nvetbcn. Werden die ausländischen Zahlungsmittel bis zum 5. September 1923 abgeliefert, so erfolgt die Gutschrist aus das Steuerkonto mit der Maßgab«, daß für«ingezahlt« je 10V Mark eine Gutschrift von je 123 Mark erfolgt. Nach näherer Bestimmung des Reichsministers der Finanzen können Steuerpflichtig« in Höh« des Betrages der Gutschrift auf dem Steuerkonto von dem Zuschlage nach Art. III Z 1 des Gesetzes über die Berücksichtigung der Geldentwertung in den Steuergesetzen in der Fasiung de» Steuerzinsgesetzes vom 11. August 1923(Reichs- gesetzblatt Teil I, S. 774) befreit werden. c) Gutschrift auf ein wertbeständiges Konto nach näherer Bestimmung der Reichsregierung. Die in Absatz 1 b vorgesehenen Vergünstigungen kommen ferner jedem zugute, der über seine Ablieferungspflicht hinaus oder ohne ablieferungspflichtig zu fein, ausländische Zahlungsmittel der in§ 3 Nr. 1 bezeichneten Art jrl s zum 3. September 1923 abliefert. 8 s. Wer weniger als zwei oder eine Mark Gold für je zehntausmd Mark des ersten Teilbetrags der Lrotversorgungsabgabe abliefert, ohne gemäߧ 1 Abf. 3 von der Ablieferungspflicht befreit zu fein, hat bis zum 13. September 1923 eine Erklärung darüber abzu- geben, welche ausländischen Bermogensgegen stände sih in der Zeit vcm IC. bis 20. August 1923 in feinem B ermögen befunden haben, sowie darüber, was er an aus- ländischen Bermögensgegenständen noch dem 31. Juli 1923 veräußert hat. Die Reichsregierung schreibt Form und Inhalt der Erklärung vor. Sie kann die Erklärung auf weitere al» die nach Abs. 1 zu machenden Angaben ausdehnen und den Kreis der Erklärungspflich. tigen anderweit bestimmen. Die von der Reichsregierung bestimmte Stell« kann die Er- klärungspflichtigen zur Ergänzung ihrer Erklärung vorladen und von ihnen jede für erforderlich erachtete Auskunft verlangen; sie kann ferner eine Prüfung der Bücher und Betriebe vornehmen oder vornehmen lassen. Die Richtigkeit und Dollständigkelt der Erklärung, ihrer Ergän- zung und der Auskunft ist an E i d« s st a t t zu verstchern. 8 s. Wer die nach§ 8 Abs. 1, 2 vorgeschriebene Erklärung nicht in der gesetzten Frist abgibt oder auf die im§ 8 Abs. 3 vorgesehene Vorladung nicht erscheint oder die von ihm auf Grund de» Z 8 Abs. 3 verlangte Auskunft oerweigert, kann zur Erfüllung feiner Pflichten durch Ordnungsstrofen angehalten werden. Die Ordnungsstrafe kann bis zur Höhe des Gegenwerts von zwei Mark Gold für je zehntmisend Mark des ersten Teil- betrages der Brotversorgungsabgabe verhängt werden. Die Ord- nungsstrafe wird durch Bescheid der von der Reichsregierung bestimmten Behörde endgültig festgesetzt. 8 10. Mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten und mit Gelöst rufe wird bestraft, wer vorsätzlich 1. die nach§ 8 Abs. 1, 2 vorgeschriebene Erklärung ver- weigert oder nicht in der gesetzten Frist abgibt; 2. auf wiederholte Vorladung(§ 8 Abs. 3) nicht erscheint; 3. eine auf Grund des§ 8 Abs. 3 von ihm verlangte Aus- kunft verweigert; 4. die Prüfung von Büchern oder Betrieben nicht gestattet oder behindert; S. den Vorschriften des tj 4 zuwiderhandelt. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren und das Höchstmaß der Geldstrafen unbeschränkt. 8 11. Wer in den in§ 8 vorgeschriebenen Erklärungen oder Aus- künften wissentlich unrichtig« oder unvollständige Angaben macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehu Jahren, bei mil- dernden Umständen mit Gefängnis nicht unter einem Jahr bestrast.
Neben der Freiheitsstrafe ist auf Geldstrafe zu erkennen. Das Höchstmaß der Geldstrafe ist unbeschränkt. Für die Derbrechen des Abs. 1 sind die Strafkammern als er- kennende Gerichte zuständig. Ist die in Abf. 1 bezeichnete Handlung fahrlässig bs- gangen, so ist auf Gefängnis und auf Geldstrafe zu erkennen. 8 12. In den Fällen der§§ 10, 11 kann neben der Straf« auf Einziehung der verschwiegenen Bermögensgegenfiände erkannt werden. Soweit diese nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zu ermitteln sind, tritt ihr Erlös oder ihr Wert an ihre Stelle. Zur Sicherung der Geldstrafe und der Einziehung kann das vermögen de» Angeschuldigten ganz oder teilweise beschlagnahmt werden. Neben der Strafe kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekanntgemacht wird. Die Be- kanntmachung kann auch durch öffentlichen Anschlag erfolgen. Die Lorschristen des§ 26 Abf. 3, 4 der Preistreibereiverordnung vom 13. Juli 1923(Reichsgesetzblatt I , S. 700) gelten entsprechend. s 13. Sind Vermögensgegenstände, die gemäß dieser Verordnung ab- geliefert worden stnd, unter Verletzung von Vorschriften über den Verkehr mit ausländischen Zahlungsmitteln oder Wertpapieren er- warben oder einer gesetzlichen Anordnung zuwider stüher nicht an- gemeldet oder abgeliefert worden, so findet wegen dieser Zuwider- Handlungen eine Strafverfolgung nicht statt. Sind abgelieferte Vermögensgegenständ« oder die Einkünfte daraus bei der Besteuerung von Vermögen oder Einkommen oder bei der Erbschaftssteuer verschwiegen worden, so findet ein Straf- verfahren wegen einer hierdurch begangenen Verletzung der Steuer- gefetze und eine Nachforderung von Steuern mit Rücksicht auf diese Vermögensgegenstände oder die Einkünfte aus ihnen nicht statt. Die Vorschriften der Absätze 1, 2 gelten nicht, soweit bereits ein Strafverfahren oder ein Verfahren wegen Nachforderungen von Steuern eingeleitet worden ist. 8 14. Die Durchführungsbestimmungen erläßt die Reichsregierung: ste kann Zuwiderhandlungen gegen die Durchführungsbestimmungen mit Gefängnis und Geldstrafe sowie mit Einziehung bedrohen. 8 16. Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Derkündung in Kraft. Die Verordnung ist vom Reichspräsidenten, dem Reichs- kanzler, dem Reichsfinanzminister und dem Reichswirtschafts- minister unterzeichnet.
Ravenstein verteiüigt sich. Herr H a v e n st e i n hat vor dem Zentralausschuß der Reichsbank eine Rede gehalten, deren Wortlaut er der Presse auf 26 enggeschriebenen Schreibmaschinenseiten übermittelt. Die»Voss. Ztg.", die es als einziges Blatt auf sich genommen hat, den Text wörtlich wiederzugeben, füllt mit dessen A n- fang nicht weniger als sechs Spalten ihres gestrigen Abend- blattes. Wir behalten uns vor, auf Einzelheiten der Rede rückzukommen, meinen aber grundsätzlich, daß sie kein Penstand der aktuellen Politik mehr ist, sondern vielmehr ein Stück Geschichte darstellt. In seinen Denkwürdigkeiten, die Herr Havenstein demnächst zu schreiben beginnen dürfte, ist sie geeignet, ein bemerkenswertes Kapitel zu bilden. Auch was Herr Havenstein über die künfsig einzuschla- gende Politik der Reichsbank ausgeführt hat, verliert für uns dadurch an Interesse, daß es nicht von einer Stelle ausgeht, die wir noch als maßgebend betrachten können. Uns inter - effiert in diesem Augenblick nicht, was Herr Havenstein als Leiter der Reichsbank getan hat und was er als solcher weiterhin zu tun gedächte, sondern wir erwarten von Herrn Havenstein nur noch eine Tat, nämlich die Ein- reichung seines Abschieds.
Deutsche Saöebilöer. Von einem Proletarier. Deutschland besitzt ein« Anzahl lebenswichtiger Heilquellen. Diese Bäder waren immer eine Domäne der Wohlhobenden. Heute können sie nur von den reichsten Inländern und den oalntastarken Aus- ländern besucht werden. Proletarier sind nur imstande, sie in An- spruch zu nehmen, wenn ihnen große Krankentasicn. die Zicichsoer- sicherung für Angestellte und andere soziale Einrichtungen ein Heil- verfahren bewilligen. Dos trostlos« Finanzelend läßt auch das bald nicht mehr zu. * Die amerikanischen Gaste eines Bades gaben«in« Wohltätig- keitsvorstellung. Es traf der Zufall, daß am selben Tage die Nach- richt von dem Ableben des Präsidenten Harding von Nordamerika eingetroffen war. Ein Herr teilte sie vor Beginn der Vorstellung dem Publikum mit, worauf die'Theaterkapelle einen Trauermarsch spielte. Die Anwesenden erhoben sich von den Plätzen. Nach Be- endigung dieser Trauerkundgabung klatschten eine Anzahl Menschen Beifall. Doch ein recht energisches Zischen macht« diesem unerhörten Verhalten schnell ein Ende. Ich murmelte empört:»Die Leute wissen sich auch wirklich nicht zu benehmen." Eine Dame, die vor mir saß, muß das gehört haben, denn sie dreht« sich zu mir um und sagte entrüstet:„Sie haben recht. Es müssen im Theater immer einige Rüpel sein, die zischen, wenn Beifall gespendet wird." * Diese Wohltätigleitsvorstellung wurde gegeben zum Besten der bedürftigen Kinder Deutschlands . In der Pause wurde von der Bühne herab verkündet, daß nach Abzug aller Unkosten 730 Millionen Papiermark zur Unterstützung der armen Kinder bereit ständen. Gewaltiger Beifall. Rur hinten meinte einer ganz kühl, das wären nur 800 Dollar, die hätte«ln reicher Amerikaner allein spenden können. Ja, aber dann hätten die Damen mit ihren Kostbarkeiten nicht prunken können. Und st« hotten zum Besten der armen Kinder Deutschlands ihre teuersten Garderoben angelegt; sie prangten im Gold- und Brillantenschmuck und schleppten teure weihe und blaue Füchse herum. Und dos alles zum Besten-der armen Kinder Deutschlands . Rur schade, daß dies«, von denen viele nicht ein Hemd anzuziehen haben, diesen Glanz nicht sehen konnten. Auch waren ste nicht in der Lage zu beobachten, wie in den Pausen zu ihren Gunsten warme Speisen oerzehrt wurden. Biel « Kinder werden sicherlich an diesem Abend hungrig schlafen gegangen sein, aber hier wurde reichlich für sie gegessen. Roch zahlreiche solcher„Opfer"-Abende und die Herzverfettungen in der besitzenden Klasse nehmen rasend zu. Da» Bad muß dann abermals vergrößert werden. »* Besichtigung der technischen Anlagen. Wir wurden durch die verschiedenen Betriebe geführt. Staunten viel an. Wanderten durch einen halben Kilometer langen unterirdischen Gang, landeten unter dem Hauptsprudel und wurden zum Schluß in die Kaiserinnenbäder geführt. Im Punkte Monarchismus waren wir vor dem Krieg groß- zügig. Hatten doch größer« Bahnhöfe Königs- und Fürstenzimmer. Da konnte doch die deutsche Kaiserin nicht Badeeinrichtungen benutzen, die für olle da waren, sie mußte ihr eigenes Bad haben. Und noSel
war alles eingerichtet. Vor dem Baderaum ein Salon, damit die Hofdamen einen Unterkunftsraum hatten, wenn die Kaiserin im Bade war. Und die russische Kaiserin mußte auch so ein Bad haben. Beide Kaiserinnnen konnten unmöglich ein Bad gemeinsam benutzen. Wir hatten es ja dazu. Die Gäste staunten also diese Bäder an. „Werden die noch in Anspruch genommen?" fragte eine Dame.„Ja, hier kann jeder baden," sagte der Ingenieur. Die Dame machte ein entsetztes Gesicht. Ein Herr, der dos bemerkte, erklärte ihr:„Ja, hier kann jeder baden, der das Geld da,u hat, denn das find Salon- bäder erster Klaffe, und die sind besonSsrs teuer." Die Dame ant- wortet« beruhigt:„So, das ist ja dann etwas anderes." » Ein junger Btann, seinem Verhalten nach ein Anhänger der Deutschvölkischen, hörte sich das Konzert der Kurkapelle an.„Sie müßten mal ein deutsches Lied spielen," meinte er zu mir.„Sie haben ja", entgegnete ich ahnungslos,„einen Wagner-Abend gegeben, einen Romantikerabend veranstaltet und Werke von Schumann, Weber gespielt."„Sie verstehen mich nicht," versetzte da» Herrchen, „ich meine ein deutsches, ein zeitgemäßes Lied, so das Deutschland - lied."„Ach. das soll wohl gespielt werden, weil der Dollar auf fünf Millionen steht," entgegnete ich. Der junge Mann verschwand. Am 11. August flatterte das Reichsbanner auf dem Kurhaus, und am Nachmittag spielte die Kapelle auch das deutsche Lied, darauf noch die Wacht am Rhein. Damen sammelten in Sektkühlern Gaben für die Ruhrhilfe. Am nächsten Tag« traf ich den blonden Jüngling. «Na, gestern stieg auch das deutsche Lied," sagte ich zu ihm. Ver- öchtlich schaute er mich an, verächtlich sprach er zu mir:„Das stnd ja Idioten. Spielen dos Deutschlandlied an dem Ort, wo das Juden- bonner hochgezogen ist."_
Kommunisten bei Mlon. Don Kuhei. Die dienstbaren, allzeit willigen und gehorsamen Geister des Lalutahotels machen zu mitternächtlicher Stunde eine merkwürdige Verwandlung durch. Sie entzaubern sich, werden Hausdiener, Pagen, Kellner, Zuträger, Zimmermädchen, Köche, Aufwäscherinnen, Putzerinnen, Heizer, Handwerker, kurz Gast wirtsgehilfen und-gehilfinnen. Vor dem Kriege gab's im Reiche des Trinkgeldes keine gewerk- schaftliche Organisation. Jetzt gibt's lebhafte Versammlungen, und diese verlausen häufig ebenso, wie die der Holzarbeiter oder Maurer vor dem Sozialistengesetz. Diesmal sollte der Belegschaft von Adlon etwas Besonderes serviert«erden: eine leibhaftige Kommunistin würde gegen die Ge- wertschaften boxen. So füllte sich der Versammlungsraum bald, während am Bierausschank die Grünen Krach mochten, weil es schon lange zwölf Uhr sei; aber der Wirt hatte es schriftlich: Nacht- konzession für die Gewerkschaft! Die versprochene Kommunistin erschien nicht; sie soll sich vor- gestern mit einigen völkischen Studenten verlobt hoben, ober der Ersatz war auch weiblich und spuckte und schimpfte beinahe schon wie ein ausgewachsener Kommunist auf die Gewerkschasts- statuten, die Bonzen, die Kapitalisten, Poincare , Stresemann, Hilfer-
Denn viel wichtiger als die Frage, wer rech? Hak, ist feßi die andere, ob diese Reichsregierung und dieser Reichs- bankpräsident zueinander passen und miteinander arbeiten können. Das aber ist eine Frage, die bereits in verneinendem Sinne entschieden ist. Und so bleibt nur zweierlei übrig: Ent- weder muß die Regierung einer anderen Platz machen, die mit Herrn Havenstein arbeiten kann, oder es muß ein anderer Reichsbankpräsident kommen, mit dem die Regierung arbeiten kann. Da im Reich ein Bedarf an Krisen nicht be» steht, weder an akuten, noch an verschleppten, so bleibt nur übrig, daß Herr Havenstein geht. Tut er das nicht, so bleibt als ultima ratio nur die schleunige Einberufung des Reichstages und die Aenderung des Autonomiegesetzes. Herr Havenstein ist übel beraten, wenn er so tut, als ginge ihn die Tatsaä)« nichts an, daß nirgends mehr ein Ver- trauen zur Leitung der Reichsbank durch ihn besteht, und daß die Regierung selbst sein Verbleiben im Amte als unerträg- liche Belastung empfindet. Er kann nur so tun, weil ein dem Reich von außen her ausgenötigtes Gesetz ihm die formale Möglichkeit dazu gibt. Und gerade hinter dieses Gesetz soll er sich verschanzen— auf deutschnationalen Rat hin? Die Weltgeschichte schreibt die wunderbarsten Satiren, aber die Würze der Satire liegt in der K ü r z e. Hat Herr Häven- stein Bedürfnis nach epischer Beschaulichkeit, so soll ihm die Gelegenheit geboten werden, es ungestört von Amtsgeschästen befriedigen zu können—, und zwar so schnell rote möglich! * Ueber die Sitzung des Zentralausschusies der Reichsbank wird von TU. zusammenfassend berichtet: Der Reichsbankpräsident Havenstein nahm Gelegenheit, sich über die gegen ihn gerichteten Angriffe zu äußern, die er als sämtlich unbegründet zurückwies. Er wandte sich vor- nehmlich gegen den Vorwurf, die Reichsbank trage einen großen Teil der Schuld an der Währungszerrüttung und der immer weiter wachsenden Inflation, weil die von. ihr bewilligten Papier - martkredite fortgesetzt als Inflation wirkten. Die gewährten Kredite betrügen, gerechnet noch der Zeit der Diskontierung, kaum mehr als 100 Millionen Friedensmark, unid auch unter ihnen sei noch ein beträchtlicher Teil, der zwar der Privatwirtschaft, aber ausschließlich im Reichsinteress« und aus politischen Gründen, oder insbesondere an Kommunen zur Beschaffung von Nahrungsmitteln oder Kohlen gewährt worden ist. Die Reichsbankkredite als eine Hauptquelle der Inflation hinzustellen, sei eine starke Ueber- treibung. Die Grundursache der Inflation sei vielmehr dos hem- mungslose Wachsen der schwebenden Schuld und deren Umsätze in Zahlungsmittel und Giroguthaben durch Diskontierung der Reichsschatzanweisungen bei der Reichsbank. Am 13. August war infolge der rapiden Entwertung der Mark die schwebende Schuld des Reiches auf 194 Billionen angeschwollen, von denen die Reichsbonk nicht weniger als 177 Billionen besaß. Diese Beträge seien aber, da sie reine Finonzkredite darstellen und immer wieder prolongiert werden müssen, die große und entscheidende Ursache des Anschwellens unserer Papierflut. Auch hier solle die Reichsbank die Schuld tragen, well sie sich der Reichsregierung und Reichsoerwaltung gegenüber nicht geweigert habe, die Schatzanweisungen des Reiches weiter zu diskontieren. Dieser Vorwurf verkenne völlig die Lage der Dinge. Eine Drohung mit allgemeiner Berweigerung der Diskontierung von Reichsschatzanweisungen wäre nichts gewesen als eine fruchtlose Geste. Mit der Anerkennung des Grundsatzes, daß neue Ausgaben des Reiches auch neue Einnahmequellen erfordern, und daß die Stillegung der Notenpresse im Vordergrund« jeder Finanzpolitik in Reich unid Ländern stehen muß, sei auch der Weg frei geworden zur Aufnahme innerer wertbeständiger Anleihen, welch« die Reichsbank lebhaft befürworte. An die Ausführungen Havensteins schloß sich eine. längere Auseinandersetzung über die Diskontpolitik der Reichsbank, in der eine Aenderung erst möglich wäre, wenn durch den bereits ins Werk gesetzten Uebergang der Reichsbank zum wertbeständi- gen Lombardkrebit die Ausschaltung unbilliger Kredit- maßnahmen im wesentlichen erreicht wind. Zum Schluß der
ding, die große Koalition, den sozialistischen Verrat Deutschlands an Frankreich , die Unsterblichkeit der Maikäfer und den grünen Salat. Dann wurde„klar" gemacht, wie Bergwerke in eigene Regie zu nehmen sind und die Klassenunterschiede abgeschafft werden. (Einige Oberkellner rufen Bravo !) Entzückend ist die Geschäftsführung, ste paßt sich dem über- sprudelnden Temperament der Versammlung— in die Wodkaersatz gespritzt worden ist— organisch an. Einer redet dreimal zur Gc- schästsordnung, das heißt nur so lange, bis er Recht bekommt. Du kannst dich hier auch während des Vortrages oder mitten in der Diskussionsrede eines anderen hinein zur Geschäftsordnung melden, sofort wird dir das Wort erteilt. Du redest dann erst mal, der andere wartet solange. Dazwischen geraten einzelne Gegner und ihr Alkohol etwas aneinander. Das macht hier aber gar nichts. Die Organisation hält dennoch— Die Betriebsangelegenheiten find erledigt. Jetzt kommt ein ge- werkschastlicher Bonze dran. Er wird besonders angekündigt. Man empfängt ihn:„Na, was gastn jetzt in Sockfen d r Gaffee?" Ein anderer:„Halt' die Schnauze I" Der Dritte brüllt:„R u h e e e e! l" So setzt man sich nach und nach und freundlich über den Lebem-index, den Streikunsinn und mit einigen Zwischenrufen auseinander.(Beifall.)— Zuletzt ziehen Feststellungen und fundierte Argumente vielleicht doch.(Man ist aber An- Hänger der Relativitätstheorie.) Hast du schon mal ein Stückchen Reichsausschuhder B e- triebsräte erlebt? So was muß man genossen haben! Der Genosse„Reichsausschuß" ist nicht ganz redeungewandt. Und dann die Fülle der Gedanken! Faaabelhast! Z. B. etwa so(bitte, das ist vcm hier ab stenographiert): „Der Sozialdemokrat Sollmann hat heut« erklärt, die sächsische Arbeiterbewegung müsse niederkartätscht werden." „Wir haben uns mit denjenigen, die damals den Befehl gegeben haben, die besten Vorkämpfer des Proletariats, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht , zu ermorden, geeinigt. Wir reichen ihnen die Hand zum gemeinsamen Kampfe."(Beifall.) „Wenn sie(die Mörder von 1919) uns nicht folgen wollen, dann werden wir sie zerschmettern."(Heiterkeit.) „Nur die Einheitsfront des Proletariats kann uns retten!" (Beifall anderer.) Zuruf:„Marloh !" Antwort:„Auch er ist ein Opfer der sozial- demokratischen Politik"— Langsam dreht sich allen der Saal im Kreise. Es ist bald fünf Uhr morgens. Erschöpfung fitzt auf der verqualmten Masse. Durch die Fenster dämmert der erste bläuliche Morgenschimmer. Die Walze will kein End« nehmen. Eben ist sie erst noch bei der Sozialisierung und der Abschaffung der Kapitalisten.(Zuruf:„Dann gibt's auch kein Adlon mehr!") Endlich darf man wieder klatschen. Schluß! Die nächtliche Versammlung war ein Ausschnitt aus der Ar- beiterbewogung von vor einem Menschenalter. Leider ist sie kein Traum, sondern erlebte Wirklichkeit. Die sozialistische Erziehung hat noch Riesenaufgaben vor sich. Seit Kriegsende sind den Gewerk- schaften ein halbes Dutzend Millionen Neulinge zugewachsen. Gehen wir an die Arbeit!