leitet, um am 15. November mit der Auszahlung von Löh- n e n in diesem neuen Geld beginnen zu können; zuerst werden es Reichs- und Landesbeamte und andere Arbeitnehmer der Behörden erhalten. Man wird vorläufig wahrscheinlich eine Quote von 3V Proz. der in Betracht kommenden Löhne und Gehälter in wertbeständigem Geld zur Auszahlung bringen lönnen, und man beabsichtigt, diesen Anteil von Woche zu Woche zu steigern. In Kurze sollen auch Rentenpfennige ausgegeben werden, von denen die Stücke von 1 und 2 Rentenpfennigen aus Kupfer, die höheren Einheiten aus Aluminiumbronze her- gestellt werden. Die Münzen haben ungefähr das Aussehen der Scheidemünzen der Vorkriegszeit. Mit der Ausgabe der Rentenmark hört die Ausgabe un- gedeckter Papiermark auf. Damit ist noch nicht gesagt, daß die Notenpresse ganz zum Stillstand kommt. Die Reichsbank hat vielmehr bei der Abänderung des Bankgesetzes das Recht behalten, Papiermark weiter zu drucken, jedoch unter Jnne- Haltung bestimmter Deckungsvorschriften. Trotz der schlechten Erfahrungen, die man bei Ausgabe der Goldanleihe gemacht hat, steht der Umrechnungs- kurs für Papiermark in Rentenmark noch nicht fest. Man hat noch immer nicht gelernt, daß ein solcher Zustand dazu führen muß, daß das gute Geld gehamstert wird und aus dem Verkehr verschwindet/ Wir verlangen, daß man ohne Verzug das Versäumte nachholt, zumal die Reichsregierung selbst die Notwendigkeit eines festen Umrechnungskurses der Papier- mark nach dem Fortfall der Ausgabe ungedeckter Noten ein- steht. Eine wesentliche Schwierigkeit für die Ausgabe der Ren- tenmark war der Umstand, daß die Besatzungsmächte die Ein- fuhr dieses Geldes ins besetzte Gebiet nicht zulassen wollten. Es verlautet jetzt, daß die Besatzungsmächte ihren Widerspruch aufgegeben haben. Wenn diese Mel- düng zutrifft, so wäre das sehr zu begrüßen, weil die Zu- lassung wertbeständigen Geldes im besetzten Gebiet endlich den Bergarbeitern bei der Wiederaufnahme ihrer Arbeit eine wertbeständige Entlohnung möglich machen würde. Auch den partikularistischen Tendenzen könnte damit entschieden ent- gegengewirkt werden. Das Projekt der Aufrichtung einer rheinischen Notenbank würde damit zumindest überflüssig. Mit der Einführung der Rentenmark ist erst eine Etappe auf dem Wege zur Gesundung der Währung er- reicht. Das Ziel muß die Wiederaufrichtung einer echten Goldwährung, die Schaffung durch Gold gedeckter Noten sein. Durch Nentenmark und Rentenbriefe wird die schwebende Schuld des Reiches fundiert und allmählich annulliert. Die Reichsfinanzen haben noch eine Galgenfrist zur Umstellung. Wenn diese Frist nicht richtig und entschieden aus- genutzt wird, so wird auch die Rentenmark ins Glei- ten kommen; ein neuer Raubzug auf Arbeitseinkommen und Verbrauch, eine neue Privilegierung des Sach- besitzes und der Spekulation wären die Folgen. Eine weitere Folge wäre aber auch, daß jeder Persuch, eine cnd- gültige Währungsreform anzubahnen, von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre, weil die Welt einem mehrfach ban- kerotten Schuldner niemals so leicht wieder Vertrauen schen- ken könnte. Die volle Verantwortung für das Ge- deihen dieses Versuches trägt der Reichsfinanzmi- n i st e r. Das muß ihm in der Geburtsstunde der Rentenmark mit aller Eindringlichkeit gesagt werden. Der Reichshaushalt in Golü. Der Finanzpolitische Ausschuß des Vorläufigen Reichs- wirtschaftsrats nahm auf Ersuchen des Reichsministers der Finanzen Stellung zu der Frage, ob und unter welchen Voraus- fetzungen beim Zustandekommen einer stabilisierten Wirtschaft und einer wertbeständigen Währung ein in sich balancierender Etat in Goldmark aufgestellt werden bann. Eine Unter- suchung des Reichsfinanzministeriums kommt in dieser Hinsicht zu einem Dauerbedarf für 1320 von 810,' für 1921 von 1199 und für 1922 von 1479 Goldmillionen. Für den zukünftigen Dauerbedarf legt die Denkschrift eine Summe von rund 1299 Goldmillioncn'und unter Berücksichtigung verschiedener Umstände einen Betrag von
Mit öer Wünschelrute. Woche für Woche durchwandere ich die Stätten, wo Beine schwingen und Gewänder flattern— mit der Wünschelrute ua-h der Quelle der VerjünZung suchend. Nach dem Jungbrunnen des neuen Geistes und des neuen großen Stils, den die bildende Kunst sich bereits geschaffen hat und den der T a n z den darstellenden Künsten geben soll. Denn dies ist der Gang der Entwicklung: Wie Malerei und Plastik in der ungcgenständlichen Architektur, so gipfeln die Künste der Szene in der rein gefühlsmäßigen Ausdruckskunst des Tanzes. Als Einzel- oder Reigentanz, mit oder ohne Musik- und rhythmische Sprechchor-Beglcitung ist er berufen, uns das große volkstümliche Bühnenkunstwerk zu bringen, das die Feste der Zu- kunft beglänzen und beschwingen soll, das Leid und Lust, Bangen und Sehnen, Zorn und Andacht eines befreiten Voltes spiegeln und widerklingen soll im großen Wundertäter Rhythmus. In dem- selben Wundertäter, der den Lauf der Weltkörper regiert und das Pochen der Pulse, der in Kunstwerks Form die Herzen der Volks- genossen zu gleichem Schlage eint und die Seele des Volkes mit der Weltseele in eins zusammenströmen läßt. Der neue Stil wird kommen. Ihn zu suchen durchwandere ich Woche für Woche mit der Wünschelrute die Stätten, wo die Beine schwingen und die Gewänder flattern. Schwechten-Saal. Fräulein Marion Herrmann aus Duisburg , ein Sproß vom Stamme der Bora, formt mit Rumpf, Arm und Bein gotische Linien. Vermutlich um die Finsternis des Mittelalters anzudeuten, bleibt die Bühne fast immer verdunkelt. Man steht wenig. Was man sieht, ist eine Folge von Posen und Attitüden, die den Maler und Plastiker reizen können. Aber die Rhythmik der Malerei und Plastik hat ihre eigenen Gesetze und ein Sichwinden aus einer Modellpose in die andere ist noch kein Tanz. Außerdem trägt gotischer Geist doch ein etwas anderes Gepräge als der Geist, der in Fräulein Herrmann aus Duisburg wirksam ist. Gotik ist visionäres Schauen, weltvergessene Verzückung, ekstatischer Rausch. Fräulein Herrmann gestaltet die Gotik so um, wie der moderne Möbelfabrikant gotisch« Schränke und Truhen für die bürgerlich« gule Stube umgestaltet. Sie bringt beherrschte Der- zückung, wohltemperierte Extase, Visionen einer höheren Tochter. Und schließlich: der gotischen Kunst war das Verrenken der Glieder nicht Selbstzweck; sie deformierte den menschliclien Körper, weil nicht Nach- ohmung der äußeren Natur, sondern gesteigerte Ausdruckskraft der reinen Kunstmittel, der Linie und Form, ihr Ziel war. Von solcher Reinigung und Durchgeistigung der Ausdrucksmittel war bei Fräu- lein Herrmann nichts zu spüren. Man vergaß nie, daß man eine Tänzerin aus Fleisch und Bein vor Augen hatte, und man hatte oft das bang« Gefühl, sie könne sich bei ihren Evolutionen was ver- knaxen. Aus solcher Gotik fließt uns der Jungbrunnen nicht. Blüthner -Saal. Zweiter Abend des Fräuleins Leni Riefen stahl. Ich Hab« seinerzeit über das Debüt berichtet und hatte damals den Eindruck, daß die ungewöhnlich hohen Erwar- tungen, zu denen der erste Teil des Programms berechtigte, im zweiten nicht erfüllt wurden. Da erhielt ich die Kunde, daß in München , wo die Novize sich einige Tage vorher gezeigt hatte, gerade dieser Teil die stärkste Wirkung getan habe. Also wallfahrte ich zum zweiten Zlbend, aus Pflichtgefühl, ohne allzu große Er- watttmgen. Und wurde auf das Wunderbarste überrascht. Ob äußere Hindernisse, wie man erzählte, oder Befangenheit der jungen
2,2 bis 2,4 Goldmilliarden zugrunde. Die etwaigen Besoldungs- Zuschüsse an die Länder und Gemeinden dürften eine weitere Gold- Milliarde beanspruchen. Diesem Ausgabebedarf gegenüber steht nach vorsichtigster Einnahmeschätzung bei stabiler Wirtschast ein Betrag von 3,1 Milliarden Goldmark, so daß der Haushalt nur mit den größten Steueranstrengungen im Gleichge- wicht gehalten werden könnte. Ein Vertreter des Reichs- finanzministeriums erklärte dazu, daß dies« Aufstellung kein ab- schließendes Urteil, sondern lediglich den Anstoß zu einer ernst- haften Prüfung der Frage geben solle. Der Ausschuß gelangte zu der übereinstimmenden Auffassung, daß es eine selbstverständliche Notwendigkeit ist, daß ein in sich balancierender Etat schon jetzt in Goldmark aufgestellt wird. Die in der Debatte aufgetretenen An- sichten über die zur Balancierung des Etats erforderliche Durch- führung der Deckungs- und Steuerreform solle dem Reichsfinanz- minister vorgelegt werden._ Der neue Kurs. Wir haben bereits mehrfach auf die Gefahren hingewiesen, die sich insbesondere auf dem Gebiete der Außenpolitik aus dem Eintritt des Herrn Dr. Iarres in das Strefemannfche Rumpfkabinett ergeben haben. Nachrichten aus dem besetzten Gebiet bestätigen, daß diese Besorgnisse dort, wo man seine Tätigkeit als Oberbürgermeister in Duisburg genauer kennt, durchaus geteilt werden. Wie die„Frankfurter Zeitung " aus Köln meldet, fragt man sich in weiten Kreisen des besetzten Gebietes, ob die politische Auffassung des Herrn Iarres mit der von dem Kabinett bisher betriebenen Politik in Einklang gebracht werden soll. Seit der Einstellung des passiven Wi- derstandes gehört nämlich Dr. Iarres zu den Politikern, die mit der offenen oder versteckten Loslösung des Rheinlandes von Deutschland als mit einer unabwendbaren Tatsache rechnen und die die französische Rheinlandpolitik dadurch parieren zu können glauben, daß die Regierung die Verantwortung für das besetzte Gebiet Frankreich zuschiebt. Auch unser Kölner Parteiblatt, die „Rheinische Zeitung ", wendet sich scharf gegen den Eintritt des Herrn Iarres in das Kabinett, dessen Politik dadurch noch mehr nach rechts getrieben wird. Es scheint überhaupt, daß der neue Reichsinnenministcr sein Amt nur unter der Voraussetzung einer vollkommenen Aenderung in den bisher auf Verständigung eingestellten Kurs der Außenpolitik angetreten hat. Wie der„Sozialdemokra- tische Parlamentsdienst" meldet, hat er bereits in seiner am Dienstag vor den Beamten des Innenministeriums gehaltenen Antrittsrede mit dem„vorübergehenden" Verlust des Ruhr- gebiets" gespielt und zum Trost auf die dereinst wiederer- stehende„Sonne " verwiesen. Es bestätigt sich also, daß Herr Dr. Iarres, wie im besetzten Gebiet befürchtet wird, auf eine offene oder versteckte Loslösung des Rheinlandes von Deutsch - land hinarbeitet und in unbegreiflicher Verblendung eine Po- litik fördert, deren Gefahren für den Bestand der Republik wie für die Interessen des deutschen Volkes offensichtlich sind. Die Rechtsschwenkung des Kabinetts auf außenpolitischem Gebiet hat in Verbindung mit dem völligen Persagen der Reichsregierung gegenüber den Rechtsputschisten in Bayern , insbesondere gegenüber dem Hochverräter Luden- dorff, im Auslande eine Stimmung geschaffen, die alles we- Niger als günstig für Deutschland ist. Mitgewirkt hat hier auch die Rückkehr des Exkronprinzen, die einen neuen Gefahrenherd für die innere lind äußere Politik Deutschlands geschaffen hat. Selbst in England sind dadurch die Sympathien für Deutschland stark vermindert worden. In Frankreich jedoch wird die Haltung der Regierung gegen- über Ludendorff und dem Exkronprinzen nicht nur von einer geschickten Propaganda in weitestgehendem Maße verwertet, sie wird auch von der linksstehenden Presse in schärfster Weise bekämpft. So schreibt die„Ere Nouvelle", die seit Jahr und Tag einen mutigen Kamps gegen den französischen Militaris- mus führt, Frankreich dürfe nunmehr nicht damit zögern, die sofortige Entwaffnung der Banden der deutschen Wallen- steine zu erzwingen. Jede Armee diesseits der Grenze des Deutschen Reiches sei eine Armee des deutschen Nationalis- mus. Die Soldaten folgten blindlings ihren Führern, und
Künstlerin das restlose Auswirken seelischer Vertiefung damals hemmten, weiß ich nicht. Jedenfalls kam jetzt alles unvergleichlich stärker, voller und freier heraus. Und zarte, stimmunggebende Einzelheiten,'die damals verloren gegangen waren, überglänzten die Vorführungen mit einem Zauber von Schönheit und Poesie. Aber, sagte ich mir, vollendete Technik, Temperament, Phantasie, Jugend, Grazie— das find Dinge, die bezaubern und bestechen. Und ich dachte an die Wigmann, an den Schülerreigen der.Jffatschenko und anderes. Da stutzte ich— einmal, zweimal. Bei der„Symphonie" war es und bei der„Traumblllte"(bei dieser besonders in der Wiederholung). Es war eine Offenbarung. Neuland! Eine fast völlige Entmaterialisierung der Kunstmittel mar hier'erreicht. Ich sah nicht mehr Gewänder und Körperformen, sondern erlebte den reinen Rhythmus beseelter Linien und Farbformen. Alles Erd- gebunden«, Gegenständliche, Pantomimische schwand, man fühlte sich in die Höhe der absoluten Kunst entrückt. In diesen beiden Schöpfungen kam die Künstlerin dem Ziel ganz nahe, auf das der Entwicklungsgang der modernen Tanzkunst gerichtet ist und nach dem ihre berühmtesten Kolleginnen bisher vergebens strebten. Hier sprudelte die gesuchte Quelle, hier strömte der Jungbrunnen. Wenn auch nock nicht machtvoll, überschäumend und fortreißend, so doch zielklar, lauter und siegesgewiß. Bleibt(trotz der blendenden Publi- kumserfolge und eines verwirrenden Pressetamtams) ihr ernster Kunstwille wach und wirksam, so kann uns diese junge Berlinerin, davon bin ich überzeugt, die Erfüllung dessen bringen, was wir vom Tanz der Zukunft hoffen: den neuen Geist und den großen Stil. Philharmonie. Uraufführung der dramatischen Tanz- folge„Der Aufschrei", getanzt von Jutta Klamt und den Mitgliedern ihrer Tanzgruppe. Eine choreographische Dichtung, bei deren Schöpsung der Tanz das Primäre war, Musik und ge- sprochenes Wort sich dienend anschlössen. Tanz und Musik steigern sich aneinander, wi« bei den Aufführungen primitiver Völker. Di« Wirkung ist stark, tief, elementar. Einprägsame Bilder: Am Anfang das geballte Chaos„Masse Mensch", dumpf brauend, sich lösend. gliedernd, mit schrillem Lachen auseinanderfahrend, zueinander fließend, gegeneinander anprallend. Und zum Schluß das„Laster", wie es triebhaft tändelnde Jugend lockt, beglückt, verdirbt, ver- nichtet. Gegenüber den oft grandiosen Massenwirkungen ver- schwindende Einzelleistungen. Das Ganze derselbe Versuch, den hier vor kurzem Laban mit untauglichen Mitteln unternahm. Das wesentliche gelang: Die Ueberleßung ins reine Gefühlsmäßig« und der klare Rhythmus bewegter Massen. Ungelöst blieb das Problem, Bühnenbild und Tänzergruppen zur Einheit zu verschmelzen. Auch konnte das gesprochene Wort gegenüber dem Eindruck des Ge- schauten nicht recht zur Geltung kommen. Hier wäre vielleicht«in Sprechchor am Platz gewesen. Alles in allem:;■ Auch dies ein Schritt zum Ziele. _ John Schitowsti. Große BolkSoper. Die Erstaufführung von.Carmen" sindet am A>. November statt. Musikalische Leitung: Eugen Szenkar . Spiel- leitung: Alexander d'Anial. Die vollständig neuen Dekorationen und Kostüme werden nach Entwürsen von HanS Strohbach hergestellt. Professor Gothci« gestorben. Die erst setzt bekannt wird, ist der VolkSwirtschastler an der Heidelberger Universität, Vrofessor Dr. Eberhard Gothein , am Sonntagabend in Dahlem an der Grippe gestorben. Die Buchhändlerschlüsielzahl beträgt ab 15. 392 Milliarden Mark.
diesen sei jede republikanische Gesinnung fremd. Herr Strese- mann habe, als er die Sozialisten aus der Regierung drängte und das demokratische Regime in Sachsen und T h ü r i n- gen vergewaltigte, feine Wahl getroffen. Von �hm könne man nicht erwarten, daß er die Truppen zum Schutze der Demokratie verwende. Wenn ein linksgerichtetes Blatt so schreibt, so kann man sich leicht vorstellen, wie die Presse des„nationalen Blocks" in Frankreich über die immer deutlicher hervortretende Rechts- fchwenkung der deutschen Politik urteilt. Ihre Haltung be- stätigt die Richtigkeit des Urteils der„Ere Nouvelle":„Wenn Herr Stresemann es darauf angelegt hätte, dem schlimmsten französischen Imperialismus in die Hände zu arbeiten, dann hätte er nicht anders handeln können." Wir haben diesen! Urteil nichts hinzuzufügen. Was wird aus dem Rheinland ? käla. 14. November. (WTB.) Die sozialdemokratische„Rhei- nische Zeitung" teill mit: Di« völlige Zerrüttung des Wirtschafts - lebens im besetzten Gebiet, sowie die fruchtbar« Gefahr, daß hun- derttausende Menschen buchstäblich zu verhungern drohen, zwingen zu sofortigem Handeln. Heute nach- mittag wird ein« politische Abordnung aus dem besetzten Gebiet, verstärkt durch einige Männer aus dem Wirtschaftsleben, mit der Rheinlandkommission über die zu ergreifenden Maßnahmen verhandeln. Die Sozialdemokratie ist in der Abord- nung durch Reichstagsabgeorbneten M e er f e l d- Köln und Land- tagsabgeordneten K l u p f ch- Dortmund vertreten. Kar! Seitz Sü'ryermeifter von Wien . Sein erstes Wort gilt Deutschland . Der Wiener Gemeinderat hat an Stelle des greifen Genosien Jakob Reumann mit allen sozialdemokratischen Stimmen unicrcn deutschösterreichischen Parteivorsitzenden Gen. Karl S ei tz"zum Bürgermeister der Bundeshauptstadt und zum Landeshauptmann von Wien gewählt. In feiner Antrittsrede gedachte Bürgermeister Scitz der Rot und Bedrängnis des von eingedrungenen Fremdlingen unid inneren Feinden bedrohten deutschen Lölkes, dessen Unglück die Gefühle Dcutfch-Oesterreichs für die Einheit und Soli- darität beider Völker nur stärken könne. Das Band deustcher Kultur, deutscher Wisienschaft und Kunst'und deutschen Volkstums, sagte Seitz, ist trotz der Grenzsteine unzerreißbar. Die Sehnsucht nach einer Vereinigung, die Zuversicht, daß auch wir eingereiht werden unter die Büroer des deutschen Staates, und der Glaube an die Auferstehung der großen deutschen Republik ist unzerstörbar.(Stürmischer Beifall.) Nach dem Vorbild der Wiener Milliardenspende hat der Ti- r o l« r Landtag 199 Millionen Kronen für Hilfsbedürftige in Deutschland gestiftet und eine Sammlung im Lande eingeleitet.
Freisprechung eines politischen Mörüers. Prag . 14. November. (WTB.) In dem Prozeß gegen den Mörder des früheren bulgarischen Gesandten in Prag , Dr. D a s k a- l o f f, Atanas N i k o l o f f, wurde der Angeklagte nur wegen un- erlaubten Waffentragens zu 48 Stunden Arrest verurteilt und die Straf« durch die Haft für verbüßt erklärt. Nikoloff wurde der Polizei zur Ausweisung übergeben. Die Freisprechung ist, wie uns aus Prag gemeldet wird, auf den Eindruck zurückzuführen, den die Ausführungen des Angeklag- ten auf die Geschworenen — darunter sieben Frauen— machten. Er behauptete, daß er selbst getötet worden wäre, wenn er das Todesurteil feiner mazedonischen Kameraden nicht vollstreckt hätte. Das Urteil wird, wie wir hören, in Prag als ein Fehlurteil betrachtet. Vor wenigen Tagen ist übrigens das Mitglied jener Regierung, der gewesene Minister D u p a r i n o f f, angeblich auf der Flucht aus der Eisenbahn, als er in die Strafhaft gebracht werden sollte, erschossen worden._
Eine erneute deuljchvölkische Demonstration gegen das Verbot des„Herold" wurde gestern abend am Knie in Charlottenburg durch Schutzpolizei aufgelöst. Reinhold Wulle bestreitet übrigens in einem Schreiben an uns, daß es sich in Charlottenburq um Ver- fammlungen des„Herold" handle. Bielmehr habe er, Wulle, feine Wähler dort zufammenbcrufen.
Ein tausendjähriges öiid. Gestern sah ich auf dem Wege nach dem Grunewald ein« sich frech brüstende Reihe reicher Häuser, und in einem Garten davor grub ein zerlumpter Mensch. Tausendjähriges Bild, das sich nicht änderv will, das noch immer und in allen Formen von einem un- sichtbaren Satan auf den ganzen Erdball gemalt wird! Arbeiter, wir werden nie aufhören, die ewigen Esel unserer Herren zu sein, wenn nicht ein neuer, rasender Christus kommt, der uns als feine Heerscharen zu sich ruft und mit horter, hastender Hacke die wucherischen Städte und Industrien runterholt, Schweineställe und Windmühlen auf ihren Grabwällen baut und mit dem Hurengebräme der Herrenweiber di« hungrigen Flächen düngt, auf daß eure Kinder wieder nach Kornblumen und eure Frauen nach Garben riechen, damit wir beim Gesang des eigenen Roggens und Eichenbaums ein- mal mitjubeln können:„Hier, unsere Träume, wie sie wachsen!"_ Otto Tuchenhagen.
Reichsbank und Reichskunstwart. In der Press« wird die Ver- zögerung der Herausgabe der Nentenmark mit der Mitwirkung des Reichskunst warts in Zusammenhang ge- bracht. Auch wird wegen der Gestaltung der Reichsbank- noten in künstlerischer Hinsicht der Reichskunstwart ver- antwortlich gemacht. Demgegenüber ist festzustellen, daß bei der Gestaltung der Rentennoten der Reichskunstwart der besonderen Dringlichkeit wegen nicht zugezogen worden ist. Lediglich für die Rentenpfennige(Hartgeld) hat der Reichskunstwart in kürzester Frist Entwürfe besorgt. An der Gestaltung der Reichsbank- noten wird der Reichskunstwart nicht beteiligt. Versuche des Rcichsministers des Innern und des Relchskunstwarts, diesem einen Einfluß bei der Vorbereitung der Entwürfe von Reichs- banknoten zu sichern, sind auf den Widerstand der Reichs- dank gestoßen. Das Bestreben der Reichsbank, wenigstens auf künstlerischem Gebiet die ihr sonst versagten Lorbeeren zu ernten, mag an sich Anerkennung verdienen. Trotzdem ist d'e Frage berechtigt: Wozu haben wir«inen deutschen Reichskunstwart, wenn sich jede x-beliebige Behörde erlauben darf, seine Mitwirkung bei den kulturell wichtigsten Entscheidungen selbstherrlich auszuschalten? Die gesetzliche Festlegung und Erweiterung der Obliegenheiten des Reichskunstwarts wird immer mehr«in« unumgängliche Notwendigkeit. Pommcrsche Geburtsanzeige. In der„Pommer schen T a g e s p o st" vom 8. November findet sich folgendes Inserat: Gottes Güte schenkte uns den zweiten reak- tionären, strammen, völkischen Jungen. In großer Freud« Hauptmann a. v. Horst Schien zig und Frau ltvera geb. Draeunlich. Stettin , den 6. November 1923. Grabower Str. 29111. Die richtige Antwort darauf scll der neu« Weltbürger bereits in die Windeln geschrieben haben.