Abendausgabe
Nr. 530 40. Jahrgang Ausgabe B fir. 267
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
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Montag
12. November 1923
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Hitler verhaftet.
fammenstoß erfolgte. Er warf sich aber, sowie der erste Schuß fiel, fofort auf den Boden und blieb unbeweglich liegen, als seine Leute bereits die Flucht ergriffen hatten. Ein Reichswehrcffizier, der auf ihn zutrat, hielt ihn zunächst für tot. Als er jedoch bemerkte, daß der am Boden Liegende noch lebbe, sagte er: " Herr General, Sie sind verhaftet!" Ludendorff erhob sich nun und ging gutwillig mit.
München , 12. november.( Eigener Drahtbericht.)| Karl Marg ehrenvoll, immerhin ist es für Herrn Strese-| Erfindung. Ungefähr das Gegenteil ist richtig. Der General bes Hitler wurde am Sonntagabend in Uffing am Staffelfee mann ein Blüd, daß er nicht mehr lebt, denn er tonnte fand sich tatsächlich an der Spiße der Hitlertruppen, als der Zu ( an der Bahnlinie München- Garmisch- Partenkirchen, Bezirk äußerst boshaft sein. Wellheim ), wo er fich in einem Haufe aufgehalten hat, ver. haftet. Er fügte sich der Verhaftung ohne Gegenwehr und wurde nach Landsberg am Led) abgeführt, wo er gefangen gehalten wird. Die Tatsache der Verhaffung wurde vom Begirlsamt Weilheim bestätigt, während das Generalftaafskommissariat die Nachricht dementiert, An ihrer Richtigkeit ist aber nicht zu zweifeln.( Auch WIB. bestäligt sie. Red. d. B.") Hitler verhaftet! Was wird mit ihm geschehen? Nach bem der Generalstaatsfommiffar v. Kahr , der verfassungswidrige Inhaber der vollziehenden Gewalt, ihm soeben in einem neuen Aufruf sein reines und großes Wollen" bescheinigt hat vorgestern hieß es noch unverstand und Tüde" nachdem Ludendorffs„ Schutzhaft" zu einer Ehrenhaft" verwandelt worden ist, wird nichts anderes übrig blei ben, als auch Herrn Hitler eine Ehrenwache zu stellen.
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In Landsberg sigt übrigens auch Eisners Mörder, Graf Arco. Er bewohnt nämlich in der dortigen Feftung ein reizendes Heim, dessen elegante Einrichtung fürzlich in unserer Sonntagsbeilage zu sehen war.
In Berlin waren heute früh Gerüchte über neue Straßentämpfe in München verbreitet. Sie sind nicht richtig. Dennoch bleibt die Lage in Bayern und im Reich so un geflärt mie möglich.
Herr Stresemann ist aber trotzdem sehr stolz, baß sein Kabinett nie„ marristisch" war. Hatten doch die Margisten" verlangt, daß der bayerische Sauftall noch rechtzeitig aufs geräumt werde, und er hatte sie fieber gehen lassen, damit es nicht so aussehe, als handle er unter marristischem Druck" Jetzt steht Herr Strefemann nicht mehr unter margisti schem Druc", und die Welt wartet, wie er feine Handlungsfreiheit ausnutzen will, um in Bayern Ordnung zu schaffen. Wir fürchten aber, ba tann sie lange warten, denn in dem Augenblid, in dem er zu handeln beginnt, ist ihm der Dolch ftoß von hinten" aus dem Lager seiner eigenen Partei gewiß. Handelt er aber nicht, so hat er von den Sozialdemo traten alles andere als Freundlichkeiten zu erwarten.
Herrn Stresemann ist es als Fraktionsführer jahrelang gelungen, eine innerlich auseinanderstrebende Partei mit rhetorischen Formulierungen zu'ammenzuhalten. Daher der Irrtum, den er jetzt als Reichskanzler begeht, da er glaubt, innenpolitisch ließe sich alles durch Kompromisse meistern, Er wird sich davon überzeugen müssen, daß es auch der gewandtesten Bunge nicht gelingt, mit etwas Redefpeichel Gegenfäße zusammenzuleimen, die filometerweit auseinander tlaffen.
mir noch mit Ja oder Nein. Herr Stresemann wird fagen Es geht nicht mehr mit Einerseits- Andererseits, sondern Herr v. Rahr hatte am Sonnabend einen Anfall von Herr v. Kahr hatte am Sonnabend einen Anfall von müffen, wie er fich zur Kahr - Wirtschaft und ihren deutschnatis Selbsterkenntnis; er sagte zu Bressevertretern, er febe ein, nalen fomie poltsparteilichen Anhängern stellt. Er wird fagen daß er das Vertrauen weiter Kreile verloren müffen, was bie Deutsche Republik von ihm zu erwarten hat. habe. Am Sonntag aber hatte er die fleine Schwädje fchon Er wird fagen müffen, ob er in Bayern Ordnung machen will wieder überwunden, und fuhr fort, hocytrabende Aufrufe oder nicht! über seine deutsche Mission zu veröffentlichen.
Trogdem ist es schwer, sich einen Hund porzustellen, ber von diesem Mann noch einen Bissen Brot nehmen fönnte. Das Trejben der hinters Licht geführten und geschlage nen hitlerianer ist lächerlich und läppisch. Aber es ist verständlich, daß sie gegen Rahr eine echt bayerische Biechs. mut" haben und daß der unparteiische Teil der Münchener Bevölkerung das Berhalten Kahrs noch efelhafter findet, als bas ihre
Herr v. Kahr , der bajuvarische Nationaldiktator mit der deutschen Mission, der sich in einem anderen Raum vergewal.
bigen ließ, weil er bas Schießen nicht vertragen fonnte, it
Wie Ludendorff verhaftet wurde. München , 12. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die Be hauptung verschiedener Blätter, Ludendorff habe an der Spige feiner Kampftruppen den Helbentod gesucht, beruht auf freier
Natürlich erwiesen sich dann auch die Gerüchte von seinem Selbstmord als unbegründet. Ludendorff befindet sich in sogenannter Ehrenhaft", d. h. er darf seinen Aufenthalt wählen, wo er will, wird aber überwacht.( Damit ihm nichts passiert und damit er rechtzeitig entwischen fann. Red. d. V.)
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Noch immer Erregung in München .
München , 12. November. ( WTB.) Die Erregung in der Stadt war auch am Sonntag noch nicht im Abflauen. In den Straßen, besonders in der Altstadt, wogten aufgeregte Menschen. massen hin und her. In der Nähe des Karlsplates bildeten sich größere Anfammlungen. Auf dem Königsplatz hatten sich mittags große Gruppen von Studenten eingefunden, die unter Abfingen patriotischer Bieber zum Bahnhof zogen. Auch andere Straßen wurden von Studentengruppen durchzogen. Die Vorfälle fonnte die blaue und grüne Bolizei die Ordnung aufrechtder legten Tage wurden überall erregt besprochen. Im allgemeinen erhalten, menn fie auch verschiedentlich gegen die Ansamm fungen einen schweren Stand hatte. Nach den bisher vorliegenden Meldungen brauchte die Reichswehr bis zum Abend nirgends ein. greifen. Man maßgebender Seite wird mitgeteilt, daß der General Staatsfommiffar, die Regierung und die Reichswehr über die notwendigen Maßnahmen einig sein. Es wird als selbstverständlich be zeichnet, daß der frühere Kronprinz Rupprecht den Hitler- Butsch entschieden verurteile. Die Beerdigung der Opfer bes legten, Sufammenstoßes zwischen Reichswehr und Nationalsozialisten bei der Residenz soll am Montag stattfinden.
Der Berliner Buchdruckerstreik.
Verordnung gegen den Notendruckerstreik. General v. Geeft, als Inhaber der vollziehenden Gewalt, folgende Verordnung erlassen:
ein erledigter Mann. Sein schleunigstes Berschwinden von der Bildfläche liegt im Interesse des deutschen Ansehens. Sein Fall gehört nicht mehr der Politit, sondern der gebat richtlichen Untersuchung, wobei gegen die Su ziehung pinchiatrischer Sachverständiger nichts eingewendet werden soll.
Die gerichtliche Untersuchung wird sich auf die Frage zu beziehen haben, was er mit den Butschisten verhandelt hat. Nach feinen eigenen Geständnissen war er noch ein paar Stun. ben vor dem Put'ch mit den Putschiften über die Ziele ganz einig, und unmittelbar nach dem Butsch das war die berühmte Bergewaltigung in einem anderen Raum" hat er mit ihnen noch einmal verhandelt. Diele Verhandlung bauerte eine geschlagene Stunde.
Es ist notwendig, aufzuflären, was in dieser Stunde von ben Ehrenmännern beider Fakultäten zum Wohle Bayerns und ganz Deutschlands verhandelt worden ist. Insbesondere ist die Frage zu untersuchen, wieso der arme Ludendorff ein 3rregeführter" ist. Hat er den ehrenvollen Titel eines Chefs der deutschen Nationalarmee" von Hitlers Gnaben erft an genommen, nachdem Kahr die beutfche Reichsverweserschaft" angenommen hatte? Das würde feiner Natur, wie fie fich schon im Kapo- Butsch offenbarte, durchaus entsprechen, denn biefer große General ist immer nur dann unvorsichtig, wenn es um das Leben anderer geht, aber von größter Behutsamfeit, wo es sich um das eigene handelt. Denn:„ Leben. bleiben wie das Sterben für das Vaterland ist füß!"
1. Die Arbeitsnieberlegung in allen Anlagen und Betrieben zur Erzeugung von Banknoten, ertzeichen und solchen Materialien, die zu ihrer Herstellung erforderlich sind, wird verboten.
2. Die Arbeitnehmer derartiger Betriebe, welche bie Arbeit niedergelegt haben, fordere ich auf, die Arbeit am Montag, den 12. November, um 7. Uhr vormittags wieder aufzunehmen,
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wir verweisen mur auf
Besprechungen des Reichsarbeitsministers zu bekommen, und die Richtlinien dann darf sie sich über die Empörung der ausgehungerten Arbeiter nicht wundern. Mit dem Gefängnis löst man solche Fragen nicht.
Erhöhte Geldflüssigkeit.
Heraufsetzung des Devisenkurses.
Die Börse wurde bei Beginn der neuen Woche angenehm 3. Zuwiderhandlungen werden unabhängig von sofortiger überrascht durch eine außerordentlich große Geldflaffigteit Entlassung gemäߧ 4 der Verordnung bes Reichspräsidenten vom Die Eäge für tägliches Geld, die am Sonnabend noch zwischen 30 26. September 1923 bestraft. bis 40 Broz. lagen, gingen heute bei sehr reichlichem Angebot auf 4. Wer Arbeitswillige und Bersonen, die Arbeiten zur Auf- 10 bis 12 Broz. herunter. Die Ursache dieser Entwicklung ist darin rechterhaltung der vorgenannten Betriebe verrichten, sowie deren zu fuchen, daß die Reichsbank und der Kaffenverein heute bedeu Familienmitglieder und Haushaltsangehörige mit Gemalt oder burch tende Geldbeträge zur Verfügung stellten, die be Bontott bedroht oder zu solcher Bedrohung auffordert, reits in der Borwoche angefordert waren. Außerdem war ja auch 5. mer in Wort oder Schrift oder durch andere Maßnahmen die bie scharfe Versteifung in der vergangenen Woche durch die plöz. Stilegung berartiger Betriebe, insbesondere die Schädigung ihrer liche Lieferung rüdständiger Bosten Goldanleihe, die sofort bezahit Anlagen ober Leitungen zu fördern oder herbeizuführen sucht, werden mußten, entstanden. Diese Geschäfte sind jeßt abgewickelt. A Die innerpolitische Lage wird auch heute von der Börse sehr ruhig beurteilt, obwohl aus München und Nürnberg noch immer alarmierende Nachrichten kommen. Angesichts der in den letzten Tagen eingetretenen scharfen Steigerung der in. ländischen Warenpreise rechnete man heute in Börsentreisen von vornherein mit einer Neuordnung der amtlichen Depifenturfe, die in einem allzu fühlbaren Gegensatz zu der tatfächlichen Kauffraft der Mart im Inlande standen. Man nimmt an, daß im Laufe dieser Woche noch beträchtliche Erhöhungen der amtlichen Notierungen erfolgen werden und zwar in der Weise. baß fich immer abgerundete Goldmarkfurse von 200 bis 250 uf. Mart ergeben, um der Geschäftswelt den Uebergang zur Goldmarfrechnung zu erleichtern.
Wer diese Verordnung beschädigt, abreißt oder beseitigt, wirb gleichfalls nach§.4 der Verordnung des Reichspräsidenten vom 26. September 1923 bestraft. p. Seedt.
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Zu dieser Verordnung ist zu bemerken, daß sie nur eine Wiederholung einer bereits erlassenen und seitdem noch Sicher ist nur fo viel: Dank der Tüchtigkeit des Kahr ist nicht aufgehobenen Berordnung ist. Der Streit wäre sicher die Ordnungszelle München ein einziges Narrenhaus. Nur lich vermieden worden, wenn das Bersprechen des die Reichsgewalt fann noch Ordming schaffen. Reichsarbeitsministers, daß für die am 2. NovemWie aber steht es mit der Reichsgewalt? Herr Stre'eber abgelaufene Lohnwoche eine Nachzahlung erfolgen mann hat in Halle eine Rede über alles und noch einiges müsse und daß für die Woche vom 3. bis 9. November eine andere gehalten; um bie brennende bayerische Frage der Teuerung entsprechende Aufwertung der Löhne er aber ging er herum, wie die Rahe um den heißen Prei. folgen würde, in dem Schiedsspruch, der im ReichsarbeitsKein Wunder, da er feine eigene Partei nicht mehr hinter minifterium gefällt wurde, auch eingehalten worden ich hat. Die Boftspartei will fa durchaus bie Deutfchwäre. Diese Löhne bleiben noch weit hinter der unzuläng nationalen in die Regierung mit hineinziehen, jene lichen, von der Teuerung überholten Reichsinderziffer zu Deut'chnationalen, die auch heute noch feft und treu hinter rud. Allein nach der Reichsinderziffer hätte der Lohn in der Herrn v. Kahr ftehen soweit ihnen Hitler und Ludendorff Woche bis zum 2. November nicht 700, fondern 884 milliar ben, und in der Woche vom 3. bis 9. November nicht 31, nicht noch fieber sind. Darum hat es herr Stresemann vorgezogen, fich fachver- fondern 5,2 Billionen betragen müssen. Aber selbst diese ständig mit dem Marrismus zu beschäftigen, indem er völlig ungenügenden Inderlöhne find den Buchdruckern durch behauptete, der brave Herr Karl Marr würde seine Ideen. den Schiedsspruch im Reichsarbeitsministerium vorent felber auf die heutige Reit nicht anwenden wollen, wenn er halten worden. Wenn die Regierung nicht imftande ist. noch lebte. Dieses posthume Wohlverhaltungszeugnis ist für von den ihr nachgeordneten Stellen eine Einlösung ihrer
An der Effetten börse wurde die Tendenz von der Ber. flügung des Geldmarktes und von der Erwartung höherer Devisenturfe beträchtlich beeinflußt. Es trat eine außerordent( ich rege Nachfrage hervor, die faft auf der ganzen Linie zur Berdoppelung der Effektenturse führte. Besonders gesucht waren weftdeutsche Werte, im Hinblick auf den am Sonnabend zustande gekommenen deutsch - franzöfifchen Eisenbahnvertrag, der die baldige Bieberherstellung normaler Berkehrsverhältniffe im westlichen Induftriebezirt erwarten läßt. Auch an die heute erneut aufgenomme nen Verhandlungen der Ruhrindustrie mit der Micum fnüpft man weitgehende Heffnungen. Der Berliner Segerstreit, ebenso die Stillegung der Reichsbruderei blieben ohne größeren Einfluß auf die Börsentendenz