Nr. 31+ 41. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Stille Winkel der Weltstadt.
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Wenn der Wirbelstrom der Weltstabt uns umbrauft, dann ahnen| Ueberbauten. Das Gebäude zwischen dem ersten und zweiten Hof wir wohl taum, daß inmitten all dieser Unruhe stille Winkel liegen, zeigt eine Sonner.uhr mit der Inschrift:„ Mors certa, hora incerta versteckte Plätzchen, wie einsame Inseln im Meer. Nur von fern( Der Tod ist gewiß, seine Stunde aber ungewiß). Der wißige Berher vernehmen wir tas brandende ogen des Beitstaditreibens. liner Boltsmund übersetzt die Inschrift mit:" Die Uhr geht sicher Dort, wo die Fischerdörfer und späteren Schwesterstädte Berlin und nicht richtig." Von dem Ende des Krögels haben wir einen schönen Ausblid über die buchtartig erweiterte Spree mit ihren jenseitigen Kölln sich erhoben als der Kristallisationspunkt, an den ftrahlen- uferstraßen. Auch hier tommt uns wieder der Zeitenwandel so förmig die große Stadt sich anbaute, finden wir die Ueberreste aus recht zum Bewußtsein. Hinter uns Alt- Berlin, wie es uns in der jener Zeit, ta das Leben noch in beschaulicher Behaglichkeit, in engen Gaffe des Krögels und den altertümlichen Häusern noch ruhiger Weise dahinfloß. Nicht von ungefähr fiecelten sich just hier erhalten geblieben ist, vor uns dagegen die neue Stadt mit ihrem zuerst die Menschen an: die natürlichen Landschaftlichen Berhältnisse regen Verkehr auf dem Waffer und in den Straßen. Ein anderer bedingten es. Das breite Spreetal verengt sich ganz beträchtlich, stiller Winkel der Weltstadt ist die Waisenstraße. Auch hier da die im Norden und Süden angrenzenden Hochflächen an dieser treten uns. die schmalen niedrigen Wohnhäuschen enigeger, die wir Stelle einander nähern. Zudem teilt sich der Fluß in mehrere Arme, sonst nur noch in den Kleinstädten antreffen. Sie waren unmittelbar an der ehemals hier vorüberführenden Stadtmauer angebaut, die so daß die in Vorzeiten von Sumpfwäldern bedeckt gewefene Niede gleichzeitig ihre Radwand bildete. An dem Hause Nr. 9 sehen wir rung hier am leichtesten überschritten werden konnte. Die alte einen großen Schmetterling, das Wahrzeichen einer alten Naturalien Handelsstraße von Nord nach Süd benutzte diesen lebergang, und handlung. Bon alten Bäumen befchattet, ragt ter alte Friedhof, so mag denn hier eine Gietlung entstanden sein, die den Reisender der die alte Barochialkirche umgibt, in das abgeschieden- stille Herberge gewährte. Auf den beiden von der Spree gebildeten Straßenbild. Der Turm der Kirche trägt ein holländisches Glocken. Inseln liegen die ältesten Kerne Berlins , im Süden Mt- Köln, im Spiel von 37 Glocken, das zu den vollen Stunden einen Choral spielt. Morden Alt- Berlin. Hierhin müffen wir unsere Schritte lenfen, wenn wir stille Wirfel der Weltstadt fennen lernen wollen, Stätten, Wir haben unsere turze Wanderung durch Alt- Kölln und Altdie dem Meißel und der Spizhace noch nicht zum Opfer ge- Berlin vollendet und dabei Bilder zu sehen bekommen, wie wir sie fallen sind. faum erwarteten. Bei einigem liebevollen Bertiefen in die Heimlichkeiten der Weltstadt wird es uns sicher gelingen, noch mehrere dieser stillen Winkel zu entdecken, die ihre Eigenart ter stillen Beschaulichkeit hinübergerettet haben in das Drängen und Haften des neuzeitlichen Berkehrslebens. Allmählich werden diese Zeugen der Vergangenheit ausgerottet, und die Jahre sind zu zählen, in denen vom Gesichtspunkt des Dichters und Malers sowie des Heimat auch der letzte von ihnen verschwunden sein wird. Wenn es auch freundes zu beklagen sein mag, daß derartige Denkmäler einer längst vergangenen Zeit nicht erhalten bleiben, so müssen wir uns doch vor Augen halten, daß um der Volksgesundheit und des aufblühenden Verkehrs willen diese wie Hindernisse mirkenden Ueberbleibsel feinen Platz mehr im neuzeitlichen Großstadtbild haben können. Die Häufer mit ihren zusammengebrängten Wohnungen und engen, vom Sonnenlicht häufig nur spärlich oder gar nicht getroffenen Höfen entsprechen längst nicht mehr den Anforderungen, die die Jeztzeit stellt, um gesundheitlich einwandfrei zu wohnen.
Die Fischerstraße ist die älteste Straße von At- Kölln, In der die Hütten der wendischen Fischer standen. Um mit den Fangnezen schnell zum Waffer hinunter gelangen zu können, waren bekam. Noch heute tritt uns bei derartigen Fischersiedlungen die laffen worden, wodurch die Siedlung eine tammähnliche Form geiche Siedlungsform entgegen. Einer dieser Durchgänge hat sich in der Fischerstraße noch erhalten. Von den hohen Brandmauern der angrenzenden Häufer und ben daran gebauten niedrigen Schuppen eingeengt, führt er als ganz schmaler Durchlaß zur Fischerbrüde. Manches Haus steht noch in der Fischerstraße, geschniüdt mit alten Gewerfzeichen. So hat der Bäcker als wahr zeichen seines Gewerfs eine Bregel, einen 3opf und eine Semmel mit drei hellingen, die Nachahmungen atberühmten Berliner Gebäcks; auch den Aufzug( kran oder Kranich ) zum Emporwinden der Mehlsäcke sehen wir noch mitunter. Gänzlich der Weltstadt entrückt glauben wir zu sein, wenn wir einen Blid in die Höfe der Häuser tun. Treppen und Galerien führen häufig an den Außenseiten der Häuser entlang, und wohl felten fehlt ein Baum oder Strauch, der eine trauliche Beschaulichkeit hervorzaubert und die fonst tristen Höfe in behagliche träumerische Wintel umwandelt. Ueber dem Tor des einen Hofes ist ein Eich hörnchen angebracht mit dem Spruch:
Zum Eichhorn bin ich genannt,
Dies Haus ftest in Gottes Hand! 1604.
Das älteste Haus dieser Straße ist das Gasthaus zum Nuß baum". Der hochgewölbte Kellerhals zeigt die Jahreszah 1571. Das Haus tehrt seinen Giebel der Straße zu, davor steht ein großer Nußbaum.
Alt- Berlin.
Wandern wir von der Fischerbrücke über die Mühlendammbrüde, so fommen wir nach Alt- Berlin. Die Gegend um die Nikolaikirche und den Molkenmarkt bilet den ältesten Kern der Siedlung. die, wie noch heute die Anordnung der Straßen erfennen läßt, ursprünglich ein Runddorf war. Bom Moltenmarkt führt der Krögel zur Spree, eine schmale Gasse, ehemals ein Spree arm, der zugeschüttet wurde und der auf wendisch Cruwel hieß. Hier sind noch viele alte Gebäude erhalten geblieben, die mit ihren düsteren Winkeln, schmalen Durchgängen und engen Höfen völlig an ein mittelalterliches Stadtbild erinnern und das Entzücken der Maler und Freunde alter Stadtbauten sind. Auf dem Hof bilden die von Holzsäulen getragenen Galerien des eften Stodwerts laubenartige
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Sie blickte beim Sprechen hinaus in den Garten. steil aufgerichtet. Ich habe alles gehört. Du hast feine Zeit, Herrn Philippi zu besuchen. Deine Schularbeiten sind wichtiger. In meinen Händen liegt deine Erziehung."
volle Wahrheit."
Ein Automat sagte:„ So eine vertrocknete Schachtel! Du bist ja vollkommen ahnungslos... Das ist übrigens die Die Tante schnellte entsetzt herum. Auch Jürgens Mund blieb in übergroßem Schrecken geöffnet. Was haft du gesagt? Wiederhole, was du eben gesagt hast!"
„ Das habe doch ich nicht gejagt." Sein Tonfall der Ueberzeugung riß der Tante die Empörung ins Gesicht.„ Du leugneft, was ich mit meinen Ohren gehört habe?"
Jürgen, überzeugt, diese Borte nicht gesprochen zu haben, betam irrblickende Augen.
Das werde ich morgen dem Herrn Rektor fchriftlich mitteilen. Du übergibst ihm den Brief. Und jezt... Pfui!"
Erit nachdem die Tante schon draußen war, fühlte Jürgen ein paar Tropfen auf seinem Gesichte falt werden und wußte, Daß sie ihn angelpuet hatte.
hige und Kälte wechielten einigemal schnell in feinem Körper. Er trat ans Fenster, starrte in den Garten. Die farbigen, topfgroßen Glaskugeln stedften ſtill und öde auf den grünen Stangen. Aus dem Nachbargarten flangen Sonntagnachmittagsgeräusche herüber. Abgerissene Worte. Je
mand spielte Ziehharmonika.
Ein wilder Schrei faß Jürgen im Halfe. Er hob die linte Schulter, die rechte, rhythmisch die Beine. Die Bewegungen wurden zu einem gedrückten Tanz.
Eine Tragödie des Alltags.
Der Mord an der Händlerin Bock.
Der Roman eines Dienstmädchens. Rein Heim. Immer unter fremden Leuten. Kurze Augenblide heimlicher Liebe. Heiratsver, Sprechungen, uneheliche Mutterschaft, Waisenhaus fürs Kind, Hangen und Bangen nach Muttergiüt. Unversorgte Zukunft Roman mit einem zehn Jahre Jüngeren, verschmähte und mißhandelte Liebe. Wahnsinnstat eines perquälten Menschen. Das war der Inhalt der Beichte der Angeklagten Schmilewsti, die sich wegen Ermordung der Händlerin Bod vor dem Gericht zu verantworten hatte.
Sonnabend, 19. Januar 1924
zehn Jahre jüngeren Schlächtergesellen Sadetti. Sie tennt ihn schon von der Kindheit her. Er arbeitet wenig und lebt auf ihre Roften. Das Verhältnis ist anfangs ungetrübt. Dann zieht Frau Bock nach der Fürstenberger Straße und beginnt dort ein Ge schäft. Die Schmilewski zieht mit ihr dahin, auch Sadetti. Sie hilft der Frau Bod im Geschäft. Beide Frauen vertragen sich gut. Die Verbindung mit Gadegti hat Folgen. Frau Bod rät zur Üb treibung. Das Kind tommt doch zur Welt und ins Waisenhaus. Dann ereignet sich das Unglück, das beiden Frauen zum Verhängnis wird. Frau Bod hat ihre Wohnung unrechtmäßig verkauft. Das Wohnungsamt kommt dahinter. Die Schmilewski jagt gegen Frau Bod wahrheitsgemäß aus. Feindschaft. Ueberall und vor jedermann wurde die Schmi Seit diesem Augenblic entsteht die lewski von Frau Bock schlecht gemacht. Eadezki wird ihr untreu. aus seinem neuen Verhältnis macht er fein Sehl, scheut sich sogar nicht, feine Liebesbriefe an die Rivalin, ein Fräulein Hoffmann, offen liegen zu lassen. Die Schmilewsti ist verzweifelt, fürchtet den Mann zu verlieren, fühlt unter dem Herzen schon das zweite Kind, läuft zu ihrer Rivalin, fleht sie an, von Sadetki zu lassen. Der mißhandelt sie bei jeder Gelegenheit, läßt sie nachts nicht ins Haus. Ißt aber ihr Brot, trinkt ihren Kaffee und lebt mit der Nebenbuhlerin. Frau Bod schürt das Feuer. Dann erscheinen eines Tages Sadekti und die Hoffmann bei der Bod, um ihr seine neue Braut vorzustellen. Die Schmilewski ist außer sich. Kaum hat das Paar die Wohnung verlassen, als sie die Bock zur Rede stellt. Beide Frauen schimpfen aufeinander ein, Frau Bod fagt ihr auf den Kopf zu, daß Sadetti die Hoffmann heiraten würde und soll, beide tommen ins Handgemenge, die Schmilewsti erwürgt Frau Bod, sinkt nachher auf ihrem Bett wie gelähmt nieder, weiß nicht, wie sie zur Tat gekommen ist. Dann holt sie die Sachen der Frau Bod zusammen und versteckt sie. Noch in derselben Nacht will der Sadekki ihr das Haus verwehren. Am nächsten Morgen wird die Schmilewski verhaftet.
Medizinalrat Dr. Thiele erklärt die Angeklagte für geistig minderwertig. Sie leidet an chronischen Störungen des Affettlebens. § 51 wäre aber nicht anwendbar. Prof. Dr. Strauch geht weiter. darüber, ob§ 51 noch nicht zutreffe. Ein Antrag auf Untersuchung Die Tat ist im Zustande eines übermäßig gesteigerten Affekts begangen. Hinzu kommt noch die Schwangerschaft. Er jei im Zweifel in einer Irrenanstalt wird nicht gestellt. Das Gericht beschließt aber von sich aus, die Sache zu vertagen und Dr. Leppmann als Sachverständigen hinzuzuziehen. Trotz des Antrages des Berteidigers Dr. Brand und der energischen Befürwortung des Medizinalrats Thiele lehnt das Gericht die Aufhebung des Haftbefehls gegen die Angeklagte ab.
Hat die Angeklagte die Wahrheit gesprochen, war sie wirklich die gequälte und mißhandelte und zur Berzweiflung getriebene Frau, deren Tat gleich dem Ausbruch eines Bultans über sie selbst und über ihr Opfer hinwegbraufte, so hätten die Geschworenenrichter fie freisprechen müssen. Was tonnte nun die Straffammer tun? Ist fie verantwortlich für ihre Tat, so muß fie laut Gesetz verurteilt werden, nicht wegen Mord, sondern wegen Totschlag. Es gab nur einen Ausweg: die Anwendung des§ 51. So tat das Gericht recht, als es die Verhandlung vertagte. Ob es aber recht gehandelt hat, daß es die hochschwangere Frau nicht befreten wollte, nachdem die Schwägerin der Angeklagten auf Befragen des Borsigenden, ob sie bereit wäre, im Falle der Entlassung der Echmilemsfi fie bei fich aufzunehmen, sich einverstanden erklärte, ist eine andere Frage. Es half nichts, daß Medizinalrat Thiele das Gericht davon zu überzeugen versuchte, daß es üblich ist, in Fällen, wo nicht unbedingt die höchste Strafe zu erwarten sei, schwangere Frauen, die einige Wochen vor der Entbindung stehen, aus der Haft zu entlassen, auch nicht sein, Hinweis auf die äußerst schlimmen Ernährungsverhältnisse im Gefängnis. Die Schmilewsti bleibt in der Haft bis zum nächsten Termin. Vielleicht werden es doch noch Geschworene sein, die über sie zu Gericht fiken werden. Der noch so milde Berufsrichter man muß der Prozeßführung Gerechtigkeit angedeihen lassen ist doch an das harte und tote Gesetz gebunden.
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Früh verliert sie den Water, der Landarbeiter war. Früh wird fie Zeuge, wie der Bater, der ein Säufer ist, die Mutter mißhandelt. Schon als Schultind muß fie Aufwartedienste verrichten. Als Fünf zehnjährige tommt fie in die erste Stellung, erst auf dem Lande, dann in die Stadt. Swanzigjährig geht sie nach Berlin in Stellung. Als Bierundzwanzigjährige wird sie von dem ersten unehelichen inde im Birchow- Krantenhause entbunden. Das Kind fommt zur Mutter und nach deren Tode ins Waisenhaus. Der Vater, der die Zum Ableben des Bürgermeisters Rifter hat der preußische Mi Heirat versprochen hatte, verschwindet von der Bildfläche. Fürs nifter des Innern am 17. Januar an den Oberbürgermeister BößKind sorgt die Mutter. Im Jahre 1920 mietet sie sich bei der Frau Berlin folgendes Telegramm gerichtet: Anläßlich des Todes des Bod ein. Tagsüber arbeitet sie bei Siemens. Nach der Arbeit zweiten Bürgermeisters Ritter fpreche ich Magistrat und Stadtver räumt fie die Wohnung der Frau Bock auf, die fechs Zimmer verordnetenversammlung der Stadt Berlin mein herzlichstes Beileid mietet. Zu gleicher Zeit beginnt das Berhältnis mit dem aus. gez. Eevering."
wöhnliches bedeutete. Der Professor zog, die Stille hinaus. Jeder lauerte: Wen trifft es?" Jürgen hatte das Gefühl, sein Herz sei so rund und so groß wie ein schwarzer Mond und schlage nicht mehr.
Leo Seidel!... Sie wissen, daß Ihr Bater Sie leider aus dem Gymnasium herausnehmen muß. Umstände halber!.. Euer bisheriger Schultamerad verläßt Euch heute. Er muß verdienen Leo Seidel, Armut ist feine Schande.
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Die ganze Klasse durfte lachen. Lachte noch auf dem Heimwege, wo alle sich von Leo Seidel, der vielleicht schon morgen einen Handwagen durch die Stadt schieben mußte, abgesondert hielten.
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Auch Jürgen, gelähmt, wagte nicht, ihn zu begleiten. Nur in Gedanten trat er mit fühner Ritterlichkeit zu ihm. Ich fürchte die Meinung der anderen nicht." Ließ sich von Seidel verehren.
Armeleutegeruch, der das Vorhaben des schwindsüchtigen Briefträgers, den Sohn studieren zu lassen, als schwer aus führbar erscheinen ließ. Seidel faß still am Fenster und fah hinaus in den stinkenden Hof. Qual und Scham drehten Seidels Kopf und Schultern zur Seite, so daß er plöglich Jürgen glich, der sich im selben Moment zum erstenmal in seinem Leben frei fühlte.
Der Sohn des Briefträgers blickte beschämt ins Tintenfaß. Beim Mittagessen beachtete ihn die gefährlich schweigende Auch ein Hausdiener kann sich heraufarbeiten In Tante nicht. Schickte das Dienstmädchen, mit dem Befehl, Amerita, zum Beispiel, soll das öfter vorkommen," sagte der Jürgen habe den Brief am nächsten Morgen dem Herrn ProProfessor und lächelte. Diesen Vormittag bleiben Sie noch feffor zu übergeben. in unserer Mitte," zeigte er, mit einer Handbewegung über Erst nachmittags fonnte Jürgen so viel Entschlußkraft die ganze Klasse weg. und deutete mit dem Daumen zur Tür: finden, Seidel zu besuchen. In der Kellerstube stand der " Dann treten Sie in Ihren neuen Bilichtenfreis ein." Kreisende Rasensprigen. Sonne Hinter dem eleganten Kinderwagen reitet das Mädchen auf dem Steckenpferd in gezähmter Pferdeungeduld durch das Klassenzimmer. Offenen Mundes starrte Jürgen den abgezehrten Proletarierjungen an. Bollen Sie etwas sagen, Kolbenreiher?... Nun? Heraus damit!" Die übergroße Erregung fraß Jürgens ganze Kraft auf. Er reichte Seidel eine in Leder gebundene Weltgeschichte, Seine gelähmten Lippen stammelten:" Ich wollte nichts sagen." tonnte scherzen: In der biblischen Geschichte steht zwar: Gehe Karl Lenz!... Sie haben vorhin mit Adolf Sinsheimer hin, verkaufe alles, was du hast, und... Aber nicht deshalb Fingerhafein geübt; erflären Sie uns jetzt den Flaschenzug." gebe ich dir das Buch. Denn ich glaube ja gar nicht an Gott ." Auf dem Ratheder stond ein fleines Modell. Nichts?... Die fahle Mutter lag im Bett. Der Säugling, wegen Segen Sie sich. Und lassen Sie sich's von Leo Seidel erklären." dessen unerwünschter Ankunft der Vater den Sohn aus dem Bährend hinten das Duell der Fingerhakelnden ausge- Gymnasium hatte nehmen müssen, begann zu schreien. Die tragen wurde und der Profeffor mit den fleinen Bleigewichten Bettlade trachte. Bier Kinder, in verschiedenen Größen, bleid) bes Mobells fpielte, erklärte bie einfame Stimme Leo Seidels und blutleer, standen regios da, mit großen Augen. das Gesez des Flaschenzuges.
Jürgen litt unter der Feigheit, seine Meinung nicht geäußert zu haben, brüllte in. Gedanken:„ Nur weil Seidels Bater arm ist? Das ist gemein!.. Alles ist gemein." Blogte besinnungslos den Profeffer an, bis der ihm zurief: Kolbenreiher, wo werden Flaschenzüge gebraucht?" Flaschenzüge?"
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Aber gewiß, Flaschenzüge! Aun?... Leo Seidel, fagen Sie es ihm." Bum Beispiel am Neubau. Da tann ein einzelner Ar
Am Montagmorgen schlich er, eine Stunde früher als gewöhnlich, ohne Brief gebudt aus dem Hause, begann plöglich zu laufen, rannte, galoppierte meit aus der Stadt hinaus, quer über Schollender, bügelan und-ab, bis vor das schwarze beiter mit einem Flaschenzuge Tunnelloch im Berg und glogte blöd hinein, fehrte um und fam, verschwitzt und fenchend, noch rechtzeitig im Schulzimmer an, wo der Professor eben mit dem fteilgestellten Bleistift auf das Katheder flopste.
Die Blide der fechgig Augenpaare trafen beim Bleistift zusammen, der in dieser Stellung immer etwas Außerge
Mit Hilfe!"
mit Hilfe eines Flaschenzuges Lasten in die Höhe winden, die zehnmal so schwer find wie der Arbeiter. Infolge der Ueberlegung!".
Infolge der Uebersetzung," sollte Jürgen wiederholen, hatte aber Ueberrumplung" gefagt.
Hast eine schöne Weltgeschichte. Zum Andenken an mich. Hast eine Freude... mit hundertsiebenunddreißig Illustra tionen."
Ohne den Blick zu erheben, sagte Seidel, daß er vorausfichtlich bald der Klassenfünfte geworden wäre.
Und Jürgen rief: Also deshalb, well dein Bater fein Geld hat, mußt du Hausdiener werben, anstatt vielleicht... Minister. Das ist ja! Alles was recht ist!" Die Wöchnerin
Mein Gott, was redet ihr Buben!" puckte in den Napf. Was ihr redet!"
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Jürgen redete sich in 3orn hinein: Absolut! Das ist maßlos ungerecht. Gemein ist das. Einfach hundsgemein! Wahrhaftig, das sage ich jedem, der es hören will." Auch Seidel hatte rotgefledte Wangen bekommen.
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Die Mutter beruhigte den Säugling. Und zu den Knaben: Mein Gott, das sind ja lauter Dummheiten." ( Fortsetzung folgt.)