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DOtUXÜCtS Sonnabenö, 15. September 1H2Z

!Tc.43i 40. Jahrgang

Wernevchen-Strausberg. Vom Schlesischen Bahnhof fWriezen » Bahnsteig) fahren wir nach Werneuchen , dem freundlichen Städtchen, wo der märkische Dichter, der Prediger Schmidt von Werneuchen wirkte. Wir gehen vom Bahnhof in die Stadt, überschreiten das Stienitz- fließ, das Werneuchen in eine westliche und eine östliche Hälfte teilt, und wandern auf der Straße nach Wesendahl weiter. Der Weg führt über den hohen Barnim , der in dieser Gegend zu seinen höchsten Erhebungen ansteigt. Das Gelände ist ziemlich hüglig: von den Kuppen bietet sich oft ein schöner Fernblick weithin über das herbstliche Land. Je mehr wir uns dem Dorf Wesendahl nähern, desto steiniger wird die Gegend. Aus den Feldern beiderseits des Weges liegen zahlreiche, in regelmäßigen Reihen und Abständen aufgeschichtete Steinhaufen, dir von dem Reichtum dieser Gegend an eiszeitlichen Geschieben zeugten. In früheren Zeiten waren hier noch viel mehr Stein« vorhanden: zum Bauen von Häusern und Ställen und zum Pflastern der Straßen wurde jedoch im Laufe der Zeit ein gut Teil von ihnen verwandt. Zur Verringerung des Steinreichtums trug auch besonders eine Verordnung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bei, nach der jeder Bauer, der mit Fuhrwerk nach Berlin kam, zwei große Steine am Stadttor abliefern mußte: mit ihnen wurden die Berliner Straßen gepflastert. Wir wandern durch Wesendahl: die Eeschiebehoufen auf den Feldern haben sich noch vermehrt und vergrößert. Di« Straße schlängelt sich in einem großen Bogen hinab zur Gielsdorfer Mühle, die in der Gamengrund- rinne liegt, an dem Fließ, das den Kesislfee mit dem FSngerse« ver­bindet. Im Garten des Mühlengrundstücks steht eine hohe Pappel mit zahlreichen Mistelbüschen. Aus dem Ostufer des Kesselsees lagen einige Hünengräber in einem Wäldchen von Birken und Wacholder, ein stimmungsvolles Landschaftsbild, das jeder wahre Heimatsreund gern aufsuchte. Jetzt sind die Gräber zerstört worden, und die Hei- mat ist um ein vorgeschichtliches Denkmal ärmer. Am Rande der Niederung wandern wir nach Süden und kam- men zur W e f e n d a h l« r Mühl«, die an der Einmündung des Fließes in den FSngerse« liegt. Am Ufer dieses Sees wandern wir weiter nach Süden bis zu seinem Ende. Das Fließ, das von hier zum nächsten See, dem Bötzfe«, fließt, treibt die Reu« Spitzmühle. Auf der Landenge zwischen beiden Seen liegt ein vorgeschichtlicher Burgwall, der auch schon zum Teil eingeebnet wurde. Im Garten der Neuen Spitzmühle sprudelt eine Quell« von ziemlich stark kalk- baltigcm Wasser, das verhältnismäßig reich an Eisen und Mangan ist und Spuren von reiner Kohlensäure enthält. Auf dem Turm- gestell wandern wir in östlicher Richtung durch prächtigen Kiesern- bochwald zum Straussee. Vom gegenüberliegenden Ufer grüßt uns Strausberg , dieStadt am Straus". Der schöne Uferweg bringt uns nach Süden zum Ende des Sees. Hier erhebt sich der Marienberg SZ Meter über dem Meeresspiegel oder 27 Meter über den Straussee. Auf der Chaussee kommen wir durch die Ctraus» berger Vorstadt zum Ostbahnhof Strausberg, von wo aus wir die Heimfahrt antreten.(Weglänge etwa 24 Kilometer.) Elternmoröverfuch eines vierzehnjährigen. Wie er sich ein Alibi verschaffen wollte. Der 14 Jahre alte Arbeitsbursche Otto Seidel aus der Heiden- fcldstraße 7 wurde gestern wegen Mordversuchs an seinen Eltern und wegen Diebstahls der Kriminalpolizei übergeben. Der Junge, der seine Eltern schon wiederholt bestohien und auch andere Diebe- reien verübt hat, stand gestern morgen um 6 Uhr auf und stahl, während die Eltern noch schliefen, eine Handtasche mit 34 Millionen Mark. Dann drehte er alle Gashähne auf, nahm den Milchtopf, ging nach der nahe gelegenen Kochhann- straße und stellte sich vor einem Milchladen mit an, als ob nichts geschehen wäre. In Wirklichkeit wartet« er hier ab, wie sein Be- ginnen wohl auslaufen werde. Er hatte sich so leise aus der Woh- nung hinausgeschlichen, daß die schlafenden Eltern nichts merkten. Zum Glück aber wachte die Mutter noch zeitig genug auf. um sich und ihren Mann retten zu können. Beide waren schon von dem ein- geatmeten Gas stark mitgenommen und litten an heftigen Kopf- schmerzen. Als der Junge, der sich durch das Anstellen vor dem Loden ein Alibi hatte verschaffen wollen, nach Haus« kam, tat er so, als ob er von nichts gewußt hatte. Dabei blieb er auch, als ihm der Pater die Tat auf dem Kopf zusagte. Der Vater bracht« ihn zvr Polizei, und hier legte er endlich ein G e st ä n d n i s ab. Er behauptet, daß zwei Freunde aus der Nachbarschaft ihn angestiftet und ihn bedroht hätten, daß sie ihn erstechen würden, wenndie Sache nicht klappe". Di« Beute hätten sie sich teilen und dann alle drei nach Ostpreußen reisen wollen. Der Taugenichts wurde in 5)ast behalten, weil außer dem Diebstahl ein überlegter und planmäßig vorbereiteter Mordversuch vorliegt.

Markenbrot 3 250 000 Mark. Das Ernährungsamt der Stadt Berlin teilt mit: Im Verfolg der allmählichen Anpassung des Verkehrs mit Markengebäck an den Ver- kehr mit freiem Brot hat die Reichsgetreidestelle erneut ihre Abgabe­preise vervielfacht(rund verzehnfacht). Diese Preiserhöhung wirkt sich im Brotpreis erheblich stärker aus als das letzte Mal, weil seit der letzten Mehlpreiserhöhung der Anteil de« Mehrpreises am Brotpreis erheblich gestiegen ist. Da gleichzeitig bekanntlich auch der Kohlenpreis wieder beträchtlich erhöht wurde, ferner auch die.Per- sonal- und sonstigen Unkosten der Brotherstellung sich entsprechend dem starken Anschwellen der Teuerungszifser gesteigert haben, so erhöht sich vom 17. d. M. an der Preis des Markengroßbrotes auf 3 2Sll 000 Mark, der der Markenschrippeauf 115 000 Mark. Das Markenbrot kostet damit noch nicht die Hälfte des freien Brotes, besten Preis sich zurzeit für die Kommunalbrotportion auf fast 7 000 000 Mark stellt. Eine amtlich« Erklärung für diesen außerordentlichen Preis- sprung, der die Bevölkerung Berlins neuen Sorgen gegenüberstellt, haben wir bereits im gestrigen Abendblatt veröffentlicht. Es ist in dieser Erklärung nur von dem Dreifachen des bisherigen Preises die Rede(zurzeit kostet das Markenbrot 720 000 M.), während in Wirk- lichkeit das Vierfache bereits überschritten wird. Wie erklären sich diese Unstimmigkeiten zwischen den ministeriellen und städtischen Veröffentlichungen?_ Stiefelsohle» als Anwaltshonorar. Die Flucht vor der Mark und das Bestreben, sich wertbeständig bezahlen zu lasten, greift auch in den freien Berufen um sich, wie folgender Fall beweist: Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte trat ein Schuhmachermeister als Kläger gegen eine Schauspielerin auf, die ihn uud seine Frau beleidigt haben sollte. Die Schaulpielerin wurde durch die Beweisausnahme genötigt, ihre Behauptungen zurückzunehmen und die Kosten zu tragen. Bei der Feststellung der Höhe der Kosten fragte der Vorsitzende den Rechtsbeistand des

Wettei'sllssickten für Sonntag.

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Seit Anfang der Woche blieb das Wetter in Deutschland fast allgemein trocken und klärte sich der Himmel mehr und mehr auf. Die Temperaturen stiegen wieder höher empor und er­reichten Montag nachmittag an verschiedenen Orten des Binnen­landes 25 Grad Celsius. Auch die Käohte wurden allmählich milder. Zwischen Dienstag und Donnerstag drang vom Atlanti­ schen Ozean ein großes nnd starkes Tiefdruckgebiet nach dem Europäischen Nordraeer nnd Nordskandinavien vor und bracht« den britischen Inseln, sowie den skandinavischen Dändem zahl­reiche Regenfällo, beeinflußte aber die Witterung Deutschlands nur wenig. Am Donnerstag nachmittag stieg hier das Thermo­meter in Aachen auf 27 und in Frankfurt a. M. auf 28., am Frei­tag in Berlin und Breslau ebenfalls auf 28, in Magdeburg sogar auf 29 Grad Celsius, jetzt ist westlich von Schottland ein neues atlantisches'Tief autgetreten, während sich das festländische Hochdruckgebiet weiter nach Nordosten ausgebreitet hat. Beide scheinen ihren Weg ziemlich rasch in nordöstlicher Richtung fortzusetzen. Ret rnttiilgren Oatliche.n bis sttdtfstllehen Winden haben wir daher anch für Sonnabend nnd Sonntag; trockenes und liberwieieend heiteres Wetter mit etwas ktihlercn Machten, aber fflr die Jahressclt sehr hohen mUtaKstcnipcratnren su erwarten, doch ist der Klntrltt eines linrzen Gewitters nicht gana nnwahrscbclnllch.

27i Kilian. Roman von Zakob 2)(ihrer. Ich heiratete also und machte eine Hochzeitsreise an den Vierwaldstätter See , weilte in der Tellskapelle und auf dem Rütli, auch hatte ich eineSchweizergeschichte" in der Tasche, wie sie unfern Schülern in die Hand gegeben wird, und da ich viel guten Willen mitbrachte, gelang es mir, sie ohne Widerspruch durchzulesen, ohne wie früher von grober Fäl- schung und Verschweigen der wichtigsten Tatsachen zu reden. Kurzum, es gelang mir nach und nach so etwas wie ein Pa- triot zu werden, und ich würde wahrscheinlich als solcher ge- starben sein, wenn nicht in unserm Hause an der Rue Morronnier ein Mann gewohnt hätte, der mit einem Arm freihändig einen Zentner und mit beiden Armen drei Zentner zu stemmen vermochte. Dieser Kraftmensch war von Beruf Depeschenträger, und sehen Sie, Mdre Iuliette, das hat mich ruiniert! Schon ein halbes Jahr hatte ich diesen Depeschenträger an meinem Ladenfenster vorbeigehen sehen, und jedesmal hatte ich einen sehr unangenehmen Eindruck, ohne daß ich darauf kam, an was es lag. Ich wurde nervös und aufge- regt und hielt es nicht mehr aus in meinem vier Meter tiefen und dreieinhalb Meter breiten Schmuckladen. Irgend etwas mußte jetzt geschehen, irgend etwas, gleichgültig was. Viel- leicht, daß man rasch einen Sprung in denCers" hinübertat, einen Aperitif zugenehmigen", oder daß man imDe la Poste" ein Glas Rotwein gegen das Licht hielt, oder im Cheval blanc", wenn just kein Gast in der Nähe war, der Ninette oder der Nuttli, oder wie die Kellnerin gerade hieß, ein wenig mit dem Zeigefinger gegen die Brust stieß, item, irgend etwas mußte geschehen. Etwas, das einen in An- spruch nahm. Nu? nicht an den Depeschenträger denken! Der Kerl ging berum wie der Zeitgeist, wuchtig und mit einer ungebeuren Kraft begabt. Aber er trug nur Briefböglein durch die Gassen, Dingerchen, die ein Windlein über ein Gebirge blasen konnte. Man durfte sich das nicht ausdenken, sonst wurde man»er- rückt. Nicht ausdenken, daß dieser Riese damit sein Leben zubrachte, Papierlein herumzutragen! Denn sonst hatte einen plötzlich ein Ungeheuer am Kragen, das einen aus feuerblitzen-

den Augen anstarrte, und mit gespaltener Zunge zischte: Und du, bist du dazu in die Welt gekommen, um in einer Holz- schachtel auf Leute zu lauern, denen du mit dreiunddreißig Prozent Gewinn ein Reiflein oder einen geschlissenen Stein anhängen kannst? Und wenn man sich wütend schüttelte, erhielt man einen Prankenhieb von dem Ungeheuer: Das ist deine Bestimmung, das ist dein Lebenszweck, dreißig Prozent zu nehmen! Dar- über hinaus gibt es nichts. Nie mehr kommst du aus dieser Holzschachtel. Zehn Preziosenhändler sind schon an der Rue Morronnier 18 in Ehren grau geworden und eines seligen Todes dahingefahren. Wenn man aber aufstöhnend sich die Ohren zuhielt und die Stirne an die Ladentüre legte, dann sah man gegenüber b|n Bauch des Bäckermeisters Dupel , wie er weißlich über die Schürzenschnur herunterwanstete, und man wußte, daß seit zweihundert Iahren täglich einmal solch ein Bauch aus dem Haus Nr. 13 an der Rue Morronnier hängt. Und das Haus zur Linken, mit dem Merceriegefchäft, war es nicht seit Ewig- leiten so, daß von Zeit zu Zeit der Vorhang an der Ladentüre ein wenig zurückgeschoben wird, und ein Mädchen-, Frauen-, Greisinnengesicht sich gegen die Scheibe neigt, und mit ver- lorenen Augen einen Blick in die Gasse hinauswirst, ohne Hoffnung und ohne Glauben.... Verstehen Sie, M&re Iuliette, daß man dies auf die Dauer nicht aushält! Es wird nämlich von Sekunde zu Se- künde furchtbarer: Plötzlich hört man es wimmern und jam- mern und schreien und toben und rasen aus allen Werkstätten und Arbeitsräumen und Fabriken und Schreibstuben und Ge- richtssälen, aus allen Preziofenlüden der ganzen Welt und vereinigt und verdichtet sich zu einem ungeheuren Schrei: Sind wir dazu in die Welt gekommen? Wer diese Stimme aber einmal vernommen hat, dem bleibt noch zweierlei übrig, Mfrre Iuliette, das Irrenhaus oder das Wirtsbaus. Sehen Sie, das ist der große Irrtum der Abstinenten: Sie meinen, die West fei so übel daran, weil so viel gesoffen werde: ich aber sage ihnen: Es wird so viel ge- soffen, weil wir so übel daran sind! Diese ganze bürgerliche Weltordnung, meine Liebe, ist nur möglich dank dem Wirts- haus. In der Rue Morronnier sind von achtzig Häusern zwanzig Wirtschaften. Das ist ein gutes Verhältnis. Das wird die Gasse, das wird die Schweiz erhalten!

Klägers nach dem von ihn vereinborten Honorar. Unter allgemeiner Heiterkeit erklärte R.-A. Dr. Niemann, daß er mit dem Schuh- machermeister als Honorar vereinbart habe, daß dieser ihn itwei Paar Stiefel besohlen müsse. Die Bcllagte übernahm auch diese Kosten.

Der NeinkckenSorfer Morü aufgeklärt. Der Mörder der Pflegerin Hedwig P l« t t i g, die vor einigen Togen in Reinickendorf -West auf freiem Felde ermordet wurde, ist festgenommen. Es handelt sich um den 1898 in Berlin geborenen i früheren Kaufmann, jetzigen Händler Erich Weiß, der in Rei- nickendorf, in der Dahnstraße wohnt. Er leugnet jedoch die Tat. Mieüer ein Ueberfall im D-Zug. Dahnhofgauner an der Arbeit. Im D-Zug Berlin München wurde, wie aus Hof(Bayern ) gemeldet wird, ein Reifender Iwanowitsch B r e w i tz betäubt auf- gefunden. Roch der vorläufigen Meldung, die hier vorliegt, gab er, wieder zum Bewußtsein gekommen, an, daß er bereits in Berlin beim Besteigen des Zuges mit irgendeinem Mittel betäubt worden fei. Näheres über den Vorgang ist noch nicht bekannt. Geraubt wurden dem Reisenden ein Lederkosser mit einem hellgrauen Anzug und Wäsche, eine silbern« viereckige Armbanduhr mit goldenem Zifferblatt und römischen Ziffern,«in« Brieftasche aus rotem Saffian- leder, die einen Paß auf dm Namen Iwanowitsch Brewitz, ausg«- stellt von der Sowjetr«gi«rung in Moskau , und 800 englische Pfunde in 5-, 2v- und Zv-Pfundnoten enthielt, und em Mantel. Mitteilungen zur Aufklärung nimmt der Leiter des Raubdezernats der Kriminalpolizei, Kriminalkommissar Werneburg, im Zimmer 80 des Polizeipräsidiums, Hausanruf 801, entgegen. « Aus harmlose Reisende hat es seit einiger Zeit eine Bande ab- gesehen, die auf allen hiesigen Bahnhöfen ihr Unwesen treibt. Die Schwindler machen sich an Leute heran, die durchreisen und sich nur für kurz« Zeit in Berlin aufhalten wollen oder besonders auch an Mädchen, die nach Berlin kommen, um Stellung zu suchen. Anscheinend harmlos und hilfsbereit nähern sie sich den Ankommen- den, knüpfen ein Gespräch mit ihnen an und verstehen es, durch alle möglichen Schliche, sich in den Besitz der Hobseligkeiten der Leute zu setzen, die ihnen Vertrauen schenken. Ein Kniff ist z. B. der, daß sie sich stellen, als ob sie eben erst in Berlin angekommen seien, den anderen ihreHilfe" beim Unterbringen des Gepäcks an- bieten und dann die Gepäckscheine verwechseln. So erhalten die Be- tr eigenen, wenn st« später ihr Gepäck von der Verwahrungsstelle ab- holen wollen, anstatt dessen Schachteln mit Kartoffel- schalen und dergleichen. Jetzt wurde einer dieser Gauner, ein der Kriminalpolizei schon länger bekannter 32 Jahre alter Walter Wiener, festgenommen, als er einem Durchreisenden für 5 M i l- liarden Filmartitel abgeschwindelt hatte. Mitteilungen, die geeignet sind, auch die anderen unschädlich zu machen, nimmt unter Hinweis auf eine hohe Belohnung Kriminalkommissar Wächter, Dienststell« B. II. 3 im Zimmer 392a des Polizeipräsidiums entgegen. Der Revolverheld ans Alt-Moabit. Das Polizeipräsidium teilt mit: Der Zusammenstoß zwischen Jugendlichen In der Straße Alt-Moabit, bei dem der 19jährige Otto Nolte durch einen Bauchschuß niedergestreckt worden ist, hat in- sofern seine Aufklärung gefunden, als der Täter von Beamten der Abteilung la des Berliner Polizeipräsidiums festgestellt und fest- genommen werden konnte. Es ist der 19jährige Bäcker Willy Buchwald, der mit vier anderen jungen Leuten dem Polizei- prästdium eingeliefert worden ist und dort heut« einer eingehenden Bernehmung unterzogen wird. Der Zustand des Verletzten ist noch ärztlicher Auskunft erfreulicherweise den Umständen nach zu- friedenstellend._ EinBoxerattentat". Ein nächtlicher Ueberfall durch jugendlich« Rowdys, dessen Opfer zwei Stoaisonwält« geworden sind, führten den etwa 20 Jahre alten Dreher Johannes S. und den gleichaltrigen kaufmännischen Ex­pedienten Fritz P. vor die Strafkammer des Landgerichts III. Die beiden Staatsanwälte waren, als sie am 17. Januar dieses Jahres in Begleitung eines Landgerichtsrats und dessen Frau die Berliner Straße in Wilmersdorf entlang gingen, von den beiden jungen Leuten, die anscheinend etwas angetrunken waren, angerempelt und dabei noch gefragt worden, ob sie sich nicht entschuldigen wollten. Ehe sie es sich versahen, erhielten sie von den Jugendlichen regelrechte B o x e r h i e b e ins Gesicht. Als die Schupo kam. hatten die Angeklagten sich schon entfernt, wurden aber nach einigen Minuten

Ich habe natürlich alles getan, war irgendwie nach einer Rettung von geistiger Umnachtung aussah. Ich habe bei einer Wohnungszählung mitgeholfen, ich wurde Vorstandsmitglied des Gassenvereins, Sekretär der Rabattvereinigung, ich sang im gemischten ChorTrais Roses", turnte jeden Mittwoch in der alten Sektion derHÄvetiques", kegelte am Samstag mit ehrenwerten Männern, die mich nötigten, in die liberale Partei und in den Stadtrat einzutreten. Ich habe Vereins- Protokolle geführt, bin in ungezählten Sitzungen gesessen, ich habe Berichte abgefaßt und Reden gehalten, wahrlich, ich habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft,- die einem Einwohner der Rue Morronnier offen stehen! Es hat nichts genützt, ich habe mich doch dabei überrascht, wie ich eines Tages mit gezücktem Re- volver hinter der Ladentüre auf den Depeschenträger lauerte, um ihn über den Haufen zu schießen. Glücklicherweise war ich damals schon so dem Alkohol ver- fallen, daß ich auch diesen Mordgedanken nicht zu Ende dachte. Sie müssen nämlich wissen, Mdre Iuliette, das macht die große Wohltat aller berauschenden Getränke aus: sie nehmen einem die Kraft,«inen Gedanken zu Ende zu denken. Darin liegt aber das Wesen des vielgerühmten Ideals Freiheit, daß man an einem beliebigen Punkt aufhören darf zu denken. Was glauben Sie, Mdre Iuliette, wie angenehm es zum Beispiel war, stehen zu bleiben bei der Tatsache: in unserem Quartier wohnen in fünfzig Vierzimmerwohnungen zweihundert Men­schen, und in hundert Zweizimmerwohnungen achthundert/ Menschen! Mit diesem Resultat in der Tasche ging man als Wohnungszähler insCheval blanc" und jaste zu viert«inen Kaffee und zwei Liter aus. Ausgezeichnet! Wenn einem nur nicht der verfluchte Depeschenträger selbigen Tages in den Weg lief!... Und in jeder politischen Frage, meine Liebe, gab es einen ganz bestimmten Punkt, wo die Freiheit des RichtmehrdeNken- müssens begann. Unbedingt. Denn sonst... schnitt man sich eines Tages ins eigene Fleisch! Sonst kam es an den Tag, stieg es gespensterhaft ins Bewußtsein, daß man um viel zu geringen Kräfteeinsatz dreiunddreißig Prozent nahm, während andere für die mühsamste Arbeit fast nichts erhielten. Al­kohol her! Wein her! Es lebe das Vaterland! Es lebe die Freiheit! Es lebe der freie Sinn zu denken, was einem be- liebt! Gedankenfreiheit?! Als ob die Gedanken nicht die Knecht« der Wahrheit wären!(Fortsetzung folgt.)