Abendausgabe
Nr. 5041. Jahrgang Ausgabe B Nr. 25
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Zentralorgan
Vorwärts
Berliner Volksblatt
7 Goldpfennig
70 Milliarden
Mittwoch
30. Januar 1924
Berlag and angetgenabteilung: Gefchäftsarit 9-3 Uhz
Berleger: Borwärts- Berlag Gmb. Berlin Sm. 68, Cinbedficate 3 Jerniprecher: Dönhof 2500-2502
der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Die dritte Steuernotverordnung.
Grundsätzliche Entscheidung der Aufwertungsfrage.
Die geftrigen Beratungen des Reichstabinetis, die sich von nachmittags 4 Uhr bis nach Mitternacht hinzogen, haben noch immer feine endgültige Entscheidung über verschiedene wichtige Bunfte der britten Steuernotverordnung gebracht. Der „ Deutsche Handelsdienst berichtet, daß es sich hierbei besonders noch um die Frage des Gelden'wertungsausgleichs bei unbebauten landwirtschaftlichen Grundstücken, die mit Hypotheken usw. belastet sind, handelt. Als ziemlich sicher dürfte die Regelung der Aufwertung in. allgemeinen reiten.
Es tommen hierfür jedenfalls alle Ansprüche auf Zahlung einer in Reichsmart ausgebrüdten Geldsumme in Betracht, die nicht bis zum 31. Dezember 1923 getilgt find, soweit es sich handelt um Hypotheken, Grund- und Rentenschulden, auf Reichsmart lautende Reallaften, Schiffspfandrechte, durch Hyprthet- Schiffpfandrecht ufm. gesicherte Forderungen, Ansprüche aus Pfandbriefen der Grund frebitanstalten und Schiffsbeleihungsanstalten und Ansprüche aus anderen Schuldverschreibungen privater Schuldner. Auch Darlehns. ansprüche gegen Brivatpersonen dürften in gewissem Umfange von der Aufwertung betroffen werden.
Der produktive Achtstundentag.
Die Scharfmacher im Unternehmerlager haben ihren ganzen Einfluß spielen lassen, ihre Presse in Bewegung gesetzt, ihre Bertreter, die sie in allen bürgerlichen Parteien haben, Don 2 bis 12 Broz. bei weit hinausgeschobenen Zahlungsterminen porgeschickt, um den Achtstundentag zu Fall zu herbeigeführt werden. Bei Geldentwertungsgewinnen aus in Anbringen. Nachdem es ihnen nicht gelungen war, auf fpruchnahme von Wechsel- ufw Krediten wird eine besondere von bireftem Wege durch die französischen Beder Reichsregierung festzufezende Steuer im Ausmaße von girta agungstruppen den Behnstundentag im Ruhrgebiet 20 Broz des Entwertungsgewinnes in Frage kommen. betretieren zu laffen, haben sie auf dem Umwege über die BerDer gleiche Steuerfaz dürfte für Golbentwertungsgewinne aus Holz. träge m't der Micum", die Arbeitszeitverorb. fäufen unter Inanspruchnahme öffentlicy: r Kredite feitens der Bännung und die angeblichen Schiedssprüche ihr Ziel zu der festgesetzt werden. Wesentlich höher, jedenfalls bis zu 80 Broz., erreichen versucht. wird voraussichtlich der Geldentwertungsgeminn, den private Stellen aus der Ausgabe von Notgeld und der Einlösung desselben in ent werteter Baluta erzielten, besteuert werden. Den Ländern foll der größte Teil des Ertrages der Einkommensteuer, Körperschafts. steuer, Umfaßsteuer und Kraftfahrzeugsteuer zufließen.
rechtspflege und bes Steuerstrafrechts. Die endgültige Entscheidung Die Notverordnung regelt ferner bie Bereinfachung ber Steuer über die britte Steuernotverordnung dürfte in der für Donnerstag. ben 31. Januar, anberaumten Kabinettsfizung fallen.
Dom Beamtenabbau.
3m Eparausschuß des Reichstages erfolgte die Brüfung des Abbaues bei der Reichstanzlei, mo bis 1. April 1924 an Be amten und Angestellten 15 Broz eingespart werden sollen. Beim Bersonal des Reichstags felber erreichte man einen Abbau an Beamten, Ungestellten und Arbeitern von insgesamt rund 15 Broz.
Die Arbeitszeitverordnung hat mit einem Federstrich das nach langen Beratungen zustande getommene Gesetz über die Arbeitszeit im Steinfohlenbergbau beseitigt. Für diesen Streich gegen die Bergarbeiter gibt es teine Entschuldigung. Die Bergarbeiter haben sich nie geweigert, lebensnotwendige er nicht allein den Bergarbeitern, das ist er sich selbst schuldig. bas von ihm beschloffene Gefeß wieder in Kraft fetzen. Das ist Ueberschichten zu fahren. Schon deshalb muß der Reichstag Darüber hinaus hat er die Pflicht, die gefamte Arbeitszeitverordnung einer gründlichen Revision zu unterziehen.
Diese Arbeitszeitverordnung ist, genau so wie der allge meine Kampf gegen die Lebensrechte der Arbeiterschaft, der jezt in Deutschland von den Unternehmern geführt wird, gewollt von der Schwerindustrie, die im Reichsverband der deutschen Industrie organisiert ist und von da und durch die Kartelle die Fertigindustrie tommandiert. Ihr haben sich die gefamte Industrie, die bürgerlichen Borteien und bie Regierung gefügt, einmal, weil jedes 3 urüddrängen rüddrängen des Sozialismus, und andererseits weil sie nicht den moralischen Mut haben, gegen ein von 90 Broz. der bürgerlichen Preffe lanciertes Machtgebot der Schwerindustrie aufzubegehren.
Die Aufwertung wird durchgeführt von der neuzuschaffenden Aufertungsstelle. Sie erfolgt auf Grund der allgemeinen Bes ftim ingen des bürgerlichen Rechts, wobei eine Aufmertung auf 10 v. H. den Anforderungen von Treu und Glauben entsprechen foll. Darüber hinaus fann in besonderen Fällen eine höhere Quote querfannt werden. Pfandbriefe werden nur aufgewertet, wenn ber Gläubiger nochweift, doß er fie feit Anfang 1919 in Befis hat, oder daß er durch Ceset oder Statut genötigt war, fie als Schließlich wurden verschiedene Anträge angenommen. Die Reichs der Arbeiterschaft gleichbedeutend ist mit dem 3u mündelsichere Anlage zu erwerben. Sah'ung der aufgewerteten Ropitalbeträge wird voraussichtlich erst vem fommenden Jahre ab verlangt werden können. Die Verzugszinsen werden im ersten Jahre wohl faum über 1 Proz. betragen.
Die Länder bzw. die Reichsregierung werden zu beftimmen haben, wie das aufgewertete Bermögen der Srarfaffen und Lebensversicherungen am besten im Intereffe der Gläubiger oder der B völkerungsschicht, der diese vorwiegend argehören, ver. wendet werden. Die öffentlichen Anleihen dürften, wie der„ Deutsche Handelsbienst" berichtet, bis zur Erledigung ber Ripa rationsverpfliddungen weber verzinst noch eingelöst werden. Der Gelbentwertungsausgleich foll durch eine Bee fteuerung der verschiebenen Arten pon Forderungen im Ausmaße
Briefwechsel Macdonald Poincaré.
Paris , 30. Januar. ( WIB.) Ramjay Macdonald und Boincaré haven Bricfe ausgetauscht. Das Schreiben tes englischen Premierministers wurde am Sonntagnachmittag durch den englifchen Bo: fchafter in Paris Lord Crewe am Quai d'Orsay überreicht. Boancarés Antwort ift gestern abend abgegangen. In den Briefcn versichern die beiden minifterp: äfidenten, zaß froh allem, was die öffentliche Meinung der beiden Länder entzwzizn föante, fie ihr nög ichfies fun würten, um in freundschaftlicher Weise die augenblicklichen Meinungsverschiedenheiten auszugleichen und daß fie fich temühen würden, gemeinsam für die Wiederherstellung Europas zu arbeiten.
Paris , 30. Januar. ( Eca.) Der erste Brief ging von Ramfan Macdono aus, der, mie dies unter den Alliierten üblich ist, bei Antritt feines Am: s dem französischen Premierminister diese Tatsache mitteilte. Der einzige Unterschieb, ber gegenüber der früher üblichen Form Lesteht, ist der, daß bisher derartige Rundgebungen in Form von sofort veröffentlichten Telegrammen zu erfolgen pflegen, während es sich diesmal um eine vorläufig vertraulich gehal tencs Echreiben persönlicher Art handelt. Allerdings wird in poli. tischen Kreisen damit gerechnet, daß die Rorrespondenz der beiden Premierminister veröffentlicht werden wird. Es heißt, daß
der Brief Ramjan Mactonalds in außerordentlich frei. mütigem Ion g schrieben
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ist. Er foll in dem Edhreiben bemerken, daß die Beziehungen zwi schen Großbritannien und Frankreich nicht mehr so gut seien wie Dor einiger Zeit. Er soll fogar die Aufmerksamkeit bes franzöfifchen Bremierministers tarauf lenfen, baß die franzöfifche Politit zu Recht oder Unrecht zahlreiche Einwendungen verursacht, und daß die englische öffentliche Meinung fich stort über bie Zukunft Europas beunruhigt. Am Schuß seines Schreibens fell Ramjay Macdonald Boincaré gebeten haben, ihm zu helfen, end gültig und vollständig die schwebenden Probleme zu lösen. Er sei unter der Vorausschung einer entsprechenden Haltung Ser franzöfifchen Regierung zu den nötigen Ronzeffionen
bereit.
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Nach den offiziellen Aussprachen, die durch verschiedene Ber. mittler in der letter 3 it zw.schen Paris und London ftat gefunden haben, selbst noch Erledigung der Pfalzfrage und des Röiner Ver. tehrst.nflitis, ist nach der allgemeinen Ueberprüfung der Gegen. fat in den beiden großen politischen Fragen zwischen London und Paris unvermindert weder hinsichtlich der weiteren Methode zur Lösung des Repera ionsproblems noch in der Sicherheitsfrage fei in ber allerdings furzen Zeit feit dem Amtsantritt Mecdonalds eine wesentliche Aenderung eingetreten. Es mehren fi aber die Zeichen dafür, daž versucht werbe, zu einer umfangreichen Unter. handlung über diese Frazen zwischen Baris und London zu gelangen. Der Berschlag Poincarés. die Pfalz.frage" - was ist da frag lich?! der Botschafterfonferenz vorzulegen, ist von England nod nicht beantwortet worden; bie Londoner Bintspresse der wirft ihn entschieden, da die Botschafterfonferenz mit diefer Rette von Rechts brüchen gar nichts zu tun habe.
regierung wurde darin ersucht, bei den Ministerien und beim Rech nungshof burch Berminderung der Abteilungen auf weitere Berwaltungsvereinfachungen und baburch auf Berfonalverminderungen hinzuwirken. Auch war es der Wunsch des Ausschuffes, daß der Personalstand des Reichswirtschafts. ministeriums und seiner Unterstellen erheblich vermindert mer. den foll. Außerdem wurde festgesetzt, daß während der Dauer der Personalabbauverordnung Landes. und Rommunal. beamte nicht als Planbeamte im Reichsdienst angestellt werden dürfen. Ausnahmer hiervon find mit Zustimmung des Reichs fidher Beamten, 2 fofern zwingente bienftiche Gründe die An ministers der Finanzen nur zuläffig 1. bei Heranziehung richters ftellung rechtfertigen. Im legieren Fall ist der Sparausschuß vor her zu hören. Die fommisferische Beschäftigung von Landes und Rommunalbeamten foll also nur ausnahmsweise geftattet sein.
Englisches Heeresaut aufgehalten. London , 30. Januar. ( WIB.) Der diplomatische Berichterftalter der Westminster Gazette" schreibt, daß die Anhaltung einer Bahnladung britischer Heeresborrate in Ründeroth eine ernste Angelegenheit fel. Das Abschneiden wefentlicher Militärvorräte würde die Stellung der Engländer in Köln unerträglich machen. Macdonald erhebe in Paris energischen Brotest gegen dieses Borgehen und fordere, daß die Freiheit der eng lischen Verbindungen wiederhergestellt werde.
Nach den französischen Blockade" vorschriften sellien Irans. porte für die britische Bes a hung ungeschoren bleiben. Man wird also leicht den beliebten Mißgriff untergeordneter Stellen" vor. schüßen fönnen.
Mac Kenna und Bradbury in Berlin .
Der Borfizende des Zweiten Sachverständigenausschuffes der Reparationstommiffion, Echoßfang'er a. D. Mac Kenna, ift gestern Dienstagabend nach Berlin gereist. Auch der Bertreter Eng lands an der Reparationsfommission Bradburn fährt nach Berlin . Die Reporationsfommission hat Barthou Frankreich einftimmig zum Präsidenten und Salvago Raggi- Italien zum Bizepräsidenten wiedergewählt.
Die Berliner Beratungen der Sachverständigen finden im Ge. bäude des Reichswirtschaftsrats statt.
Die Hotelwohnungen für die Ententefontroll. fommiffionen in Berlin will die Reichsregierung ab 1. April nur noch zur Hälfte bezahlen, die andere Hälfte foll ihr geftundet merden. Die Hotelbefizer wollen darauf nicht eingehen.
Ein Separatistenführer erschossen.
Rogheim, 30. Januar. ( Mib.) Der als französischer Spihel and Denunziant berüchtigte Separatistenführer und Afterbürgermeister von Rogheim, Jugenieur Gumbinger, der viele Ausweisungen und Bestrafungen Rorheimer Familien auf dem Gewiffen hat, wurde geffern abend gegen 7 Uhr auf der Reise zwischen Rogheim und Bobenheim durch Revolverschüsse schwer verlegt und in hoffnungslosem Zustande in das Krankenhaus Frankenthal eingeliefert. Die Täler find unerkannt entfommen.
Ruhige Börse.
Das Effektengeschäft gefta'tete fich an der heutigen Börse sehr ruhig bei eher schwacher Tendenz. Die Spekulation ift verftimmt fiber Sie erneute Berschleppung ber brit'en Steuernotver ordnung, die morgen wiederum das Kabinett beschäftigen wird. Die bisher über den Inheit dieser Verordnung vorliegenden Berichte rufen ernste Sorge herver da man glaubt, daß der ganze Auf mertungsprozeß die Finanzgeborung der Briratwirtschaft start in Uncrbnung bringen werde. Die Geldmarktlage geftattet fich von Tag zu Tag etwas qünftiger. Heute war tänliches Geld mit bis% pro Mille pro Tag reichlich zu haben. Für volorisierte Moncistreb te werden 1½ tis 2 Broz verlangt. Im Devisen. verkehr zeigen fich feinerlei wesentliche Veränderungen.
längerung der Arbeitszeit ins Feld führt? Man sagt, die Welches aber find die Gründe, die man für die BerProbuftion müsse gesteigert werden. Man ver gibt aber den Nachweis zu führen, daß diese Produktionsmöglich und bei einer a dh t ft indigen Arbeitszeit fteigerung bei einer zehn stündigen Arbeitszeit unmöglich ist. Und bas it boh ber Kern des Broblems.
"
Die Annahme, daß der Arbeiter mehr produziert, menn er länger arbeitet, ist von allen einfichtigen Brattifern längst als falsch erkannt. Zum Beweise führen wir aus den von der Wirtschaftsturve" veröffentlichten Ergebnissen der Erhebung über die Arbeitsleistung mit dem Achtft un dentag im Bergleich zur Arbeitsleistung vor dem Kriege einige meitere Beispiele an, die sich auf Angaben der Unternehmer stügen.
fchiedene Betriebe eraft auf die Veränderung der ArbeitsIn einem großen chemischen Werte wurden verleistung untersucht, und zwar in sehr detaillierter Weife. Hier geben wir aus Raumrücksichten nur die Endresultate wieder.
Etundenleistung
1. Riferei und Schreinerei 2. Dreberei
1910/14
Jan. Febr. 1922
100
120
100
110
8. Emmiebe
100
4. Einfüllen von Farbstoff in Büchsen obne Afford
100
98,7
3a. Roblenladen( Sand)
100
62,8
bb. Roblenladen( am Tampifran)
100
91.7
Weiter seien hier die Angaben einer 3iegelei mieder
gegeben.
1. Quartal
1. Quartal
Befchäftigt
1914, 1919, 1920 9 Mann
1921/22
7 Mann
Leiftuna pro Mann und Stunde
1. abfolut
2 relativ
800-1000 St. 1000-1200 1. 100 122*
다 Anfang 1921 wurde der Betrieb durch Einbau eines Zentraltonschneiders rationeller gestaltet.
Eine führende 3igarettenfabrit gibt folgende Ziffern:
Stüd pro Arbeiter und Stunde
1. Sandarbeit 2. Banderolieren 3. Verfand
1 Quartal I. Duartal
1914
1922
115
180
1140 6320
8540 12370
Hierzu ist zu bemerken, daß die außerordentliche Produktionssteigerung beim Banderolieren teilweise auf die vermehrte Berwendung der Banderoliermaschine zurückzuführen ist, während beim Bersand die Leistung in den Jahren 1920 bis 1921 noch größer war, aber infolge des geringeren Be fchäftigungsgrades notwendig zurüdgehen mußte. Der Betriebsleiter einer großen mitteldeutschen Maschinenfabrit fchidt feiner Antwort folgende Be mertungen voraus:
Gerade die Jahre, die hier beleuchtet werden sollen, find Jahre wirtschaftsstatistischen Tiefstandes. Der. Krieg hat jeden halbwegs brauchbaren Mann gefordert, und die wenigen zurüdgebliebenen, zum großen Teil überalterten Kräfte mußten notdürftig die Betriebe im Gange halfen. Für statistische Zwede blieb feine Kraft frei. So flafft in der Statiftit eine große Lüde, die sich auch in den Nachfriegsjahren nich wieder schließen ließ. Auch die Nachkriegsjahre find nur zum Teil und dann nur notdürftig erfaßt. Die Zurück. gefehrten mußten sich wieder vollfärdig neu einarbeiten und voll. ständig neuen statistischen Boden schaffen. Dazu kam das leider fehr