Mes in allem bedeuten diese Entschlüsse der Reichsregie- rung eine Abkehr von der Papier ni ark als Wäh- rungsgeld� Sie mußte bis auf Millionstel-Teile ihres alten Wertes zusammenschrumpfen, ehe man sich zu diesem Eni- schlusse bereitgefunden hat. Vei den verheerenden Folgen aber, die die letzten Stadien der Markentwertung für die gesamte Wirtschaft und für die soziale Lage der Arbeiterschaft gehabt hat, ist es unabweisbare Notwendigkeit, jetzt nach dem neuen Geld zu suchen. Man kann dem Entwurf die Anerkennung nicht vorenthalten, daß er alle vorhandenen Mittel zur Stabilisierung der Währung zu erschöpfen sucht. Sowohl große Teile des Sachbesitzes wie des Gold- und Devisenbesitzes sollen in absehbarer Zeit mobilisiert, und die Einführung der Gold- note durch die Sanierung des Staatshaushaltes in einer Weise vorbereitet werden, die eine neue Inflation mit der neuen Goldnote ausschließt. Daß der Uebcrgang kompliziert ist, darf nicht verwirren. In jedem Falle wird er nach kurzer Zeit einfacher sein als der Millionen» und Milliardentaumel, mit dem man heute arbeiten muß. Insbesondere aus sozialen Gründen ist die Schaf- sung der neuen Währung zwingendes Gebot. Während der Reallohn durch die letzten Markstürze immer wieder ver- mindert wurde, entstand eine Arbeitslosigkeit mit unabsehbaren Konsequenzen. Man muß sich darüber klar sein, daß auch die Neuausrichtung einer neuen Währung die Arbeits- krise zunächst nicht beseitigen, vielleicht noch verschärfen wird. Aber diese Entwicklung muß überstanden werden, wenn wir zu einer Gesundung! der gesamten Produktion kommen wollen und es bleibt Aufgabe, der Sozialpolitik, die Wirkungen der Kriefe auf die schwer betroffene Arbeiterschaft zu mildern. Mancher Neureiche und sicher auch mancher industrielle Betrieb, der heute in der Inflationswirtschaft glänzend arbei- tet, wird die Umkehr zur rationellen Arbeitsmethode nicht finden. Die Umstellung wird also zeitweilige, und zwar große Arbeitslosigkeit bedeuten. Aber eine derartige Arbeitslosigkeit kann nur von vorübergehender Dauer sein, weil mit der Gesundung der Währung die Voraussetzung zur Gesun- dung der Produktion geschaffen ist. Daran mitzuarbeiten ist die Arbeiterschaft gewillt. Die gegenwärtige Arbeitslosigkeit bedroht das ganze Volk mit maßloser Verelendung, die Arbeitskrise nach Einführung einer neuen Wäh- rung bedeutet dagegen den Fieberzustand, den die kranke Volkswirtschaft überwinden muß, wenn sie überhaupt jemals gesunden soll. Das Währungsprojekt. Aus dem Währungsprogramm sind noch folgende Einzelheiten mitzuteilen: Die Vemühungen der Reichsregierung,«in wertbeständiges Geld zu schaffen, haben nun ihnen Niederschlag in einem Entwurf ge- sunden, der eine Kompromißlösung darstellt. Um der Wirtschaft schnell wertbeständiges Geld in die 5) and zu geben, wird die alte Reichsbant Goldnoten herausgeben. Getrennt davon soll eine neu zu schaffende Bank die.Herausgabe einer weiteren Note vor- nehmen, die als gesetzliches Zahlungsmittel gilt. Die Papiermart wird Tcheidemünze dieser Note sein. Die Goldnoten der Reichsbank. Um die Reichsbont instand zu setzen, die Funktionen einer reinen Goldnotenbank zu erfüllen, wird sie von den Staats- finanzen völlig gelöst. Das geschieht dadurch, daß die Reichsschatzscheine von ihr nicht mehr diskontiert werden. Seit 1914 sind die Schuldverschreibungen des Staates für die Deckung der Notenausgabe dem Gold, dem Kaufmmnswechsel usw. gleichgestellt worden. Auf Grund �dieses Mißstandes, des Zusammenhangs der Notenbank mit den Staatsfinanzen, konnte die Reichsbank nach Bedarf zu neuen Geldschöpfungen schreiten. Die Inflation konnte beliebig gesteigert werden, die Notenpresse Tag imd Nacht laufen. Nach der durchgeführten Reform wird die Reichsbank nichts mit der Emission von Papiermart zu tun haben. Was sie herausgibt, sind Goldnoten, die durch effektives Gold, wobei man sehr wahrscheinlich weit über die Dritteldeckung hinausgehen wird, um das Vertrauen der Bevölkerung zu der neuen Note zu erzwingen, gedeckt und durch Handelswechsel gesichert sind, so daß sich die Gold- Notenemission, die neue Geldschöpfung, nur mit der tatsächlichen Wenn öer helö stirbt. Von Erna B ü s i n g. In einem vornehmen Kino sucht das Publikum Entspannung. Der Direktor kennt seine Gäste und er legt Wert auf ein gutes Programm. Folglich muh in jedem Film zumindest ein Toter vorkommen: Das Sterben rollt sich stets wirkungsvoll im verlang- samten Tempo ab. Die Musik ist dabei illustrierend, gedämpft, bei jedem Luftschnappen des Filmsterbenden lebt ste aus. Man spielt so ungefähr Ave Maria mit Kikirikigeschrei, in Hechtsprung- bewegung dirigiert. Der Regisseur gibt zugleich die haupttolle. Er ist der Held, der in einem Zweikampf stirbt. Das kommt im Leben jetzt wenig, dafür im Film aber desto mehr vor. Der Held stirbt wie folgt: viertel tot, Großaufnahme, halb tot, Großaufnahme, drei- viertel tot, Großaufnahm«, ganz tot, Großaufnahme. Der Re- gisseur liebt nämlich die Großaufnahmen, das heißt, folche von sich selbst. Sie sind die einzigen Ansprüche, die er an den Film stellt. Ihr Gelingen ist auch das einzige Können, das er für den Film mitbringt. Und er stirbt einfach hinreißend zur trünenvollen Rüh- rung aller schönen Seelen. Der Backfisch schnäuzt sich unauffällig. Früher war der Backfisch als Haustochter bei der Frau Mutter in der Wirtschaft heschöftigt und wartete auf den Mann. Heute ist der Backfisch bei irgendeiner Firma tätig und erzählt unaufgefordert jedem, daß seine Eltern früher sehr reich waren und wenn die Geldentwertung nicht gekommen wäre, er es gar nicht nötig hätte zu arbeiten. Er ist stumpfen Sinnes und schwärmerisch. Bor Menschen, die Unrecht in Recht verkehren und die bestehend« Gesellschaftsordnung ändern wollen, hat er eine höllische Angst. Der Wirklichkeit gegen- über ist er empfindungsarm, er läßt sich nur durch einen Roman oder durch einen Film rühren. Und die wird immer so bleiben, selbst wenn der Backfisch 10 Jahre alt werden sollte. Der reiche Herr, der dank Schiebergewmn« Weltmann durch Zufall wurde, weiß nicht recht, was er mit dem sterbenden Helden anfangen soll. Aber er will sich nicht blamieren. Folglich stützt er sich mit beiden Armen breit auf und tut interessiert. Die verrröhnte Dame duftet nach Parfüm und guter Seife. Sie ist die Demonstration für haut- und Teintpflege, die viel Geld kostet. Die verwöhnte Dame ist überaus fein veranlagt, der Tod des Helden rührt sie tief. Sie haucht einen Seufzer in ihr zartes Spitzentoschenwch und schaut interessiert auf ihr« stim- mungsvoll duff polierten Fingernägel. Di« verwöhnte Dame ist angeregt, sie wird heut« abend auf ihrem Klavier noch Chopin spielen. Der heldische Jüngling ist hellauflodernd begeistert. Jeder seiner Seufzer ist ein Stoßgebet an Ehrhardt und Roßbach . Deutschland ist noch nicht verloren! Nicht allein auf den Aborten Stelgerung der Produktion vollzieht. Diese Noten sind kein gefetz- liches Zahlungsmittel. Auf eine Einlösung durch Gold oder Devisen glaubt man verzichten zu können, da auch die anderen Staaten mit Ausnahme von Nordamerika mit stabiler Währung die Einlösungs- pflichi aufgehoben haben. Das Sachwerigeld. Die neuzuschaffende Bank soll den Bedürfnissen der Ilebcrgangs- zeit bis zur Balancierung des R e i ch s h a u s h a lt e s dienen. Sie wird also für den Staat ein Finanzierungsmittel sein, das wertbeständige, durch Sachwerte gesläierte Kredile zur Verfügung stellt. Der Reichsfinanzminister schätzt die Daner der ttebergangszeit auf 3 bis 4 Monate. Landwirtschaft, Industrie, Handel und Banken werden nach dem Wehrbeitrag, der durch eine neue Bermögensver- nnlagung zur Erfassung der zahlreichen Neureichen revidiert werden soll, mit einer Goldhypolhek von S Proz. beiastet. Die Noten, die auf Grund dieser Sachwcrterfassung ausgegeben werden, sind gegen Obli- gationen u m t a u s ch b a r, die zu einem festen Satz verzinslich sind. Sie sind ein ausgesprochenes Inlandszahlungsmittel. Die höhe der Notenausgabe ist begrenzt durch das zur Fundierung zur Verfügung stehende Kapital und durch das in bestimmter Zeit zu deckende Defizit. Noch Schätzungen werden der Bank i r kji 4 Milliarden zur Bersügung gestellt. Wie weit sie diese Summe für die Notenausgabe benutzt, kann heute natürlich nicht gesagt werden. Die Regierung wird sich ans den äußerst notwendigen Betrag be- schränken. Der Finanzminister schätzt ihn auf eine Milliarde. Die Papiermark als Scheidemünze. Die Papiermark tritt zu der neafn Währungsnote in ein ganz� bestimmtes Verhältnis und ist vor allen Dingen vor einer weiteren Vermehrung gesichert. Die Notenpresi« wird stilliegen, da sie zur Deckung des Reichsdefizits nicht mehr benötigt wird. Die Papiermart soll sodonn in ein festes Verhältnis zu dem nuf Sachwerten fundierten Geld gebracht werden und nur noch als Scheidemünze dienen. Wahrscheinlich wird man dann auch zu einer Denomination schreiten müssen und demnach den wahren Wert der Mark, der nur noch den winzigen Bruchteil eines Pfennigs vorstellt, auch in Zahlen ausdrücken müssen, etwa so, daß eine oder 19 Millionen alte Mark gleich einer neuen Mark sind. Agrarische Logik. In einem Artikel, der nach bekannter agrarischer Manier alle wesentlichen Momente zur Beurteilung der sozialen Lage der Arbeiterschaft verschweigt und mit aller Gemütsruhe die Tatsachen auf den Kops stellt, nimmt die„Deutsche Tageszeitung" Stellung gegen unseren gestrigen Leit- artikel. Sie schreibt u. a.: Wer das Vergnügen hat, täglich zweimal das sozialistische Zen- tralorgan lesen zu müssen, weiß, daß dieses getreu dem Grundsatz jener Hetzpresse:„Du mußt es täglich viermal sagen", sein Ge- schwosel unermüdlich den Gehirnen selbst der bogriffsstutzigsten Anhänger einhämmert. Geradezu komisch aber wirkt diese fort- gesetzte Sttapazierung der Gemüts- und Verstandesknarr«, wenn darin wirttchaftliche Problem«„wissenschaftlich" behandelt werden. So unterzieht sich das Blatt heut« der undankbaren Aufgabe, ein regelrechtes Programm aufzustellen, das der Wirtschaft Ge- deihen, dem Arbeiter auskömmliche Löhne bescheren soll. Zuvor wird noch einmal die äußerst anfechtbare Behauptung auf- gestellt, der Lohn des Handarbeiters stände weit unter dem Friedenslohn. Ganz abgesehen davon, daß dies« Behauptung, wie wir schon nachwiesen, nur sehr bedingt zutrifft, sollte doch selbst der„Vorwärts" wissen, daß, von einigen zweifelhaften Existenzen abgesehen, das ganze Volk seinen Bedarf an Mitteln zum Lebensunterhalt aufs äußerste einschränken muß. Der Handarbeiter steht jedoch in dieser Beziehung immer noch am besten da und kann mit gutem Gewissen wohl kaum verlangen, auf Kosten der anderen Volksgenossen eine Ausnckhmestellimg einzunehmen. Davon, daß die„Deutsche Tageszeitung" einen Appell zur Einschränkung der Lebenshaltung an ihre Kreise, die Agrarier, gerichtet hätte, ist uns bisher nichts bekannt gewor- den. Dagegen verleumdet sie die Arbeiterschaft, die heute in- folge von Kurzarbeit und Unterentlohnung bit- terer Verarmung ausgesetzt ist, sie verschweigt, um wieder ein- mal ihre„Mehrarbeit" fordern zu können, daß heute Hundert- tausende von Arbeitskrästen durch die Arbeitseinschränkungen (wo bekanntlich völkische Befreiungspläne geschmiedet werden), auch im Kino atmet man zuweilen noch hsldenluft. Ein Arbeiter sieht den sterbenden Helden und sagt: Quaffch! Und er empfindet, wie weit das ganze Getue an der Zeit und der Wahrheit vorbeigeht. Denn er weiß, hier im Kino sthxn gewisse Kreise solch kleines Borkommnis nahezu als Welt- tragödie an, aber draußen sehen sie das große Sterben nicht, dieses Sterben, das einsetzt, weil gewisse Kreise nicht auf mühelosen Ver- dienst und Uebersluß verzichten wollen. Neues von üen örüüern Grimm. Am 20. September sind sechzig Jahrs vergangen, seit Jakob Grimm starb. Die Erinnerung an ihn und seinen Bruder Wilhelm wird jetzt wieder besonders lebendig durch die Per- öffentlichung der„Briefe der Brüder Grimm ", die Albert Leitzmann für den Verlag der Frommannschen Buchhandlung in Jena besorgt hat. Jakob und Wilhelm erscheinen hier im Brief- Wechsel mit den verschiedensten Persönlichkeiten in ihrer mensch- lichen und wissenschaftlichen Bedeutung. Nach der„Vertreibung der Sieben" aus Götlingen mußten sie sich nach einem neuen Wir. kungskreis umsehen und es befestigte sich in ihnen der große Gedanke des Deutschen Wörterbuches. Nachdem sie dann in Berlin heimisch geworden sind, lenkt sie mancherlei von diesem gewaltigen Unternehmen ab.„Meine Vor- lesung," schreibt Jakob,„die freilich nicht mehr als einige 30 zahlende Zuhörer hat, macht mir doch zu schaffen, schon der Wege halber: jeder Gang hin und zurück fordert 29 Minuten, für den langsameren Wilhelm noch mehr," Im Jahre 1841 war eben noch der Weg von der Lennesttaße nach den Linden eine weite Entsernung. Aus dem- selben Jahre berichtet Wilhelm:„T i e ck schwirrt hier in einem Meer von Ehre und Glanz. Er schlürft das alles, wie seine Nowr ist, mit Behaglichkeit und feinem Genuß, als wäre es Champagner- schäum. Ich habe ihn noch nicht gesehen, vielleicht erblicke ich ihn heute abend in Potsdam , wo wir der Borstellung der Antigon« bei- wohnen wollen. Di« Eisenbahn wird heute nachmittag alle großen Geister oern Berlin aufladen und hinschaffen und abends 19 Uhr wieder zurückführen." Auch in Berlin blieben die beiden der alten Heimat treu, und besonders rührend sind die Schilderungen, die Wilhelm von der Reise nach der hessischen Gegend gibt, in der er seine Kindheit und erste Jugend zugebracht. Der Zeit der Fremdherrschast und der Befreiung erinnert er sich noch ganz genau. Waren doch diese Jahre des Zu- sammenbruchs und der Wicdcrerhebung das entscheidende Erlebnis für die Brüder, und noch 1837 sagt Jakob über den Franzosen- haß:„Der Generation, zu welcher wir gehören, wird Mißtrauen und Abneigung gegen die Franzosen unauslöschlich eingeprägt bleiben, obgleich wir freilich vieles milder ansehen, als wir 1813 bis 1813 taten. Dies Gefühl möchte aber meinethalben ganz über- gehen in das gestärkte und sicher« Bewußtsein unserer eigenen deutschen Kraft, ohne alle Feindseligkeit: dann hätten wir nichts zu fürchten. Ein solches Bewußtsein hängt aber ab von politischer Einheit, die ein- mal wieder über Deutschland kommen muß... iweryaupk verhindert sind, aD Stunden zu arbeiten. Diese Tatsachen sind für sie„Geschwafel". Sie verdächtiAt diejenigen, die gegen ihre Verelendung kämpsen, während die Freunde der Agrarier im Uebersluß schwimmen, des Eigennutzes, Die„Tageszeitung" ist übrigens hervorragend vergeßlich. Als sie noch Tag um Tag die Beseitigung der Zwangswirt- schaft forderte, sagte sie jedesmal, eine Steigerung der Pro- duktion sei nur möglich, wenn den Landwirten, die ja nie Hunger gelitten haben, ein„angemessener Preis" ge- geben würde. Heute haben wir die freie Wirtschaft, den Ueber- fluß der Agrarier, Lebensmittelnot der Städte, weil kaum mehr jemand die geforderten Preise aufbringen kann. Das alles existiert für die Agrarier nicht, sie wollen mehr Ar- beit, um mehr Arbeiter auf die Straße zu werfen, dem Hun- ger preisgeben zu können. Der Landwirt braucht die„an- gemessene Entlohnung, um produzieren zu können; der Arbeiter kann feinen Riemen enger schnallen und hungernd produ- zieren! Es geht nichts über die agraifche Logik. Wenn jetzt die tteue Währung kommt, kann es nicht ausbleiben, daß auch die Neureichen in der Landwirtschaft wieder bei den Verbrauchern um Schutz und Hilfe gegen die ausländische Konkurrenz bitten werden. Dann wird es Zeit fein, sie an ihre Ueberheblichkeir und Anmaßung gegenüber den von der Teuerung am schwer- sten Betroffenen zu erinnerm_ Keine Entscheiüung in Thüringen . Die Forderungen der Kommunisten. Weimar , 18. September. (Eigener Drahtbericht.) Am Mittwoch tritt der Thüringische Landtag zusammen, um sich zunächst über die Wahl eines neuen Ministeriums, und wenn dos nicht möglich ist, über den von den bürgerlichen Parteien gestellten Anttag zur Auf- lösung des Landtages schlüssig zu werden. Nach dem Verlauf der bisher zwischen den Kommunisten und Verttetern der thürin- gischen Sozialdemokratie geführten Verhandlungen ist anzunehmen, daß beide Punkte der Tagesordnung ein« positive Erledigung nicht finden. Di« Verhandlungen zwischen den beiden genannten Parteien sollen, so schwierig sie sich bisher auch gestalteten, fortgesetzt werden. Da ihr Abschluß bis Mittwoch bei Zusammenttitt des Land- toges ausgeschlossen ist, wird der erste Punkt der Tages- ordnung, die Wahl des Ministeriums, ohne-weiteres hinfällig. Ueber den zweiten Punkt ist deshalb ein« positive Entscheidung nicht zu erwarten, weil eine Auflösung des Parlaments nur mit den Stimmen der Kommunisten möglich ist, die sich aber vorläufig zu weiteren Verhandlungen über die Bildung einer Arbeiterregierung bereit erklärt haben. Ihre Hauptforderung ist die Anerkennung des Betriebsrötskongresses als mitbestimmende In- stanz. die Lohnsteuerermäßigung. Die L o h n st e u e r e r m ä ß i g u n g« n, die bis 1. September monatlich neu festgesetzt wurden, sind diesmal bereits mit Wirkung vom 16. September ab gegenüber dem Stand vom 1. September verdoppelt worden. Aber mich diese Regelung reicht angesichts der schnellen Preis- und Lohnentwicklung nicht aus. Die erheblichen technischen Schwierigkeiten, die bisher bereits die automatische Der- änderung der Lohnsteuerermäßigungen verhindert haben, machen es aber auch jetzt nach unmöglich, die steuerfreien Bettäge vor dem 1. Oktober wöchentlich festzusetzen. Es darf allerdings an- genommen werden, daß auch das Finanzministerium sich der Er- kenntnis nicht verschließt, daß die Ermäßigungssatze, die vom U Oktober ab gelten werden, unter Berücksichtigung der ungenügen- den Sätze des September sehr stark erhöht werden müssen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion ist zu diesem Zweck im Reichsfinanzministerium bereits vorstellig geworden. Die Fraktion hat ferner angeregt, bereits vom 1. Ottober ab eine automatisch« Anpassung der Ermäßigungssatze vorzunehmen unter Zugrundelegung des Ernährungsindex bzw. der Gold- mark. Eine solche Regelung ist notwendig, weil die Härten, die jetzt mit dem Lohnsteucrabzug verbunden sind, drückender werden, je mehr bei fortschreitender Geldentwertung die Reallöhne sinken. „Mmikry" heißt das neue Stück des T h a l i a t h e a t e r s. Dieser Titel macht erstens ein bißchen was her, zweitens hat er eine tiefe symbolische Bedeutung. Der Verfasser C. K. R o e l I i n g, hoff erfreut nämlich in der Regel einmal pro Woche die eckigen Mittogsblattleser mit kleinen ulkigen Geschichten,«r ist also Jour- nalist. Unter„Mimikry" versteht man bekanntlich die Fähigkeit mancher Lebewesen, etwas anderes zu scheinen als sie sind. Wenn man näher zusieht, ist es gar kein Blatt, sondern«in grausliches Insekt. Roellinghoff will sein« Zeitgenossen glauben machen, er sei ein Lustspielfabrikant, ober es stellt sich heraus, daß er bloß Journalist ist. Der Titel ist zweifellos geiswoll und das ist schon allerhand. Sonst ist von Geist nichts weiter zu spüren. Im zweiten Akt sprang der Schauspieler Plnten plötzlich vom Sofa auf und rannte mit herunterbaumelnden Hosenträgern schleunigst aus der Tür. Da lachte sich das Publikum halbtot, denn es dachte, Platen hätte Bauchschmerzen. Leider kam dann heraus, daß es anders gemeint war. Schade. Schade. Das wäre ein Witz ge- tresen. Einen Witz kann man doch in unserer schlechten Zeit von einem Scherzspiel verlangen. Die armselige Idee, die da gestern zwei Stunden lang breitgetreten wurde, besteht darin, daß die kesse Molly mal sich selbst und mal ihre Zwillingsschwester Polly spielt, weil sie von zwei Liebhabern benutzt wird. 19 Minuten hindurch wäre das ganz gut gewesen, aber so kroch das Gähnen im Theater herum. Trotz größter Mühewaltung konnten die Schauspieler kein Leben in die Bude bringen. Karl Platen tat alles, was irgend möglich war, auch Fritz Lion, Charlie Brock, Lia Dohms und Else Malt«(in einer kleinen Episodenrolle) machten ihre Sache so gut es ging. Es half aber alles nichts. Von Journalisten gibt es wirklich lustige Stücke. Soll das Thaliatheate? es mal mit Sling oder mit dem„Suppenhuhn" oon Auburttn versuchen! Dgr. Rationalismus und Reaktion in Italien . Das neue i t a l i e- nische Vollksschulgesetz führt die italienisch« Unter- richtssprache auch in den neuen Provinzen ein, während Deutsch und Slovenisch in wenigen Wochenstunden gelehrt werden soll. Das deutsche Realgymnasium in Bozen wird aufgelöst und durch einen deutschen Unterrealkurs in der italienischen Oberrealschule ersetzt. In Volksschulen wird die Religion als Pflichtfach erstmalig seit der Gründung des Königreiches eingeführt, wie Mussolini es in semer Programmrede versprochen hat. Ein gutes Tabatsjahr. Wie beim Wein ist auch beim Tabak die Güte von dem Jahrgang abhängig, in dem die Blätter geerntet werden. Das Jahr 1923 wird nun nach amerikanischen Berichten als ein besonders reiches und gutes geschildert. Der Tabak aus Virginien, der in großem Maßstab für die Zigarettenfakrikation in Betracht kommt, ist von außerordentlich guter Qualität und Farbe, und die diesjährig« Ernte ist eine der größten, die jeweils gesammelt wurde: man schätzt den Gcsamlerlrag auf 39 Millionen Pfund mehr als im Vorjahre. Also glänzende Aussichten für— Produzenten und Händler. Die Tchlüflelzahl iür das deutsche Buchdruckgewerbe ist mit Wirkung ab IS. September ans eine Million festgesetzt worden.
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