Nr. 421 ❖ 40. Jahrgang
2. Seilage öes vorwärts
Sonntag, 0. September 1025
Pflicht Zur Soöenreform. Von Otto Albr«cht. Die Zeit und die Verhältnisse schreien nach Boden- reform. Nicht bloß noch einem Gesetz, das„die" Reform, die nötig ist, bringen könnte. Nein, gleich nach einer ganzen Reihe von Gesetzen, die sich in neuzeitlich so- zialem Sinne mit Stoffen des Bodenrechts befassen, und die schließlich ein ganzes Gesetzbuch füllen werden, das dann ein Dokument wahrhafter Bodenrechts- Revolution dar- stellen dürfte. Darauf kommt es nämlich bei ollen zu bewirkenden Bodenreformen an: daß sie sich grundstürzend, als völliger Neuaufbau eines Rechts auswirken, das im Kern seiner Ueberlieferungen heute nicht mehr haltbar ist, weil ihm der heute und künftighin notwendige soziale Inhalt fehlt. Um so mehr und um so zwingender kommt es auf eine solche gründliche Neuordnung an, weil von hier aus für den allgemeinen Wiederau fbau unserer Gesamt- w i r t s ch a f t die besten und größten Wirkungen erwartet werden dürfen. Eine Revolution unserer Zeit, die an der Bodenrechts- frage vorbeigeht oder die dieser Frage nicht volle Aufmerk- samkeit zuwendet, kann ihre geschichtlichen Aufgaben über- Haupt nicht erfüllen: die ist verurteilt, am Ende zu ver- puffen und der Reaktion das Feld zu räumen. Die Lage ist in dieser Hinsicht außerordentlich ernst, so ernst, daß auch der allen Grund und alle Ursache hat, sich mit den einschlägigen Bodenfragen zu beschäftigen, dem vielleicht schon das erzielte politische Ergebnis— Republik und Demokratie— ein genügender Fortschritt ist. Denn dieses Stück würde einer etwaigen Reaktion ganz selbstverständlich ebenfalls zum Opfer fallen. Sozialdemokraten, die mehr wollen müssen, haben doppelt und dreifach Ursache, sich dieses Revolutions- stoffes rechtzeitig anzunehmen und ihn schnellstens zu verarbeiten. N o ch ist es Zeit dazu, aber auch— wie es scheint— die höchst« Zeit... Die Siedlungsgesetzgebung bildet ein Stück von Bodenreform, allerdings nickst das wichtigste. Bisher ist es jedoch fast das einzige, das ein« größere Ausprägung er- halten hat: im Reichssiedlungsgesetz, im Reichsheimstätten- gesetz und in der Reichs-Kleingarten- und-Kleinpachtland- ordnung. Das von diesen drei Gesetzen inhaltlich noch am wenigsten anfechtbar« ist das zuletzt genatstrte, wenngleich auch dieses Gesetz noch schwerwiegende Mängel enthält, die in einem kürzlich vom Reichswirtschaftsrat erstatteten Gutachten zum Teil aufgezeigt worden sind, und die baldigst beseitigt werden müssen. Die anderen beiden Gesetze haben als ge- meinsamen Hauptmangel, daß sie das Privateigentum am Boden geradezu verewigen wollen und selbst solchen Boden in Privateigentum neu überführen, der bisher noch öffentliches Eigentum war oder solches neu geworden ist. Die hineingearbeiteten„Sicherungen gegen die Spekulation" mögen den früheren Zustand mildern, das jedoch bieten sie nicht, was man von einem wahrhaft sozialen Bodenrecht heute verlangen muß. Bei nächstpassender Gelegenheit muß in diesem Punkte die Reform radikal durchgeführt werden. Es liegt für den Einzelbesitzer kein berechtigtes Bedürfnis dafür vor, den Wirtfchastsboden als Privateigentum zu nutzen, für die Allgemeinheit aber durchaus der anzuerken- nende Rechtsanspruch, Lehensherr von Volkseigentum zu sein. Die anderen Mängel der Siedlungsgosetze mögen in diesem Aufsatz unerwähnt bleiben: ändert man aber einmal, dann wird man auch diese Mängel mit zu beseitigen haben. Eine andere Reform wurde mit einer Kriegsverordnung eingeleitet, der Verordnung über den Verkehr mitland- wirtschaftlichen Grund st ücken, die den Besitz- Wechsel zum Gegenstand hat und diesen der behördlichen Genehmigungspflicht unterstellt. Der Grundgedanke ist gut und richtig, er gehört in den Rahmen der Gesamtresorm.
Leider besteht wenig Ausficht, daß er bereits jetzt, wo die Verordnung in ein Gesetz umgewandelt werden soll, die er» forderliche soziale Ausprägung erfahren wird. Eine sehr wichtige Ergänzung dazu bildet eine zweite Verordnung aus der Kriegszeit: die Verordnung zur Sicherung der Landbestellung. Denn in dieser Verordnung hat zum ersten Male der später in den Artikel 155 der Reichsverfassung hineingearbeitete Gedanke der Bewirts chaftungs- pflicht Leben und Gestalt bekommen. Die Verordnung selbst hat bisher allerdings versagt, in der Hauptsache darum, weil ihre Ausführung Organen übertragen worden ist, die da- für wenig oder überhaupt nicht geeignet sind. Man sollte diesen Stoff möglichst allumfassend in ein Gesetz umarbeiten, durch das geeignete Organe der Selbstverwaltung, etwa Nebenorgane der nach Artikel 165 der Reichsverfassung reorganisierten Landwirtschaftskammern und der Bezirkswirt- schaftsräte, als Förderungs- und Aufsichtskörperschaften ein- gesetzt und die Kultur- und Landeskulturämter zur Oberauf- ficht bestimmt werden. Das diesen Stoff behandelnde Gesetz kann, ja, sollte geradezu ein Kernstück der ganzen Bodenreform darstellen. Es muß jede Besitzart gleich- mäßig behandeln: den Eigentums-, den Lehens-, den Erb- pacht und den Zeitpachtbesitz. Die in Frage kommenden För- derungs- und Aufsichtsorgane sind mit allen notwendigen Vollmachten auszustatten, damit die zu erstrebenden Ziele auch wirklich erreicht werden können: die Urbarmachung alles vor- handenen kulturwürdigen Moor- und anderen Oedlandes und die Steigerung des Bodenertrages zur höchstmöglichen Er- giebigkeit. Die gesetzliche Umschreibung der Bewirtschaftungspflicht rollt gleich die Frage des Rechtes auf Bodenbesitz auf und beantwortet sie teilweise. Wohlgemerkt: die Besitz- rechtsfrage. Während sonst nach der Verfassung(Artikel 153) nur„Eigentum verpflichtet" und„sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste", wird hinsichtlich des Bodens im Artikel 155 Abs. 3 eine solche Pflicht bewußt und mit Absicht für jede Besitz form ausgesprochen: es heißt dort wörtlich:„Die Bearbeitung und Ausnutzung des Bodens ist eine Pflicht des Grund b e s i tz e r s gegenüber der Gemein- schaft." Hiernach muß die Vollmacht der oben bezeichneten Förderungs- und Aufsichtsorgane soweit reichen, daß sie bei Nichterfüllung der Pflicht durch Besitzer die zeitlich und dauernd Pflichtvergessenen als Unwürdige aus ihrem Besitz- tum entfernen und durch andere Bewirtschafter ersetzen können. Der zweite Teil der Pflichterfüllung besteht in der zu fordernden Leistung einer Nutznießungsabgabe. Diese gründet sich ebenfalls auf die Verfassung, und zwar auf die Bestimmung, die der eben angeführten im gleichen Absatz des Artikels 155 unmittelbar folgt:„Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapitalaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen." Das gibt die Unterlage für ein Reichsgesetz zur Heimholung der Grund- r e n t e. Wenn der Bodenpächter dem Bodeneigentümer einen Pachtzins in der vollen Höhe der Grundrente leistet(dazu noch alle laufenden Aufrvendungen vergütet, die der Eigen- tümer für diesen seinen Eigentumsanteil macht), dann ist da- mit der schlüssige Beweis geliefert, daß der Eigentümer selbst in derselben Höhe auch eine Grundrentensteuer zu leisten ver- mag. Die bisherigen Arten der Grundbesteuerung sind teils in ihrer Art unwirksam(wenn man, wie in Preußen, vom sogenannten.„Reinertrag" ausgeht: denn gerade die großen Eigentümer vermochten noch immer den„Rachweis" zu füh- ren, daß ihr Betrieb einen nur sehr geringen oder gar keinen(!) Reinertrag abwirst), und teils sind sie völlig unzulänglich, weil die Veranlagung viel zu niedrig ist. Man muß hier all- gemein den Nutzwert besteuern und kann die üblichen Pachtpreise als Maszstahc dazu verwenden. Für Richtnutzung und Schlechtnutzung haben die Aufsichtsorgane in Fällen, wo sie einen Nutzungsentzug nicht als ratsam erachten, Zuschläge zu diesen Steuern als Bußen zu erheben!
Wird die Frage einer Heimholung der Grundrente für die Allgemeinheit in dem hier bemerkten Sinne gelöst, dann tritt die eigentlich materielle Seite jener großen Frage, wer Vodeneigentümer sein soll, zweifellos ein wenig in den Hintergrund. Viele Bodenreformer find geneigt, damit die Eigentumsfrage überhaupt als gelöst zu betrachten. Diese Vielen übersehen aber die psychologischen Auswirkungen, die der Privateigentumsbesitz auslöst und die vielen Rechts- schwierigkeiten, die bei anderweitigem Bedarf solchen Besitzes sich regelmäßig auftürmen. Selbst die Durchführung einer wirksamen Aufsicht der Bewirtschaftungspflicht(siehe oben) wird gerade beim Boden Privateigentum den größten Widerständen begegnen. Es kann deshalb nicht daraus ver- zichtet werden, gegenüber jeder Art von Bodenbesitz das Obereigentumsrecht der Volksgesamheit— am besten vertreten durch das Reich— geltend zu machen, dieses reichs- gesetzlich stark zu unterstreichen, dazu genau so stark und ein- dringlich zu betonen, daß jeder Besitzer, und zwar auch der Eigentumsbesitzer, ein Treuhänder der Volksgesamt- heit ist. (Ein zweiter Artikel folgt.)
Arbeitersport.
Das Fußballspiel Aloskau-Verlin geht heute nachmittag Im Lichtenberger Stadion vor sich. Die Berliner Mannschaft setzt sich wie folgt zulammen: Tor: Reimann(Adler 12). Verteidiger: Lierke (Adler 12), Barabas(Stralau), Läufer: Seelinger(Alem.), Meyer (Nord.), Zaftrow(Alem.), Stürmer: Thürmann(Brandenburg ), Zilias(Now.), Skirl(Nord.), Gensow(Teui. 09), Lachner(Stralau). Man scheint im übrigen dieses Spiel zu einem der üblichen kommunistischen Propagandamätzchen ausgestalten zu wollen. Dar- auf läßt ein Flugblatt der Roten(d. h. kommunistischen ) Sport - internationale schließen, worin höchst feierlich von den russischen Fußballern als den„Abgesandten des proletarischen Staates" die Rede ist und der„Vorwärts" nach Kräften angepöbelt wird. Angeb- lich soll nämlich der„Vorwärts", der als eines der ersten Blätter das Russenspiel ankündigt«, die Veranstaltung„sabotiert" haben. Ar»riter.S»ort.Sartell«enNlln,»ritz. Morgen. Montag. Nartcllsitzung in der Klause, Mareschstrabc,»m 8 Uhr abends. Die Landstörzcr und die dem Arbeiter-Theater-Bund angeschlossenen Vereine müssen unbedingt Ver- treter enliendcn._ Sport. Rennen zu Hoppegarken am Sonnabend, den 8. September. 1. Rennen. 1. Per Dark(E. Krüger). 2. Elmado(Elflein), 3. Sinn Fein(Breege ). Toto: 2S: 10. Play: 18, 27:10. Ferner liefen: Vitznau , Simon. 2. R e n n« n. I.Abt. 1. Cebria(Balle). 2. Rückgrat(W. Tarras). 3. Obisant(Heidt). Tot.: 82:10. Platz: 13, 18, 13: 10. Ferner liefen: Ob«. Kadewiit, EsardaS Baron, Tuba, Tanga, Anuslbta, Metia.— 2. Abt. 1. Eifel (E. Krüger). 2. Lustpost(Ludwig). 3. Doktor(Müschen). Toto: 76:10. Platz: IS. 12. 23:10. Ferner liefen: Adria, Schneeberg . Po- mona, Mimameidr, Tamara, Jrrteuselchen. Chane, Chartreuse. 3. Rennen. 1. Constanza(Hilguenin). 2. Lagune(Zimmermann). 8. Auslese(O. Schmidt). Toto: 18S- 10. Platz 54, 28:10. Ferner liefen: Aralinda, Eitelkeit. 4. Nennen. 1. Lüderbach(Zimmermann). 2. Roscndame(O. Schmidt). 3. Sarazener (H. Schmidt) Toto: 77:10. Platz: 2S, 14:10. Ferner liefen: Rüstung, Bafur, Lese. 5. Rennen. 1. Ilsenstein(M. Dreißig). 2. Fiklipov(Staudinger). 3. Williger(Rastenderg). Toto: 38:10. Platz: 15, 18, 32:10. Ferner liefen: Larma, Flugschrift, Hallunke, Cosimo, Dagobert. K. Rennen. 1. Rotdorn(Olejmk). 2. Claudius(Jentzsch). 3. Revolutionär(W. Tarras). Toto: 19:10. Platz: 13, 15:10. Ferner liefen: Mortala. 7. R e n n e n. 1. Ehrentrant(Krüger). 2. Markgräfin (Huguenin). 3. Mineubof(Hellebrandt). Toto: 992:10. Platz: 156. 21, 79:10. Ferner Uesen: Girmneie, Lalla, Granate. Darwan«. Klio , Jnclan, Henriette, PiaSki , Cutani, Jscr, Gnadenfrist.
Vorträge. Vereine unü Versammlungen. echlcsscr.Berei» Rtibezabl iCharlottenburgl: Sonntag, den 9. September, Versammlung bei Thunack, Wielmidstr. 4. Gäste willlonimen. verein der Eretbenler s«r syenerbestatwng e. v. Für den Monat T«h< tember sind folgende Beiträge fällig: 6— 16 Jahr« 150 000 90!., 16— 50 Jabre 300 000 M.. 50— 55 Jahre 1 800 000 M., 53—00 Jahre 3 600 000 M., 00—65 Jahre 5 400 000 M.. über 65 Jahre 7 200 000 M. Die ohigcu Alterssähe gelte» mir für Mitglieder über 50 Jahre, die nach dem 1. April d. I. dem Verein beigetreten sind. Wer seine Beiträge verspätet zahlt, muh höhere Sähe entrichte».
Wir Zloeckchen auf üem Spielball Cröe. Zum Erdbeben in den japanischen Hauptstädten. Von Alfredhein. „Al,»b das Firmament einstürzte," heißt es bei Kleist . Un« allen wird in diesen Tagen, die Japans blühendste Provinz zur höllischen Wüste erschütterten, der gehetzt« Ieronimo aus dem „Erdbeben in Chili " gegenwärtig fein— und bei einigem Mit- gefühl für den Nächsten und bei tieferem Nachdenken, wie wir doch nur durch einen Zufall im Grunde nicht Japaner, sondern Deutsche sind, werden unsev.' Gedanken so nah der fürchterlichsten Unglücks- stölte seit Geschichtsbeginn sein, so fern wir körperlich dem Unheil geblieben sind. Seelisch muß für jeden Nachsinnenden das Zer- störungswert der aufgerührten Elemente von gleicher Wirkung sein wie für den, der es unmittelbar erlebte. Freilich fehlt psychologisch In uns nicht körperlich Betroffenen die schärffte Erschütterung: die der plötzlichen Ueberraschung des höllischen Lerwandelns. Hier können wir nur nachträglich mitfühlen, indem wir uns entweder in Kleistens Ieronimo hlneinstelen oder jenen bekannten Brief eines Unbekannten an den Straßburger Rats- Herrn Ruffier uns vor Augen halten, der mit der hellsichtigen Klarheit des nervengcfpannten Augenzeugen das Erdbeben in Lissa. bon am 1. November 17SS schildert. Diese Schilderung eignet sich insofern al» Parallele zum Unglück in Tokio gut, als die Umwelt ein« ähnliche ist: ein« große Residenz geht da wie dort zugrunde, und der Grad der Kultur in Lissabon 17SS mag dem in Japan 1923 nicht unähnlich sein: in äußeren Dingen mag Tokio Unter- grundbahn und Gasanstalt voraushaben, die seelische Verfassung der betroffenen Bevölkerung mag aber einander sehr gleichen. Dieser Unbekannte schreibt also: „Die Erde ging Ellen hoch auf und nieder. Die Häuser aller Orten fielen mit einem entsetzlichen Prasseln aufeinander. Die Karmeliter , so auf dem Berg über uns wohnten, Kirch und Kloster so sehr groß, ging hin und her, so daß wir besorgten, alle Augen- blicke von der Erde bedeckt und verschlungen zu werden. Es war die Sonne so verfinstert, daß wir«inander nicht sahen. Wir glaubten und waren gänzlich beredt, daß da» letzte Gericht herbei- kommen. Die entsetzliche Bewegung dauerte was über ein« achtel Stunde(wohl nur in der Ewigkeit lang gepeinigten Phantasie des Erlebenden), alsdann war es ruhig, wir flohen in Nachtkleidern auf einen großen Platz, dort waren schon über 4999 Menschen ver- sammelt, einige in bloßen Hembdern, ander« ganz nackend; den Tod auf allen Gesichtern gemalt: mit unzähligen vielen Blessierten, welche alle um Gottes Barmherzigkeit anruften, und wäre das Geschrey
erbärmlich. Nach drei Stunden kam wieder die Erdbebung, so un- gefähr noch ein« achtel Stunde dauerte; darauf war etwan eine Stunde Ruhe, bis das Gerücht von der S:e kam, daß das Waffer über alle Maßen gestiegen und wenn wir nicht flüchteten, wir untergehen würden. Den ersten Abend gegen 11 Uhr kam Feuer an allen Orten aus; und was noch übrig war von Erdbeben, wurde durch die Flammen verzehrt. Also ist die schön« Stadt, so die reichste in Europa , und bei S99 999 Menschen(?) in sich hatte, zu einem Steinhaufen geworden. Der Palast, wo soviel« und ent- setzliche Preciosen, ist verbrannt. Unser Zollhaus, mit vielen Millionen Waren aus allen Orten der Welt, ist teils verbrennet, teils mit einem großen Platz in den See gesunken. Die mehresten Schiffe versunken, ander« beschädigt. Ein holländisches ist in die Stadt geschmisien worden, und swhnde das Schiff auf trockenem Lande; bis daß«in« ander« Flut kam, und das Schiff vom trockenen wieder wegnähme und ohne Unglück in die See fetzte. Ihr« Majestät, unser König logieren selbst, uns zur Hülfe und Trost, auf dem Felde mit Zelten. Mein Gott, das Elend ist groß und erwecket in der ganzen Christenheit Mitleiden; denn wer sich an solchem Cxempel nicht spiegeln will, muß kein Mensch sein." Könnte nicht diese naiv« Schilderung(mit unwesentlichen Aenderungen äußerlicher Art) aus Tokio stammen? Aber es muß da noch hundertmal furchtbarer hergegangen sein: wenn taffächlich Millionen Menschen umgekommen sind, so ist damit da» bisher größte Erdbeben, das in Messina am 28. Dezember 1998, in dem Schatten gestellt, wobei„nur 139 999 Menschen" das Leben ver- loren. Nach den Auszeichnungen unserer Wissenschaft scheinen sich die katastrophalen Erdbeben im 29. Jahrhundert zu häufen— wenn wir die klassische Gegend der Erdbeben, Sizilien , betrachtm, so finden wir folgende Daten der dortigen Katastrophen: 1693, 1783, 1894, 1995, 1997 und 1998. Südamerika und Japan sind die weiteren erregtesten Erdbebenherd«(St. Vinzent, Quito , Guade- loupe, Chile , Caracas , das 1812 völlig zerstört wurde, in Süd- amerika , die Insel Nippon in Japan ). Man kann sich nun von der Kraft solcher Erdrevolutionen eine Vorstellung machen; am äugen- scheinlichsten beweist aber die gigantisch« Umwälzung des Erdinnern bei einen. Beben die Tatsache, daß di« Bewegungskurve der Erdachsenpole um ihre Mittellag« plötzlich« Veränderungen besonders nach mehreren aufeinanderfolgenden Erdbeben erleidet; die Er- fchütterung muß demnach aus dem Erdinnern auffpringen und di« gesamte schwere Jnnenmasse unseres Planeten in Bewegung setzen. Unsere Erde ist also lange nicht ein so stabiles Geschöpf; ihre „Nervenchoks" find aber auch keineswegs so vereinzelt und außer. gewöhnlich, wie wir auf den ersten Blick vielleicht annehmen. Die
Forscher sprechen sogar von Erdbebenschwärmen und haben fett- gestellt, daß Z. B. allein im März 18S8 mehr als 2999 Erdstöße auf Hawai stattgesunden haben, die dreijährige Erdbebenpenode der griechischen Landschaft Phokis umfaßte eine halbe Mllion Stöße und eine Aiertelmillion unterirdische, aber nicht von merklichen Erschütterungen begleitete Geräusche. Eine Erdgegend ist eigentlich nie von Erderzittern frei— so heißt San Salvador im südamerikanischen Volksmund direkt die .Schautelmatte", und nach Arrhenius ist es wirklich nicht zuviel gesagt, daß die Erde sich dort andauernd in einem leichten Aus- und Niederschüttern befindet. Japan ist ähnlich leicht erschütter- lich. Das kommt daher, daß in diesen Gebieten die Erde sich erst spät(in der Tertiärzeit) so geformt und gehastet hat, wie sie sich heut« unseren Blicken darbietet. Ja, sie verformt sich an diesen spröden Erdhautstellen eben jetzt noch. Wenn wir uns nach menschlicher und wissenschaftlicher Er- fahnmg in Deutschland und besonders in Norddeutschland sicher vor Erdbebenkatastrophen fühlen können» so haben wir doch Erd- bebenherde auch bei un«. In den Ländern um di« Ostsee und in Ruhland haben sie nie eine gefährliche Form angenommen, in Schweden sind im Jahre 1994 einig« Schornsteine eingestürzt. Ein richtiges kleines Erdbeben sucht« aber die Gegend um die Schwä- bische Alb heim im Jahre 1911, wo die Stadt Ebingen fast ganz zusammenstürzt«, die Burg Hohenzollern stark beschädigt wurde und das Münster in Konstanz zusammenbrach. Nun hat unsere Erde di« heftigst« Erschütterung seit Menschen- gedenken durchgemacht. Auf den seismoyraphischen Stationen aller Länder wird man wohl bereits bei der wissenschaftlichen Durch- forschung der Katastrophe sein. Vielleicht gelingt es b»> dieser Gelegenheit wieder, den geheimnisvollen Pulsschlag des feurigen Erdherzens zu ergrunden— haben wir doch schon di« Dicke der Erdrinde auf etwa 59 Kilometer aus der Fortpflanzungsgeschwin- digkeit der Erdbeben ermeffen können, lassen sich doch bereits bis aufs Jahr Erdbebenwiederholungen in den einzelnen Gegenden feststellen. Wenn wir aber auch eines Tages alles von unserem Planeten wissen werden, unser Wissen wird die Eruptionen seines Innern nicht hemmen können— nur demütiger noch werden wir uns fühlen angesichts der Uebergewalt der großen ewigen Welten- dinge um uns. Vielleicht erzeugt aber dies Wissen, wenn es durch alle Völker der Erde seelisch gedrungen ist, endlich jenes Gefühl brüderlich auf Gedeih und Verderb diesem bald glücklichen, bald tückischen Stern anvertrauter Geschöpfe, die als Gegenmacht die alles umfassende Flamme tiefster Lieb« zu einander erzeugen und die Tücken der Elemente nicht durch Haß und Neid noch vermehren/
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