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Hr. 361 46. Jahrgang
Seilage öes Vorwärts
Sonttabenö, 4. August 1423
Zreienwalöe.
Freienwalde, am Rande des Oderbruchs gelegen, ist eine Berg» st a d t und gleichzeitig ein märkisches Bad. Wir erreichen es vom Stettiner Fsnibahnhof über Eberswalde  . Sonntagsrück. fahrkarten werden ausgegeben, die zur Hinfahrt schon von Sonnabend mittag an berechtigen. Wegen des außerordentlich der- gigen Geländes wird di« Gegend um FreienwaldeMärkische Schweiz  " genannt. Vom Bahnhof wandern wir über d�n Markkt Und durch die König-, Gesundbrunnen  , und Melcherstraße zu der 72 Meter hohen Wilhelmshöhe  , aus der sich der 2S Meter hohe Aussichtsturm des Kriegerdenkmals erhebt. Don hier oben haben wir einen prächtigen Rundblick über das Oderland; die weite grüne Wiesenfläche des Oderbruchs tut sich auf'vor unseren Augen. Fontane  , der Altmeister märkischer Wanderei, sagt:Der Anblick ist schön in seine? Art, und wessen Auge krank geworden in Licht und Staub und all dem Blendwerk großer Städte, der wird hier Gene- sung feiern und dies Grün begrüßen, wie ein Durstiger c'nen Quell begrüßt." Auch von dem erdgeschichtlichen Werden dieses Land- fchaftsbildes erzählt uns de? Ausblick vom Turm. Roch in spät- geschichtlicher Zeit folgte die Oder der Talniederung, die von Freien. rralde bis Oderberg   in einem großen westwärts gerichteten Bogen die Neusnhagener Insel umzieht, die wir im Norden aufragen sehen. Die alte Oder und zahlreiche vielfach gewundene Allläufe durch- ziehen die Niederung heute noch. Erst durch den in den Iahren Z74S 1753 mit Benutzung alter Nebenarme ausgeführten Durch. stich bei Neu-Glietzen, der hauptsächlich der Senkung des Grund- Wasserstandes im Oderbruch   dienen sollte, wurde die Ode? allmähllch abgelenkt. Durch den 21 Kilometer langen Kanal von Güstebies« nach Hohensaathen wurde die 16 Kilometer lang« Flußstrecke um mehr als die Hälfte verkürzt. Infolge dieser künsllichen Stronwer- legung liegt Freienwalde   setzt nicht mehr am eigentlichen Oderstrom, sondern an der alten Oder. Durch die Neuenhagener Insel zieht sich ein Teil der großen südbaltischen Endmoräne; er bildet di« V«rmitt. lung zwischen dem uckermärkischen Abschnitt des Endnioränenwalls bei Oderberg   und dem neumärkischen bei Zehben. Bon dem Aussichtsturm wandern wir an der Kapelle vorüber zum Gesundbrunnen hinab. Hier sprudeln mehrere Quellen, die zu Trink, und Badekuren verwandt werden. Ihnen verdankt Freien- walde seinen Ruf als Kurort. Die Königsquelle besitzt den größten Eisengehalt, während die Iohannisquelle mehr Salze enthält und die Kurfürstenquelle zur Herstellung eines kohlensauren Tafelgetränks benutzt wird.De  ? Freienwalder Gesundbrunnen  liegt eine keine Viertelstunde von der Stadt gegen Süden hin in einem von ziemlich hohen Bergen eingeschlossenen Tal; di« an. mutigen Berge sind mit Eichen, Buchen. Fichten, auch niedrigerem Baum- und Strauchwert bewachsen und haben viele gute Kräuter", so heißt es in einer allen Beschreibung. Schön ist dieses Fleckchen Heimat und behaglich rasten läßt es sich hier. Die Freienwalder Quellen sind schon fett langer Zell   als heilkräftig bekannt. Wahr. scheinltch meint sie auch Leonhard Thurneysser.   der 1572 schrieb:Zwischen Freienwalde   und Neustadt(Eberswalde  ) am Ge- birg«, ist ein Flüßlein, das führt Rubinlein mit sich, gar klein aber schön an Farbe." Jedoch erst 1684 wurde Freienwalde   eigentlich entdeckt". Der Ruhm des Freienwalder Quells drang nach Berlin  , zum Großen Kurfürsten, der dann auch kam und den Brunnen mit großem Erfolge" trank. An de?Grünen Tanne" und am stillen Walvfriedhof vorüber wandern wir das Brunnental aufwärts zum B a a f e e, einem keinen See inmitten des herrlichen Buchenwaldes. Geschichten und Sag«n weben hier ihren geheim- nisvollen Schleier. Fontane   meint, daß der Baafee jener Misch- gattung von Seen angehöre, die zu finster sind, um zu erheitern, und doch wieder zu heiter, um den vollen Eindruck des Schauer- lichen zu machen. Vom Wirtshaus wandern wi? nordwestlich den Prinzenwcg zur Prinzeneiche und weiter zu dem von rechts kom- wenden Sounenburger Weg. Auf diesem weiter über die Brunnen- straße zur Chaussee nach Dannenberg  . Wir folgen ihr 100 Schritte weit und biegen dann rechts zum Pittgrund ab. Zwischen ansehnlichen, von Laub, und Nadelwald bestandenen Höhen und üppig wucherndem Farnkraut kommen wir beim Forsthaus Torgelow   auf die Berliner   Chaussee, auf der wi? bis zum Forsthaus Sparrenbusch bleiben. Hier führt rechts ob derDüstere Grund",
eine wilde, düstere Schlucht, zurGrünen Tanne" und zum Gesund. I brunnen. Wi? folgen nun der Straße, die uns durch Freienwalde  zum Bahnhof zurückbringt. W«glSnge etwa 22 Kilometer. Serliner Iremüenverkehr. Berlins   Fremdenverkehr im Juli zeigt eine sehr geringe Steigerung gegen den vorausgegangenen Monat, nämlich von 113 570 auf 125 451. In Berücksichtigung des Unterschiedes zwischen dem MSgigen Monat gegen den Zltägigen kann die Verkehrsziffer als die völlig gleiche angesehen werden. Die einzelnen Zahlen zeigen nach den Feststellungen d«r Zentralstelle für den Fremdenverkehr Groh-Berlins   ganz überraschend den unmittelbaren Einfluß der Balutaverhältnisse aus den Fremden- z u z u g einerseits und andererseits den Einfluß der Beherbergungs- steuer auf den Fremdenverkehr. Der A u s l ä n d e rz u z u g hat sich von 17 433 auf 24 114 gehoben und damit nahezu 20 Proz. des Ge- samtfremdenverkehrs erreicht. An der Spitze der Ausländerliste er- scheint diesmal Oesterreich mit 3123, eine Zahl, die seit sehr langer Zeit nicht erreicht worden war, und die sich ausschließlich aus der überraschenden Steigerung der österreichischen Krone erNärt. An zweiter Stelle ist Amerika   mit 2338 zu verzeichnen, an dritter Schweden   mit 2676, an vierter die Tschechoslowa. k e i mit 2411, an fünfter Dänemark   mit 2051, es folgen Holland  mit 1314, England mit 1474, Polen   mit 1433, Ungarn   mit 1348, Norwegen   mit 1004 usw. Frankreich   und Belgien   sind nm mit 71 bzw. 66 Ankömmlingen vertreten, di« entweder als staatliche Ab- gesandte airzusehen find oder m Privathäusern Unterkunft gefunden haben.
Wettek'siissicritsn für Sonntag.
W ho V<=a'p
In den letasten Tagen des Monats Juli drangen rasch hinter­einander mehrere umfangreiche Tiefdruckgebiete vom Atiantisohen Ozean über Schottland   nach der Nordsee   und Südskandinavien vor, wo sie dann immer etwas länger verweüten. Nach kurz vor­übergehender Aufheitornng trat daher schon in der Nacht zum Sonntag in der nordwestlichen Hälfte Deutschlands   abermals Regenwetter ein und pflanzte sich innerhalb der folgenden 24 Stunden bis an die östliche und südliche Grenze des Reiches fort. Namentlich zwischen der Elbe   und Weichsel   kamen auch an vielen Orten Gewitter vor. Die RegenfäUe wiederholten sich in den meisten Gegenden täglich und waren besonders in West­deutschland sehr ergiebig. Erst am Mittwochabend Härte sich der Himmel im größeren Teile des Binnenlandes, im Laufe des Donnerstag auch an der Küste auf. Bei Annäherung eines neuen starken atlantischen Tiefs war das Hochdruckgebiet von Südwest nach Sndosteuropa geeilt. Die Winde drehten sich daher in Deutschland   zwischen Donnerstag und Freitag morgen nach Süd oder Südost und führten im Verein mit der Sonnenstrahlung eine ziemlich bedeutende Erwärmung herbei. Am Freitag nachmittag stieg das Thermometer in Berlin   auf 27'/, Qrad�Oelsius. In­zwischen ist das atlantische Tiefdruckgebiet wiederum nach Schottland   vorgedrungen, von wo es jetzt langsamer nprdostwärts weiterzuziehen scheint, während vom Bisoaischen Meer ein neues Hoch nach Frankreich   gelangt ist. Im I.anfc des Sonnabend wind daher bei uns wie In ganz Mordwest- und Ulittel- dentschland wieder zahlreiche Gewitterregen so er­warten, die sich am(Sonntag mehrmals wiederholen und weiter ostw lirts ausbreiten dürften. Dabei wer­den sich die Winde voraussichtlich nach Westen drehen und die Temperatur, Jedoch auch die Be- wttlbnng neuerdings annehmen.
Monokelfteü�. Der Teppichspezialist als Biedermann. Einer der gemeingefährlichsten Einbrecher stand in dem arbeits- losen Feinmechaniker Julius B a r m b e ck mit seinem Diebeshelfer, dem 20jährigen Maschinenschlosser Fritz Ehrich, wegen Banden- diebstahls zur Aburteilug vor der Ferienstrafkammer des Land- gerichts III. Zugleich war eine Reihe Frauen, darunter mehrere Pensionsinhaberinnen und Händlerinnen wegen ein- f a ch e r und gewerbsmäßiger Hehlerei mitangekagt. Barmbeck ist wiederholt und schwer vorbestraft. Seine S p e- zialität war es, in Häuser einzudringen und die Teppich. l ä u f e r zu st e h l e n. Während er draußen Schmiere stand, muhte Ehrich mit Schraubenzieher und Stemmeisen die Teppiche losmachen. Die Abnehmer waren die Mitangeklagten. Im ganzen werden den beiden Hauptangeklagten 25 Teppichdieb st ähle zur Last ge- legt. Der Angeklagte Barmbeck trat stets sehr elegant auf und ver- kehrte vorwiegend in Nachtlokalen und Spielklubs. In Berbrecher- kreisen führte er den SpitznamenM o n o k e l f r e d". Er leugnet vor Gericht die Diebstähle und behauptete, daß Ehrich, den er zu- fällig kennengelernt hatte, ihm die Läuser zum Verkauf angeboten hätte. Er will nicht gewußt haben, daß es sich um Diebesgut han- delte. Der AngeNagte E h r i ch legte«in offenes Geständ- n i s ab. Er ist im Oktober v. I. noch Berlin   gekommen und wollte weiter reifen, hatte aber nicht genug Fahrgeld und hiell sich nachts auf dem Bahnhof Zoologischer Garten   auf. Dort hat ihn Barm- deck, der merkte, daß er mittelos sei, angesprochen und ihn über- redet, die Diebstähle auszuführen. Die Beute hat der AngeKagte Barmbeck übergeben und sich weiter nicht darum gekümmert. Er hat im ganzen etwa 80 000 bis 100 000 M. von Barmbeck erhalten. Bcrrmbeck trat diesem Geständnis scharf entgegen. Er spielle sich als Biedermann auf und wies es mit Entrüstung zurück, daß er gestohlene Sachen kaufen solle, und er sei über die Angaben Ehrichzplatt". Die mitangekagten 5 Hehlerinnen hatten beim Untersuchungsrichter ein Geständnis abgelegt, daß sie von der Her- kunst der von ihnen gekauften Läufer Kenntnis hatten. Jetzt wider- riefen sie die Angaben und behaupteten, daß der Untersuchung?- richter diese Geständnisse dadurch von ihnen erpreßt habe, daß er ihnen mit emem schon"ausgestellten Hastbefehl drohte und zu diesem Zweck auch eine von ihnen abführen ließ. Der Staatsanwalt hielt es angesichts dieser Behauptungen der AngeNagten für nötig, die Ladum-g des Untersuchungsrichters Dobring zu be- antragen. Die Rechtsanwälte Dr. Löwenthal und Frey ver- langten, daß auch sämtliche bei den Vernehmungen anwesend ge- wesenen Referendare und Justizwachtmeister geladen würden, die vor der Tür das Gestohne und Geschrei der geängsteten Frauen gehört hätten. Das Gericht beschloß, den Anttägen stattzugeben und zu einem neuen Termin die sämtlichen Zeugen zur Aufklärung der Dehaupwngen der AngeNagten zu laden.
Em gefährliches Spielzeug. Im Hause Lindower Str. 14 spielte der 11jährige Schüler Han» Ohm mit dem scharfen Z ü n d er ei n e r 7,6- cm. Granate. Plötzlich explodierte der Zünder und die Spreng. stücke rissen dem Knaben drei Finger der linken Hand weg. Außerdem drangen ihm einige Splitter in den Unter- leib, so daß er schwerverletzt nach dem«Zirchow  - Krankenhaus gebracht werden mußte. Räch Angabe der Mutter hat der Knabe den Zünder auf dem Tegeler Schießplatz gefunden. Gemeindesteuern und Geldentwertung. Die Form, in der Gemeindeabgaben an die Geldentwertung an- gepaßt werden können, ist in dem neuen Preußischen Gesetz zur Re- gelung verschiedener Fragen des kommunalen Abgaberechts vom 0. Juli 1323 geregelt worden. Danach können di« Gemeinden be- chließen, daß die Steuersätze für die direkten und n direkten Steuern sich vierteljährlich in be. timmter Weise ändern. Die Festsetzung kann einem Aus. chuß ubertragen werden, der an eine vom Staatsministerium jeweils estgesetzte Höchstgrenze gebunden sst. Der Berianer Magistrat hat n feiner letzten Sitzung bereits dementsprechende Beschlüsse für die tädtischen Stuerordnungen gefaßt und wird der Stadtverordneten- Versammlung zu ihrer nächsten Sitzung entsprechende Vorlag« zu- gehen lassen.
«> Als die Wasser fielen. Kon Otto Rung  . Hier waren ungeheure Blaupausen von Schiffsteilen mit Reißnägeln auf allen Wänden ausgespannt, von durch- tropfendem Wasser beschmutzt, von den Schwalben besudelt, die verwirrt unter der Decke aus der Flucht gegen die zer- brochenen Zugfenster flatterten. Die Herren kamen durch die Modellkammer, wo die zugeschnittenen Holzmuster aufge- stapelt waren. Hier standen auch in verstaubten Glaskästen die Modelle der vierzehn Schiffe, dieBjörn",Bjarne" und Buris" besessen hatten, sowie die der drei ungeborenen draußen auf den Helgen mit Mahagonideck, seidenen Flaggen und kleinen Dampfspillen aus angelaufenem Messing. Pauli blieb vor ihnen stehen. Eines für jede unserer Gesellschaften, sagte er,die erstgeborenen einer neuen Flotte für die drei Been. Er zeigte munter auf die Namensplatten der Dampfer am Spiegel. Eines von ihnen hießHelmuth Pauli.'Mach meinem Jungen!" erklärte der Direktor der Dänischen Werft mit Stolz. Ein anderes hieß wie er selber.»Aber das beste Anzeichen für unsere neue Aera ist das dritte Schiff. Wie Sie sehen, trägt es den NamenMaud Martens! Maud, die ein wenig abseits am Arme ihres Date� stand, lächelte heimlich, ihr Blick suchte den Eudes herau?- fordernd, wie ihm zuerst schien, dann anhaltend, wie in zarter Bitte, fast demütig. Sie gingen weiter durch die Kontore. Die Reißbretter lagen noch da, wie die Zeichner der Werft sie verlassen hatten, als sie an dem Tage, da der Blitz einschlug und den Betrieb der Dänischen Werft zum Stillstand brachte, fortgejagt waren. Dicke Lagen von Staub und herabgerieseltem Gips lagen auf den Pulten der Kontoristen. Da standen ein paar Kaffee- tassen. noch mit Satz auf dem Boden, auf dem Schreibzeug lag ein Zigarrenstummel, die Reste der letzten Frühstücks- pause eines demütigen kleinen Schreibers vor der Kündigung, die ihn ohne Gehalt am selben Tage vor die Tür setzte! Gerade wie die achthundert Kontoristen, Arbeiter, Zeichner und Vor- orbeiter! Wo mochten die jetzt sitzen und hungern oder standen sie vor den Annoncentafeln der Zeitungen und suchten jeden Morgen mutlos in der Rubrik: Angebotene Stellungen?
Verfall, Ruin, wohin sah in der Dänischen Werst, die wild gegründet, von Toren betrieben und von Tantiemen ausgehungert worden war. Doch Andreas Pauli schritt munter umher mit der Miene eines Impresario, morgenfrisch und gemütlich, und stieß mit seinen breiten Sttefelspitzen gegen Glasscherben und Gips- brocken. Und die Herren seines Austichtsrats gingen mit dem Hut auf dem Kapfe herum und rauchten Zigarren, während sie halblaut, knurrig oder prahlerisch, aber nur über ihre per- sönlichen Angelegenheiten, sprachen. Nicht einer von ihnen dachte daran, daß der Stillstand des Betriebes achthundert zum Stillstand gebrachte Schicksale bedeutete. Für sie galt es sicher nur neuen Gewinn herauszupressen, und verwundert fragte Gude sich, ob das das siegreiche Motiv in allem Groß- betrieb wäre: Hunger des kleinen Mannes nach dem kleinsten Verdienst! Möglicherweise war das der Mechanismus des Lebens, das tiefe Gesetz hinter allem Tun. Und er allein hatte Unrecht, wenn ihn vor diesen Ruinen graute, und wenn er die beklagte, die fielen! Dyrhammer hatte Paust am Mantelaufschlag gefaßt. Was er wohl erzählte? Ja, er sagte, sein Valutaverdienst wäre ihm so nahe gegangen, daß er Tag für Tag an Gewicht verlöre.Aber jetzt," jammerte er,habe ich meine Frau und meine beiden Töchter nach Bayern   geschickt, und in einer Woche reise ich selbst dahin. Meine deutschen   Guthaben ziehe ich an Ort und Stelle, dann kann ich sozusagen umsonst mit meiner Familie leben und mich einigermaßen decken wenn ich nur die Kost vertrage." Er schüttelte sorgenvoll den Kopf und putzte sich schallend die Nase. Aber deshalb," fuhr er vorsichtig fort,kann ich doch wohl im Aufsichtsrat der Werft bleiben?" Pauli lachte.Warum nicht, Dyrhammer! Wir wollen dich, weiß Gott  , viel lieber da unten sitzen haben, als Isier in den Aufsichtsratssitzungen, wo du immer nur stänkerst.' Die Hauptsache ist," sagte er zu den anderen gewandt, daß wir die Werft wieder in Gang bekommen. Haben die Herren einen Begriff davon, was es kostet, stillzuliegen? Schon in der bisher verlaufenen Zeit handelt es sich um mehrere Hunderttausend! Maschinen, die nicht gehen, sind teurer als rotierende Räder! Sie fressen sich selber auf! Das kostet uns und Sie Geld, Eentlemen! Zu liquidieren ist daher der teuerste Ausweg, den wir für die Dänische Werft finden können,. Wir müssen unsere Räder wieder m Gang setzenl"
Er begann mit Kraft, die Aussichten für neuen Betrieb zu schildern. Es war Eudes Projekt, das er breit und be- haglich als feine eigenen Ansichten entwickelle, ohne weiteres gebrauchte er Eudes Berechnungen und Zahlen, blies sie aber auf und ließ sie als schillernde, verheißungsvolle Blasen in die Luft steigen. Alles, womit Gude als Möglichkeit gerech- net hatte, wurde in Paulis Mund zur Gewißheit: die Oeff- nung Rußlands  , das Wachsen des Südhafens, die Vertiefung des Sundes durch Ausbaggern: er verkündete ein Neu-Kopen- Hägen hier nach Süden, mit Riesenmolen und Silos, Bassins, in denen die Dampfer dicht gedrängt lagen, Freilagern, rollen- den Güterzügen, knarrenden Kränen, Fabriken und Docks: der ganze baltische Handel in dänischen Händen, Kopenhagen  : der gewaltige Stapelplatz der Ostsee  ! Zitternd vor Zorn hörte Gude ihn reden. Dies war fein eigenes Programm, aber was nüchtern, rationell und grund- gemauert mit soliden Zahlen war, wurde verfälscht, vergoldet und diesen Vielfräßen in den Rachen geworfen. Wie ein frecher, unlenkbarer Caliban stand dieser Gast- wirtssohn aus dem Bierkeller, der sich einmal prahlerisch Pro- letarier genannt hatte, da und spielte zynisch mit den schweren Werten, die die Arbeit geschaffen hatte, und die nur arbeitende Männer tragen können. Er servierte sie über den Schenkttsch, gerissen und lustig, wie sein Vater wohl einmal den armen Schluckern des Nörrebro-Viertels Schnaps ausgeschenkt haben mochte. Er trank ihnen zu und würzte seinen Fusel mit Witzen. Und wahrscheinlich ließ er vor diesen schlaffen Bänke- rottierern des goldenen Zeitalters die Erinnerung an die be- rühmten Direktionsmittage, die er auf seinem Landsitz ge- geben hatte, erstehen, wo die Damen kostbare Schmuckstücke in ihren Servietten fanden, und an die Fahrten mit seiner Mo- torjacht und die Rennen, zu denen er sie in seiner eigenen Mailcoach fuhr. Lustig und den vor ihm Stehenden hin und wieder auf die Schulter klopfend, memorierte er oft den Blick mit offener Unverschämtheit auf Gude gerichtet, ohne Spur einer Maske als genügsamer Puritaner, sogar bewußt! übertreibend das Zeugnis, das er sich selbst als Genießer in großem Stil ausstellte, ließ mit Zwinkern und Schmatzen ahnen, in einer Tonart, die weit vulgärer als sein eigentliches Wesen war, verstehen, welche Raffinements er sich noch mitten in der Misere zu schaffen wußte! (Fortjetzung folgt-j