidenten Calvin Coolidge über. Harding, der im Jahre 1865 geboren war, hatte feine Laufbahn als Volontär an einem kleinen Blatt in Marion (Ohio ) begonnen, dessen Besitzer er später wurde. In undrama- tischem Aufstieg wurde er, ein treuer und disziplinierter An- Hänger der republikanischen Partei, i. I. 1964 Vizegouverneur des Staates Ohio , 1914 Senator in Washington , und erreichte dann sechs Jahre später das höchste Staatsamt. Gegenüber dem flackernden Idealismus Wilsons erschien er als die Verkörperung der vollkommen schlichten und prak- tischen Nüchternheit. Gerade das aber war nach der tra­gischen Wilson-Epoche den Amerikanern recht. Im Gegensatz zu Wilson, der sich durchaus als Führer- persönlichkeit fühlte und dem man oft seine autokratischen Allüren vorwarf, erschien Harding als ein streng konsti- t u t i o n e l l e r P r ä s i d e n t. der für sein politisches Her- vortreten stets bei seinem Staatssekretär des Aeußern, Hughes, und beim Senat Deckung suchte. Entsprechend der im Volk herrschenden Stimmung der Europamüdigkeit wurde seine Re- gierungszeit zu einer Zeit fortschreitender Entfremdung von allen Händeln der Alten Welt. Solange in Amerika die Ge- schäfte schlecht gingen, gab es immer noch eine Bewegung, die sür die Wiederherstellung der europäischen Mächte durch eine vernünftige Politik eintrat. Seit dem Eintritt einer günstigen Wirtschaftslage jedoch gewann die Gleichgültigkeit allen euro» päischen Angelegenheiten gegenüber die Oberhand. Für Deutschland hat der verstorbene Präsident nur ein» mal eine große Rolle gespielt, allerdings eine vollkommen negative. Im April 1921 wurde er von der Regierung Fehrenbach-Simons als Schiedsrichter in der Repa- rationsfrage angerufen. Harding aber tat nichts dergleichen und es folgte das Londoner Ultimatum. Eine andere Stellung- nähme war von ihm angesichts der damaligen Stimmung des amerikanischen� Volkes nicht zu erwarten, sie entsprang aber sicher nicht einer unfreundlichen Dtimmung gegenüber Deutschland : denn es ist noch in Erinnerung, daß er beim Jahreswechsel 1921-22 ein Glückwunsch-Telegramm an den Reichspräsidenten Ebert sandte, dessen besondere Herz» lichkeit für die deutsche Republik angenehm auffiel. Die hauptsächliche Tat des amerikanischen Staatsober- Hauptes auf dem Gebiete der internationalen Politik war die Einberufung der Washingtoner Abrüstungskon» f e r e n z, die gegen Ende des Jahres 1921 stattfand. Sie bil- hete einen Versuch, das Schwergewicht der Weltpolitik von Europa nach dem Fernen Osten zu verlegen, für den Amerika durch den Besitz der Philippinen -Znseln und durch seine aus» gedehnten Wirtschaftsbeziehungen in Japan und China weit mehr Interesse bekundet, als für dasTollhaus", als das jenseits des Ozeans Europa nicht ganz zu Unrecht ange- sehen wird. Die Konferenz von Washington war zunächst ein großer moralischer Sieg für ihre Einberufer. Ihre materiellen Konsequenzen scheinen allerdings nicht den Erwartungen entsprochen zu haben, obwohl sie sich letzten Endes nur mit den maritimen Rüstungen befaßte. Wohl sind im Verfolg der Washingtoner Beschlüsse einige alte ........* v'------ hme ein» er schon tz a p o r e eme neue maty«»« Flotten-

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zelner legt sich England--------_------,,. basis an. die von der britischen Arbeiterpartei als der Keim künftiger Kriege angesehen und bekämpft wird. Unwr den europäischen Staaten haben insbesondere Frankreich und Italien die Washingtoner Beschlüsse erst vor ganz kurzer ZeU endgültig und sehr widerwillig ratifiziert, �ur Deutschlaich war die Konferenz von Washington insofern ein Gewmn, als die an Obstruktion grenzende Haltung Frankreichs mit einem Schlage dem amerikanischen Volke die Augen über die Gefahr des französischen Militarismus und Imperialismus öffnete. Indessen war Harding als Parteimann unter bs- stimmten Parolen gewählt worden, und da die Hauptparole der Republikaner gegen die Demokraten lauteteLos vom Wilsonschen Dölkerbundschwindel!". was in den Augen der meisten Amerikaner mitLos von Europa !" gleichbedeutend war, hatte der Präsident gewissermaßen eine gebundene Marschroute. Sein Staatssekretär des Auswärtigen Hughes hat deshalb nur mit der größten Vorsicht Stim- mung für den Beitritt der Vereinigten Staaten zum Haager Schiedsgerichtshof gemacht, aber trotz seiner Beteuerungen, daß diese Institution nichts mit dem Völkerbund zu tun hat, fehlt es nicht an unentwegten Europafeinden unter den Re-

publikanern, die auch diesen vorsichtigen Schritt entschieden bekämpfen. Die letzten Wahlen zum amerikanischen Kongreß(Senat und Abgeordnetenbaus) haben allerdings eine deutliche Ab- kehr der Wählerschaft von der republikanischen Politik und ein überraschend starkes und schnelles Wiederaufkommen der Demokraten gezeigt. Nur dürften die Gründe dieses Stim- mungswechfels vorwiegend amerikanischer Natur sein. Mit einem merklichen Umschwung in der Völkerbundfrage ist kaum zu rechnen. Wichtiger als die europäischen Probleme er- scheint dem Durchschnittsamerikaner die ihm näherliegende mexikanische Frage, und wichtiger als das mexikanische Problem ist die ihm am nächsten liegende Frage, ob das Alkoholverbot austechterhalten, gemildert oder abge- schafft werden soll. Um diese letzte Frage dürfte sich die neue Präsidentenwahl hauptsächlich drehen. Da der Tod Hardings allen Leuten überraschend gekom- men ist, haben sich die amerikanischen Parteien mit der Frage der kommenden Männer noch nicht befaßt. Wohl war man im republikanischen Lager schon längst allgemein der Auf- fassung, daß eine erneute Kandidatur.Hardings nicht in Frage kam, da er, bei aller korrekten Gewissenhaftigkeit der Amts- führung, nicht die nötige Autorität und Popularität besitzt, um dem zu erwartenden schweren demokratischen Ansturm siegreich zu begegnen. Aber ein bestimmter Name war bisher weder bei der einen noch bei der anderen Partei in den Vordergrund geschoben worden. Vielmehr ist man seit länge- rer Zeit in beiden Lagern auf der Suche nach einem geeig- neten Mann, und es ist neuerdings sogar der Plan der G r ü n- dung einer dritten Partei aufgetaucht, die sowohl Demokraten wie Republikaner und die junge, rasch empor- strebende, sozialistisch angehauchteFarmer- und Ar- beiterpartei" umschließen würde. Ob dieser Plan verwirklicht und wie weit er gelingen wird, das ist die große Frage, die durch den plötzlichen Tod Hardings akut geworden ist. Die nächste Präsidentenwahl wird sich weniger nach klarumschriebenen Programmen voll- ziehen, da es z. V.Trockene" undNasse" in jeder Partei gibt, als um bestimmte Namen drehen. Gelingt es irgendeiner tartei, nach der auch im politischen Sinne allzu nüchternen era Hardings«inen Mann mit starker Autorität und Volks- tümlichkeit ausfindig zu machen, dann ist dessen Wahl so gut wie gesichert. Nnd dann wird unter diesem Manne Amerika den Rückweg nach Europa antreten können, der ihm unter dem Durchschnittspräsidenten Harding verschlossen blieb.

Präsident Hardmg ist den Strapazen der Wahl- tournee erlegen, was seinem Amtsnachfolger Wilson bekanntlich beinahe auch passsiert wäre, da die amernkanisschen Agitationsreisen außerordentlich aufreibe ich sind. Das Ableben des Präsidenten ist der erste Fall eines natürlichen Todes eines amerikanischen Prä- sidenten während der Amtsperiode. Sobald der Tod offiziell be. kanntgegeben ist, wirjd der Reichsaußenminister in der amerikanischen Botschaft vorsprpechen, um das Beileid der deutschen Regierung auszudrücken. Das Botschafterpalais am Wilhelmpplatz hat bereits h a l b m a st geflaggt. Auch das Auswärtige Amt wird für einen Tag halbmast flaggen. Di« amerikanische Kolonie in Berlin wird«in« größere Trauerfeier veranstalten, zu der auch der Botschafter, der augenblicklich in Baden-Baden weilt, nach Berlin zurückkehren wird. * Di« Rechtslage beim Ableben eines amerikanischen Präsiden- ten sst im§ 6 des Art. 2 der Verfassung der Dereinigten Staaten festgelegt. Danach gehen die Pflichten des Präsidenten a u t o- matifch auf den Pizeprä sidenten über. Falls dieser auch aus- scheidet, hat der Kongreß das Recht, aus deib Kabinett einen Minister mit der Wahrnehmung der Präsidentschaftsgsschäfte zu betrauen bis zum Erlöschen der Amtsperiod«. Danach wird�der jetzige Vize

antreten wird.

Devisenkurse unverändert. Der Tod de» Präsidenten Harding wirkt aus die Börse ziemlich überraschend. Es machte sich infolgedessen eine gewiss« Unsicherheit bemerkbar, da man sich über die politisch« Persönlichkeit des Nach- folgers noch nicht ganz im klaren ist. Di« Gold an leih« der Reichsregierung übt keinen nennenswerten Einfluß auf die Börse aus. Ebenso machte sich kein« Nachwirkung der gestrigen Diskontoerhöhung bemerkbar. Die Zurückhaltung an der Börse wird noch verschärft durch den am Montag wieder eingeführten Freiverkehr der Devisen. Man berät zurzeit noch, inwieweit man die Zulassung zum Handel mit Devisen beschränkt. Die Ten- denz am Effektenmarkt war ebenfalls sehr uneinheitlich. » Der Zinsfuß der Darlehenskassen beirägl vom Z.August ab bis auf weUerev allgemein: für Dorzugsdarlehcn ZO'/x proz.. für Darlehen gegen Verpfändung festverzinslicher Wert­papiere elnfchl. der unverzinslichen Schahavweifungen öl Vroz. vad für Varlehen gegen Verpfändung von Aktien u. vgl. sowie von Ware« ZZ pro».

Antwort. von FriedrichStampfer. Als Verfasser des Artikels über dieArbeiterregierung", dessen.Fortsetzung" Genosse C r i s p i e n hier veröffentlicht hat, möchte ich zunächst zum Ausdruck bringen, daß mir der Standpunkt des Genosssn Crifpien mutiger und konsequenter erscheint, als die Auftassung jener Genossen, die den Sturz der Regierung Cuno und danach bei der folgenden Regierungs- bildung die grundsätzliche Abstinenz der Partei fordern. Jene Genossen meinen, wenn wir die Regierung Cuno nicht stürzten, übernähmen wir die Verantwortung für ihren weiteren Bestand. Da wir diese Verantwortung nicht über- nehmen könnten, müßten wir Cuno eben stürzen. Das läßt sich hören, aber wenn wir Cuno stürzen, so ist unsere verantwortliche Aufgabe damit nicht erschöpft. Wir

tragen auch Verantwortung für das, w a s d a n n k o m m t. Eine schlechte Regierung stürzen hat nur dann Zweck, wenn man sie durch eine bessere ersetzt. Kommt dieselbe Marke nach oder womöglich eine noch schlechtere, dann war die ganze Anstrengung überflüssig und schädlich. Genosse Crifpien sieht das offenbar ein. Da er sich aber von einer Koalitionsregierung keine Besserung ver- spricht, kommt er zu dem Vorschlag, daß eine sozialdemokratische Regierung gebildet werden soll, die den Reichstag auflöst und Neuwahlen vornimmt.* Ein Wort zur Koalitionspolltik. Ich kenne keinen Ge- Nossen , der aus Prinzip oder Vegeisterung Koalitionspolitik irgendwelcher Art treiben will. Es gibt nur Genossen und zu denen zähle ich auch, die die Koalitionspolitik unter ge- wissen Umständen für das kleinere Uebel halten, wöh- rend sie für andere immer das größere ist. Daß der Entschluß, eine neue Koaliton einzugehen, nicht leicht ist, daß ihm starke Bedenken gegenüberstehen, daß ein Teil der Genossen im Lande von dem Gedanken an einegroße Koalition" geradezu entsetzt ist, all das ist auch mir und denen, die so denken wie ich, nicht unbekannt. Gerade darum sind wir auf den Sturz Eunos gar nicht so sehr erpicht, weil wir der Partei eine solche Belastungsprobe so lange wie mög- lich ersparen wollen. Aljer wenn Genosse Crifpien die unüberwindliche Ab- Neigung der Massen gegen jede Koalitionspolitik für eine ge», gebene Tatsache hält, so irrt er. Die Tätigkeit Severings, die auf dem Boden einer Koalition, und sogar dergroßen", ausgeübt wird, findet bei den Massen allgemeine Anerkennung. Für bürgerliche Koasitionsminister im Reich, wie W i r t h und R a t h e n a u, herrschte zeitweilig geradezu Begeisterung. Daß Minister, die aus dem bürgerlichen Lager kamen, sich den Aus- 'suntzen der Partei so weit nähern konnte, erregte Stolz

und Zuversicht in die Kraft der Sozialdemokratischen Partei. Wirth und Rathenau waren, gerade in ihren besten Zeiten. undenkbar als deutsche Minister ohne die Unterstützung der Sozialdemokratie, das heißt ohne Koalitionspolitik. Jetzt ist eine rein bürgerliche Regierung am Werk.«Es wird allgemein zugegeben werden, daß sie sich von den Äoali- tionsregierungen, in denen die Sozialdemokraten saßen, nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil unterscheidet. Wer behauptet, daß die Regierung Cuno die schlechteste ist, die die Republik je gehabt hat, gibt zu, daß die Koalitionsregie- rungen immerhin besser waren. In Preußen hatten wir erst Koalition, dann die A e r a Stegerwald. Um diese zu beenden, überwand man die Abneigung gegen die große Koalition. Und wo ist beute der sozialdemokratische Arbeiter, der sich von Braun und Severing zu Stegerwald und Dominicus zurücksehnt? Dies alles sei angeführt, nicht um die Koalitisnspolitik zu verherrlichen, sondern nur um zu zeigen, daß man in ihrer Verurteilung eben auch nichtübertreiben soll. Daß die Massen jede Koalitionspolltik unbedingt und unter allen Um- ständen ablehnen, ist nicht richtig. Und daß die Arbeit unserer Genossen in der Koalition in allen Fällen wertlos war und ist, sst auch nicht richtig. Solche Ueberweibungen halten der ruhigen Ueberlegung nicht stand. Richtig sst dagegen, daß die Partei tüchtig zu tun haben wird, um zu erreichen, daß eine Koalitionsregierung im Reich etwas besseres wird als eine Forssetzung der Cuno-Regierung. Nur wenn Garantien dafür gegeben werden, daß wir wirk- lich etwas zu sagen haben und wirklich etwas durchsetzen können, ist eine neue Koalition möglich, ob sieklein oder »groß" sst, bleibt dann allerdings gleichgültig. Ich kenne viele Genossen aus den Betrieben, die heute sagen:Wenn Ihr nur dadurch die Cuno-Regierung beseitigen und nur dadurch verhindern könnt, daß ihr eine ebenso schlechte nachfolgt, dann geht in Gottes Namen in die große Koalition. Aber seht Euch vor, haltet die Augen auf, laßt Euch nicht an die Wand drücken. Und schickt dazu die richtigen Leute hin- ein!" Das fchemt mir eine sehr volkstümliche, sehr ver- nünftige und dem praktischen Klassenverstand der Arbeiter ensspringende Auffassung. Nu» zur sozialdemokratischen Regierung, wie Genosse Crifpien sie vorschlägt. Ich glaube. Genosse Crifpien über- sieht, daß die sozialdemokratische Regierung, bevor sie den Reichstag auflöst, erst ernannt sein muß. Der Reichs- Präsident kann aber in normaler Ausübung seiner Funktionen nur dann eine Regierung ernennen, wenn er annimmt, daß sie das Vertrauen des Reichstags finden wird. Allerdings kann der Reichspräsident nach Art. 25 den Reichstag auflösen. Er hat aber sehr gute Gründe, das zur- zeit nicht zu tun. Denn Wahlen sind bei dem gegenwärtigen traurigen Zustand des Reichs kaum durchführbar,