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Richtlinien für ein solches Programm bekanntgegeben. Er wurde darauf hingewiesen, daß zur Finanzierung des gemeinnützigen Wohnungsbaues das Privatkapital der Aktiengesellschaften und der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, soweit sie nicht gemeinnützig tätig sind, dadurch er- faßt werden muh, daß diese Gesellschaften verpflichtet werden, 10 Prozent ihrer Aktien und Geschäftsanteile dem Reich zur Verfügung zu stellen und die ihnen verbleibenden Anteile im Verhältnis von 10: 9 zusammenzulegen. Auf diesem Wege lassen sich s o f o r t etwa 500 Millionen Goldmark flüssig nmchen. Mit dieser Summe wäre es möglich, den Baumarkt und die Baustoff erzeugenden Industrien auf 3 bis 4 Monate, jedenfalls solange zu beschäftigen, bis sich die Neufinanzierung des Wohnungsbaues auswirken kann. Zurzeit gibt es keinen anderen Weg zur Kapital- beschaffung für den Baumarkt als den, das Privatkapi- tat in Anspruch zu nehmen. Es gibt auch keine w i r t- s ch a f t l i ch e r e Arbeitsbeschaffung, als den Wohnung s- bau zu beleben. Wir wissen wohl, daß das Privatkapital sofort selbst mit dem Gegenvorschlag kommen wird, die Zwangswirtschaft aufzuheben. Dieser Weg ist aber nach dem Beschluß des Reichskabinetts selbst ungangbar. .Voraussetzung für die oben vorgeschlagenen Maßnahmen ist natürlich, daß das Privat kapital, das bisher auf Kosten des Reiches, der Länder und Gemeinden gelebt hat, sich nunmehr kiicht auch an dem neu flüssig zu machenden Privatkapital bereichert. Das Baugewerbe und die Bau- stoff erzeugende Industrie muß darum gezwungen wer- den, in der Zeit eines Notstandes ohne Verdienst oder nur mit einer beschränkten Risikoprämie zu arbeiten, damit das flüssig gemachte Kapital restlos in Arbeitswerte umgesetzt werden kann. Alle diese Gedanken haben wir dem Herrn'Reichsarbeitsminister unterbreitet. Wir hoffen, daß diese Anregungen in letzter Stunde auf fruchtbaren Boden fallen mögen, und daß die Schriftzügezu spät", die über fast jeder Maßnahme der Reichsregierung aufleuchteten, durch schleunigstes Eingreifen des Reichsarbeitsministers zum Erblassen gebracht werden. Publikum und elementare Mufit.' Konzertumschau von Kurt Singer . Es gibt augenblicklich in Berlin nur noch ein« Art von Ge- samtpublikum, für die es sich lohnt, aus dem Herzen heraus zu musizieren. Das sind die werktätigen, arbeitenden Männer und Frauen, die man in den Konzerten der Volksbühne, der Bildungs- ausschüsse, des Volkschors sieht. Hier leuchtet in den Augen noch Sehnsucht nach unbekanntem Glücksland inrd freudige, gern be­jahende, vom Scheinwissen nicht belastete Zustimmung. Nim selten sieht man dieselben Gesichter in anderen künstlerischen Veran- staltungen. Warum? Es geht ihnen nicht schlechter als denen aus dem Mittelstand, die noch ihren letzten Schein opfern, um etwa Furtwängler, Walter oder dÄlbert zu hören. Es scheint da noch viel an selbständigem Auf- und Antrieb zu fehlen: führerlos gibt sich der Handarbeiter nicht gern künstlerischen Genüssen hin. Und im Kino, dem allbcherrschenden, wird selbst guter Sinn für Musik sicher ertötet. Auch in den Konzerten der Männergesangverein« ist bei der durchschnittlichen Reizlosigkeit des Programms(Hornstein verspricht Abhilfe!) außer Familienzugehör nichts zu entdecken. Das gleiche gilt von dem üblichen Solistenabend, der dank einer unglückselig-natürlichcn Zuchtwahl ausgestorben ist und den virtu- osen Nachwuchs verdorren läßt. Bei diesen seltenen Familien- feiern sind die einzigen Fremden Musikkritiker. Leim Star und im Orchesterkonzert sitzen immer neben den Fachleuten und einer großen Anzahl Sachverständiger und Kunstinteressierter die Snobs, die«ine halbe Ehmde Diele mit Loge verwechseln, die Burgstraßen herzöge, die im Klang der Instrumente ihre Effekten listntieren, die Alles-Mitmacher, die Atfes-Miesmacher. und schließ­lich die zugehörigen Damen und Mädchen, die einem Wort, einem Nimbus, einem Phantom oder einer Haarlocke nachrennen und einen anreißerischen Spektakel machen. Draußen aber stehen hundert jung« Menschen, das Herz voll Musik. Schutzpolizei hält ihren Andrang ab. Man möchte sie gern eintauschen gegen ein ganzes Philharmoniepublikum. Und für dieses Gemisch aus Wert und Unwert, Laune und Ernst, Sport und Leidenschaft sollen Programm« gemacht werden? Armes Künstlertum! Geplagte Spieler! D' A l b e r t hilft sich mit einem Programm, das allen etwas bietet, keinem etwas vorenthält, und das ihm selber die Mühe großer Pionierarbeit abnimmt: Bach, Beethoven , Schubert, Schu- mann, Chopin bis zu kleineit Paradestücken von Debussy , Bax, Irland. Je länger der Abend dauert, um so stärker übertönt das virtuose Element und das Gefühlskompromißlerische den anfäng­lichen Triumph des schöpferisch Nachschaffenden. Es gibt besseve Spieler als dÄlbert, ja, man kann sagen, daß kein anderer heute wagen dürfte, so freigebig in falschen Tönen zu sein. Das Brillante einer ehemals vollendeten Technik herrscht dennoch vor, und das Andante der U-Moll-Sonate Beethovens etwa ist völlig erlebt, aus- getrunken von einer pianistischen Musikerseele. Wenn viele Einzel- bellen in der Auslegung der Appajsionata, im Spiel der Bachschen Phantasie und Fuge verblüffen oder stören, sei es im Daneben- greisen, sei es im wütenden Schlag, so bleibt dennoch eins, was dÄlbert noch h�ute über alle Größen des Flügels erhebt: dos Zwingende seines Aufbauens, das absolute Gleichmaß von Werk Wir zweifeln nicht daran, daß Verhandlungen zur Lösung der noch vorhandenen Schwierigkeiten erfolgreich ge- führt werden können, wenn man von beiden Seiten mit gutem Willen an sie herantritt und sich nicht durch rechtsradikale oder kommunistische Versuche, Oel ins Feuer zu gießen, beirren läßt. Die außenpolitische und wirtschaflliche Lage des deutschen Volkes ist geradezu furchtbar, sie kann nicht dadurch gebessert werden, daß verfassungsmäßige Organe, die gleicher- maßen dazu berufen sind, die Republik und das vom Hunger bedrohte Leben ihrer Bevölkerung zu schützen, sich gegenseitig mit Ultimaten und Brandreden regalieren. Damit ist auch den Interessen der A r b e i t e r am allerwenigsten gedient, gedient ist ihnen nur dadurch, daß der Weg der V e r n u n f t beschritten wird, der zu einem befriedigenden Ausgleich führt. General Müller erläutert... Dresden , 18. Oktober. (TU.) Der Befehlshaber des Wehr- kreifes IV teilt mit: Um vorgebrachte Zweifel zu beheben, erläutere ich meine Verfügung vom 1k. Oktober 1923 dahin: Unter den in meiner Verfügung vom IS. Oktober 1923(Hundertschaften) unter Ziffer II erwähnten Organisationen sind solch« Verbände aller R i ch-t u n g e n zu verstehen,"welche in der Form von Hundert- schaften, Sturmtrupps usw. innerpolltisch« Ziele erzwingen wollen. Der Militärbefehlshaber. Müller, Generalleutnant. Die Aussprache in Dresden . Dresden , 18. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) In der Donnerstag- sitzung de» Landtage» verwies der Innenminister Liebmann gegenüber einer volksparteilichen Forderung, die proletarischen Hundertschaften zu verbieten, auf eine im April abgegebene Re- gierungserklärung über die Hundertschaften, zu der die Regierung auch heute noch steht. Dia Regierung könne nur begrüßen, wenn sich di« Arbeiterschaft ihr zu? Verfügung stelle und berell sei, ge- gebenenfalls für die Republik ihr Leben einzusetzen. Nach zuver- lässigen Nachrichten seien in Dresden und Leipzig zahlreiche Faschisten in die Reichswehr eingereiht, obgleich man in Dresden dabei sogar auf den Widerstand der aktiven Rei chs w« hrsoldatcn gestoßen sei. Die sogenannte Auf- füllunq der Reichswehr fei zu ganz bestimmten Zwecken erfolgt. Die Regierung denke nicht daran, ihre Stellung zu den republika- nischen Abwehrorganisationen zu ändern, weil die Gefahr für den Bestand der Republik größer geworden sei und sie daher allen Anlaß habe, di« zuverlässigen und treuen Stützen der Republik zu kräftigen.< Ein kommunistischer Antrag aus Rücktritt des Reichswehrministers, der mit der Beschimpfung des sächsi- scheu Ministerpräsidenten sowie der Gesamthaltung des Reichswehr - Ministers und seiner Orgaue gegenüber Sachsen begründet wurde, 'fand mit den Stimmen der Sozialdemokraten und Kommunisten Annahme. Im Rahmen der Aussprache über diesen Antrag entwarf Ministerpräsident Zeigner ein Bild seines Kampfes gegen die illegalen Organisationen. Er schildert« seine vergeblichen B«- mühungen in Berlin unter den Regierungen WirtH, Cuno und Stresemann . Der Küstriner Putsch habe bewiesen, daß das Reich eine schwarze Reichswehr besitze. In Küstrin seien, wie in zahlreichen anderen Orten, seit vier Monaten Mannschaften im großen Maßstabe ausgebildet worden. Er Hobe Beweise, daß in Küstrin in wenigen Tagen sieben politisch« Morde erfolgt seien. Auch in Sachsen gebe es schwarze Reichswehr . In Königsbrück seien beispielsweise dauernd Leute vier bis sechs Wochen ausgebildet worden. Von der Reichswehr könne man sagen, daß ungefähr 49 Proz. auf dem Boden der Verfassung stehen. Die neu Eingestellten seien jedoch zum größten Teil Studenten, also Leute, die nicht die Absicht hätten, dauernd Soldat zu bleiben. Es bestehe die Gefahr, daß die nationossozialiftische Bewegung von Bayern immer weiter nach Norden übergreife. Bei den Strafver- fahren gegen diese Leute seien Akten verschwunden und Dinge vor- gekommen, die unerträglich seien, lieber di« Größe der Gefahr dürfe man sich nicht täuschen. Diese Zustände müßten beseitigt werden. un d Wirkenden, da» letzte vllale Steigern können, das vaufchhaft, elementar, mitreißend Drängende, das Stilgefühl, das Einheit schafft m einem Satz, einer Periode, einem Werk. Jedem Musikstück lauscht er die Seele ab. Das ist nicht Kunst, das ist Persönlichkeit, produktives Schaffen. Spielten feine Finger noch so wie vor 20 Iahren, wie der ganze Mensch in Klang und Rhythmik noch heute vibriert, es gäbe neben ihm keinen Pia. nisten von Größe. So bleibt er elementar als Mensch, Zweifel- hast als Spieler. Technik ist nicht die einzige Vorbedingung für einen genialen Künstler: dÄlbert beweist es Aber sie stört auch nicht den Ein- druck der genialen Leistung: Furtwängler ist der stärkste Beweis. Sein« Dirigiertechnik ist.stüpend und, ohne Selbst- bewußtheih überzeugend, klar, ökonomisch balanzlert. Er gleitet mit kühler lleberlegenhell in die Mechanik eines Wertes hinein, nur getragen von dem Gesamtrhythmus, von der Lebensmelodie eines Komponisten. Im Genrehasten und Idyllischen der ersten Beethoven-Sinfonie ist er still, einfach, in den witzigen Pointen des Schlußsatzes kapriziös. Und in den mutwilligsten Parti«» der Straußschen.Domestica" springt aus dem Notengesst ein genialer Funke auf den Darsteller über, der all« QuerkSpfigmt, alle Schnurren, ober auch all« Trotzigkeiten, Streitereien und Reibungen künstlerisch überträgt. Endlich einmal, Gott sei Dank, ein Kapell. meister, der die äußer« Grazie mißachtet: einfach, weil st« gegen sein« Natur ist. Sein Andante, sein Gesang klingt deshalb nicht unerlebter, nicht weniger beseelt, weil er äußere Haltung bewahrt. DieDomestica" ist das sei gegen das trockene Programmbuch- geschmätz gesagte kein großes, kein starkes Werk. Ein Konglo- merat von wundervoll durcheinandergeworfenen Tupfern, ein Bilderbogen, auf dem bunt Familienfzenchen ausgemalt sind, erst von der Fug« an ein die mittlere Mark« der Thematik überzeugen- des, zusammengefaßtes, sinfonisches Gebäude. Was zur Einheit in den matteren Teilen zu binden ist. das schweißt Furtwängler mit höchster Bravour und mit klügster klanglicher Bindung der Gegen­sätze zusammen. Aber gegen das völlig Unabgegrenzt« und Nur- Spielerische ist auch er machtlos. Der triumphale Beifall galt ihm, Furtwängler , der als universeller, freier, vorurteilsloser und könnerischster Kapellmeister heute der beste aller Dirigenten ist. Was bleibt neben diesen beiden Elmentargeistern bestehen? Soll man des beschämenden Liederabends im Bechfteinfaal ge- denken? Lieber mochte ich hinweisen auf die schöne Stimm« und das geschmackvolle Progran, m der Lilli D r« y f u ß, auf ein Konzert des S ch u b er t- Chors(von dem besonders gesprochen werden soll), auf Guttmanns herzergreifend«, balladeske Gestaltung der MahlerschenGesellcnlieder". Auch Iren« Eneri kann vor kritischem Ohr bestehen, mit klarer, sauberer Fingertechnik, nicht ohne höhere musikalische Intenfion spielt sie Klaoiersachen von Rameau , Corelli , Chopin mst natürlicher Anmut. Und der junge K o w a r s k y ergeiat« sich mit einem Konzert Ndrdinis, bas Bachschen Sauren folgt, auch ohne persönliche Ausprägung einen Erfolg, der ihm wegen seines sauberen Griffs und süßen Tons von 5)erzen gegönnt sei. Sclraustiielertheater. Als Eröffnungsvorstellung geht am 1. November» K ö» I g Eduard U* von M ar I o w e in Szene. Ueber die Landtagssttzung oerbreltet WTD. n. a. noch folgend« Einzelheiten: Abg. Kaiser(D. Vp.) erwidert« auf di« Rede Zeigners, es wäre besser gewesen, dieser 18. Oktober 1923 wäre in der Geschichte Sachsens nicht erschienen: denn heute am Völkerschlachtsgedenktags seien die ersten Anzeichen eines Wiedererwachens Deutschland dem Feinde preisgegeben worden. Die Entente habe es nun nicht mehr nötig, ihre Spionage zu treiben. Richtiger wäre es vom Minister-- Präsidenten gewesen, die Dinge, die er vorbrachte, vor �das be­treffende Forum zu bringen, wo der Reichswehrminister Gelegen- heit habe, seinen Standpunkt zu vertraten. Abg. Beutler(Dntl.) erklärte namens seiner Partei, daß diese sich an einer Debatte über die Erklärungen des Ministerpräsi- deuten nicht beteiligen werde. Sie halte sein« Mitteilungen für offenen Landesverrat. Seine Partei bedaure, daß die Reichsregierung noch nicht Mittel und Wege gefunden Hobe, um gegen diesen Landesverräter vorzugehen.(Ungeheurer Lärm auf der ganz»n Linken.) Abg. Menke ruft, auf den Redner zugehend: Sie sind der erste, der an den Laternenpfahl kommt! Zurufe rechts: Sie kommen daneben! Glocke des Präsidenten, der unaufhörlich den Hammer schwingt. Die Kommunisten schlagen mit Stühlen und Pultdeckeln. Abg. Seyferth(Dem.) stellt fest, daß der Ministerpräsident Dr.'Zeigner gestern schon vor seiner Erklärung Kenntnis davon ge- habt habe, daß die Reichsregierung hinter der Anordnung des Wehr- kreiskommandeurs stehe. Abg. Rammelsberg(Dntl.) gibt ein« Erklärung ab, daß seine Partei angesichts der Ausführungen des Ministerpräsidenrcn an der heutigen Aussprache sich nicht weiter beteiligen werde. Die Deusschnati vitalen verließen darauf den Sitzungssaal. Sapern bricht mit Sachsen . München . 18. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) Die säcbsiiche Regierung hat der bayerischen Regierung die Abberufung de§ Ee- schäftSträgcrS Dziembowski mitgeteilt und gleicksfalls weitere Nachrichten wegen-der Wiederbesetzung der sätsischen Gesandtschaft in Müqchen in Aussicht gestellt. Inzwischen hat die bayerische Regierung das sächsische Kabinett davon unterrichtet, daß sie. solange die Kommunisten in der sächsischen Negierung ver- treten sind, nicht in der Lage sei, den neuen sächsischen Gesandten oder Geschäftsträger zu empfangen. Gleichzeitig hat Bayern seinen Gesandten bei der sächsischen Regierung von seinem Posten abberufen. Kohr unü öie Reichsbehörden. WTD. meldet aus München : Die Po st Verwaltung traf im Dollzug e'ner An- ordnung des Generalstaatskommissars über die Cenehmi- gungspflicht des Versandes von Milcherzeugntssen aus Bayern pengste Maßnahmen, um den unerlaubten Versand dieser Erzeugnisse durch die Post zu unterbinden." Als derVorwärts" seinerzeit das Geheimzirkular des Bayerischen Verkehrsbundes" veröffentlichte, das für den Fall innerer Unruhen"«inen bayerischen Diktator ankündigte und die Reichsbeamten in Bayern schon im voraus auf- forderte, dessen Anweisungen Folge zu leisten, wurde von der Reichsregierung feierlich verkündet, daß Reichsbeamte nur den Anordnungen der Reichsbehörden zu-o folgen hätten.<> DerGeneralstaatskommissar" in Bayern amtiert im Widerspruch zur Reichsverfassu rüg. Ein bayeri­scher AusnahmeMstand besteht nach der Auffassung der Reichs- regierung nicht zu Recht. Deshalb erhebt sich die Frage, ob die Reichspostverwaltung oder irgend eine Reichsbehörde in Bayern Anordnungen dieses rechtswidrigenGeneralstaats- kommissars" auszuführen hat oder ob sie sich nicht selbst des Verfassungsbruches schuldig machen, wenn sie die Abschnürung des übrigen Deutschlands von den bayerischen Lebensmittelquellen unterstützen! was fordert unsere Not von der Schule! In unseren Klassen sitzen unterernährt« Kinder In geflickten Jacken vor zerlesenen und veralteten Büchern. Zu Hause Arbeits- losigkeit, Not in jeder denkbaren Form, Pflichten im Haushalt schon für die Kleinsten. Auf der Straße, in der Bahn, überall: die Preise! die Preise! Das bringen sie im Kopfe alles mit in die Schul«, es füllt ihr Denken, lähmt es, droht allem geistigen Leben dauerndes Erlöschen. Was tun wir Lehrer? Wir übersehen gönnerhaft manches Zuspätkommen, schränken die schriftlichen Arbeiten ein, fordern kaum noch Neuanschaffungen. Und der Fachunterricht geht seinen Gang. Ja, viele meinen, der Zwang des Pensums sei heilsam, und auf den Ernst des Lebenskampfes könne nur frühzeing« Gewöhnung an unbequem« Pflichten vorbereiten: wofür die Schule als Zwangs- zuchtanstalt der gegeben« Ort fei. Und dreißig unterernährt« Kinder m geflickten Jacken stecken ihr« blassen Gesichter ins Buch, ins zer- lefene. Da» ist der Weg, die letzten geistigen Kräfte unsere» Volkes zu erdrosseln! Geisteszwang in der Schule als Vorgeschmack des Lebenskompfes? Vor den Tatsachen verstummt dieses Echo. Das Leben reißt schon jetzt all unsere Kinder in seinen Wirbel; unser Vorbereiten käme zu spät. Nein. Wenn unsere Schulen jetzt nicht Natten freudigen Ge- meinfchastslebens werden, haben sie versagt und dann haben wir Lebrer versogt. Heute noch den ersten Schritt er kostet kein Geld, fordert bloß etwas Mut und Hingabe: Machen wir unsere Jungen und Mädel tüchtig, sich ihre Aufgaben selbst zu stellen! Aber bitte nicht jene beliebten didaktischen Mätzchen, die dem Schüler alsEigenes suggerieren, was der Lehrer fertig von Hause mit- bringt. Bloß die ehrlich aus dem ursprünglichen Interesse des Kindes erwachsende Aufgabe weckt jene Entdeckerfreude, jene alles ander« vergessende Hingabe an di« Sache, die geistiges Leben de- deutet. Also sehen wir zu, welch« Interessen(noch) da sind; lassen wir sie wachsen: seien wir Helfer, nicht Schulmeister.' Furchtbar ernst ist dies« Forderung! Sie will keine neue Me- thode, sondern eine neu« Stellung zum geistigen Wachstum unserer Kinder. Berthold Otto , den das deutsche Volk in LichterfAde verhungern läßt, hat uns seit 39 Jahren diesen Weg« gewiesen: hundert Dersuchsschulen, durch den Umsturz und die Not geboren, bestätigen, daß hier die letzte Rettung unserer geisti- gen Zukunft liegt, unsere Aufbouschule in Neukölln mit ihren 129 Arbeiterkindern so gut wie di« Proletarierschulen in Sachsen und Thüringen , am Rhein und m den Hansestädten. Arbeitsfreude trägt und belebt unser Schassen. Somur wachsen vergntwortungsfähige und selbständig« Menschen. Und nur solche werden die Not meistern.__ Rudolf Z wetz. Heldenhafte Retter beim japanischen Erdbeben. Unter den vielen dramatischen Vorgängen, die sich bei der sapanischen Erdbeben- katastroph« abspielten, wird als besondtrs heldenmüttges Rettungs- wcrk die Tat dreierEngl ander hervorgehoben, die sich in dem englischen Schiffshospital zu Aotohama befanden. Die Unglücklichen, die aus ihren zusammenstürzenden Häusern flüch- tetcn, vetteten sich nach dem englischen Krankenhause, bis etwa ö99 hier auf engem Raum zusammengedrängt waren. Die einzige Mög- Entspannung in Sachsen . In Sachsen ist eine gewisse Entspannung der Lage eingetreten, da General Müller der Ablehnung seines Ulli- matums durch die sächsische Regierung keinerleiSanktionen" folgen ließ, sondern sich wegen weiterer Instruktionen nach Berlin wandte. Hier haben inzwischen die Genossen D i t t- mann, Hermann Müller und Wels beim Reichspräsi- denten vorgesprochen und ihm die Auffassungen des Partei- Vorstandes dargetan, die sich mit den hier dargelegten decken. Man darf hoffen, daß der Konflikt, der durch die törichte Rede des Ministerkommunisten Böttcher entfesselt wurde, auf den Weg des Ausgleichs gebracht worden ist, und diese Hoffnung wird bekräftigt durch einen Brief des sächsischen Ministerpräsi- denten an den General, worin er seine Bereitschaft zu Verhandlungen über die noch strittigen Fragen zum Ausdruck bringt. In zahlreichen Abendblättern ist gestern gemeldet worden, der Schritt' des Generals' fei im Einvernehmen mit dem Ncichspräsidenten, dem Reichskanzler und dem Reichswehrminister erfolgt. Diese Nachricht ist irreführend. Wohl war man an den genannten Stellen der durchaus richtigen Meinung, es ginge nicht an, daß ein Minister heute den Eid auf die Berfassung schwöre und morgen zu gewält- samem Widerstand gegen die Reichsgewalt auffordere, wohl wünschte man, daß diese Auffassung der sächsischen Staats- regierung nahegebracht werden solle, doch ist der famose Brief mit dem Verlangen nach einem öffentlichen Widerruf der sächsischen Regierung und dem befristeten Ultimatum des Generals eigenes Werk. Erfahrenen Politikern wird man wohl nicht zumuten, einen solchen Brief veranlaßt oder verfaßt zu haben.,