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Zweck werden auch auf wirtsrfjdftnckjm Gebref Maß­nahmen von diktatorischer Schärfe notwendig sein. Was das Verhältnis des Reichs zu den Einzel- staaten betrifft, so liegt es in der Natur der Sache, daß sich eben auch die Einzelstaaten, wie die Einzelbürger, vor- übergehende Einschränkungen ihrer Machtvollkommen- Heiken gefallen lassen müssen. Wir hegen die Zuversicht, daß diese Notwendigkeit überall, wo die Staotsregierungen unter sozialdemokratischem Einfluß stehen, ohne weiteres anerkannt werden wird. Das Hauptproblem im Verhältnis zwischen Reich und Staat ist jetzt das bayerische. Da wird viel davon abhängen, welche Beispiele aus den anderen Einzclstaaten auf Bayern   hinüberwirken werden. Die Ausnahmeverordnung ist erlassen worden zum Schutz gegen den drohenden Rechts puts ch. Aber natürlich kann sie nur allgemeine Bestimmungen enthalten, sie kann nicht der einen Seite gestatten, was sie der anderen oerbietet. Damit worden auch die Kommuni st en rechnen müssen und diejenigen Arbeiter, die ihren Parolen blind nachge- laufen sind. Wenn die Regierung gezwungen ist, gegen den drohen- den Umsturz von rechts Maßnahmen von drakonischer Strenge zu ergreifen, so kann sie nicht zugleich das sollte jeder­mann einsehen den Kommunisten gestatten, daß sie zum Sturz der verfassungsmäßigen Regierung durch den G e- n e r a l st r e i k aufrufen und bei ihren Anhängern den An- schein hervorrufen, als wollen sie morgen oder übermorgen in gewaltsamem Sturm gegen die bestehende republikanische Staatsordnung anrennen. In Wirklichkeit wissen ja die Kom- munisten selber sehr genau, daß für derartige Gewaltexperi- mente kein Zlugenblick unglücklicher gewählt sein könnte als der gegenwärtige. Mögen sie im Parlament gegen die Aus- nahmeverordnung protestieren, das ist ihr gutes Recht, aber mögen sie auch so viel Verstand und Achtung vor dem Menschenleben beweisen, daß sie jetzt Handlungen unter- lassen, die entsetzliches Unglück anrichten, sonst aber nur der äußersten Reaktion von Nutzen sein können. Diese Stunde verlangt mehr als jede andere eine g e- schlofsene Disziplin der gesamten Arbeiter- b e w e g u n g. Die Republik   steht im schwersten Abwehr- kämpf, der in erster Linie von den berufenen Organen des Staates zu führen ist. Jeder Augenblick kann ein Nach- rücken derReserven notwendig machen, bis dahin aber liegt in jedem Vordrängen, in jeder kopflos übereilten Aktion die allergrößte Gefahr. Der Aufruf des Parteivor- st a n d e s, den wir an anderer Stelle veröffentlichen, spricht eine deutliche Sprache. Möge sie von den Massen verstanden werden!
Die Militärbefehlshaber. Der Reichswehrminister hat auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten   vom 26. September 1923 die voll- ziehende Gewalt auf folgende Militärbefehlshaber übertragen: General v. Dassel   für den Bezirk des Wehrkreises 1(Oft- prenßen, Restprovinz Westpreuße»)', Geueral v. Tschischwitz für den Bezirk des Wehrkreises 2 (Pommern  , Schleswig-Holstein  , Grenzmark Westpreußen, Mecklen- burg-Schwerm, Mecklenburg-Strelitz  , oldenburgischer Landesteil Eut'n, Groß-Hamburg, Lübeck  ): General v. H o r.n für den Bezirk des Wehrkreises 3(Brande»- bürg mit Berlin  , Niederschlesien  , Oberschlesien  , Grenzmark Posen  ); General Müller für den Bezirk des Wehrkreises 4(Sachsen  , ohne den Regierungsbezirk Erfurt  , Sachsen-Anhalt  , braunschweigischer Landesteil Caloärde): General Reinhardt für den Bezirk des Wehrkreises 5 (Hessen-Nassau  , Regierungsbezirk Erfurt  , Hessen  , Thüringen  , Waldeck  , Württemberg  , Baden): General v. Löhberg für den Bezirk des Wehrkreises 6(Hon-
nover, unbesetztes Westfalen, nn besetztes Rheinland  , Brarmschweig, Oldenburg  , Bremen  , Lippe-Detmold  , Schaumburg-Lippc): General v. Lossow für den Bezirk des Wehr- k r« i s e s 7(Bayern  ). Im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern hat der Reichswehnninister zu Regierungskom- missaren ernannt: Dr. Siehr, Oberpräsident für das Gebiet des Wehrkreises 1: Hartwig, Mitglied des Landiages(Soz.), für den Bezirk des Wehrkreises 2; Richter, Polizeipräsident, für den Bezirk des Wehrkreises 3: Gronowski, Obcrpräsident, für den Bezirk des Wehr- kreifes ö. Seöenken in Sachsen  . Dresden  , 27. September.  (Eigener Drahtbericht.) Die Landes- instanzen und die Landtagsfraktiau der Sozialdemokratischen Partei Sachsens   haben am Donnerstag folgende Entschließung einstimmig angenommen: Die Reichsregierung hat den Ausnahmezustand über das ganze Reich verhängt. Nach den bisher vorliegenden Meldungen richtet sich diese Aktion gegen alle Bestrebungen, die sich gegen den Bestand des Reiches und der Republik   aus Anlaß der Beendigung des Ruhr- konfliktcs wenden. Die Sozialdemokratie tritt mit aller Entschieden- heit für die Einheit des Reiches und fiir die Erhaltung der Republik  ein. Sie kämpft daher auch gegen alle separatistischen Bestrebungen. Bon dem Ausnahmezustand ist auch Sachsen   betrosten. Landes- arbeitsausschuß und Fraktion sind sich einig, daß die sächsische Re- gierung die Gewähr dafür bietet, daß die Republik   erhalten und Ruhe und Ordnung gewährleistet werden. Sie sind daher der Auf- fassung, daß die Derhänqung des Ausnahmezustandes über Sachsen  nicht erforderlich war. Die Bedenken gegen diese Handlung werden noch dadurch gestärkt, daß die vollziehende Gewalt in Sachsen   aus- schließlich der Re i ch s w e h r übertragen worden ist, während für Preußen ein Zivilkommissar ernannt wurde.(Neben dem Militär- befehlshaberl Red.) Die bezeichneten Parteiinstanzen fordern da- her, daß auch für Sachsen   ein Z iv i l t o m in i s s a r bestimmt und dieser Posten mit einem Mitglied der sächsischen Regierung besetzt wird. Landesarbeitsausschüsse und Fraktionsvorstand werden daher beauftragt, sofort und mit allem Nachdruck auf die Ernennung eines Zioilkommissars für Sachsen   hinzuwirken. Der Landesarbeitsausschuß und die Fraktion halten es für ihre Pflicht, die Parteigenossen auf den bitteren Ernst d-r politischen Situation aufmerksam zu machen. Wenn auch die Reichsregierung die Republik   durch die Verhängung des Belagerungszustandes zu sichern gedenkt, so darf doch nicht verkannt werden, daß trotz alle- dem die Gefahr für die Republik   so groß ist, daß sie größte Dach- samkeit und entschlossensten Kampfeswillen der Arbeilerschast er­fordert. Ausdrücklich muß betont werden, daß unter dieser Si- tuation die Geschlossenheit und Schlagfertigkeit der Partei von größter Bedeutwng sein wird. In diesem Kampf muß die Dereinigt« Sozialdemokratische Partei   die Führung haben. Es ist daher unbedingt notwendig, daß die Parteigenossen nur den Parolen der Partei folgen." Der Bezirksausschuß Sachsens des Allgemeinen Deut- schen Gewerkschaftsbundes schloß sich dieser Erklärung an. * Es ist sehr begreiflich, daß viele unserer Parteigenossen und mit ihnen die sächsischen Parteiinstanzen nur mit Mißtrauen die Vollzugsgewalt in die Hände der Militärs übergehen lassen. Diese Genossen verkennen dabei jedoch, daß dieser Weg rechtlich und verfassungstechnisch die ein- z i g e Möglichkest gibt, Herrn v. Kohr unter die Oberhoheit der Reichsregierung zu stellen, von der der militärische Befehlshaber seine Befehle erhält.
Haussuchung bei der vöMschen Freiheitspartet. Auf Anord- nung des preußischen Ministers des Innern fand am Donnerstag eine Durchsuchung in den Räumen der ehemaligen»Deutsch- völkischen Freiheitspartei' statt. ES bestand nämlich der dringende Verdacht des heimlichen Fortbestandes dieser Partei. Während der Haussuchung bat der deutschvölkische Abgeordnete v. Graefe den Reichstagspräsidenten um Schutz, der ihm telephonisch zugesagt wurde. Die Haussuchung ergab kein belastendes Material.
Zerstörtes Gelö. Wir sind nicht der Meinung, daß das Gold das höchste Gut der Nation ist, aber wir sind der Ueberzeugung, daß das Geld die Bor- nussetzung und die Bedingung ist für die höchsten Güter der Nation. Wer die Währung seines Landes zerstört, zerstört dessen gute wirtschaftliche Sitten. Neben der Neigung, aus dem allgemeinen Ruin Profite zu ziehen, entsteht eine Art bewußt-unbewußter Spe- kulation, indem man den Wert der Sachgüter auf Grund einer fremden Währung festsetzt, indem man die Arbeitslei st ung, die doch an der Entstehung und dem Kreislnnf dieser Güter beteiligt ist, mit der zerstörten Währung ablohnt. Solange das Geld als Wertmesser funktioniert, tritt dessen herrschender Charakter wohltuend in den Hintergrund. Der Mensch ist der peinlichen, niederdrückenden, zersetzenden Vorstellung über- hoben, daß er, daß sein geistiges Leben letzte» Endes abhängig sind von den Mächten des Geldes. Der motorische Charakter des Geldes liegt innerst oerschlossen in allem menschlichen Tun, verwandt dem Hunger und der Liebe. Es ist eine der höchsten Errungenschaften der Zivilisation, so zu tun, als ob der Mensch unabhängig wäre von derNatur kraft" des Goldes, das, ein gebändigter Diener, sein Leben reguliert. In dem Augenblick aber, da das Geld als Wertmesser oersagt, bricht diese wohltuende Fiktion zusammen: das Geld enthüllt sich surchtbar in seiner ganzen tyrannischen Naturhastigkeit, um so zer- störerischer, je weniger es seine Funktion erfüllen kann: es enthüllt seinen und nicht minder zynisch den Charakter seinesHerrn", des Menschen, der plötzlich als ein hilfloses, nacktes Geschöpf seines Ge- schöpfes des Geldes dasteht. Der Mensch, der das Geld zer- stört hat, wird nun von ihm zerstört. Denn letzten Endes sind wir abhängigvon Kreaturen, die wir mochten". Daß die Währung eine Grundlage des deutschen Lebens war, zeigte sich erst, als dies« Grundlage barst. ** * Der Glaube an das Geld ist nicht nur, wie man häufig schlecht- hin annimmt, Mammonismus, sondern er ist auch der Glaube an den Staat. Wenn die Achtung vor der Währung schwindet, schwindet der Respekt vor dem Staat, der hinter der Währung steht. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Staates nicht wert, der bestimmt, daß dieser Pfennig ein Pfennig sei. Weim die Million und Milliarde zum Gespött wird, wittern die staatsfeindlichen negierenden Mächte die Morgenröte der Reaktion. Unterwühlte» Geld unterwühlt er Staat. Sehr wohl denkbar, daß die anti- republikanischen Elemente die Zerstörung des Geldes als ein Mittel zu ihrem Zweck fördern, sie zumindest ihren Zwecken dienstbar machen.
Es ist ein großer Nachteil, daß man nicht feststellen kann, wie- viel Prozent der deutschen Bevölkerung sich an der Inflation und ihren Erscheinungen bereichern; teils wider Willen und mitgetrieben, teils bewußt und spekulativ. Zwischen diesen beiden Gruppen muß man unterscheiden. Die einen heulen mit den I n f l a t: o n s- Hyänen, weil sie sonst zugrunde gingen, die anderen find die Inflationshyänen. Die«inen verlieren in der Panik die Moral und sind allenfalls entschuldbar, die anderen verstärken die Panik, um an ihr zu verdienen. Die einen sind nur die kleinen Mitläufer und Der- führten. Die anderen sind die großen Rädelsführer, die verwegenen Kondottieri der Währungszerstörunig, die bei der Atomisterung des Geldes ungeheure Energiequellen Substanzen in ihre Speicher leiten. Das Unglück einer Nation als Geschäft der Kriegs­gewinner, der Jnflationsrafste: dies ist eines der heikelsten, verschwie- gensten Kapitel der öffentlichen Moral. Es gibt Situationen, in denen der menschliche Charakter notwendig versagt, die eine grau- same ssuvc-qubpeut-Stimmung wecken. Situationen, denen nur Heroen an Charakter, aber nicht Menschen gnvochsen sind. Dies ist die Ursache, warum gerade die Katastrophenzeiten eines Landes, die an den menschlichen Heroismus und die Charakterfestigkeit die größten Anforderungen stellen, zumeist voll Niedertracht sind. ** « Ein Land ahn Währung eine H. G. Wellsche Phantasie! Ein Zustand voll überraschender paradoxer und grotesker Seiten. Wo ist in diesem atemlos rasenden Wettlauf einer fliehenden Währung und der ihr nachstürmenden Papierflut das Ziel? Wo ist die mathe- malische Größe, die dieser unfaßbare Begrifj zum Stillstand bringt? An welche Zahlenbilder werden wir uns noch gewöhnen müssen? Welche Größen jenseits der Mathematik wird sich unsere Wirtschaft noch erobern? Das Grauenerregende ist, daß in dem encsesselten Hexeneinmaleins die Festsetzung: etwa 1 1 Million sofort über den Haufen geworfen würde, weil die Million allsogleich sich geheim- nisvoll aufbläht zur Milliarde. Das Schauspiel, daß der Mensch den Naturgewalten gegenüber machtlos ist wie ein Kind, hat uns durch malte Gewöhnung schon so abgestumpft, daß wir vor ihm kaum mehr Respekt empfinden. Nun lernen wir einen neuen Schauder: den vor einem Wertzeug des Menschen, das seinen Händen entglitt und als«ine entfesselte Tochter der Natur einhertritt auf de? eigenen Spur. Nun lernen wir auch den Schauder vor unserer Hilflosigkeit gegenüber einer der stolzesten Erfindungen und Schöpfungen des Menschen: dem Geld«. Wir wollen dieser Hilflosigkeit den Respekt nicht versagen, damit die menschliche Ge- meinfchaft endlich das, was sie schuf, mich meistern lerne! H. R.
Tanzabende. Im Blülhiiersaal veranstallet am 29. Sept., abends T'/j Uhr, Claudia I ss a t j ch e n k o mit ihrem Ensemble unter Mit- Wirkung von Anna Kerre einen plastischen Ballettabend. ist n i t a Berber und ihr Partner Sebastian v. Droste tanzen im Blüthncr- saal am 2. OktoberTänze des Grauens und der Elstase".
Die Steuerveranlagimg. Multiplikator= 30 000. Am 5. Oktober haben diejenigen' Steuerpflichksgeü, Ae ihre Einkommensteuer auf Grund einer Vera«. l a g u n g entrichten, die Steuern für die Monat« Oktober» November und Dezember zu bezahlen. Nach den geltenden Bestimmungen hat der Reichsfinanzminister den Multi-» p l i k a t o r dafür festzusetzen. Der Multiplikator betrug bis. her das 400sache, er ist jetzt auf das 3l)l1l)<1fache fest- gesetzt worden. Damit ist die Einkommensteuer der Veran- lagungspflichtigen voll aufgewertet. Außer dieser aufgewer- teten Einkommensteuer ist dann am 5. Oktober das Doppelte dieses Betrages als Rhein-Ruhr  -Abgabe zu leisten. Um die glatte Entrichtung der Steuern auch denjenigen Steuerpflichtigen zu ermöglichen, die im Augenblick unter einer Knappheit an Zahlungsmitteln oder an sonstigen wirt- schastlichen Schwierigkeiten leiden, wird der Reichssinanz- minister auf Grmid des Steuergesetzes gleichzeitig bestimmen, daß spätere Zahlungen dann zulässig sind, wenn an dem Zahlungstage derselbe Goldmarkbetrag entrichtet wird, den die Steuerleistung am 5. Oktober zu betragen hatte. Diese Regelung ermöglicht den einzelnen Steuerpflich- tigen die Wahl des Zahlungstermines innerhalb einer noch festzusetzenden Frist, schützt das Reich aber vor der Entwer- tung der Steuerleistung und entzieht damit denjenigen Steuerpflichtigen den Anreiz zur verspäteten Zahlung, die bisher in der Erwartung der Entwertung der Mark ihre Steuern nicht rechtzeitig entrichteten.
Generalstreikhetze im Nuhrgebket. Gelsenkirchen  , 27. September.  (Eigener Drahtbericht.) Di« Agi- tation der Kommunistischen Partei setzte am Donnerstag mit aller Kraft ein. Es wurden Flugblätter verteilt, die von der kom­ munistischen   Zentrale in Berlin   stammen, aber von der Bezirksleitung der KPD.  , Bezirk Ruhrgebiet  , unterzeichnet waren. In dem Flug- blatt wenden sich die Kommunisten gegen den Abbruch des passiven Widerstandes und gegen die Regierung Strese- m a n n- H: l f e r d i n g. der sie den Vorwurf machen, daß sie die Ruhrarbeiterschaft an den internationalen Kapitalismus verschachere. Das Flugblatt fordert zu Demonstrationen und zu einem 2 4 st ü n- digen Generalstreik für Donnerstag auf. Um die Forderung durchzusetzen, verhinderten die Kommunisten die Arbeiter am Be- treten der Betriebe. Hier und da wurden auch Belegschaften aus den Werkstätten und Betrieben.herausgeholt. Dieses Worgehm erinnert lebhaft an die Vorkommnisse im Winter 1918/13. Infolge des Vor- gehens der Kommunisten und infolge ihrer Drohungen ruhte die Arbeit fast überall. Gegen Mittag fanden im Landkreise Essen  , Gclsenkicchcn und Dortmund   Demonstrotionsoersammlungen und Demonstrationszüge statt. In Rotthausen, Gelsenkirchen  , Wattenscheid  , Röhlinghausen  , Wanne und Eikel war die Beteiligung beträchtlich. Sie betrug in der Stadt Gelsenkirchen   z. B. 6000 bis 7000 Personen. Auf der Wiese hielt der bekannt? Agitator Hammer von der Gelsenkirchener Union eine Ansprache an die Versammlung. Auffällig war, daß er weniger den weiteren passiven Widerstand als den Sturz der gegenwärtigen Regierung und die Einsetzung einer Arbeiter- und Bauernregierung bc- tonte. Der größte Teil der Teilnehmer waren Arbeitslose. Das Gessenkirchener Gewerkschaftskartell berief unverzüglich eine Sitzung«in, um zu der Lage Stellung zu nehmen. Die kom» munistischen Vertreter hatten einen Dringlichkeitscmtrag mit den bekannten kommunistischen   Forderungen eingebracht. Der Borsitzend« des Kartells weigerte stch, über den Antrag abstimmen zu lassen. Es kam deshalb zu einer stürmischen Szene. Di- Kom- munisten brauchen für ihre Agitation die Behauptung, daß die Ber  - liner Spitzengerverkschaften den passwcn Widerstand noch nicht abge- blasen haben. Da Regierung und Gewerkschaften zweierlei seien, hätten die Gewerkschaften noch nicht gesprochen. Deshalb müßte der passive Widerstand mit aller Kraft weitergeführt werden.
»Kunst und Lüge*. Ein neues Werk von AnatoleFrance,Dle Blütezeit d e s L e b e n s", ist in deutscher   Uebersetzung bei Kurt Wolfs in München   erschienen. Anatole France  , der gütig-ironische Weise, setzt mit diesem Buche seine künstlerisch angelegte Autobiographie fort. Zwanglos und ohne die Durcharbeitung der Kindheitsdarstellung im Kleinen Peter" bringt er hier Skizzen aus der Jünglingszeit. Die große Klugheit eines Greises spricht aus jeder Zeice, und Güte und Skepsis mischen sich derart, daß man mit Andacht dies«Nichtigkeiten" aufnimmt. Einer Generation, die glaubt, erst einmal ihre Väter lite- rarisch ermorden zu müssen, sei dieser freieste aller lebenden Schrift- steller zur Lektüre empfohlen: sie wird vielleicht ein wenig beschämt lesen, mit welcher Ehrfurcht dieser Mann seinen Jüngling Peter von seinen Eltern und ocn Aelteren, die an seiner Erziehung Anteil hatten, sprechen läßt. Das Schönste und Geistigst« des Luches ist das Nachwort, in dem France   über die Mischung von Dichtung und Wahrheit m dieser seiner Selbstbiographie Rechenschaft gibt. Di« Schlußsätze seien zitiert, da sie die Lebens- und Kunstanfchauung dieses vom Leben Abschied Nehmenden in nuce enthalten:Bin ich jener Wahrheit, die ich leidenschaftlich lieb?, immer treu geblieben? Soeben rühmte ich mich dessen. Nach reiflicher Ueberlegung möchte ich keinen Eid darauf leisten. In diesen Erzählungen ist nicht viel von Kunst zu finden, aber vielleicht hat sich doch ein wenig davon eingeschlichen: und Kunst heißt künstlich anordnen, Verstellung, Lüge. Es ist fraglich, ob sich die menschliche Sprache vollkommen zum Ausdruck der Wahrheit eignet: sie ist aus dem Schrei des Tieres entstanden und bewahrc dessen Charakter: sie bringt Gefühle, Leidenschaften, Bedürfnisse, Freude und Schmerz, Haß und Liebe zum Ausdruck. Sie ist aber nicht dazu angetan, die Wahrheit zu sogen. In der Seele des wilden Tieres gibt es keine Wahrheit: sie ist auch in unserer Seele nicht vorhanden, und die Mctaphysiker, die darüber geschrieben haben, sind Phantasten. Alles, was ich sagen kann, ist, daß ich aufrichtig war. Ich wiederhole: ich liebe die Wahrheit. Ich glaube, daß die Mensch- heit ihrer bedarf: aber sicherlich bedarf sie noch weit mehr der Lüge, die ihr schmeichelt, sie tröstet und ihr unendliche Hoffnungen gibt. Ohne die Lüge ginge sie in Verzweiflung und Langeweile zugrunde." Es erübrigt sich hinzuzufügen, daß eine Seite solcher schlichten Prosa ganze Wagenladungen moderner Sprachverrenkungen auf- wiegt._ O. E. H. Internationale Ivolkenwoche. Um genaue Wolkenkarten des westlichen Eurrpa zu erhalten, wird vom französischen meteorologischen Dienst eineInternationale W o l k e n w o ch e" veranstaltet, während deren freiwillig« Pholo- graphen in England und Frankreich   den Himmel dreimal täglich um 7 Uhr morgens. 1 Uhr mittags und 7 Uhr abends photo- graphieren. Es haben sich 160 Leute in England und 100 in Frank. reich dazu bereit erklärt. Di« Wolkenphotographien werden dann an das Bureau des französischen meteorologischen Dienstes gesandt und dort in groß- Karte» eingetragen. Man hofft auf diese Weise Zusammenhänge zwischen den Wolkensormen und de» a t m o- sphärischen Bedingungen zu erkennen. Ei» Aruv-Holz-Abend findet am 2. Okt., abends 8 Nbr, als zweite Dinterveranstalwny der Berliner   Odd-Fcllow-Logen im Schwechlcn- Saal slatt. Mitwirkende: Else Beyer und Alfred Nlch. Meyer.