Groß�Herliner i Der Berliner Bczirtsparteitag wurde gestern fortgesetzt. Es gelang jedoch nicht, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen, so daß er voraussichtlich erst am nächsten Sonntag sein Ende erreichen wird. Vor Eintritt in die Tagesordnung ehrte d«r Bezirksparteitag das Andenken der verstorbenen Genossen Pfannkuch und Subke durch Erheben von den Plätzen. Ein Antrag der 48. Abteilung fordert, daß die Genossen sofort aus der Regierung austreten sollen und Ver- Handlungen mit den anderen Arbeiterparteien zwecks Bildung einer sozialistischen Regierung aufzunehmen. Der Antrag sindet keine ge- uügende Unterstützung. Auch eine Entschließung des Genossen Cduard B e r n st e i n, die sich mit der großen Koalition einvsc- standen erklärt, wird nicht genügend unterstützt. In der sortgesetzten Diskussion über die politische Lage sprach als erster Redner Aufhäuser: Ich weise es zurück, daß eine Opposition gegen die Politik der Partei auf eine Spaltung der Partei hinausläuft. An der Einigkeit der Partei lassen wir heute weniger als jemals rütteln.(Beifall.) Alle Freunde der großen Koalition sind davon ausgegangen, daß man durch aktive Mitwirkung für die Durch- führung der Steuergssetze«intreten solle. Diese Erwartungen sind nicht eingetroffen. Die Besitzenden haben durch Stillegung der Be- triebe die Lohnsteuer einfach umgangen. Auch der Devisenspekulation ist man nicht beigekommen. Es ist eine Illusion zu glauben, daß eine Beteiligung an der Regierung hier Erfolge zeitigen könnte. Es kommt darauf an, die Sachwerte zu erfassen. Das ist in d«r Re- gierung von den Sozialdemokraten völlig preisgegeben worden. Bei der Reparations- und Währungsfrage haben wir es erlebt, daß an Stelle der Sachwerte eine hpothekarische Belastung der Wirtschaft gesetzt wird. Wenn das durchgeführt wird, ist die Sachwerterfassung erledigt. Bei dem Währungsplan hat man den Vorschlag des Reichs- Verbandes der deutschen Industrie und den des Herrn Helfferich vor- einigt. Seine Annahme würde bedeuten, daß wir in Deutschland statt einer einheitlichen Währung drei verschiedene Werteinheiten hekom- men. Das ist das Ergebnis eines Kompromisses in einer Frage, in der es nur ein« Richtung geben kann. Es ist unbegreiflich, daß man den letzten Reichsbankgeldbestand zur Deckung einer Währung be- nutzen will, die nur für den kleinsten Teil der Allerreichsten bestimmt ist. Es ist ein Skandal, daß die Reichsbank autonom bleiben und die Bodenwährung einer Privatbank ausgeliefert werden soll. Es ist die Ausgabe des heutigen Bezirksporteitages, klar und eindeutig un- lerer Parteileitung und der Regierung zu sagen, welchen Weg wir beschritten wissen wollen. Sie können d'ie Wiederkehr des Tages, an dem der Einigungsparteitag abgehalten wurde, nicht bester feiern, als wenn sie zeigen, daß Sie Sozialdemokraten geblieben sind. (Beifall.) Eduard Bernstein : Man mutz, wenn man die Reden Aufhäusers und Crifpiens gehört bat, zu der Auffassung kommen, daß die Mehr- heit der Reichstogsfraktion aus Schwachköpfen besteht.(Zwischen- rufe.) Die Rede des Genossen Crispien ist sehr geeignet, weitere Mißstimmung in unsere Partei hervorzurufen.(Zurufe: Sie war doch schon vorhanden!) Ja, sie ist vorhanden, weil man euch ge- täuscht hat. Alan muß die Erwägungen der Mehrheit in der Fraktion sachlich darlegen, um sie zu widerlegen. Entschließungen anzunehmen ist sehr leicht. Habt'Ihr denn eine Ahnung davon, welche Arbeit da,zu nötig, ein Gesetz zu machen, das allen Anforderungen entspricht? Es ist sehr leicht, eine A r- b eit e r r e g i e r u n g zu verlangen, d h. eine Regierung, auch mit den Arbeitern anderer Richtungen, wie Zentrum, Hirsch- Dunckerschen, KommBnisten. Glaubt Ihr, daß eine solche Regierung arbeitsfähig ist? Vergeßt doch nicht die soziale Lage und die Klaflengruppierung in Deutschland . Die st ä r k st e Klasse sind nicht die Großindustriellen, sondern die Bauern. Alle bürger- lichen Parteien müssen die Wünsche der Bauern berücksichtigen. Wer nicht im Steucrausschuß gearbeitet bat, hat nicht solchen Eindruck von der Macht der Bauern, die die größten Gegner der Arbeiterklasse sind. Habt Ihr denn eine Ahnung von den Widerständen, die eine Arbeiterregierung finden würde? Sagt nicht,„man geht aufs Land und holt sich die Lebensmittel". In R u ß l a n d hat man die Bauern erschossen und bedroht. Das ist auf die Bauern als Klaffe ohne jeden Eindruck geblieben. Die Sowjetleute haben den Bauern nachgeben müssen. Wir haben es in der Industrie nicht nur mit Großbetrieben, sondern auch mit zahlreichen Mittel- und Kleinbetrieben zu tun. Es ist nicht wahr, daß sich die Zahl der Industriellen vermindert hat, sie ist vielmehr gestiegen. Ihr seht immer nur Ausschnitte aus Deutschland . Wäre es möglich, jetzt einen Parteitag einzuberufen, würdet Ihr sehen, daß die Mehrheit für die Koalition wäre. Der Redner bittet, da seine Redezeit abgelaufen, um'eine Verlängerung. Die Mehrheit des Bezirkstag lehnt die Bitte ab. Mosbach geht auf die Zustände in der Reichswehr näher ein. Es scheint mir, als ob die Partei sich in der Forderung, daß die Reichswehr sich von den illegalen Verbänden lösen solle, erschöpfe. Der Reichspräsident E b e r t hat sich bei seiner letzten Regierungs- bildung schützend vor Geßler gestellt. Diese Pressenachricht ist un- widerrufen geblieben. Ist denn der Reichspräsident richtig unterrichtet worden, oder sieht er die Dinge falsch? Ich glaube nicht, daß er weih, daß in die Heeresergänzungsbestimmung der Z 2 aufgenommen ist, der besagt, daß die Werbung von Freiwilli- gen in die Hand der Kompagniechefs zu legen ist, weil diese an der »»Ergänzung ein persönliches Interesse und die besten Beziehungen haben. Ich glaube nicht, daß der Reichspräsident gehört hat, wie der Offizierersatz zustande kommt. Er müßte sonst wissen, daß heute nur noch Abtiurienten in die Offizierskreste hineinkommen. Wie es anders gemacht werden kann, beweist das Beispiel Oesterreichs , wo die Offiziere aus der Arbeiterschaft entnommen werden können und wo auch in der Armee ein durchaus republikanischer Geist herrscht, so daß sie durchaus im republikanischen Sinne zuverlässig ist. In Deutschland liegen die Dinge durch die Schuld der Partei anders. Die Militärreferenten der Partei haben es nicht verstanden, Vorschläge zu machen, die geeignet sind, die Wehrmacht zu republikanisieren. Sie haben keine Einsicht in die wirklichen Verhältnisse, sonst hätte Genosse Schöpflin im Reichstagscusschuß nicht sagen können, daß die Wehrmacht nach innen und außen er- freuliche Fortschritte gemacht habe.(Große Heiterkeit und Unruhe.) Der Redner stellt den Soldatenunterricht der Oesterreicher für Deutschland als Vorbild hin und erwähnt, daß in Oesterreich die Soldaten sowohl Wahl- als Koalitionsfreiheit hätten.(Beifall.) Ein Geschäftsordnungsantrag verlangt, daß die poli- tische Aussprache unterbrochen und nun erst der sächsische Minister- Präsident, Genosse Z eigner, über seinen Kampf gegen die Reichs- hvchr berichten solle. Genosse Schlegel stellt fest, daß die Vorsitzenden mit dem Ge- nassen Zeigner übereingekommen seien, erst die politische Aussprache zu End« zu bringen und dann solle das Referat Zeigner entgegen- genommen werden. Genosse Zeigner erklärt, daß das nicht richtig sei.(Große Un- ruhe, Aha-Ruse, Zurufe: Schiebung!) Er sei vor vollendete Tat- sacheu gestellt worden und hätte sich einfach untergeordnet. Genosse Schlsgel stellt demgegenüber fest, daß die d r e i'V o r- sitzenden, die doch sonst durchaus nicht immer einig seien, in dieser Frage derselben Auffassung seien. Sie hätten dem Genossen Zeigner den Vorschlag gemacht, außerhalb der politischen Aussprache zu sprechen, und Zeigner habe, ohne eine ander« Ansicht zu äußern, dem zugestimmt. Der Parteitaa beschließt, die politische Aussprache zu unter- brechen und dem Genossen Zeigner das Wort zu geben.
�ezirtsparteitag. Dr. Zeigner- Dresden : Der Genosse Stampfer hat mir soeben zugerufen, mein Ver- halten sei geradezu toll. Er ist offenbar der Auffassung, daß mein Verhalten weniger toll als illoyal fei.(Stampfer: Auch das!) Damit Sie von vornherein wissen, wie offenbar mein heutiges Re- ferat von einem Teil der Parteigenossen beurteilt werden soll, will ich Ihnen von den Einladungsschreiben zu der heutigen Versammlung kurz Kenntnis geben. Das eine, vom Genossen Fischer unter- zeichnet, fordert mich auf, heute hier zu sprechen. Ich habe dieses Einladungsschreiben selbstverständlich durchaus ernst aufgefaßt und war deshalb überrascht, als ich am nächsten Tage ein weiteres Schreiben vom Genossen Heinig erhielt.(Heinig: Das war z u- gleich gekommen!) Gut, meinetwegen, der Tag spielt keine Rolle. In dem Schreiben von Heinig war gesagt, daß hier der Beschluß gefaßt worden ist, mich zu einem Referat einzuladen. Und dann schreibt Heinig weiter: Heute wurde mir der Beschlutz der sächsischen Landesinstanzen zum Fall Geßler bekannt. Ich persönlich würde verstehen, wenn Sic daraufhin unsere Einladung ablehnten. (Lebhafte Zurufe gegen Heinig, darunter auch„Schieber!") Wenn Sie das tun, dann helfen Sie uns im Interesse der Partei wenigstens insoweit, daß Sie mir ein paar Zeilen schreiben, die ich auf dem Bezirkstag verlesen kann. Ich möchte unter allen Umständen vermieden wissen, daß bei unseren Berliner Genossen womöglich das Gefühl entsteht, daß irgend etwas, was wir im Interesse der Partei und der Republik für notwendig halten, vertuscht wird. Sie könnten, wenn Sie nicht selbst kommen können oder wollen, wie ich die Stimmung unserer Berliner Genossen kenne, durch einen kurzen Brief im Augenblick politisch außerordentlich wirken. (Die Verlesung dieser Sätze wird von lebhaften Entrüstungsrufen begleitet.) Also, damit nichts vertuscht wird, wird mir nahegelegt, nicht zu kommen..(Reue Rufe gegen Heinig, Unruhe.) Ich meine, wenn man mich einladet, soll man es entweder ernst meinen oder sagen, bitte, kommen Sie nicht. Aber mich für so dumm halten, daß ich diese Ausladung nicht verstehe— damit unterschätzen Sie mich aller- dings ganz erheblich! Zur Sache selbst muß ich von vornherein feststellen, daß, bevor der letzte Bezirkstag beschlossen hat, mich nach hier zu bitten, der Berliner Genosse OttoMeierbeimirwar, mit mir die Dinge besprochen und angeregt hat. ich möchte mich doch bereiter- klären, falls das hier beschlossen würde, hier vor Ihnen zu sprechen.(Hört, hört!) Ich hatte seinerzeit von Meier die Er- klärung erhalten, daß das nur in ö e r Form denkbar fei, daß ich vor Ihnen spreche und Severing genau so vor den Dresdener Partei- genossen spreche. Ich halte das für einen Akt von größter Loyalität hinüber und herüber. Es ist damit lediglich beabsichtigt, die Partei- genossen hier wie in Dresden in vollstem Umfange zu orientieren. Ich möchte von vornherein ablehnen und durchaus klar erkennen lassen, daß ich nicht hierher gekommen bin, um irgendwie gegen den Genossen Severing zu polemisieren. Dazu liegt gar kein Anlqß vor. Genosse Severing hat am 9. September die Anregung und den Antrag des Genossen Meier mißverstanden, wenn er daraus gefolgert haben sollt«, es handele sich hier nicht um den Fall Geßler-Zeigner, sondern um einen Fall Severing-Ieigner. So steht es nicht. Ich bin mit Severing durchaus prinzipiell einig, nur in der Taktik gehen wir verschiedene Wege, aber auch die sind nicht s o verschieden, wie die Oefsentlichkeit annimmt. Es ist Zweifel- los. irrig, wenn Genosse Severing es so dargestellt hat, als hätte ich das Bedürfnis, den Fall Geßler„mit großem Tamtam" zu behandeln. Wer die Entwicklung dieses Falles richtig beurteilt und rein chrBno- logisch verfolgt, der weiß und ich werde es auch beweisen, daß wir zunächst alle Wege gegangen sind, sozusagen unter Ausschluß nnd ohne Inanspruchnahme der Oefsentlichkeit, um alles zu erreichen, was nur zu erreichen war. Severing hat gesagt, es gibt„eine Methode, solche Dinge rednerisch auszuschlachten und eine andere Methode, sie stiller zu behandeln". Und zum Schluß hat er gesagt,„solche Ucbel- stände iteltt man nicht durch Reden ab, die der Reklame dienen". Ich habe gar kein Bedürfnis nach Reklame. Die Sache liegt so: Wir haben seit dem 7. November 1921 gegen Geßler angekämpft, zunächst durch Besprechungen mit Ebert, Radbruch und Geßler selbst. Im Juli und August 1922 haben wir weitere Besprechungen hier gehabt. von Regierungs wegen offiziell beantragt und zur Unterstützung dieses Verlangens eine umfangreiche Denkschrift an die Reichs- regierung gerichtet. Im Oktober 1922 sind wir wieder hier gewesen und haben verhandelt. Am 4. Januar 1923 haben wir erneut eine umfangreiche Denkschrift an Cuno über diese Frag« gerichtet. Am 1. und 29. Mai habe ich mit dem Reichskanzler bei den Besprechungen der Ministerpräsidenten darüber wieder gesprochen und ebenso bei einer internen Besprechung zwischen dem Reichskanzler, dem Reichs- innenminister, dem Rsichswehrminister und den Genossen aus Preußen und Thüringen . Am Tag« des Kabinettswechfels, den 12. August, habe ich persönlich versucht, zu Ebert zu kommen, leider war das nicht möglich. Ich habe ihm geschrieben, aber leider keine Antwort erhalten.(Hört, hört! und Enttüslungsrufe.) Am 14. August habe ich erneut mit Geßler oerhandelt. Nachdem alle Versuche miß- glückt sind, sind nicht w i r in die Oefsentlichkeit gegangen, sondern Geßler. Cr hatte seinerseits am 9. August den Verkehr der sächsi- schen Reichswehrdienststellen mit der sächsischen Regierung verboten, und nun— wohl verstanden nach Fühlungnahme nicht nur mit der sächsischen Fraktion und Landesparteileitung, sondern auch mit der Reichsiagssraktion, von der Künstler, Sollmann und Wels seinerzeit in Dresden gewesen sind, also auch im Einvernehmen mit den Ber - liner Parteigenossen— sind wir dann allerdings in Erwiderung dieses sehr offensiven Befehls des Reichswehrministers in die Oefsentlichkeit gegangen. Nachdem wir einmal in die Oefsentlichkeit gegangen sind, bin ich allerdings der Auffassung, daß man den Kampf, da er schon in die Oefsentlichkeit gekommen ist, ganz schonungslos führen soll. (Sehr richtig!) In dieser Beziehung sind die sächsischen Methoden allerdings anders. und ich glaube und befürchte sagen zu müssen, sie sind auch richtiger. Denn das ungeheure Verdienst Severings bei Bekämpfung der Be- Ziehungen der Reichswehr zu illegalen Geheimorganifationen abzu- leugnen, wäre grober Undank: aber ob diese Methoden zum Ziele geführt haben, darüber sollten wir heute nicht zu diskutieren brauchen. Denn, vwhlverstanden, Genosse Severing kämpft doch, wie er hier in der Versammlung am 9. September und in der Be- sprechung beim Reichskanzler am 11. September klipp und klar gesagt hat, mit viel größerem, viel durchschlagenderem Material, als wir es von unserer schmalen sächsischen Basis aus im Besitz haben, und trotz dieses ungeheuer schwerwiegenderen Materials— was hat er erreicht? Wir stehen kommende Woche vor ungeheuren innerpoliiischen Auseinandersetzungen. Der Ausruf der bayerischen Knmpfvcrbände, die Erklärung Luden- dorffs, der Beschluß des Reichskabinetts— all das zeigt auch denen, die dreifache schwarze Brillen vor den Augen haben, daß wir vor dun Sturm stehen. Wie soll dieser Sturm in einem uns genehmen Sinn überwunden werden, wie sollen wir die Krise der Re- publik überstehen, wenn das Machtinstrument, das der Republik zur Verfügung flehen mühte, unbezwsifelbar kein Machtinstrument für die Republik ist, sondern nach dieser Richtung außerordentlichen Bedenken und Zweifeln unterliegt? Ich möchte heute nicht mehr darüber sagen, ich glaube, das würde in diesem Augenblick un- zweckmäßig sein. Worin liegt die ungeheure Krisis? Zunächst in der Reichswehr selbst. Die Reichswehr selbst will ich heute nicht besprechen. Aber neben der Reichswehr stehen
Megake Sampfoerbände, von denen man gelegentlich sagt, das sei die große Reserve hinter der Armee, die wir für den Ernstfall einer Auseinandersetzung mit unseren außenpolitischen Gegnern gebrauchen. Zunächst sei dos eine betont: Am 23. Februar hatten wir eine Interpellatton beim Reichswehretot. Damals erklärt« Geßler, eine Verwendung der Reichswehr und irgendwelcher neben ihr stehenden Organisationen gegen das Ausland wäre ein verbrecherischer Wahnsinn, denn allen diesen Verbänden ständen gar keine ernsten Kampfmittel zur Verfügung. Entscheidend ist die Frage. woher sich diese illegalen Organisaüonen rekrutieren: fast alle aus den entschlossensten Gegnern der Republik . Im wesentlichen sind es nationalsozialistische und deutschvöittich« Turnerschaften. Der Be- weis ist zweifelsfrei zu führen auf Grund der Besprechungen an sehr maßgebender Stelle. Das läßt iich klipp und klar aktenmäßig nach» weisen. Ende Mai, Ansang Juni d. I.. haben wir gegenüber dem Reichswehrminister den Standpunk: eingenommen: wenn ein Grenzschutz aufgebaut, wenn illegale Organisationen herangezogen werden müssen und wir diese Dinge nicht verhindern können, dann sind wir als Republikaner bereit, uns an diesen Dingen zu beteiligen unter der Voraussetzung, daß diese Organisationen wenigstens jms zuverlässig republikanischen Leuten bestehen, mindestens in der Füh» rung dieser Organisation. Da ergaben sich aber sofort die tiefsten Meinungsverschiedenheiten, so daß schon am 11. Juni diese Ver- Handlungen als zwecklos abgebrochen werden mußten, weil die Reichswehr nur solche Leute hineinnehmen wollte, die wir polizeilich und strafrechtlich als Angehörige der geheimen Rechts- organifationen verfolgen. Wir forderten die breiteste Basis. Man nimmt aber nur Mitglieder der äußersten Rechten, also solche Leute, die lieber heute als morgen die Republik stürzen würden. Dies« Beziehungen zwischen der Reichswehr und den illegalen Organisationen sind daher eine ungeheuere Bedrohung für den B:- stand der Republik . Daneben noch ein zweites. Wenn Waffenlager aufgedeckt wer- den und die polizeiliche und strafrechtliche Verfolgung eingeleitet wird, so ergibt sich immer wieder, daß die Verfolgung versickert. das Verfahren eingestellt, die Verhafteten entlassen werden müssen. weil die Beschuldigten erklären: wir l-andeln ja im Einverständnis mit der Reichsreqicrung.(Hört! hört!) Dies führt bei den Richtern und Staatsanwälten zu den schwersten Gewissenkonflikten, denn in der Oefsentlichkeit dürfen sie das nicht bekanntgeben, da müssen sie andere Gründe finden, um zu verhindern, daß eine Hauptverhand- lung stattfindet Eine gewisse Bedeutung verdient in diesem Zu- sammenhang auch die Tatfache, daß Ehrhardt am Freitag floh und am Montag die Hauptoerhandlung bevorstand, und daß selbst höchste Beamte der Ministerien unzrveiselhafi Akten haben verschwinden lassen und sich dann verteidigten: Ja, Herr Minister, was wäre geschehen. wenn der Inhalt bekannt würde, was wäre das für eine außen- politische Blamage! Durch, den ganzen Apparat der Polizei und Justiz zieht sich diese Verseuchung, daß allerhand inkorrekte Dinge täglich gemacht werden müssen, um die Beziehungen der Reichswcbr zu den Gel-cimorganisationen zu bemänteln. Wir haben das Strafgesetz zum Schutz der Republik Sie alle wissen aus Hunderten van Zeitungsartikeln und Parteiversammlun- gen, daß über das ganze Land hin geheime Wcffenloger verstreut sind. Vor wenigen Tagen habe ich erfahren, daß in Bayern rund 59 große Waffenlager im Besitz der Deutschnationalen sind. Haben Sie je gehört, daß die Strafverfahren wegen solcher Dinge seit dem August vorigen Jahres Erfolg gehöht hätten?(Lebhafte Rufe: Nein!) Wir haben in Sachsen eine ganze Reihe dieser Verfahrcn an den Staatsgerichtshof abgegeben. Die Akten sind hin und her gewandert vom Oberreichsanwalt zum Untersuchungsrichter, von diesem zum Rcichsjustizminister, zum Reichsminister des Innern und zum Reichswehrminister, und wir selbst baben die Akten eingefor- dert, wir bekommen sie aber selbstoerständtich nicht.(Hört! hört!) Denn wir könnten daraus noch manches lernen. Das Reue ist nur, daß feit dem 12. August auch der Reichsmini st er des Innern diese Akten nichtmehr bekommt— der ist nämlich j'tzt auch Sozialdemokrat! Wozu führt das? Zum Bankrott der polizeilichen und Justiz- tätigkeit des Staates. Dazu muß es kommen, wenn die ständige Bedrohung des Staates durch illegale antirepublikanische Organisa- tionen polizeilich und strafrechtlich nicht verfolgt werden kann.. Diejenigen Kreise, auf die sich die Republik unbedingt stützen muß, wenn sie ihre Autorität wahren will, verlieren unter diesen Umständen selbstverständlich vollständig die Lust, sich noch weiter ein- zusetzen. Wir haben erlebt, daß beschlagnahmte Waffen, die an das Reich abgeliefert wurden und vom Reichsschatzministerium cinge- schrottet werden sollten, nach einiger Zeit wieder austauchten. Sie wurden zum zweiten Male beschlagnahmt, und so wandern sie wiederum lustig von der'Polizei ans Reich über das Reichswehr - ministerium wieder zurück zu den illegalen Organisationen.(Hört, hört!) Und nach einigen Monaten können wir die verbotenen Waffen mit sauersüßem Lächeln wieder begrüßen. Das ist natürlich ein Bankrott, der jede praktische Arbeit ausschließt. Daneben aber ist diese ungeheure Erschütterung der Autorität und des Rechtsgefühls die schwerste Gefahr für den Bestand der Republik . In einem Straf- verfahren gegen Hitler z. B. soll der O b e r r e i ch s a n w a l t die Verantwortung für das, was dort gemacht worden ist, ausdrücklich abgelehnt haben. Er soll auf eins mündliche Anweisung des Reichs- justizministers Dr. Heinze eine schriftliche Anweisung ver- langt haben, weil ihm die Sache sehr bedenklich schien. Im Fall fiauenstein, der ein notorischer Verbrecher ist und der vom Untcr- suchungsrichter in Cassel verhastet wurde, kam nach einigen Tagen von Verlin, wo der Oberreichsanwolt beim Reichsjustizminister vor- gesprochen hatte, ein Telegramm, den geständigen Verbrecher heraus- zulassen. Der Untersuchungsrichter glaubte an eine Fälschung des Telegramms, weil ihm dieser Befehl so ungeheuerlich vortam; es ging hin und her, und noch etwa zehn Tagen ergab sich, daß das Telegramm doch echt war. Hausnstein mußte freigelassen werden.(Hört, hört!) Das alles zeigt, daß die Methode Severings nicht mehr fortzusetzen ist, die er früher mit Recht angewendet hat, jetzt aber nach meiner Ueberzeugung nicht mehr fortführen kann, die Methode, mit dem Reichswehrminister sich an einen Tisch zu setzen und darüber zu verhandeln: Sollen wir jetzt die illelagen Organisationen abbauen? Ja, wir wollen sie abbauen! Geßler hat ja immer wieder erklärt, sie werden abgebaut, in einigen Monaten ist alles in Ordnung. Dann haben wir feststellen müssen, nach dem Rothenau-Mord, daß diese Organisationen nicht abgebaut, sondern immer stärker ge- worden sind. Wir haben festgestellt, daß aus diesen vom Reiche unterstützten Organisationen die Mörder der Reichsminister kommen. Knillinger wurde festgenommen und es wurden ihm dann 399 999 M. zugesteckt, die aus Mitteln der Reichsregierung stammten. (Hört, hört!) So geht es also nicht. Es ist ein ungeheurer Prestigeverlust für die Republik , wenn die Republik mit Organisationen, aus denen die Mörder der deutschen Republik kommen, verhandelt. Man darf über- Haupt nicht mit ihnen oerhandeln, sondern muß das Tischtuch klipp und klar zerschneiden. Da man mir nachgesagt hat, S e n s a t i o n und R e t l a m e zu treiben, so will ich noch betonen, daß wir über dies« Dinge nicht' sensationell gesprochen, sondern daß ich im Juni schon auf sie hinge- wiesen Hab«. Die Planitzer Rede wurde nicht unter dem Schutz der Immunität gehalten und die erste Fclg« war, daß die Regierung Euno ernstlich die Frag« prüft«, ob man mir nicht den Mund stopfen könne, indem man mich auf Nummer Sicher brächt«. So kam«s zu» der Frage meiner Verhaftung, von der ich leider erst spät Kenntnis erhielt. Der damalig« Reichsjustizminister Dr. H«inz« hat ausdrück- lich erklärt, es liege kein Landesverrat vor. Als das Reichs- ksbineit schon vier Sozialdemokraten enthielt, hat der Reichswehr - minister am 22. August n o ch ma l s diese Frage vorgebracht. Er ist an den Reichspräsidenten , den Reichsminister des Innern und den Reichsjustizminister wieder mit dem Antrag herangetreten» man