Mbenöausgabe Nr. 522 � 40. Jahrgang Ausgabe A Nr. 243
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Zcntralorgan der Vereinigten Qozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Es ist erreicht I Das Wehrkreiskommando V hat's ge» chafst: Endlich bricht sich die Wahrheit Bahn über die Zu» tände an der nordbaizerisch-thüringischen Grenze, dank dem Fernrohr des Generals Reinhard , der von Stuttgart aus die tatsächlichen Verhältnisse in der fraglichen Gegend— 250 Kilometer Entfernung!— einwandfrei festgestellt hat. Endlich ist das Lügengewebe über eine angebliche bayerische Gefahr zerrissen, dafür aber die thüringische Gefahr ins rechte Licht gerückt. Durch die ganze putschistifche Prefle vom„Deutschen Tageblatt" bis zur„Deutschen Allgemeinen" geht ein Sieges- geheill. Alles, was über bayerische Vorbereitungen gemeldet wurde, ist als„aufgelegter Schwindel der füdi- fchen Presse" nunmehr entlarvt, stellt das Wulle-Blatt befriedigt fest, es waren höchstens„Notwehrvorberestungen gegen den Bolschewismus", der in Thüringen drohend sein Haupt erhob. „Die unglaublichen Lügen über Koburg" betitelt die „Kreuzzeiwng die Stuttgarter Wehrlreismeldung, ähnlich die „Deutsche Zeitung":„Die Wahrheit über den bayerischen Auf- morsch.— Gegen die thüringischen Lügen."„Der rote Terror in Tbüringen" überschreibt der„Lokal-Anzeiger" die erwähn- ten Meldungen, während die„Deutsche Tageszeitung" von der„Säuberungsaktion in Thüringen " spricht. Was wir seht in Tbüringen erleben, ist nur die konse- gueilte Fortsetzung der bishmgen Anwendung des militärischen Ausnahmezustandes. Bekanntlich wurde dieser in der Absicht verbängt, die bayerische Ausnahmeverordnung aufzuheben und die Gefahr von rechts; in der Pro x i s wurde er bisher zu mehr als 90 Proz. gegen links ausgeübt und Sachsen war das gegebene Versuchskarnickel. Jet-t kommt eben Thüringen heran. Hier war aller- dings die Sache etwas schwieriger, obwohl auch neuerdings kn Weimar ein Kommunist Mitglied der Regierung ist. Denn im Segensatz zu Sachsen hatte bisher kem„Telegraphen- Union"-Berichterstatter Terrorsälle nennenswerter Art zu melden gewußt. Da mußte also nichts, wirklich nichts bisher passiert sein. Auch nicht das geringste kommunistische Flug- blatt konnte als Vorwand für eine Reichsexekutiv« heran» gezogen werden. Hier mußte eben die Sache anders gedreht werden. Ein Vorwand zum Einmarsch war diesmal nicht nötig, da die Reichsregierung im Einvernehmen mit der thüringischen Staatsregierunz— und sogar auf deren Wunsch— Verstär- kungen zur Abwehr einer bayerischen Offensive hingesandt hatte. Run war die Reichswehr da. Es feblle nur noch der Vorwand, um sie von ihrer eigentlichen Aufgabe, die in den üblichen„klaren Befehlen" von Berlin angegeben war. abzu- lenken. Gottlob, es gab dort noch Hundertschaften, die noch nicht aufgelöst waren. Zunächst muß also„Ordnung" geschaf- fen werden. Und General Reinhard beeilt sich, einzufügen, daß die Mitteilungen über eine Gefährdung der Ordnung von bayerischer Seite„stark übertrieben" sind... Kurz und gut: es ist erreicht! Ein Blinder fühlt, wohin die Reife geht. Wenn erst die Rechtsregierung im Sattel sitzt, dann wird es heißen: Reichs- wehr darf nicht auf Reichswehr schießen. Und so wird die Kahr-Diktatur reibungslos auf das ganze Reich ausgedehnt werden können. Es wird zwar allgemein versickert, General von S e e ck t sei entschlossen zu kämpfen. Wir können aus eigenem Wissen bestätigen, daß er noch vor kurzer Zeit zu kämpfen entschlossen w a r, und zwar nicht nur defensiv, fondern auch offensiv, um d«n Rebellen Lossow zur Räson zu bringen. Auch waren die Befehle, die er der Reichswehr in Thüringen erteilte, ganz Kabmettschung«nü Währungsfrage. Heute nachmittag 4 Uhr wird eine neu« Kabinetts- fitzung über die Währungsfrage stattfinden. Der Reichsfinanzmmister wird hierbei einen bestimmten Plan vor- legen über die Frage derRelationzwischenPapier- mark und Goldanleihe, der eine Beschlußfassung des Kabinetts ermöglichen soll. Der Reichsfinanzmmister hat sich mit zahlreichen Sachverständigen in Verbindung gesetzt und mit ihnen dies« Frage«ingehend erörtert.
Sdperisthe Sorgen.
Mrnberg, 7. Rovember.(231®.) LnlShlich der gestrigen feierlichen Eröffnung der Nürnberg -Fürther Polizei» direktio« erklärte Innenminister Schweyer, die neue Polizeidirektion soll« der Zusammengehörigkeit Nord- und Süd- bayern, Ausdruck geben und ein starkes Bollwerk gegen jene dunklen Kräfte sein, die«ine Spaltung Innerhalb Bayerns anstreben und den ebenso irrsinnigen wie verbrecherischen Gedanken der Errichtung einer Republik Franken verfolgen.
andere? Art, als die jetzt dort ergriffenen Maßnahmen. Aber auch der entschlosienste Mann wird zermürbt, wenn er von den Entscheidungen einer unentschlossenen Regierung, die wochenlang zögert, laviert und verhandelt, abhängig ist. Und viel- leicht gibt es in der verfassungsmäßigen Reichswehr manchen General, der aus h a l b e m W e g e zwischen Geeckt und Lossow steht und der sich im entscheidenden Augenblick darauf be- rufen wird, daß, als N o s k e in der Nacht vom 11. zum 12. März 1920 in der Reichskanzlei Kriegsrat abhiett und „den ganzen Spuk mit ein paar Maschinengewehren zerflat- tcrn" lassen wollte, ein hoher General davon abriet. Wird General v. S e e ck t seinen Untergebenen klar- machen, daß es sich jetzt nicht mehr wie damals darum handeln kann, die ganze Bewegung sich totlaufen zu lassen? • Jnzwischm melden die Sonderberichterstatter verschiedener links- bürgerlicher Blätter Einzelheiten über die weiteren Borbereitungen in Nordbayern, die den„Lagebericht" des Wehrkreiskommandos V ins rechte Licht rücken. So wird der„Vossischen Zeitung" aus Koburg v. a. gedrahtet: „Von einem Abflauen der miNlärlschen Aufmarschbewegung kann gar keine Rcde sein. Das Geschäftszimmer des Sturm- rogimenls des ,5ungÖcut{<l>cn Ordens", das bisher in einem Privat- Hause untergebracht war, ist nach dem Schlosse des früheren Herzogs verlegt worden, well die bisherigen Räum« für den immer größer werdenden Geschäftsverkehr nicht mehr ausreichen. Im Hinterland« werden eifrig Verstärkungen ge- warben. Neu« Gestellungsbefehl« gehen von den Hakenkreuz- verbänden aus und werden auch befolgt. In Bamberg hat der „Wicking", In dem auch der frühere Herzog von Coburg ein« große Roll« spielt, die am Sonntag Eingcttetenen gestern in feier- licher Weise vereidigt. Die Mannschaften wurden vorläufig für vier Wochen fest in Dienst genommen. Für Sonntag wird mit besonderem Eifer ein Deutscher Tag nach Neustadt bei Coburg einberufen. Neustadt liegt unmittelbar an der thüringischen Grenze, nur fünf Kilometer von Sonneberg entfernt. In der Abhaltung dieses Deutschen Tages w der nur von Arbeitern bewohnten Grenzgegend ist eine Pro- vokation schlimmster Art zu erblicken. Dt« Vaterländischen Verbände Thüringens , die in enger Verbindung mit den bayerischen Irregulären stehen, haben die Parole„erhöht« Alarmbereit. 1 ch a f t" ausgegeben." Auch die Berliner„Morgenpost" erklärt nach einer scharfen Kritik der Stuttgarter Reichswehrmetdunxen: Wir wissen nicht, auf welch« Berichte flch die Behauptungen des Wehrkreiskommandos V und leider auch amtlicher Berliner Stellen stützen, daß die Press« den wirklichen Sachverhalt in Nord- bayern übertrieben Hab«. Wir hören von Augenzeugen auch heute wieder, bah die Ausrüstung der in und um Koburg stehen- den Verbände durchweg gut ist, sowohl was di« Waffen wie auch was die Kleidung angeht: Militärpistolen in funkelnagelneuen Lederfutteralen, Karabiner und Jnfanteriegewehr«. Die amtlich« Ziffer von nur 2000 Mann entspreche bei weitem nicht der Wahrheit, well dauernder Zustrom festgestellt werden kann. Aehnlich« Angaben enthält ein Telegramm der„Bolkszeitung" aus Soalfeld. Sacbsenappell an öen Staatsgerichtshof. Dresden , 7. November. (W3W.) Wie die Nachrichtenstelle der Staatskanzlai mittellt, hat die sächsische Regierung wegen des Bor- gehen« der Reichsregierung und des Reichspräsidenten gegen dos Ministerium Z sign er, sowie wegen der Amtsenthebung der bis- herigen Minister durch den Reichskommissar und des Verbotes des Landtagszusammentritts am 80. Oktober, die Entscheidung des Staatsgerichtshofcs über die Versassungsmähigkett dieser Maß. nahmen angerufen.
Der Slaalsrat tritt am Montag, den 12. November, zu einem neuen Tagungsabschnitt zusammen. Zur Beratung steht neben ver- schieden«, kleineren Dorlagen der Gesetzentwurf betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landeskirchen.
Schwarze Devisenbörse. Dollar amtlich«SV MiNiardeu Papiermark. Das von Tag zu Tag schärfer hervortretende Mißverhältnis zwischen den ausländischen Marktursen und den Berliner amtlichen Devisennotierungen beeinflußt das gesamte Börsengeschäft sehr stark. Nach ten letzten amtlichen Notierungen lagen di« Effekten- kurs« in Goidmark, nach dem amtlichen Dollarkurs gerechnet, außerordentlich hoch und größtenteils sogar über den Friadenskursen. Dieser Umstand veranlaßte die Berufsspekulation und auch viele privaten Effcktenbesitzer zu verkaufen. Man Ist bestrebt, ti« am Effektenmarkt erzielten Goldmarkgewinne dadurch sicherzustellen, daß man si« in Waren anlegt oder sich auf Schleichwegen ausllSn- dische Zahlungsmittel beschafft. Es ist ja gar kein Geheimnis, daß die schwarzen Devisen- b ö r s e n in BerLn wie anderwärts in ten letzten Tagen wieder lehr üppig emporgeblüht sind. Zur Umstellung der Effekten auf den Warenbesitz reizen augenblicklich noch ganz besonders die von Tag zu Tag steigenden Goldmarkpreise der Waren. Auch die zunehmend« Geldknappheit veranlaßt Effektenoertäufe. Lebhaft erörtert wird in Börsenkreifen die Frag« einer bald»- gen Umstellung der Effektennotierun gen aus wertbeständiger Basis. Do.» gesamte Bild der heutigen Börsenbewegung ergibt über- wiegend Rückgänge auf der ganzen Lim«. Sogar die aus. ländischen Anleihen hatten erhebliche Kursverluste zu buchen. Der Dollar amtlich 630 Milliarden bei 2 Proz. Repartierung.
Umsturz in öer Mietspolitik. Plane der Reichsregiernng. Aus Hausbesitzerkreisen kommen in letzter Zeit dauernd in Einzelheiten gehende Informationen über angebliche A b- sichten der Reichsregierung auf«ine vollkom- mene Aenderung der bisher durchgeführten M i« t s- Politik, yetzt bringt auch die„Erpreß-Korrefpondenz" eine eingehende Darstellung dieser Pläne, von der man annehmen kann, daß fi« auf zutreffenden Informationen beruht. Als Träger dieser Pläne wird der Reichsarbeitsmini st er bezeichnet, der feine Absichten vor einiger Zeit dem Reichs- kabinett unterbreitet haben soll. Räch der Darstellung der Korrespondenz laufen die Ab- sichten der Regierung auf folgendes hinaus: Es wird erklärt, daß die bisherige Politik bei der Preisbildung versagt habe, und daß es notwendig sei, die Preise der Mieten wieder in ein „natürliches Verhältnis" zum Einkommen zu brin- gen:„Augenblicklich beträgt die Aufwendung für Mieten etwa 1 Proz. des Jahreseinkommens, während im Frieden mit 25 bis 30 Proz. gerechnet wurde. Die Regierung hält die Be- sestigung der Wohnungsnot durch Erhaltung des vorhandenen Wohnraumes und durch Neubautätigkeit für wichtiger als die künstliche Niedrighaltimg der Mieten. Eine endgültige Ueber- führung in die freie Wirtschaft soll erst nach vollständiger Ve- seitigung des Wohnungsmangels erfolgen und bis dahin soll die Mieterschutz, und Wohnungsmangelgesetzgebung aufrecht- erhalten bleiben." Die Mietspreise sollen sich nach den Planen der Regierung auf Grund des Lebenshaltungsindex errechnen, der vorläufig noch nicht in voller Höhe als Multiplikotor angewandt werden soll. Bon dem auf diese Weise erhöhten Mietsaufkommen sollen 20 bis 30 Proz. für die Betriebs- und Instandssetzungskosten. 10 Proz. für den H a u s b e s i tz e r und der Rest als„Haus- gäbe" für allgemeine Zwecke(Reparationen, Wäh- rungszwecke, Förderung der Neubautätigkeit, Zuschüsse für wirtschaftlich schwache Mieter) zur Verwendung kommen. Die Wohnungsbauabgab« würde danach selbstverständlich weg- fallen. Borausgesetzt, daß die Angaben der Korrespondenz in den Grundqügen zutreffen, würde eine Vorlage dieser Art em geradezu ungeheuerliches Attentat auf die Bevölkerung darstellen. Man braucht keineswegs die bisher betriebene Mietspreispolittk für richtig hasten. Die niedrigen Mieten sind— gesamtvolkswirtschaftlich gesehen— vielmehr eine Erleichterung für die Industrie, die auf diese Weise zu billigeren Produttions- kosten und zu größerer Konkurrenzfähigksit gegenüber dem Auslands kommt, als eine wirkliche Unterstützung der minder- bemittelten Bevölkerung oder auch nur der vollbeschäftigten Arbeiter, Deamten und Angestellten. Die Tatsache der niedri- gen Mieten wird bei der Entlohnung in vollem Maße berück- sichtigt. Die Differenz wird restlos zugunsten der Industrie verrechnet. Die Folge dieser niedrigen Mieten ist eine voll- ständig ungenügende Instandhaltung des be- stehenden Wohnraumes und das vollständige Versagen der öffentlichen Neubautätigkeit. Cme Angleichung der Mieten an di« Friedensmiete, wenn diese Angleichung tatsächlich zu einer ausreichenden Renovie- rung und Erhaltung des alten Wohnraumes und zur Gewinnung ausreichender Mittel für Neubauten dienen würde, wäre vom sozialistischen Standpunkt wie auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus gleichermaßen zu begrüßen. Eine solche Angleichung, die man viel früher hätte erstreben sollen, könnte aber nur Schritt für Schritt er- folgen und kann, nachdem man kostbare Zeit für diese unver- meidlichs Reform hat verstreichen lassen, jetzt erst dann er- folgen, wenn auf der Grundlage normalerWährungs- Verhältnisse die Arbeitnehmerschaft wirtschaftlich wieder festen Boden unter den Füßen hat. Der Sinn einer solchen Rückwärtsrevidierung könnte nur der sein, daß die I n d u- st r i e wieder mit den normalen Produktionskosten belastet würde und von einer wirtschaftlich widerstandsfähigen Arbeit- nehmerschaft dazu mit gewerkschaftlichen Mitteln gezwungen werden könnte: Heute, wo die B e r e l e n d u n g der Arbester- massen unter dem Druck der auf ihnen am allerersten lasten- den ungeheuerlichen Inflation ein Ausmaß angenommen hat, das alle Grenzen überschreitet, würde eine solche veränderte Preispolitik bei den Mieten zu den allerschwer st en so- zialen Erschütterungen führen. Die psychologisch be- ruhigenden Wirkungen, die unter Uniständen von einer er- folgreichen Abkehr von der Papiergsldwährung ausgehen können, müßten angesichts einer solchen neuen Belastung und der dabei unvermeidlichen starten Erregung vollständig ver- loren gehen. Der Moment für eine solche Reform ist also so ungünstig wie möglich gewählt. Davon abgesehen, geht aber aus den vorliegenden Mit- teilungen hervor, daß die Regierung gar nicht die Absicht hat. die durch die Erhöhung der Mieten gewonnenen Mittel dem Wohnungsmarkte in erster Linie zuzuführen. In den Plänen wird nichts davon gesagt, werdieKontrolle über die Perwendung der für Reparaturen vorgesehenen 20 bis 30 Proz. vornehmen soll. 10 Proz. für den Hausbesttz würde«in« vollkommen unberechtigte und enorme Bereicherung des Hmisbesitzes bedeuten. Während alle anderen Schichten der Bevölkerung ihre früheren Goldreserven durch die Markentwertung verloren haben, würde hier für den Hausbesitz eine Ausnahme geschaffen Roch viel unannehmbarer ist aber die Absicht, die darüber hinausgehenden Prozent- sätze, den sogenannten„R e st", w der Form einer„Hausgabe"«