e. 451 40.Jahrgang Ausgabe A r. 225
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Redaktion und Verlag: SW 68, Lindenstraße Fernsprecher: Redaktion: Dönhoff 292–295
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Donnerstag, den 27. September 1923
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lassen."
München , 26. September. ( Eigener Drahtbericht.) In einer| antwortlichen nicht mißbrauchen und irreleiten] dreiftündigen Sihung des Ministerrats, die um 9 Uhr zu Ende ging, a beschloß das bayerische Gesamtstaatsministerium folgende, fofort in Kraft tretende Berordnung:
Auf Grund des Artikels 48, 2bjak 4 der Verfassung des Deutschen Reiches und des§ 64 der bayerischen Berfaffungsurkunde wird für Bayern bis auf weiteres der Regierungspräsident von Ober bayern , Dr. v. Kahr, als Generalstaaistommiffar beftellt. Die Artikel 114, 115, 117, 123, 124 und 153 der Berfassung merden vorübergehend außer Kraft gefeht. Es sind deshalb Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechtes der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnisses, Anordnungen von Hausfuchungen und Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigenfums auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenze juläffig.
Der Ministerrat.
Gleichzeitig mit der Bekanntmachung des Ausnahmezustandes veröffentlicht die bayerische Regierung nachstehenden Aufruf an das bayerische Bolt:
Ferner tritt Herr v. Rahr als Generalstaatsfommissar in folgender Kundgebung an die Deffentlichkeit:
" In ernster Stunde übernehme ich, meiner vaterländischen Pflicht folgend, das Amt des Generalstaatskommissars für Bayern . Meine Amtshandlungen werden getragen sein von heißer Liebe zur bayerischen Heimat, zum deutschen Bolt und zum großen deutschen Baterland. Ich will mich dabei stützen auf alle Kreise, die deutfchen Stammes sind und unserem Baterlande gleich mir ehrlich dienen wollen. Gegen alle vaterlandsfeindlichen Handlungen und jeden Widerstand gegen meine Anordnungen werde ich meine Machtmittet rüdfichtslos einsetzen."
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Kahr hat, wie unserem Korrespondenten mitgeteilt wird, fein Amt bereits übernommen und Maßnahmen getroffen, die erhebliches Aufsehen erregen werden. Die für Donnerstag abend festgesetzten Hitler Versammlungen werden nicht verboten, doch soll durch erhöhte Bereitstellung von Landespolizei und Reichswehr die Gewähr gegeben werden, daß die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gestört werde und die Autorität des Staates feinen Schaden erleide.
Die E
München, 26. September. ( Eigener Drahtbericht.) cignisse in München drängen auf einen gewissen Höhepunkt hin. Die lebertragung der politischen Leitung der bayerischen Verbände an Adolf Hitler bedeutet die freiwillige Unterordnung der militärischen Stoßtrupps unter eine politische Diktatur, was um so beachtenswerter ist, als der bis ins fleinste ausgearbeitete militärische Apparat der Kampfperbände unter Leitung eines umfangreichen Generalstabes ausschließlich von Berufsmilitär beherrscht wird. Diese militärische Organisation ist außer= ordentlich straff zusammengefaßt. Sie soll verstärkt werden, wie aus den am Mittwoch veröffentlichten ultimativen Befehlen Hitlers an sämtliche mehrfähigen nationalsozialistischen Parteimitglieder hervorgeht. Innerhalb zehn Tagen sollen nach diesen Anordnun gen die Nationalsozialisten aus allen sonstigen militärischen Berbänden austreten und sich in die Reihen der Kampfverbände eingliedern. Wer diesen Befehlen nicht nachkommt, wird aus der Bartei ausgeschlossen. Damit wollen die Kampfverbände
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Mit der Verkündung dieser Berordnung geht die vollziehende Gewalt auf den Generalstaatstommiffar über. Sämtliche Behörden des Reiches, des Landes und der Gemeinden bleiben in ihrer Tätigkeit, haben aber mit die illegale militärische Macht an sich reifjen. Ausnahme der Gerichte, Bermaltungsgerichte und Militärbehörden den Anordnungen und Berfügungen des Generalstaatsfommiffars Der Befehl trifft nicht nur die Teilgruppen und grüppchen, in Jolge zu leiffen. Er ist berechtigt, jederzeit an ihrer Stelle Amtsdenen seit Jahr und Tag ein ziviles Soldatenspiel getrieben wird, handlungen vorzunehmen. Er ist befugt, nach§ 17 des Wehrgejehes Die Verhängung des Ausnahmezustands und die Er- sondern er ist offensichtlich auch gegen den Deutschen Offiziersdie Hilfe der Wehrmacht anzufordern. Die Anordnungen nennung des Herrn v. Kahr zum Generalstaatskommissar bund", den Nationalen Verband Deutscher Offiziere", den„ Frontund Verfügungen des Generalstaatskommiffars geben über die Un- zeigen, bis zu welcher Höhe kritischster Zuspigung die Dinge in friegerbund und andere mehr gerichtet, die korporativ dem Bunde ordnungen und Berfügungen aller anderen Behörden mit Ausnahme Bayern gediehen sind. Die Regierung v. Knilling unternimmt Bayern und Reich"( Borsigender Kahr ) angeschloffen find. der Gerichte, Verwaltungsgerichte und Militärbehörden. Rechts- einen legten und außerordentlich gewagten Rettungsversuch, Nicht zuletzt ist er auch eine Spike gegen Rupprecht von wiffel gegen die Anordnungen und Verfügungen des General - indem sie dem Führer der weißblauen Vaterländischen Ver- Wittelsbach, der in seiner bekannten Rede im Nationalverband floatstommiffars find ausgefloffen, foweit er nicht felbft bände" die Aufrechterhaltung der Ordnung überträgt, die von die bayerischen Offiziere neuerdings auf den von ihnen geleisteten etwas anderes anordnet. Der Generalstaatskommissar fann An- feiten Hitlers , Ludendorffs und der„ völkischen Eid verwiesen hat. Am Donnerstag abend hält Hitler nicht weniger crdnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Kampfverbände" aufs schwerste gefährdet erscheint. Zwischen als 14 Bersammlungen ab, in denen er überall selbst auftreten will. Ordnung erlaffen und ihre Uebertretung sowie die Aufforderung Kahr und den Vaterländischen auf der einen Seite, Hitler und Für diesen Tag sind in ganz Bayern außerdem alle Versammlun und Anreizung zur Uebertretung mit Strafe bedrohen. Er ist auch den Bölkischen auf der anderen bestehen Gegenfäße, die in gen und Uebungen der Nationalattiven abgefagt und berechtigt, Schuhhaft und Aufenthaltsbeschränkun- der letzten Zeit mit mechselnder Schärfe zum Ausdruc tamen. alle Kräfte in München fonzentriert, Taktisch hängt also alles davon ab, wie sich das Verhältnis der auch aus Desterreich und der Tschechoslowakei sind gen zu verhängen. beiden Gruppen zueinander gestaltet. Die Ernennung Kahrs deutschvölkische Führer herbeigerufen. Den Mitgliedern der KampfMünchen, den 26. September 1923. zum Generalkommissar tann sie noch weiter auseinanderbrin- verbände wurde jeder Urlaub außerhalb Münchens verweigert. Für gen aber wenn sie sich einigen sollten, dann gäbe es die Nacht zum Freitag ist Alarmbereitschaft angeordnet, allerdings keine Staatsmacht in Bayern mehr, auf die bei einzelne Gruppen sind für Freitag früh 4 Uhr in voller Ausrüstung Abwehr eines Rechtsputsches zu rechnen wäre. zum Appell berufen. Ein Sturmtrupp Nationalsozialisten hat in der Einstweilen besteht der Unterschied zwischen Baterländi- Nacht zum Freitag Feldwache fürs Stadelheim ", ein schen und Bölkischen darin, daß die ersten mit dem Losschlagen Gefängnis an der Peripherie Münchens , das in der Rätezeit jene warten wollen, bis Norddeutschland" bolschewisiert" ist, wäh berüchtigte Rolle für Inhaftierung politischer Gefangener gespielt Die Reichsregierung mußte sich entschließen, den Kampf, den rend die zweiten meinen, Norddeutschland sei schon jetzt bol hat. In diesem Zusammenhang intereffiert eine Liste, auf der mehr das deutsche Volk seit dem 11. Januar am Rhein und Ruhr ge- fchemisiert", also könne gleich losgeschlagen werden. Die als 100 Namen politischer Persönlichkeiten verzeichnet sind, die zum führt hat, abzubrechen. Die Geldmittel zur Fortführung des Baterländischen repräsentieren alfo nach bayerischen Begriffen Zeitpunkt der Aktion ausgehoben und unschädlich gemacht werden Kampfes übersteigen die Kräfte des Reiches. Auch die bayerische das gemäßigte" Element; sie sind reaktionär bis auf die follen, um die Gegenwirkung zu erschweren. Auf dieser Cifte find Regierung hat dies anerkannt und dem Beschluß der Reichsregierung Knochen, aber doch nicht so ultrarechtsradikal und draufgänge- namen bekannter Sozialisten und auch viele Bürgerliche, von zugestimmt. Ministerpräsident Dr. v. Knilling hat in den Beratungen, risch wie die Bölfischen, die Nationalsozialisten. denen man eine Hemmung der nationalen„ Reinigung" erwartet. die am 25. September in Berlin stattgefunden haben, darüber hinaus Herr v. Kahr steht ferner in scharfem Gegensatz zum Als Gegengewicht für den Hitler- Ludendorff- Putsch , und zugleich nachdrücklichst hervorgehoben, daß die auch von England Minister des Innern Schmeyer, der in den letzten Beranerkannte Rechts- und Vertragsmidrigkeit des Ruhr- sammlungen der Vaterländischen Gegenstand der schärfsten mit dem weite Boltsschiten rechnen, kommt außer den politischen einbruches fortbestehen bleibt und daß diese Tatsache von der Reichs- Angriffe geworden war. Gern wird also Herr Schwener ge- und gewerkschaftlichen Organisationen der Sozialdemokratie in der regierung entschieden herausgestellt und zur Grundlage ihres weiteren wiß nicht der Ernennung Kahrs zugestimmt haben. Hauptsache zunächst nur die bayerische Regierung in Frage mit Berhaltens gemacht werden muß. Der von den Einbruchsmächten Selbstverständlich ist Herr v. Kahr ein fanatischer ihrer Befehlsgewalt über die Polizei und eventuell über die Reichsgebrochene Bertrag von Versailles dürfe auch von uns Gegner der Sozialdemokratie. Obwohl diese die wehrformationen. Es besteht fein Zweifel darüber, daß die Renicht mehr als verbindlich angesehen werden. Der Ministerpräsident entschiedenste Anhängerin der Reichseinheit und das beste gierung Rnilling- Schwener der Hitler- Ludendorff- Clique weiß sich mit dieser seiner Stellungnahme in Uebereinstimmung mit Bollwert gegen den Rechtsputsch ist, besteht die Gefahr, daß als Gegner gegenübersteht, und daß sie gewillt ist, im Ernstdem meitaus überwiegenden Teile des bayerischen Boltes, das in sich die diktatorischen Maßnahmen des bayerischen General - fall mit allen ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln einem ButschSpannung und inniger Anteilnahme den Kampf an der Ruhr ver- ftaatskommissars zu allererst gegen sie wenden fönnten. An- versuch entgegenzutreten. Anders fönnten sich die Dinge geftalien, folgt und mit tiefer Trauer die Umstände beklagt, die zu seiner Be- gesichts der Stellung, die die Sozialdemokratie im Reich und wenn es den Kampfverbänden gelingen sollte, bei ihrem Borgehen endigung führten. Die Erschütterung über diese Entwicklung ist so in anderen Einzelstaaten einnimmt, fönnten sich dann daraus einen großen Teil der bayerischen Bevölkerung mitzureißen. Ob start, daß sie zu schmere Bermidlungen ergeben. die Regierung auch dann noch eine Garantie für die Zuverlässigkeit Störungen der öffentlichen Ruhe Schon jetzt aber liegt in der bayerischen Verordnung selbst der Landespolizei übernehmen kann, steht dahin. Einstweilen wird ein schwerer Ronflittstoff, da diese den Bersuch versichert, daß die staatlichen Sicherheitsorgane den führen kann. Das würde aber nichts nühen, sondern nur Not und unternimmt, die Reichsbehörden- mit Ausnahme der Befehlen der Regierung abfolut gehorchen werden. Auch Elend noch vermehren. Das Ansehen Bayerns fönnte auf das Reichswehr - dem Generalstaatskommissar zu unterstellen. an der Loyalität des Generals Lossow, des Führers der Reichs. schwerste gefährdet werden. In solcher Lage muß die Staatsregie Insoweit steht die Verordnung in Widerspruch mit dem neue- wehr in Bayern , wird in feiner Weise gezweifelt. Dabei muß man rung die Zügel straff in der Hand behalten. Sie muß solchen Stö- sten Rund telegramm der Reichsregierung, das aber darauf hinweisen, daß breite Kreise gerade auch der Mannrungen der öffentlichen Ruhe und Ordnung begegnen und kann Un- die Reichsbeamten an ihre Gehorsamspflicht ihr gegenüber schaften der Reichswehr start hitlerisch infiziert find. Welche besonverantwortlichen feinen Einfluß auf den Gang der weiteren Ber - erinnert. Zweifellos kommt der Verordnung in dieser Be- beren Maßnahmen die bayerische Regierung für bie nächste Zeit, hältniffe einräumen. Sie allein ist verantwortlich. In diesem Beziehung nur provisorischer Charafter im Sinne der insbesondere für Donnerstag und Freitag vorbereitet hat, ist bisher wußtsein ihrer Berantwortung und angesichts der Gefahren, die die Berfassung zu, und wird es notwendig sein, dieses Provi- nicht bekannt. In einer Bressekonferenz, zu der aber nur ausgegenwärtige Lage in sich schließt, hat sich die Staatsregierung ent- forium ehestens durch Wiederherstellung der Rechte der Ben- erwählte Journalisten der bayerischen Zeitungen Zutritt haffen, gab schloffen, besondere Maßnahmen vorzufehren. Sie hat zur Auf- tralgewalt zu beenden. Ministerpräsident Knilling einen Bericht über seine Berliner Reise. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß bei dieser Gelegenheit auch bis politische Hochspannung in München zur Sprache gekommen ist. Knillings Standpunkt.
rechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung einen besonderen So besteht aller Grund, die weitere Entwicklung der Dinge Generalstaatsfommissar in der Person des Regierungs in Bayern mit schärfster Aufmerksamkeit zu verfolgen. Unver präsidenten v. Rahr bestellt und ihm die vollziehende. Gewalt antwortlich wäre es, den Konflikt herauszufordern, verhäng. übertragen. Die Statsregierung ist entschlossen, auch in der nisvoll aber auch, ihm aus dem Wege zu gehen, wenn er von gegenwärtigen schwierigen Lage Bolt und Staat zu schützen. Sie der anderen Seite heraufbeschworen wird. Bayern muß München , 26. September. ( Eigener Drahtbericht.) Ueber die richtet an die banerische Bevölkerung die Aufforderung, sie zu unter- wiffen, daß es ein Teil des Reiches ist und daß es noch Stellungnahmme des bayerischen Ministerpräsidenten v. Anilstützen, Ruhe und Besonnenheit zu bewahren und sich von Unver- leine Reichsgemalt gibt! lting in der Konferenz der Ministerpräsidenten gibt das Organ