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Nr. 393 40. Jahrgang

Ausgabe A fr. 196

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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Freitag, den 24. August 1923

Die Not des Reiches.

Besprechung im Hauptausschuß.

Im Hauptausschuß des Reichstags machte nach| Mann gewesen wäre. Man könne aber von den Belegschaften ber Rede des Reichsverkehrsministers der Vorsitzende Abg. Hei- nicht die Leistung von Ueberstunden verlangen, wenn gleichzeitig mann( Soz.) dem Ausschuß Mitteilung von dem Entwurf der zahlreiche Entlassungen stattfinden. Im übrigen sei ja bekannt, Richtlinien, die von der Regierung für die Verteilung der daß sich jetzt sogar die Betriebe auf Kurzarbeit einrichten. Die Beihilfen zur Behebung kultureller Notstände Politit der Reichsverkehrsverwaltung billigt der Redner. Er habe stets die Erfahrung gemacht, daß die Preise durch etwaige Fracht ermäßigungen gar nicht heruntergeschraubt wurden, sondern, daß folche Tafermäßigungen lediglich in die Taschen der Abgeber floffen. Jetzt handle es sich um den

vorgesehen worden seien.

Kampf der Staatsautorität gegen die Uebermacht der Finanz und der Industrie.

Profit der Wirtschaft entstanden. Nun müßten endlich durch radi­tale Notverordnungen dem Reiche auch seine Eristenzbedingungen gewährt werden.

Abg. Dr. Rießer( D. Vp.) schloß sich den Bedenken des Abg. Dernburg an und hielt es nicht für tragbar, daß Personen, die eine Devisen befizen, für diesen mangelnden Devisenbesig

In diesem Entwurf wird zunächst der Begriff der fulturellen und gemeinnüßigen Bereinigungen definiert. Nach der Ent stehungsgeschichte des Fonds und den seiner Bewilligung voranges gangenen Erörterungen im Haushalts- und Sparausschuß und in der Vollfigung des Reichstags find unterstügungsfähig tultu= relle Bereinigungen auf gemeinnütiger Grund­lage ohne staatlichen oder städtischen Charakter, Aus den unendlich niederen Löhnen der vergangenen Jahre sei der die selbst nicht kirchlicher Natur sind, jedoch durch ähnliche Mittel wie die Religionsgesellschaften zur fittlichen Erhebung über den Alltag und zur seelischen Erbauung auf die breite Masse des Boltes einwirken. Für die Unterstützung fommen in erster Linie die Aufgaben in Betracht, die auf dem Gebiete des freien Volksbildungswesens liegen und zwar: Volksbüchereien, Bolkshochschulwesen und andere volksbildnerische Bestrebungen auf dem Gebiete von Wissenschaft und Kunst( Boltsvorstellungen, Bolks­tonzerte, Wand- und Hausschmud u. a.). Die Hauptträger des freien Volksbildungswesens find die großen, das Gesamtgebiet der Volksbildung umfassenden Verbände( evangelischer Volks­bildungsausschuß, Gesellschaft für Boltsbildung, fatholischer Zen­tralbildungsausschuß, Zentralbildungsausschuß der SD­zialdemokratischen Partei Deutschlands ), sowie große, besonderen Aufgaben der Volksbildung dienende Ber­einigungen, die Landesverbände für Bolfsbildung, in denen alle maßgebenden voltsbildenden Bereinigungen des Landes zentral vereinigt sind, provinzielle und landschaftliche Vereinigungen. Von den zu unterstützenden Verbänden sind vorher Verwendungspläne einzufordern. Die Verwendung der gewährten Beihilfen ist späts­stens am Schlusse des Rechnungsjahres nachzuweisen. Fünfund­fünfzig vom Hundert des Fonds werden den Ländern über­wiesen. Ueber die 45 vom Hundert verfügt der Reichsminister des Innern, wobei er sich 15 vom Hundert als Ausgleich für besondere Fälle vorbehält.

Der Ausschuß nahm diese Richtlinien an und die Debatte wandte fich wieder dem eigentlichen Gegenstand der Tagesord nung zu.

Abg. Klödner( 3.) hielt es für notwendig, der Regierung eine schnelle Ermächtigung zur Durchführung ihrer Maßnah­men zu geben. Die außerordentliche gegenwärtige Notlage des Reiches verlange schnellste Hilfe. Wünschenswert sei eine möglichst vollkommene Zusammenarbeit der einzelnen Ressorts mit dem Finanzministerium. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen erinnerte Redner daran, daß den Hauptteil an allen im Reiche be­nötigten Devisen die Eisenbahn durch den Bezug von englischer Kohle benötige. Um dieser foloffalen Einfuhr von englischer Rohle zu steuern, fönnte es sich vielleicht empfehlen, wenn in den Bergwerken des unbesetzten Gebietes die Bergarbeiter frei­

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Herzog Mussolini .

O. L. Rom , den 19. August 1923. Die ganze faschistische Presse druckt einen Artikel ab, der unter der Ueberschrift Nun ist's genug!" in dem Popolo d'Italia", dem Organ des Ministerpräsidenten, erschienen ist. Der Titel erweckt zunächst den Eindruck, daß es sich um einen Aufruf zur Disziplin handele. In Genua hat ein Faschist den anderen totgeschossen, weil er die faschistische Fahne nicht ge­grüßt hatte, in Monza ist eine katholische Druckerei zerstört worden, wobei der Sachschaden sehr bedeutend war, aus den Provinzen Mailand , Bologna und Forli werden zahllose Akte der Roheit und Gewalttat gegen Landarbeiter und Kleinpächter berichtet. Es war also begreiflich, daß ein Genug!" von faschistischer Seite sich gegen dieses Fortdauern von Gewalttaten gegen Unbewaffnete richtete; jeder Unbefan­gene hat die Empfindung, daß diese chronische Gewalt­tätigkeit, der gegenüber sich die öffentliche Meinung fast schon ebenso stumpf verhält wie die offizielle und offiziöse Presse, in letter Linie die Regierung selbst am meisten schädigt.

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Diese Auffassung wird aber in den maßgebenden faschi­stischen Kreisen nicht geteilt. Das Genug!" bezieht sich viel­mehr auf die Berichte, die die nichtfaschistische Bresse über diese Gewalttaten bringt und besonders auf die Bericht­erstattung aus einem Städtchen der Romagna , aus Moli= nella, wo sich seit zwei Jahren ein schwerer Kampf gegen die sozialistischen Gewerkschaftler ab­spielt, der heute in eine afute Phase getreten ist. In dem Ar­

Die Wertbeständige Anleihe el heißt es wörtlich: des Deutschen Reiches und der Reichsfanzler Stresemann

An alle Schichten des Boltes richten wir die Aufforderung, diese deutsche Goldanleihe aufs fräftigste zu unterstützen. Sie soll uns eins der Mittel sein, um die Geldinflation zurückzu­dämmen, die Verhältnisse geschaffen hat, unter denen weite Boltsschichten in Deutschland kaum noch über die notwendigsten Subsistenzmittel verfügen. Wir richten den dringenden Appell an alle Parteien, an dieser für unser Bolt so entscheidend gewordenen Frage mitzuarbeiten. In dieser Frage gibt es teine Parteimeinungen, in dieser Frage ist die positive Mitarbeit jedes, der die Verhältnisse zu beffern vermag, vater­ländische Pfiichterfüllung, die wir dankbar be­grüßen." Rede in der Gigung des Reichstags am 14. Auguft 1923.

willig Ueberstunden machen würden. Dadurch würden viel De- Beichnungen fönnen bei der Reichsbank und bei den im Profpeft an­visen gespart werden. Redner verlangte weiter die schärffte gegebenen Stellen sowie bei diesen durch Vermittlung sämtlicher Banten, Erfassung der Devisen an den Stellen, wo täglich Devisen- Bantiers, Sparkassen und Kreditgenossenschaften bewirkt werden. Belch eingänge sind, die aber in ihren Betrieben Berwendung für De- nungspreis 100% bei Cinzahlung von Devisen und Dollarschatz visen nicht direkt haben, z. B. Wechselstuben, Hotels, Sana- anweisungen 95%. Das tleinste Stück lautet auf den Gegenwert

torien usw.

Abg. Dr. Dernburg( Dem.) betonte, daß eine wirtschaftliche Gefundung des Deutschen Reiches nur dann möglich sei, nachdem die Ruhrangelegenheit abgebaut und erledigt worden

bon 1 Dollar.

sei. Die Arbeiterschaft solle wohl Goldlöhne bekommen, feinesfalls nun in Form einer neuen Zwangsanleihe( durch Papiermarkein­fönne sie aber auf die volle Höhe der Friedenslöhne Anspruch zahlung) zahlen sollen. Die Vorwürfe des Borredners gegen erheben. In einzelnen Branchen würden schon Löhne gezahlt, Finanz und Industrie rechtfertigten sich nicht, da mit den neuen welche die Friedenslöhne übertreffen und hinter den Notverordnungen ja diese Kreise durchaus einverstanden gewesen Löhnen in England nicht zurückständen. So sehr man es begrüßen feien. Wohl seien brutale Steuereingriffe notwendig. Das be­müsse, daß dadurch die Lebenshaltung des Arbeiters aufgebeffert dinge aber nicht notwendig das Fallenlassen jeder Rücksichtnahme. merde, so sehr sei dies jedoch vom allgemeinen wirtschaftlichen Abg. Graf Westarp ( Dntl.) will prinzipiell dem Gedanten von Standpunkte aus zu bedauern; denn durch die Zahlung von Notverordnungen in der heutigen fatastrophalen Lage Deutschlands Friedens- oder darüber hinausgehenden Löhnen würde die deutsche nicht widersprechen. An der Vollmacht für die Regierung will er Wirtschaft jede Konkurrenzfähigkeit verlieren und sich jedoch mit seinen Freunden nicht beteiligen. schließlich auch zum Schaden des Arbeiters erliegen. Auch die

Syndifats- und Kartellspolifit

müsse aufmerksam nachgeprüft werden. Es sei jedenfalls zu ton­trollieren, ob es notwendig sei, daß vereinzelte lebenswichtige Dinge bereits die Weltmarktpreise überschritten hätten. Dem Abg. Wels( S03., dessen Ausführungen bereits furz im Abendblatt verzeichnet waren, gehen die Maßnahmen, die der Finanzminister zur Erfassung der Devisen vorgeschlagen hatte, nicht weit genug. Mit solchen halben mitteln könne der deutschen Not nicht gründlich genug geholfen werden. Redner verlangte für das Reich die unbedingte Verfügungsgewalt über alle Devisen,

Nach einer Erwiderung des Reichsfinanzministers Dr. Hilfer­ding, in der vor allem festgestellt wurde, daß bei mangelnden De­pisen an der Papiermarkzahlung festgehalten werden müsse, sprach Reiches auf die brutale fapitalistische Ausbeutungspolitik zurüd­noch der Kommunist Eichhorn, der die jetzige Finanzlage des führt, die nach seiner Ansicht in den letzten Jahren stattgefunden

habe.

,, Es ist Zeit, sich über die Gesetzwidrigkeit" zu verständigen. Seit die Faschisten, die in ihrer ungeheuren Mehrzahl disziplinierte Soldaten sind, auf den Gebrauch des Rizinusöls und des. Rnüppels verzichtet haben, haben seine Gegner Mut gefaßt und begehen ihrerseits Gesetzwidrigkeiten, wobei sie noch beanspruchen, daß die Organe der Regierung fie dabei beschützen. Da die heutigen Geseze es nicht gestatten, die Gesezwidrigkeiten( sic!) der Anti­foschisten zu unterdrücken, ziehen diese in skandalöser Weise Vorteil daraus und widmen sich einer täglichen Rampagne frecher Provokationen.. Man sollte meinen, daß man teuflischer­weise gewaltsame Rundgebungen von faschistischer Seite provoziert, um einen Anlaß der Opposition gegen die Regierung zu haben.

Alles das muß aufhören. Das Spiel ist entdeckt. Die Spe­fulation mit den Ereignissen von Molinella zeigt den Geisteszustand der Feinde des Faschismus, die nicht abgerüstet haben und nicht ab­rüften werden. Wir haben allen Grund anzunehmen, daß die Maß­nahmen gegen die Presse, nachdem sie einen Monat als Entwurf liegen blieben, jetzt in Kraft treten werden. Sie sind durchaus konstitutionell, wie wir auf Grund umfassender Gelehrsam­teit in diesen Spalten selbst bewiesen haben. Die faschistische Revolution... hat das Recht und die Pflicht, sich zu verteidigen. In Rußland wird kein Oppositionsblatt gegen die Sowjets gedruckt...."

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Schließlich beruft sich diese parteioffizielle Faschisten­erklärung auch noch auf das deutsche Gesetz zum Schuße der Republik , um die Gewalttaten der Faschisten in Molinella zu verdunkeln. In diesem fleinen Ort, wo mehrfach zusammen­stöße zwischen den sozialistischen Arbeitern und den faschisti­schen Helden stattfanden, rückte eines Tages die Straferpedi­tion" auswärtiger auf Lastautos beförderter Faschisten an, um Ordnung" zu schaffen. Nachdem diese aus der Provinz Bologna und Ferrara herbeigeeilten Rächer sich einen Tag ausgetobt hatten, wobei es gegen 60 durch Stockschläge Berlette gab, wurde das nachstehende Manifest ange­schlagen:

,, Die Provokationen der Ballon müßen des Umsturzes, der die antifaschistische Presse ganz Italiens die Stange hält, haben neue Konflikte heraufbeschworen.

Die faschistischen Organisationen von Molinella fordern die von allen Teilen der Provinz Bologna herbeigeeilten jungen Leute auf, sich in ihre Sitze zu begeben, und fordern die roten Arbeiter auf, ihren unberechtigten und verbrecherischen Widerstand aufzugeben.

Vorläufig wird ein Waffenstillstand von 48 Stunden zu­gestanden, damit die noch in der sozialistischen Gewerkschaft Organi­genommen werden, um eine Sachlage zu beseitigen, die in Italien fierten sich unterwerfen; nachher wird der Kampf voll wieder auf­und im Ausland ausgenügt wird und die Molinella entehrt, das

binnen kurzem völlig dem Vaterlande gewonnen sein wird und sein Die faschistische Seftion von Molinella.

Tags darauf wurden die Namen von drei Jour­nalisten veröffentlicht, die verantwortlich gemacht

werden für die Berichte, die in der Voce Republicana", in der ( einheitssozialistischen Giustizia" und im Avanti" erscheinen werden. Wir haben das Prinzip der Geiseln, ange­wandt auf die... Preßfreiheit!

Zum Schluß machte noch Abg. Kahmann( Soz.) darauf auf will." merksam, daß nach zahlreichen Beobachtungen die Banten immer noch Schecks in Zahlung geben, trotzdem die Geld­mitteltpappheit längst überwunden sei. Durch dieses tünstliche Geld der Banken slösse den Instituten ein riesiger Gewinn zu. die in Deutschland befindlich sind. Auch die Gehaltszahlung an die Beamten mit der vierteljährlichen Borauszahlung fand nicht schuß vertagte sich auf unbestimmte Zeit. Hierauf wurde die Aussprache geschlossen und der Aus­die Zustimmung des Redners. Durch folche periodischen großen schuß vertagte sich auf unbestimmte Zeit. Zahlungen würden alle Preise hochgetrieben. Alsdann wandte sich Redner gegen den Reichsbankpräsidenten Havenstein und er­flärte, daß die Sozialdemokratie nicht ruhen würde, bis der Reichs- Griesbach, 23. Auguft.( Mtb.) Am fommenden Sonntag, den bankpräsident endlich gegangen sei. Bur Frage der Ueberstun- 26. August, dem Todestage des ermordeten Reichsfinanzministers den erklärte Redner, daß sich die Belegschaften noch niemals ge- Erzberger , findet hier eine fleine Gedenffeier statt. In der weigert hätten, länger zu arbeiten, wenn wirtlich Not an Griesbacher Pfarrkirche wird ein Requiem gehalten,

Erzberger- Gedenkfeier.

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Einen Beweis der eigenartigen Berquickung zwischen faschistischen Parteiinstanzen und Regierungs­instanzen liefert der folgende Fall. Der Präfekt( Regie­rungspräsident) von Trient hat den Bräsidenten der dorti­gen Provinzialverwaltung die in dem heutigen Uebergangs­stadium vom König ernannt, nicht gewählt wird