Abendausgabe
Nr. 434 40. Jahrgang Ausgabe B Nr. 218
Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in ber Morgenausgabe angegeben Rebaffion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-295 Tel- Adreffe: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts
Berliner Volksblatt
Preis 300000 m.
Montag
17. September 1923
Berlag und Anzeigenabteilung Geschäftszeit 9-5 Uhr
Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin S. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-250?
12 Tote, zahlreiche Verwundete.
Aus Soran( Baufig) erhalten wir folgenden Bericht: Nach einer nachmittags 2 Uhr stattgefundenen Bersammlung, Die Lebensmittelnot hat in der Tertilstadt Soran( Laufth) in der nochmals zur Ruhe und Vernunft gemahnt worden war, zu Borgängen geführt, welche in noch nie dagewefenem Umfange hatte sich eine größere Menschenmenge auf dem Markt versammelt. mit Blut ausgetragen worden find. Seit Bochen wird in den hiesi Während noch der Vorstand des Gewerkschaftsfartells auf dem gen Industrien mit allzu start verkürzter Arbeitszeit Wege zum Bürgermeister war, trachten schon die ersten Salven. gearbeitet. Bon den Führern der Gewerkschaften find sowohl die Behörden wie die Fabrikleiter auf das eindringlichste er- Das Vorgehen gegen wehrlose Menschen ohne jede Warnung, denn Freilich haben kleine Hänseleien einzelner die Schupo beläftigt. sucht worden, unbedingt Abhilfe zu schaffen. Bei dem geringen Bochenlohn ber Arbeiter, welcher in vielen die Hintenstehenden konnten die Warnung des Offiziers nicht hören, Fällen nur 9-15 Millionen pro Woche betrug, war es der ver- der großen Boltsmenge war in der Situation beim besten Willen hat jedoch ungeheure Erbitterung hervorgerufen. Ein Ausweichen zweifelten und an Unterernährung trantenden Be nicht möglich; sie mußte angsterfüllt vor den Gewehrläufen stehenvölkerung nicht mehr möglich, die von den Geschäftsleuten ge- bleiben. Schon die Liste der Opfer beweist, daß gänzlich Unforderten hohen Preise für Lebensmittel zu bezahlen. daß dieser von der Polizei abgesperrt war, mit dem Tode dafür beteiligte, die harmlos zum Eintauf den Markt betreten hatten, ohne büßen mußten. Die bis jetzt festgestellte Liste der Toten ist folgende: 1. Schmidt, Otto, Grubenschmied, Wolfsdorf, Kr. Sagan. 2. Altmann, Auguft, Weber, Seifersdorf .
Die verzweifelte Stimmung der Bevölkerung wurde von Woche zu Woche schlimmer, weil von der Großindustrie den Geschäftsleulen Goldmartpreise diffiert wurden, die bei den Papiermarklöhnen nicht bezahlt werden können.
Am Freitag- Wochenmarkt wurden infolge hoher Gemüsepreise die ersten Anzeichen der Erregung laut. Diese Erregung griff bald weiter um sich und es wurde versucht, in den verschiedenen Fettwarengeschäften und Fleischerläden Ware zu billigerem Preise zu erhalten. Eine riesige Menschenmenge hatte sich vor und in den einzelnen Geschäften eingefunden, doch ging alles in ver hältnismäßiger Ruhe ab. Unter Beisein der städtischen Polizeiorgane murde in den einzelnen Läden der Preis für Margarine, Fleisch usw. festgesetzt. Meist in einer Preislage, die der bedürftigen Bevölkerung angemessen erschien. Auf diese Weise wurden in
Zentner Fleisch verkauft.
Der Reallohn im August 1923.
Bom Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewert schaftsbundes wird uns geschrieben:
Das sturzartige Sinten der Mart im August hat zur Folge gehabt, daß die Löhne und Gehälter auch bei automatischer Anpassung an den Reichsinder der Lebenshaltungsblieben. Trotz dieses unerträglich gewordenen Sinfens des tosten von Woche zu Woche hinter der Teuerung zurüd Reallohnes bringt es die fapitalistische Presse fertig, von einem Und nun tommen sogar Mitglieder der Reichs. Ueberschreiten der Friedenslöhne zu reden. regierung, um diese Behauptung zu wiederholen. und des Außenhandelsfortrollausschusses des ReichswirtschaftsIn der gemeinsamen Sitzung des Wirtschaftspolitischen rates vom 31. August erklärte der Reichswirtschaftsminister Don Raumeru. a.:„ Gemessen etwa am 29. Auguft haben schneller gesteigert als die Martentwertung." Diefe fich die Löhne seit Ende Junidrei bis viermal merkwürdige Behauptung ist irreführend, weil sie in feiner Weise die gleichzeitige Steigerung der Reichsinder8iffer für die Kosten der Lebenshaltung berücksichtigt..
4. Reimann, Paul, Lokomotivführer a. D., Gorau, Nie dieses Jahres betrug der Steigerungssatz der Durchschnitts
derstraße.
5. Herrmann, Lumpenhändler, Seifersdorf .
6. Schneider, Reinhold , Sorau , Gubener Straße. 7. Frau Härtelt( näheres unbekannt).
8. Höhne, Gustav, Glasmacher, Kunzendorf.
Ein Beispiel zur Probe auf ihre Stichhaltigkeit: Im Juni löhne für verheiratete. Ha uer und Schlepper im Ruhrgebiet 7640. Die Meßziffer des Dollars war dieser Steigerung bereits um das fast Vierfache porangeeilt; fie ftand auf 26 202. Der Lebenshaltungsinder hielt 9. Wonneberger, Pauline, ledig, Gorau, Thielgaffe 20. fich noch auf 7650. Für den Durchschnittslohn vom 2. bis 10. Rönig, Hans, Sorau , Triebeler Str. 8( 9 Jahre alt). 5. August betrug der Steigerungsfag 111 735; die Meßziffer 11. Ein unbekannter, nicht identifizierter Mann. des Dollars 262 350; der Lebenshaltungsinder am 6. August mehreren Geschäften einige Hundert Pfund Margarine und einige verstorben, so daß sich die Zahl der Toten leider noch vermehren erhebliche Unterschied zwischen der Meßziffer des Dollars und Außerdem sind im Krankenhaus mehrere Schwerverwundete war 149 531. Seit Mitte August hat sich der bisher nicht unEs ist sogar in der bürgerlichen Bresse festgestellt worden, daß wird. Von den Schwerverwundeten, die durch Querschläger mit der Reichsinderziffer ausgeglichen; die Reichsinderziffer dieses Borgehen der hungrigen Bevölkerung die hiesige Polizei- den schmersten Verwundungen betroffen find, waren noch 16 im überholte sogar die Meßziffer in der dritten und vierten behörde zu irgendeinem Eingreifen nicht veranlaßte. Städtischen Krankenhaus untergebracht. Mehrere werden sich noch Augustwoche; beide standen über dem Steigerungssag der Trotzdem haben der Bürgermeister Seeliger und der Land- in Privatpflege befinden, die Leichtverletzten wurden von einem Arzt Hauerdurchschnittslöhne. In der Woche vom 20. bis 26. August rat von Schoenfeldt noch in der Nacht vom Freitag zum auf ungefähr 30 geschätzt. betrug der Steigerungssag der Hauerdurchschnittslöhne Sonnabend telephonisch auswärtige Schuhpolizei herbei. Die Erregung der Bevölkerung ist nach diesen blutigen Bor: 938 344 8; in der Woche vom 27. August bis 2. September gerufen, und zwar die Hundertschaft aus Kottbus. gängen eine grenzenlose; die durch die Straßen patroullierenden 1333 333. Gleichzeitig stieg die Meßziffer des Dollars auf Beim Erwachen fah die Sorauer Einwohnerschaft am Sonn- Schupoleute, bewaffnet mit Maschinenpistolen, Handgranaten und 1 180 562 bzm. 1943 763, die Reichsinderziffer auf 1183 431 abend morgen ein ungewohntes Bild: Vor dem Rathause waren Karabinern, steigern sie immer aufs neue. Dem wiederholten Er. bzw. 1845 261. zwei Autos mit Schupomannschaften vorgefahren und suchen um zurückziehung wird nicht stattgegeben, obwohl jedem diese Tatsache trug zur wachsenden Erregung der Bevölkerung das Renner der Sorauer Verhältnisse und der Sorauer Arbeiterbevölkemeiste bei. Selbstverständlich hatte das Erscheinen der Schupo eine rung ganz flar war, daß das Erscheinen der Schupo hier zu einer Menge Neugierige nach dem Marktplage und den nächsten Straßen Ratastrophe führen mußte. gelo.ft.
Welch ungeheure Verantwortung der 1. Bürgermeister mit Der Vorstand des Sorauer Gewerkschaftskartells stellte bei dem seinen Worten: Ich werde für das Geschehene die Berantwortung Bürgermeister den Antrag, um weiteres Unheil zu verhüten, die tragen!" auf sich genommen hat, zeigt die große Zahl der Todes. Schupo zurückzuziehen und den Vertretern der Arbeiter opfer. Es bleibt auf dem Landrat und dem 1. Bürgermeister der schaft die Möglichkeit zu geben, den Schuß der Stadt selbst zu über Vorwurf haften, daß sie es waren, die die Schupo herbeibrachten. nehmen. Schließlich wurde fogar nur gefordert, die Schupo für eine Es hätten den Behörden im Orte 14 Bolizeibeamte und zirfa halbe oder ganze Stunde zurückzuziehen, um den Arbeitervertretern 20 Landjäger des Kreises zur Verfügung gestanden, welche die Be die Möglichkeit zu geben, beruhigend auf die erregte Menge einzu- völkerung besser kennen. Wären nur diese zur Hilfe herbeigerufen wirken. Dieses wurde vom Bürgermeister glatt abgeworden, ein derartiges Blutbad wäre in unserem sonst so friedlichen Sorau nicht möglich gewesen.
lehnt.
Hundertschaften und Hitlerschaften.
Die Arbeiterlöhne mußten der Marfentwertung angepaßt werden, weil die Lebenshaltungskosten parallel mit dem Dollar von Woche zu Woche, von Lag zu Tag ftiegen, und sogar die Tendenz zeigten, schneller zu steigen, als die Mart fiel. Es ist nun daraus der übereilte Schluß gezogen worden, daß die heutigen Löhne der Arbeiter die Friedenslöhne überschreiten. Sogar in die Rede des Reichstanzlers vom 12. September hat sich diese Behauptung verirrt. Diefe Behauptung ist falsch und in der Erklärung des ADGB. , die der Borwärts" in seiner Sonntagsnummer veröffentlicht hat, bereits widerlegt worden.
"
Die in dieser Erklärung nachgewiesene viel raschere Steigerung der Lebensmittelpreife trifft auch auf die anderen Bedarfsartikel zu. Im Juli 1914 fonnte sich ein Maurer mit dem Lohn von 1,1 Arbeitsstunden einen Zeniner Bri= 14,8, am 20. August 4,3, am 27. August 2,4, am 3. September fetts faufen. Am 6. August mußte er 7,5, am 13. August 3,1 Stunden arbeiten. Um das gleiche Quantum zu faufen,
20 Millionen Goldrubel für die Ermordung eines Mitgliedes der ruffifchen Mission. Tschitscherin behauptet, Dokumente in Händen zu haben, welche die Mitschuld der bulgarischen Regiearbeitete ein Tischler im Frieden 14, am 6. August 5,1, rung in dieser Mordangelegenheit bewiesen.
am 13. August 10,7, am 20. August 3,7, am 27. August 4.8 am 3. September 4,4 Arbeitsstunden. Geradezu grotest aber wird das Mißverhältnis von Löhnen und Kleinhandelspreisen, wenn wir uns der Konfettions= branche zuwenden.
Plauen ( Bogtl.), 7. September. ( Eigener Drahtbericht.) Die von dem Hitlertage in Hof zurückkehrenden beilweise bewaffneten Plauener Reaktionäre wollten gestern abend im Triumphzug durch Plauen ziehen. Als sie von einem Teil der proletarischen Abwehrorganisation aufgefordert wurden, den Zug aufzulösen, gaben sie das Signal zum Angriff. Schüsse fielen Tofio, 16. September. ( Havas.) Die zum Biederaufbau von aus. den Reihen der Hitlerleute und Stockhiebe regneten auf den Selbstschutz nieder. Trog einige: blutiger Verluste( Schuß und Tokio und Yokohama erforderliche Summe wird auf annähernd 10 Milliarden en geschätzt. Sämtliche Banken Japans Einen einfachen Maßanzug im Friedenswert Hiebverlegungen) ging die Abwehrorganisation fitußenbreit vorhaben sich zur Bildung eines Syndikats zusammengeschloffen, das von 50 m. fonnte sich ein Berliner Metallarbeiter und trieb die Hakenkreuzler auf den Borplatz des Bahnhofs zurüd. Die Regierung beim Wiederaufbau unterstützen soll. Das Syndikat mit dem Lohn von 71,4 Arbeitsstunden laufen. Am 6. Auguſt Mit Hilfe von Landespolizei wurde eine Durchsuchung wird sich das über die zur Verfügung stehenden Kapitalien hinaus waren dafür erforderlich 172,4, am 13. August 109,2, am nach Baffen vorgenommen und der allmähliche Abzug der erforderliche Geld durch eine auswärtige und innere Anleihe 20. August 116,7, am 27. August 138,9, am 3. September Hitlerleute bewerkstelligt. Auch die Fahrgäste der später von Hof beschaffen. Die japanischen Banten und Versicherungsgesellschaften 476,2 Stunden. Ein Tischler war noch ungünstiger getommenden Züge wurden fontrolliert. Das ging ziemlich ruhig und das Publikum haben bis jetzt 50 millionen Ven zu dem stellt. Im Juli 1914 genügten 71,4 Arbeitsstunden; dagegen vonfatten. waren am 6. August 224,3, am 13. Auguſt 213,1, am 20. August 134,4, am 27. August 205,8, am 3. September 529,8 Stunden notwendig. Die Metallarbeiter standen sich in dieser Hinsicht also nahezu siebenmal, die Tischler sieben bis achtEin Paar mal schlechter als im Frieden. Stiefel im Friedenswert von 10,50 m. verdiente sich ein Schneider 1914 in 15 Arbeitsstunden, am 6. August waren 284,6, am 13. August 125, am 20. Auguft 60,5, am 27. Auguſt war also eine a cht fa che Entwertung der Kauf. 58,1, am 3. September 125 Stunden Arbeit zu leisten. Es traft eingetreten.
Auf der Tuntenhausener Tagung ber bayerischen BauernDisreine hielt Sonntag Ministerpräsident v. Knilling eine Rede, in der er den, Baterländischen" recht zu Gefallen sprach, sie aber doch zur Gefeßlichteit mahnte. Deutlich drohte Knilling mit ber Lostrennung Bayerns für den Fall einer Linksdiftatur im Reich, nachdem er schon zu Beginn die bayerischen Bedenken gegen den sozialistischen Einschlag in der Reichsregierung verfündet hatte.
Zu dem TU.- Bericht über die Münchener Rundgebung, die wir Im letzten Sonnabendabendblatt abgedruckt und besprochen haben, teilt uns das Reichswehrministerium mit, daß nach dienstlicher Meldung des Behrfreistommandos VII( München ) Delegierte der Reichswehr an jener Rundgebung nicht teilgenommen haben.
Hilfsfonds zusammengebracht.
Dollarsprünge wie bisher.
Heutiger Kurs 140 bis 145 Millionen. Poincarés Sonntagsrede, die in Form und Inhalt teine verföhnliche Stimmung erkennen läßt, sowie auch die in den letzten des Reiches und der Länder laffen die Schwierig Tagen bekanntgewordenen Aeußerungen verschiedener Minister teiten der außen- und innenpolitischen Lage erneut scharf hervortreten. Infolgedessen machte bei Wochenbeginn die Devisen. hausse weitere starte Fortschritte. In der ersten Börsenstunde handelte man englische Pfunde mit 650 Millionen und den Dollar mit 140-145 millionen. Von einer Privat bant wurden vermutlich im Auftrage einer Regierungsstelle 2b gaben in englischen Pfunden vorgenommen. Bezeichnend für den allgemeinen Beffimismus ist die Tatsache, daß die Kurse der Dollarschazanweisungen und der Goldanleihe immer stärker hinter dem Dollarkurs zurückbleiben.
daß der Vergleich zwischen den heutigen Löhnen mit den Aus den zuletzt angeführten Zahlen ist leicht zu ersehen, Friedenslöhnen die verminderte Kauftraft der heutigen Löhne noch schlagender erweisen würde, wenn außer dem Bedarf an Lebensmitteln auch noch der Bedarf an Kleidung in Rechnung gestellt würde.
Die von Woche zu Woche und innerhalb jeder Woche von Russische Forderungen an Bulgarien . Tag zu Tag fortschreitende Martentwertung, der llebergang Riga , 16. September. ( EP.) Die russische Regierung gibt zur Preisberechnung in Goldmart, der sich unaufhaltsam volloffiziell befannt, daß Tschitscherin in einer Note an die bulgarische Die Geldmarttlage hat sich durch die Diskontoerhöhung zieht und im Grunde schon überall durchgeführt ist, bringt den Regierung die Auslieferung des Generalstabs der ehemaligen der Reichsbant, die ja noch immer weit hinter den Sägen des freien Arbeiter, wenn er in der Verbrauchswoche mit dem in der Beißen Armee, die Schließung der russischen Militärschule in Bul - Geldverkehrs zurüdbleibt, nicht wesentlich verändert. Borwoche verdienten Lohn sein Leben fristen soll, in eine garien und ein Verbot der Bildung militärischer Organisationen Für tägliches Geld werden 2-5 Bros. gezahlt. Die Nachfrage ist geradezu verzweifelte Lage. Was kann ein Bagenführer der auf bulgarischem Gebiet verlangt, da beren Tätigkeit gegen Sowjet ziemlich start. Die Kurssteigerungen waren an den einzelnen elektrischen Bahn, der am 14. September 31 Millionen Mark rußland gerichtet sei, endlich eine Entschädigungsfumme von Effektenmärkten wieder recht bedeutend. ausgezahlt bekommt, mit iefer Summe anfangen, wenn der