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Nr. 114.

Erscheint täglich außer Montags. Abonnements Preis für Berlin : Bierteljährlich 8,30 Mart, monats lich 1,10 Mart, wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit bem ,, Sonntags: Blatt" 10 Pfg. Bost- Abonnement: 3,30 Mart pro Quartal. Unter Kreuzband : Für Deutschland u.Desterreich- Ungarn 2 Mart, für das übrige Ausland 8 Mart pro Monat. Eingetragen tn ber Boft- Beitungs- Preisliste für 1891 unter Nr. 6469.

Vorwürts

8. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 1 Uhr Mittags und von 3 bis 7 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Fefttagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 6, Nr. 4106,

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 20. Mai 1891.

Expedition: Benth- Straße 3.

Von den Wölfen, die sich nach und Ordnung wider die Gosialdemokratie, es gilt den Sozialismus, erschließen der christlichen dem Schafspelz sehnen!

bekannten.

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zur Lösung der sozialen Frage, zum Kampfe für Recht öffnung des inneren Afrikas und der König von Gottes Gnaden, es gilt das Eigenthum und Kirche zwei unermeßliche Gebiete der die Familie zu schützen, stecken wir die für die Massen Arbeit. Es gilt die Bekehrung vieler Millionen Heiden, Das Pfingstfest ist für die Christenheit das Fest der höchst überflüssige und sogar schädliche Freidenkerei bei die großartigste Missionsthätigkeit; es gilt einen neuen Ausgießung des heiligen Geistes über die Apostel und die Seite, feien wir einig, einig, einig! Ausgleich zu schaffen zwischen dem Reichthum und der Repräsentanten aller Völker, welche sich dereinst in Jeru­Also steht es zu lesen in der Pfingstnummer der Armuth, dem Kapital und der Arbeit im Sinne der falem zusammengefunden haben sollen und sich, vom National Beitung" und wer's nicht glaubt, für den Christlichkeit(!) und der Menschlichkeit. Zweimal in dem heiligen Geiste erfaßt, begeisterungsvoll zum Christenthum brucken wir die wichtigsten Stellen aus der unbezahlbaren Verlaufe ihrer achtzehnhundertjährigen Geschichte hat sich Festbetrachtung der im Herrn vergnügten und erleuchteten die Kirche dieselbe Aufgabe gestellt, in ihrem Beginn Und das Pfingstfest ist zweifelsohne das schönste Fest National- Zeitung" hier ab. und in der Reformation.' ganzen Jahre es ist zwar nicht nach christlicher Zunächst kennzeichnet sie die idealen Ziele des Nun muß es aber die Kirche sehr schlau anstellen in Anschauung, wohl aber in Wahrheit, das Fest der Auf- Christenthums", die bei jedem Pfingstfeste auf jedem unserer aufgeklärten Beit, wenn es ihr gelingen soll, die erstehung der Natur, und wie die Natur aufersteht, so kirchlich- frommen Phrasenteiche als Wasserrosen immer Führung der Völker zu übernehmen. geht dem Menschen das Herz auf, - und weß' das Herz neu erblühen. Die National- Zeitung" weiß, wie das gemacht voll ist, dess' läuft der Mund über. Das hat sich diesmal Von seinem Anfange her schweben dem Christen- werden könnte und verräth's den Herren von der Kirche, auch an der National Beitung" erfüllt, sie hat thum zwei ideale Ziele vor; die Welteroberung und die in ihrem Pfingstartikel ihr Herz ausgeschüttet und was Umwandlung der bestehenden Verhältnisse im Sinne der minder schlaue Leute bezüglich dieses wichtigen Punktes unter denen sich besonders die Orthodoxen und andere darinnen war, war eitel Gedankengold und Ideenperlen. Nächstenliebe." sehr häufig auf dem Holzwege befinden. Sie sagt: Doch wir wollen nicht vorgreifen! Wir müssen viel­Mit dem einen dieser idealen Ziele ist es freilich Nicht in dem zunehmenden Unglauben, wie die Ortho­mehr, um das folgende so recht zu verstehen, um einige heute recht traurig bestellt, die irdischen Verhältnisse doren behaupten, sondern in der wachsenden Entfernung Zeit zurückgehen. find nicht im Sinne der Nächstenliebe, sondern nach den zwischen den dogmatischen Glaubenssäßen die man fest­Dazumal, als der große Staatsmann Bennigsen Herzenswünschen der Nächsten die be umgewandelt, d. h. halten will, und den unumstößlichen Thatsachen der Wissen­beim Grafen Waldersee mit Stöcker zusammenkam, da derer, die gewiffenlos genug waren, ihrem Nächsten immer schaft liegt die Gefahr einer Veränderung der Beziehungen entsetzten sich selbst nationalliberale Mannesseelen über die aufs neue das Seine zu nehmen. Annäherung des auch" in religiöser Beziehung so frei zwischen dem Volk und der Kirche. Die ,, National- Zeitung" weiß das auch, ach so frei! gesinnten Herrn an den Muckerhäuptling, auch ziemlich unverblümt und nur unter zeitlicher Ein- den Anschauungen und Vorstellungen der Zeit anpaßte, ,, Weil sich das Christenthum gebend und empfangend schränkung aus: Aber, es war doch rein unmöglich, so trösteten Bald das eine, bald das andere konnte durch die hat es den Vorrang vor allen anderen Weltregionen ge­fte sich sogleich selbst, daß die über Religion so frei Ungunst der Zustände und die Thorheit der Menschen wonnen. Auch diesmal wird es die beiden gewaltigen denkenden Nationalliberalen mit den einst Stillen, aber verdunkelt und zurückgedrängt werden. Die Kirche ist Aufgaben, die ihm gestellt werden, nur im Verein mit der jezt nur zu Lauten im Lande zusammenstehen und auf nicht immer ihrem ursprünglichen Ziele und ihrer Lehre Bildung und der Wissenschaft, nicht im Gegensatz zu ihnen, die Dauer zusammengehen konnten. eingebent geblieben, sie hat ihre Periode der Schwäche, lösen können. Nun, jetzt ist es heraus, jetzt ist es offenbar, der Habsucht, der Eitelkeit gehabt, in der sie sowohl die daß sie's doch können! Jetzt kann nicht mehr der Verkündigung des Wortes Gottes wie die Arbeit an dem geringste Zweifel bestehen, daß die Führer der national- sittlichen Aufbau der Menschheit vergaß." liberalen Partei den Repräsentanten der christlichen Kirche Glücklicher Weise hat die National- Zeitung" aus Das glauben wir nun allerdings auch, wenigstens so die Hand zum Bunde reichen wollen und nicht etwa dem der Geschichte gelernt, daß sich die Kirche zuweilen zur und die Reform der sozialen Verhältnisse nach dem Herzen Stöcker allein, auch nicht etwa blos dem Protestantismus, ganzen Größe ihrer Aufgabe erhebt: sondern diesem wie jenem und dem gesammten Katho- Wiederum sehen wir sie, sagt sie, in glücklicheren nationalliberaler Bourgeois handelt. lizismus dazu. Zeiten, von ihrem Pfingststurm und ihrem Pfingstfeuer Wir wundern uns nur, daß die Nationalliberalen so Seid umschlungen Millionen", jubelt es im Herzen erfüllt, ihre Glaubensboten in die fernsten Wildnisse spät zu dieser Einsicht gelangt sind. Sie hätten sich nie der National Zeitung" in der wonnigen Pfingstwoche. senden, ihre Heiligen durch Werke der Demuth und der von der Kirche so weit entfernen sollen, das Tischtuch Alle, die Ihr glaubt an die alleinseligmachende Kirche, an Liebe in den weitesten Volksschichten die Wohlfahrt des zwischen sich und ihr niemals so ganz zerschneiden dürfen, das alleinfeligmachende Christenthum und mit Verlaub Leibes und der Seele verbreiten." wie es die Bourgeoisie aller Länder gethan hat zur Zeit ( aber hübsch leise zu sagen, daß es der Pöbel und be Und nun hat die National- Zeitung" entdeckt, daß der großen französischen Revolution und nachher bis heut sonders die Sozialdemokraten nicht hören!), alle, die Ihr wir just wieder in einer Beit leben, in der der Menschheit bis sich das sozialdemokratische Gewitter am Himmel erst recht, und eigentlich hauptsächlich, vielleicht sogar das Heil kommen wird von der Kirche. Sie predigt also: ihres Kapitalistenbehagens zusammenzog.

den Eid- Stöcker.

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sie drückt's

Die Zivilisation des dunklen Erdtheiles und die Reform der sozialen Verhältnisse sind nicht ohne die ent­scheidende Mitwirkung der Kirche zu denken."

weit es sich um die Zivilisation des dunklen Erdtheils

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heimlich ganz allein, an das alleinseligmachende Kapital ,, Daß wir mitten in einer solchen Zeit leben, fühlen Die Eintreibung der Völker in die frommen Schaf glaubt vereinigt Euch unter der Führung der Kirche der Protestantismus wie der Katholizismus. Die Erställe würde leichter gelingen, wenn die nationalliberalen

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Feuillefont.

Nachbruc verboten.]

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Die Falkner von St. Vigil. Roman aus der Zeit der bayerischen Herrschaft in Tirol von Robert Sa, weichel. Freilich, Du kannst das sagen," versetzte er höhnisch. " Hübsch bist nicht und jung bist auch nicht; wer Dich wohl ohne Geld und Gut nehmen möchte?"

" Von mir ist ja die Red' nicht," entgegnete sie. Der Lechner hat ja immer gewußt, daß ich ihm nicht viel mit bringen kann."

Lisei möchte nur noch eine kleine Weile muthig ausharren, denn wenn der Franzosenkaiser sein Stück in Spanien durch­gesezt hätte, müßten ja endlich Frieden und Ruhe in die Welt kommen.

eine

gebracht hatte. Als sie aber auf ihrer Kammer mit zittern den Fingern das dicke Siegel brach welche Enttäuschung! Der Brief war in deutscher Sprache abgefaßt, die sie zwar sprechen, aber geschrieben nicht lesen konnte. Da starrten ihr nun die fremden Buchstaben in Wolfs schwerfälliger Hand- Jerg behielt unterdessen sein Ziel unverrückt im Auge schrift entgegen und sie vermochte sie nicht zu entziffern! und suchte sich dem Klosterbauer angenehm zu machen, sich in Seufzer schwellte ihre Bruſt. Doch es lag schon ein wo Trost für sie darin, daß sie ein sichtbares Beichen von Wolf Ambros waren aus dem Wege geräumt; er brauchte nur Gelegenheit dazu bot. bot. Wolf und in der Hand hatte und sie trug den Brief mehrere Tage in noch die Hand auszustrecken und der Klosterhof war sein. der Tasche, ohne zu wissen, was er enthielt. Am nächsten Eines Nachmittags kam der alte Müller aus dem Werk Kirchtage hatte sie einen glücklichen Einfall. David raume in einer Aufregung in die Wohnstube, wie Afra sie Fenchler war ja Mönch in Klausen gewesen und des- an ihrem gewöhnlich so ruhigen Manne noch nie bemerkt halb gewiß der Schrift mächtig. Dem Alten, der im hatte. Es war um die Zeit der Jause und Afra sah, daß Thale das Ansehen genoß, als ginge er noch in der seine Hand zitterte, als er sich ein Schnäpschen einschenkte, Kapuzinerkutte, fonnte sie sich ohne Scheu vertrauen. Sie so daß der Kirschgeist vorüber auf den Tisch floß. Der Lechner!" rief der Klosterbauer mit einer Ver- führte ihn zwischen den Evangelien und der Predigt hinter Jetzt, ftell's Dir vor," sagte er, nach dem Gläschen wünschung und schalt Lisei eine schlechte Dirne, daß sie die Kirche, wo sie keine Störung zu befürchten hatte, und greifend, der Jerg will heirathen." überhaupt an den Bayer auch nur noch dächte. Sie ver- bat ihn, den Brief ihr vorzulesen. David machte ein ver-" Ja, ist denn das so' was Verwunderliches?" fragte biente, daß alle Mädchen im Thale mit Fingern auf fie legenes Gesicht. Geschriebenes zu lesen, sei eine schwere Jerg, der in diesem Augenblicke in der Stubenthür erschien, wiesen. Er rathe ihr im Guten, den Namen des Schmiedes Kunst; gekonnt hätte er es wohl in seinen jungen Jahren, mit kühler Ruhe. nicht mehr in den Mund zu nehmen. Er würde jetzt mit aber das sei nun schon lange her. Er unternahm jedoch den Seine und Afra's Augen begegneten sich und die Letztere Allem ein Ende machen. Versuch und mit seinem breiten Rücken gegen die Wand rief mit einem kurzen Auflachen: Er will die Lisei heirathen, Lisei blidte ihn traurig an, erwiderte aber nichts, denn des Gotteshauses sich lehnend, begann er, während Lifei das hab' ich mir längst gedacht." fie mochte auf der offenen Landstraße mit dem Vater nicht dicht neben ihm stand, den Inhalt des Briefes nicht ohne Die Mutter hört's Gras wachsen," spöttelte er, während streiten, zumal sie von Kirchengängern belebt war. Mit Stocken und gelegentliches Buchstabiren zu enträthseln. Die der Vater ein erstauntes Gesicht machte. gesenktem Kopfe ging sie weiter. Die Prüfung ihrer Treue Versicherungen von Wolfs unwandelbarer Liebe und Du hast es längst gedacht und mir nichts davon ge= hatte begonnen und Wolf gab noch immer kein Lebenszeichen Treue klangen aus dem Munde des ehemaligen Mönches sagt?" warf er seiner Frau vor und als sie darauf blos recht matt und kühl, allein Lisei hörte ihm mit dem mit den Schultern zuckte, fügte er hinzu:" Freilich, es

von sich.

"

Endlich erhielt sie Nachricht von ihm. Der alte Arigaya, Herzen zu und legte die Wärme des eigenen Gefühls hinein. hätt' auch nichts genutzt, wenn ich's früher erfahren hätte. der in Bruned gewesen war, um eine Rechnung für gelieferte Wolf meldete, daß er glücklich in Innsbruck angekommen Aber mein himmlischer Vater, es ist doch gar zu fraus, Bretter einzuziehen, fam eines Tages auf den klosterhof und wäre und in der Schmiede, welche für die bayrische Gar- daß er es just auf die Lifei abgesehen hat! Und ich, ſteckte Lifei einen Brief zu, den er aus der Stadt mit- nison arbeite, gut lohnende Beschäftigung refunden hätte. ich soll den Freiwerber für ihn machen!"