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Nr. 411 40. Jahrgang

Beilage des Vorwärts

Notstandsantrag im Berliner   Rathaus

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hatte, nahm

Der Streit um die Gaspreisberechnung. Die Frage der Straßenbahnsanierung. Die Stadtverordnetenversammlung tonnte gestern| Brotest gegen die Berhaftung kommunistischer Stadtverordneter in der ersten Sitzung nach den Ferien endlich an die Beratung des und Stadträte die Sigung zu vertagen und Sigungen über nochmals eingebrachten Etatsentwurfes herangehen. Mit haupt nicht abzuhalten, bis die Verhafteten sich wieder beraten wurden zwei Anträge der sozialdemokratischen Fraktion, auf freiem Fuß befinden, gegen die Stimmen der Kommunisten ab­gelehnt worden war. Nachdem Dr. Steiniger( Dnil.) über die der Antrag zu den Werktarifen, im besonderen zu der Gaspreis: Berhandlungen des Haushaltsausschusses zur Gasfrage berichtet berechnung, und ein Dringlichkeitsantrag, der angesichts der Wirtschaftskatastrophe die Bereitstellung von Mitteln zu Notstandsarbeiten durch Reichs- und Staats­regierung anstrebt. Genosse Weyl wies in seiner Be­gründung dieses Notstandsantrages auf die Arbeiterent lassungen hin, zu denen die Unternehmer bereits geschritten find. In der Frage der Werftarife fritisierte er das Gaspreis­berechnungsverfahren, das in den letzten Wochen so große Erregung hervorgerufen hat, und er erörterte die Vorschläge zu einem ge­rechteren Berfahren. Den Standpunkt der Fraktion zur Straßen­bahnfrage legte Genosse Reuter dar. Er zeigte, daß die Lage feineswegs hoffnungslos ift. Zu Abstimmungen kam es in dieser Stzung noch nicht.

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Mit der gestrigen Sitzung nahm die Versammlung nach Ab­lauf der Sommerpause ihre regelmäßigen Arbeiten bei zu Beginn nur mäßig beseztem Hause wieder auf. Vorsteher Dr. Caspari be­grüßte die Erschienenen, widmete dann dem Gedächtnis des jüngst verstorbenen Berliner   Ehrenbürgers Ostar Cassel ehrende Worte. Nach dem Vorschlag des Aeltestenrats sollte die Entscheidung über den noch immer der Feststellung harrenden Stadthaushalt für 1923 allen übrigen Beratungsgegenständen vorangehen. Es lagen zwei Dringlichteitsanträge vor, deren Dringlich feit anerkannt wurde.

Der sozialdemokratische Dringlichkeitsantrag hatte folgenden Wortlaut:

Genosse Dr. Weyl zu einer eingehenden Darlegung das Wort, die zunächst einer Beleuchtung des sozialdemokratischen Dringlich­feitsantrages gewidmet mar. Er führte aus, daß Maßnahmen der vorgeschlagenen Art um so notwendiger seien, als das Unter­nehmertum sich zu einer

Steuerfabotage im großen anschide, daß es durch Entlassung von Angestellten die Lohnfummen steuer illusorisch mache usw. Darum sei es doppelte Pflicht der Reichs- und Staatsbehörden, den Kommunen zu Hilfe zu kommen und Arbeitsgelegenheit zu schaffen, auch wenn das über den Rahmen der produktiven Erwerbslosenfürsorge hinausgeht. Alles müsse aufgeboten werden, um zu verhüten, daß die jetzige chaotische Welle uns verschlingt. Dazu gehört auch die Einführung der Wertbeständigkeit der Steuern im Etat, nachdem dafür der Landtag gefeßliche Vorsorge getroffen hat und damit ein Prinzipienstreit aus der Welt geschafft ist.- Im weiteren legte unser Redner erneut Protest ein gegen die unsozialen Beschlüsse des Haushaltsausschusses hinsichtlich der Krankenhausverwaltung und nicht minder gegen die dittatorische Art, wie die Medizinal­verwaltung diese Beschlüsse in die Tat umzusehen versucht hat. Be­sonders ausführlich fritisierte Redner dann

das Berhalten des Magistrats und der Werksverwaltung in Sachen der Gastatastrophe und des Gasstandals. Die Formen, in denen der Magistrat den Werken zu ihrem Recht verhelfen wollte, bezeichnete er juristisch unhaltbar und zum Teil als dirett ungefeßlich, insbesondere, soweit den Maßnah­men rüdwirkende Kraft beigelegt wurde. Auch habe der Magistrat jedes psychologische Verständnis für die Stim mung der Bevölkerung vermiffen laffen; unter allen Umständen sei ihm mangelnde Voraussicht zum Vor­wurf zu machen. Die Einführung der Vorschußwirtschaft sei ein Mißgriff

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feitigt. Die inzwischen getroffenen Abhilfemaßnahmen hätten einige Beruhigung geschaffen, aber andererseits die Anstellung von 900 neuen Beamten notwendig gemacht: das sei natürlich der 3wed der Uebung nicht gewefen. Der Magistrat müsse daher auf andere Weise gegen das Uebel einschreiten; die Bevölkerung habe Anspruch darauf, daß Gerechtigkeit malte.

Dienstag, 4. September 1923

ganisationsvorlage sei bisher unerledigt geblieben. Natürlich könne etne dauernde Organisation nur im Einvernehmen mit der Ver­fammlung zustande kommen.

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Dr. Michaelis( Dem.): Was allein noch helfen kann, ist die Berpachtung der Straßenbahn und der städti= fchen Werte; nur so wird das Privatkapital für sie noch inter­effiert werden fönnen. Der Antrag Heimann ist sehr beachtens­wert, bedarf aber der Ausschußberatung; der Antrag der Deutsch­nationalen würde unnük die Eegenfäße verschärfen. in der Gasfrage den Vorwurf herzuleiten, daß der Magistrat eine Dörr( Komm.) suchte auch aus dem Verhalten des Magistrats In seiner Bolitik gegen die Interessen der breiten masse treibe. Polemik suchte der kommunistische Sprecher auch angebliche Wider­sprüche innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion selbst hinsichtlich der Werkstarife für seine Stellungnahme zu verwerten.

Für die Wirtschaftspartei erklärte auch heute Herr Müller­Franken: Wir haben zu diesem Magistrat fein Vertrauen, der den selbständigen Mittelstand ruiniert, wir lehnen den Etat ab!" tarifen ist nach den unendlichen Beratungen in den Deputationen, Dr. Schmidt( 3.): Gegen das neue System bei den Werks­im Haushaltsausschusse und seinem Unterausschuß auch vom juristi­schen Standpunkt fein Einwand mehr zu erhchen. Die neuen Tarife find ja sehr hoch, aber ohne sie müssen die Werke zusammen­brechen. Stundung für Abnehmer, die nicht sofort zahlen können, ist vorgesehen.

Darlegungen von Dörr. Justin Braun( U. Saz.) behandelte die Gasfrage im Sinne der Mit einem Gaspreise von 200.000 M. und mehr treibe der Magistrat einfach Bucher. Schöneborn( Dratl.) führte zur Begründung des Mißtrauens­votums gegen den Magistrat an, daß er durch sein einseitiges Vor­gehen auf dem Gebiet der Werkstarife sich selbst schweren Abbruch an seiner Autorität zugefügt habe. Auch für die Werte müsse mie für die Straßenbahn ein gemischtwirtschaftlicher, dem politischen Einflusse entzogener Betrieb durchgeführt werden.

Gen. Reuter wandte sich zunächst gegen den Wirtschaftsporteiler, der temperamentvoll mit der Revolution des Mittelstandes gedroht habe. Im Reichstage hätten im August alle Parteien die Not­wendigkeit anerkannt, neue Wege zu gehen, menn jetzt die Wirt­schaftsparteiler sich absonderten, so fehle es dafür an jeder Logit. Die Straßenbahnfatastrophe ist, wie Redner sodann näher dar­legte, nicht eine Folge tommunaler Mißwirtschaft, fondern des rasenden Martsturzes. Es muß möglich fein, die Straßenbahn rentabel zu machen, nachdem durch die ver­änderte Reichsbahntarifpolitik die schlimmste Gefahrenquelle be= feitigt ist.

Für eine vernünftige Reorganisation der Straßenbahn find wir durchaus; aber allen Bersuchen, die städtischen Unternehmungen und Werte dem Privatfapital auszuliefern, werden wir den schärfsten Widerstand entgegensetzen.

für eine bloße Zwischenlösung des Problems hinzugeben, dazu werden wir uns nie verstehen. Unter den veränderten, d. h. wesent­lich gebesserten Verhältnissen, wird sich der Magistrat hoffentlich Beschluß wegen bereit finden, seinen übereilten Gründung der Betriebs 3. m. b. 5. für die Straßen­bahn zurückzunehmen.

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Die Fration der Vereinigten Sozialdemokratischen Partei weist den Magistrat der Stadt Berlin   auf die katastrophale Aus­wirkung der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, die fich in einer von Tag zu Tag steigernden Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit bemert­bar macht, hin. Die Stadtverordnetenversammlung ersucht den Magistrat, jofort Schritte bei den zuständigen Reichs- und Staats­behörden zu unternehmen, um ausreichende Mittel für die Be- gemefen und ja als solcher erfannt und auch bereits wieder be: Bloß aus momentanen Schwierigkeiten einen Teil der Substanz schaffung von Notstandsarbeiten bereitzustellen. Weiter wird ge­fordert im Interesse der Arbeitslosen und Kurzarbeiter: 1. Er­gänzung der Verordnung betreffend Maßnahmen über Betriebs­abbrüche und Betriebsftillegungen vom 8. Jovember 1920, in dem Sinne, daß diefelbe auf alle Gewerbe und Betriebe ohne Rüdsicht auf die Zahl der Arbeitnehmer ausgedehnt wird und daß an der Durchführung dieser Forderung laufend die Gewerkschaften und Betriebsräte zu beteiligen find. 2. Bereitstellung von aus­reichenden Mitteln an die Kommune durch die Reichs- und Staats­behörden für die Beschaffung von Arbeit, auch wenn dies über den Rahmen der produktiven Erwerbs­fofenfürsorge hinausgeht.- 3. Die im§ 9 der Reichs­verordnung über Erwerbslofenfürsorge festgelegte Wartezeit von einer Woche auf zwei Tage herabzusehen. 4. Die Bezugszeit der Erwerbslosenunterffügung ist von 26 auf 39 Wochen zu ver­fängern. 5. Die Erwerbslosenunterfiüßungsfäße find auf der Grundlage von 60 Broz. des jeweiligen Höchstlohnes eines Reichs­arbeiters festzusehen. 6. Die Erwerbslosenunterstützung ist in zwei Raten wöchentlich auszuzahlen. 7. Aufhebung der Be­ffimmung in§ 9 der Reichsverordnung über Erwerbslofenfür­forge, die besagt, daß die Unterstützung frühestens vier Wochen nach Abbruch der Aussperrung gewährt werden kann.

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Die Deutschnationalen hatten ihrerseits in einem Dringlichkeits­antrag ein Mißbilligungspotum gegen das eigen mächtige Vorgehen des Magistrats bei der Fest­fegung der Wertstarife vorgeschlagen. Beide Anträge follten bei der Haushaltsberatung mit erörtert werden, ebenso der Nachtrag zur Gewerbesteuerordnung und die den Achtſtunden tag des Krantenpflegepersonals und die Werkstarife betreffenden Anträge der Kommunisten und der Sozialdemokraten. Mit großer Mehrheit beschloß die Versammlung gemäß dem Bor. falag des Aeltestenrats, nachdem ein Antrag Dörr( Romm.), zum

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Kilian.

Roman von Jakob Bührer  .

Dr. Leidig( D. Bp.) gab der von Dr. Weŋl geübten Kritik im wesentlichen Recht, verhielt sich aber den positiven Forderungen des Dringlichkeitsantrags Heimann gegenüber sehr zurückhaltend. Stadtrat Brühl   gab zu dem Antrag Heimann die Erklärung ab, daß der Magistrat schon vor den Ferien und ununterbrochen auch während der Ferien in Sachen der Erwerbslosenfürsorge mit den Reichs- und Staatsbehörden unterhandelt habe, daß

die Sache marschiert,

daß auch der Reichstanzler Strefemann geftern in Stuttgart  entsprechende Maßnahmen angekündigt habe, daß man aber zwifchen solchen Forderungen, die sofort befriedigt werden könnten, und solchen unterscheiden müsse, deren Befriedigung längere Borberei tung erheische. Die Bersammlung solle durch einmütige Annahme des Antrages, ohne sich mit dessen Einzelheiten zu befaffen, nach außen hin erneut befunden, daß sie den festen Willen hat, den Er­werbslosen zu helfen.

Dr. Steiniger( Dntl.) erblickte in dem Antrag Heimann einen, neuen Versuch, die Politik in die Kommunalverwaltung hineinzu­tragen", und wollte ihn ohne gründliche Ausschußprüfung nicht an nehmen. Die Straßenbahn erklärte er für bankrott und die Ab­sicht des Magistrats, eine Betriebs- G. m. b. H. zu ihrer Sanierung zu begründen, für unberechtigt, so lange die Zustimmung der Ver­fammlung aussiehe. Der Oberbürgermeister verwahrte sich und den Magistrat gegen den Vorwurf, in der Straßenbahnfrage ihre Befugnisse überschritten zu haben. Die der Bersammlung schon am 2. Mai gemachte Dr. Inhalts, wer den Korb tragen solle. Selbstverständlich trug er ihn, trug ihm bis in die Küche, allwo sie ihm zum Dante für seine Freundlichkeit aus dem Rüchenschrank einen Rest von einem Huhn und ein Glas Rotwein aufstellte. Er fand des Zudem reiften in Kilian noch andere Kirschen. Madame Lobes fein Ende, herrlich sei das Huhn, föstlich der Wein, be­Zudem reiften in Kilian noch andere Kirschen. Madame Favre, die Schiffsvermieterin, melcher der junge Mann am rückend die Sauberkeit und die Blänke ihrer Küche. ,, D," sagte sie ,,, wollen Sie einmal die Wohnung sehen?" ersten Tage seines Genfer   Aufenthalts einen fleinen Dienst er- und ging ihm voran in die Stube. Oh," erschraf jie, nun wiesen, hatte es durchgesezt-wie, ist ihr Geheimnis ge= blieben, daß ihr Mann sein Jamais!" zurückzog und den sind die Vorhänge heruntergelassen. Kommen Sie! Geben Stafiffer" als Bootsknecht in Dienst nahm. Zu seinem Vor- Sie mir die Hand. Oder fürchten Sie sich im Dunkeln?" Er hielt die Hand fest und flüsterte zitternd und innig: teil, wie Monsieur Favre bald im geheimen feststellte. Denn der Bursche guckte ihm rasch jeden Handgriff ab, und war in Toinette." ellen Dingen zuverlässig, weshalb Favre erkannte, daß er sehr wohl wichtigeren Geschäften nachgehen konnte, Geschäfte, die fich, wie er behauptete, notwendigerweise, im Falken" oder im Du Pont" beim Weine abwickeln mußten, wo man ihn in Notfällen holen könne.

Sie antwortete mit der gleichen jungen Sehnsucht: ,, Bill.." Und dann füßten sie sich im Dunkeln zart und schwärme­risch. Aber dann erwachte allmählich die Leidenschaft und die Wildheit des Blutes, und es fam zu einer finnlichen Raferei. Seither hatte Madame Favre oft Marktförbe nach Hause Madame Favre war mit dieser Wendung der Dinge durch zu tragen. aus nicht einverstanden. Wenigstens sang sie ihrem Gatten Dankbar und mit steigender Lust genoß Kilian die Be­manch fräftigen Ton über seine zunehmende Liederlichkeit, für friedigung seines starten Geschlechtstriebes, unter dem er in welchen Kunstgesang ihm indessen jedes musikalische Verständ- den letzten Jahren manchmal unsäglich gelitten hatte. Daß nis zu mangeln schien, nahm er doch in der Regel schon bei den es im Ehebruch geschah, quälte ihn im Anfang manchmal, und ersten Tatten Reißaus. mehr als einmal mar er drauf und dran, Mère Juliette alles zu gestehen und zu tun, was sie ihm raten würde. Aber er wahrte das Geheimnis, und zudem wurden die Gewissensbisse immer seltener und schmerzloser.

Die derart wachsende Zweisamkeit der beiden Menschen auf dem Schiffsfloß hatte zur Folge, daß fie einander zugetan wurden, und als der Frühling auf dem Föhn über den See geritten fam, die Berge schleunig bunte Tücher umlegten und aus starrer Ferne in vertrauliche, greifbae Nähe rückten, als der Himmel den gewaltigsten Hochzeitsdom über See und Ge­birge wölbte und mit den tollsten Schatten und Lichtflecken herumfeuerwerkte, als die Wärme fam, die erste, rechte, be­gnadete Sommerwärme und Bertrauen, nagelneues Weltver trauen verschenkte, ei, da standen Toinette und Kilian, Kilian und Toinette manchmal verträumt nebeneinander, redeten nichts, schauten nach den weißen Wellenfämmchen, und wenn fie schließlich erwachten, sahen sie einander an und lächelten. Und manchmal streiften sie sich dann mit den Armen und Händen und lächelten wieder.

Und einmal, so um den ersten des Maien herum, begab es sich, daß Frau Favre abends einen allzu schweren Marktkorb nach Hause zu tragen hatte. Benigstens stöhnte sie, da sie ihn aufhob:" Oh, mein Gott, melch ein Gewicht!"

Kilian mog ihn mit der Hand und sagte: Madame, das geht unter feinen Umständen, ich muß Ihnen den Korb tragen." Es gefiel ihnen, eine tleine hübsche Szene zu machen, des

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Hierauf wurde um 9% Uhr ein Schlußantrag angenommen. Damit war die erste Lesung des Etats beendet. Da der Vornahme der zweiten Lesung die Kommunisten Widerspruch entgegenzusetzen angekündigt hatten, vertagte sich die Versammlung auf Donnerstag.

Die Not der Zentralblindenbücherei.

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Die erste in Deutschland   1894 gegründete Deutsche Zentral­bücherei für Blinde zu Leipzig" steht vor dem Zusammenbruch! Das bedeutet den Zusammenbruch der geistigen Zentrale der natio­nalen sowie internationalen Blindenwelt.

Die Gründung der Blindenbücherei verfolgte den 3wed, der Blindenschaft des gesamten deutschen Reiches, ohne Unterschied des Standes, der Konfession und der Partei, mit Literatur aller Wissens: gebiete zu versorgen, um die Bildungs- und Berufsmöglichkeit der Blindenschaft wesentlich zu erweitern und die Blinden in Gleich­berechtigung mit den Sehenden zu bringen. Dieses ideale Ziel er­reichte voll und ganz seinen Zwed. Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig" ist heute die hervorragendste und gelesenste der Welt, wurde im Jahre 1921 vom 1. Internationalen Blinden­Esperanto- Kongreß zu Prag   einstimmig zur Weltzentralbibliothek für Blinde ernannt und ist somit kein Luxus, sondern zur absoluten, unbedingten Lebensnotwendigkeit der gesamten Blindenschaft ge­die hatte ihm gesagt:" Reden Sie mir nie von der Justiz. Man wird frank, wenn man anfängt, darüber nachzudenken. Derart war Kilians Vermögen bis auf wenige hundert Franken zusammengeschmolzen. Und dabei brodelte es im Grunde seines Herzens: Vorwärts! Mach, daß du zu etwas fommit! Du mußt etwas leiften!

Und ob Kilian auch glücklich war, wenn er bei der Mère Juliette vom Tisch der menschlichen Erkenntnis schmauste, und mit Madame Favre die Stunden einer beglückenden Sinnlich­feit austoſtete, so ging es ihm doch wie dem Sperling im Kirschbaum: er fostet hier einen Biß und dort einen Biß, ver­geht fast vor Wonne, aber über all dem denkt er doch an seine Zukunft, und daß es seine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, daß das Geschlecht der Spaßen vor der Ewigkeit bestehen kann. Also ward auch Kilian in diesem schönsten Frühling und Som. mer seines Lebens sich bewußt: Herrgott, jest muß etwas geschehen! Etwas muß geschehen!" Er wußte aber nicht was.

Da begab es sich, daß Kilian eines Tages eine Gesellschaft von drei Herren und einer Dame im Motorboot auf dem See herumzufahren hatte. Eine fleine Rundfahrt ohne bestimmtes Riel. Die vier Menschen famen sehr schnell in ein eifriges Gespräch, von dem Kilian, der am Motor saß, fegenweise so viel vernahm, daß er den Hauptgedankengang zu faffen ver­mochte.

Es war die Rede von der neuen, der kommenden Gesell­schaftsordnung. In dieser Zukunft würde das Kapital ganz Daneben wußte Kilian auch zu schätzen, daß Madame unbekannt sein. Ebenso und selbstverständlich wäre jede Bolitik Favres Speiseschrant unerschöpflich schien und immer leckere ausgeschlossen, weil genau so überflüffig. Die wirtschaftlichen Reste" für ihn aufbewahrte. Dieser Umstand war für Kilian Bedürfnisse der Menschen wären dank der verbesserten Ma­deshalb von besonderer Wichtigkeit, meil er sozusagen nichts schinen, dank einer Menge neuer Erfindungen derart befrie­verdiente. Der Lohn bei Favres mar äußerst gering, und was digt, daß es niemand einfiel, sich um Befik zu fümmern oder er mit Striden erwarb, zwang er freilich mit einiger gar zu streiten, so wenig man sich heutzutage um Luft oder fchmerzhafter Selbstüberwindung der Mère Juliette in die Waffer streitet, ganz einfad), weil für jedermann genug da ist. Hand, die es übrigens, wie er wohl wußte, zehntausendmal Ebenso war die Ehe, eine nach Ansicht der vier Personen­um ihn verdiente. So war denn ein Zuschus, wenigstens an durchaus tapitalistische Einrichtung, verschwunden, und ein Ware", doppelt willkommen, zumal ihm auf seine verschiede neugeborener Mensch, als größter Schak der neuen Mensch­nen Reflamationen vom Berner Gericht mitgeteilt wurde, daß heit, sofort Allgemeingut. als eine neue Möglichkeit, Geist, has ihm von seinen sechshundert und einigen Franken noch ganze endlich und schließlich einzig Wertvolle, zu erzeugen. Die fünfundsiebzig verblieben, sofern der Advokat mit dem Ent Liebe aber zwischen den Geschlechtern trat an Stelle der heuti scheid des Gerichtspräsidenten einverstanden sei; andernfalls gen Beitsche Kapital, und mit ihr mürde die einfache Men­habe Rilian noch fünfundzwanzig Franken einzusenden, wobei fchenliebe immer neue Taten erzeugen, Heilung der Mensch­ihm jedoch die Möglichkeit offen bleibe, den Rechtsweg zu heit von allen förperlichen Leiden, neue Entdeckungen und Er­beschreiten und die Forderung feines Verteidigers anzufechten. fenntniffe, ueberwindung von Zufälligkeiten und Ratur­Kilian hatte sich über dieser Mitteilung die Haare ausreißen gesehen, wie Tod und Weltuntergang. ( Fortfegung folgt.) wollen. Verzweifelt war er zu Mère Juliette gelaufen. Aber

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