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Nr. Iis»41. Jahrgang
1. Heilage öes Vorwärts
Sonaabeuö, S. März 1424
Die Spree  .
Die Zeit, in der sich die Spree rühmen konnte, der einzige! F! zu sein, an dem Verlin liegt, ist.jetzt vorüber. Seitdem die' Gemeinde Graß-Berlin entstanden ist, teilen sich noch zwei andere Flüsse, die Dahme und die Havel  , in diesen Ruhm. Aber doch ist die Spree der Fluß geblieben, an dem das alt« Verl.n liegt ab- gesehen von der Pcmke, die nicht als Fluh, sondern als Flieh zu de- trachten ist. Das Gebirgskinö. Die Quellen unserer Spree liegen hart an der Reichs- grenze, in dem Gebirg«, das Sachsen   von Böhmen   scheidet: einiy Quellbächlein for.-.nrn   soaar aus dem Ausland, aus Böhmen  . Etwas unterhalb des Dorfes Cbersbach im Freistaat Sachsen   ver- einigen sich die Ouellflüsie zu der hier etwa 5 Meter breiten Spree. Bon Schland mi sch'cingelt sich unter Fluh in manniafach gekrümm- rem Lauf durch die Granitmassen der Hochfläche von Bautzen  . Zahl- reiche Windungen und Krümmungen des"'als durchfurcden das Ge­birge: nicht selten stellen sich nialerische Felsgruppen dem Talzug iu den 2B~a. Jedoch auch freie Wlcscn'>ründe durchtlien- die Spree  in diesem Teil ihres Laufs. Hier erreicht sie das wendische Sprach. gebiet, in dem sie von Bederwitz bis Lübben   bleibt. Hort am Fluh, auf dem hohen Talrand des rechten Ufers, liegt die alte Stadt Bautzen  , das Bvdyschin der Wenden.. Das Spreetal   ist hier tief eingeschnitten. Flußabwärts flieht die Spree etwa 4 Kilometer lang zwischen steilen und nackten Felswänden hin. Bei Rieder-Gurig durchbricht sie in einer 13 Meter breiten Pforte das Gebirg« und bat ftstt nach 50 Kilometer langem Lauf das Tiefland erreicht. Die Pforte von Nieder-Gurig liegt über 300 Meter tiefer als die Quellen der Spree. Hinler dem Dorf Zerre erreicht die Spree die Grenze der Mark Brandenburg. Trattcndorf ist der erste Ort auf märkischem Loden am Ufer der Spree  . Hier beginnt eins der Starkstromfernleitungen nach Berlin  , die den elektrischen Strom aus den Braunkohlenbergwerken dieser Gegend empfangen. Kurz darauf kommt unser Fluh zur allen Stadt Spremberg  , einem wichtigen Jndustrieort mit vielen Tuchfabriten und Spinne- reien; auch eine Webschvle bcsmdet sich hier. Spremberg   soll der omographische Mittelpunkt de? Deutschen   Reichs sein. Das Spreetal  ist hier sehr schmal: über 30 Meter hohe Talwände säumen es ein. Die Spree durchbricht hier den Lausitz  «? Grenzwall der die Niederlausitz   im Norden von der Oberlausitz   im Süden scheidet, und flieht nach Kottbus  , ebenfalls einem' industriereichen Ort der Niederlausitz  : auch hier blüht besonders die Tuchfnbritation. Der Spreewalü. Unterhalb Kottbus   teilt sick die Spree   in viel« Arm«, die das Gebiet des Spreewald» umfließen und durchziehen. Der Spree  - wald ist von einer solchen landschaftlich», Eigenart, wie sie ein zweites Mal in Deutschland   nicht wieder vorkommt. Bruchwälder und Wiesen, von d?n unzähligen Spreocrmen und Kanälen be- wässert, wechseln miteinander ab. Dazwischen die uralten Wenden- dörser mit ihren Blockhäusern. Die Eigenarten des Sprecwalds locken alljährlich viele Naturfreunde au« den Grohstädten. besonders Berlin   und Dresden  , zu sich.?n den abgelegenen Winkeln de» Sprsewalds hat sich noch ein Rell ziemlich unverfälschten wendischen Volkstums erhalten mit seinen Besonderheiten in Sitten und Ge- l rauchen. Sprache und Trachten. Lübbenau   ist der Hauptort de» Oberspreewald  », der sich bis Lübben   erstreckt. Das ganze Gebiet liegt im Zuge eines allen eiszeitlichen Urstromtal», des Glogait- Baruther. Unterhalb Lübben   tritt die Spree   in den Unterspreewakd cin. der nicht so ausgedehnt ist wie der Oberspreewald  , aber an Schönheit mit diesem wetteifert. Vom Neuendorfer See flieht die Spree an Kosienblatt vorüber zum Schwielochsee   und weiter zur alten Stadt Beeukvw. Bei Neubrück  «reicht die Spree  da» Warschau  -Btrliner Urstromtal, in dem sie vis zu ihrer Mün- düng verbleibt. Hier geht der Müllroser Kanal ab, der die Der. l indung mit der Oder herstellt. Nim flieht sie in dem mehrere Kilometer breiten Urstromtal in nordwestlicher Richtung weiter zur alten Bischofstadt Fürstenwolde. Auf dem Südufer liegen die Rauenfchen Berge mit den Markorasensteinen. Weiler geht«« durch ausgedehnte Kiefernwälder. Bei Großc-Tränke zweigt der Oder-Znreekanal ab, der nach Schmöckwitz   zur Dahme   führt. Er
rerkürzt den reich gewundene» Lauf der Spree um ein berrächlliches Stück. Dann kommt Hangelsberg: unser Fluh ist jetzt im Gebiet des Berliner   Ausflugsvertehrs. Er schlängelt sich durch ein weites Wiesental, in dem er sich ausnimmtwie die Maus im Käfig des entflohenen Löwen"". Au sreundltchcn Ortschaften und einsam liegenden Einzelsiedlunge» vorüber kommt die Spree nach Erkner  , wo sie in den Dämeritzsee eintritt. öerlin erreicht. Durch den Dämeritzsee verläuft in nordsüdlicher Richtung die Ost grenze von Groh-Berlin  . Von hier ob verbleibt die Spree bis zu ihrer Mündung in dem Gebiet der Stadtgemeinde. Nach dem verlassen de» Dämeritzsee» wird sie wieder recht schmal: sie flieht an dem allen Rahnsdorf   vorüber und komm: gleich darauf in den Müggelsee. Wie ein Gebirgszug grüßen vom Süd- ufer des Sees die Kuppen der Müggelberge mit ihren Aussicht»- türmen. Weiter führt der Lauf der Spree   nach Köpenick  , der allen Fischersiadt, derWaschküche Berlins  "', wo von links die Dahme einmündet. Jetzt wird das Bild der Uferlandschaft bestimmt durch die zahlreichen Fabrikanlagen von. Spindlersfeld und Ober- und Niederichöneweide mit ihren gewaltigen Esten. Berlin   als Stadt der Arbeit ist erreicht! Freundlichere Bilder tun sich noch einmal auf bei T'r e p t o w. wo der schöne Plänterwald bis an den Fluh herantritt, während aus dem gegenüberliegenden Ufer das stille Kirchlein von Stralau sich in den Wasserfluten spiegelt. Hier liegen noch zahlreich« Erholimgsstäiten. die schon viele Jahrzehnte das Ausflimsziel per Großstädter sind. An der Oberbaumbrücke mit ihren Turmbauten beginn. A l t- B e r l i n. Zahlreich» Brücken verbinden die beiden Flußufer innerhalb der Stadt: sie macven Berlin  zu einer der brückenreichsten Städte der Welt. Hinter der Waisen. brücke teilt sich die Spree   in zwei Arme, die du? Insel A l t- K ö l l n umkliehen._ An der Monbijoubrück« vereinigen sich beide Arme wieder, nachdem bei jedem von ihnen durch eine Schleule, die Mühlendommscbleuse und die S t a d t f ch i e u s e, für die Regelung de» Wasierstands gesorgt wurde. Nun fließen die wieder vereinigten Wasjermossen am Bahnhof Friednchstrahe, am Reichs- tagsgebäude und an ausaedebnten Ladeplätzen und Zollschuptien vorüber nach M o a b i t. Der Tiergarten und Schloßpark von Belle- rue reichen hier bis an die Spree. Die Grenzen von Alt-Berlin sind verlosten, der Lauf geht nach Ebarlottenburg, dessen schöner Schloßpark sich ebenfalls in den Fluten der Spree spiegelt. Hier ist die letzt« Schleuse zu überwinden. Alsdann beibt unser Fluh hart am Fuß des Romaades der Teltowhochfläche. auf der Westend  mit dem Spcndauer Bock liegt. Am anderen Ufer, im Urstromtal  , dehnen sich die Fabrikanlagen und Wohnhäuser von Siemensstadt  aus. Fast unmerklich ist der Usberqang nach Spandau  . Fabriten auf beiden Ufern, so«Ut die Spre« ihrer Bereini- gung mit der Hovel enigegen. die sich im Herzen der«he- maligen Feste vollzieht. Steht man auf der Eharlattvnbrücke in Spandau   und schaut nach Norden, so sieht man die Stell«, an der Spree   und Havel   zusammensiiehen. Viel weiter vereinigen sich ihre Wasier dann mit denen der Elb« und eilen nun dem Well- mcer zu. * 356 Kilometer lang ist der Lauf der Spree von der Quelle bis zur Mündung. Zalckrelche Mühlen treibt sie. besonders!n ihrem Oberlauf, wo sie noch atz lustiges Eebirgskind dahinstürmt. Ist sie dann ruhiger geworden, so nimmt sie willig Lasten aus sich: im Spree  - wald kleinere Kähne, von Leibsch an, nach dem Verlassen des Unter- fpreewolds. groß« Lastschiffe. Der von hier an gerechnet« schiffbare Lauf der Spree beträgt 169 Kilometer.
Feuer in einem fitne. Am Freitag gegen 9% Uhr abends alarmierte man die Feuerwedr nach dem Haufe Köpenick  «? Straße 86, wo in dem KinoRolaud" die abgerissenen Enden eines Films in Brand geraten waren. Der Borführer hatte die brennenden Filmenden auf oen Fußboden geworfen, wodurch ein dort liegender Film ebenfalls Feuer gefangen hatte. Di« Feuer- wehrleute risten die brennenden Filmstreifen aus dem Vorführraum auf die Straße hinaus, so dag jede Gefahr schnell beseitigt war.
Im Spiegel ües fiusla»üs. Was in Berlin   möglich ist. Der Nationalstolz, von dem kein Volk frei Ist, trübt gegen­über eigenen Schwächen den Blick. Da kann« nur nützlich fein, von Zell   zu Zeit auch mal da» Urteil der anderen zu hören. Aus dem Kreise der m Berlin   lebenden Inder erhallen wir eine Zuschrift, die wir hier wortgetreu wiedergeben: Angesichts der freundlichen und zuvorkommenden Aufnahme. die Inder seien es Kaufleute, Studenten oder Durchreisende bei allen Klassen des deutschen   Volkes finden, ist es uns besonders schmerzlich, die Aufmerksamkeit des letzteren auf das niedrio« moro- tische Niveau zu lenken, das in den Straßen Berlins   herrscht. Am Mittwoch, den ö. März, 9 Uhr 30 Min. früh, wurde eine indische Studentin auf dem Wege zu ihrem Musitlehrer aus dem Prager Platz von einem Betrunkenen angefallen. Während sie sich seiner zu erwehren suchte, entstand«in« Ansammlung von Menschen, die, anstatt der Dame Beistand zu leisten, untätig und lochend zuschaute. Nun kann man einen Detrunkenen nicht zur Ber- antwortung ziehen, und derlei Unfälle ereignen sich in jedem«uro- päischen Lande, ober zu unserem schmerzlichen Bedauern müsten wir feststellen, daß nirgends die Menge eine derartig« Haltung einnch- men würde. Eine Frau besonders würde überall augenblicklichen Beistand von den Vorübergehenden erfahren, wie wir bei ähnlichen Gelegenheiten, wo deutsch  « Frauen in ähnlicher Lage waren, be« obachten konnten. Hier jedoch müsten wir das Interesse unserer Landsleute wahren, und wir bedauern die mebr als indiffe- rente Haltung der Berliner   Menge gegenüber der Insul- tierung einer Frau. Wir können bedenkenlos erklären, daß nie eine deutsche   oder andere europäische Frau zu Friedens«!»«» einer solchen Behandlung in Indien   ausgesetzt sein könnte. Selbst in jenen seltenen Fällen, wo. in dunklen Kneqszeiten, Frauen Miß­handlungen preisaeqeben sind, liegen die Ursachen nur in den un- natürlichen politischen Berhältnisten unlerer Heimat. Dann aber handelt es sich um rein politische Vorfälle, und immer zeigt die 'Menge ihre Empörung über die Jnsultierung einer Frau. Wir ersuchen Sie höflichst, diesen Brief in den Snalten Ihrer geschähen Zeitung zu veröffentlichen. Wir hoffen damit zur Hebung der Ber  - liner Sirahenmoral beizutragen, da wir wisien, wie diese dem Rufe des deutschen   Volkes im Ausland schadet." Der Brief könnte manchem zu denken geben. Wohlgemerkt: der Tadel des Inders richtet sich nicht gegen den Betrunkenen, dem er seine Tat nicht anrechnen will, sondern geaen die Zuschauer, die untätig und lochend dabei standen. Wir misten nicht, ob die An- ficht, daß nirgends die Meng« eine derartige Haltung einnehmen würde, richtig ist. Aber daß solche Vorkommnisse»ine Schmach sind und im Ausland dem Ruf des deutschen   Volke? schaden, darin stimmen wir dem Inder bei. Der Vrager Platz liegt imvornehmen" Westen Verlins, wo im Straßenpublikum die sich fürgebildet" haltenden Volksschichten die Mehrheit haben. Vielleicht ist die Roheit jener Leute, denen die Belästigung der In- derin als erheiterndes Schauspiel galt, eine Frucht de« von Deutschnationalen geschürten Fremdenhasses. Diese Gesellschaft mißbraucht besonders gern das Wort vombeut- fchen Wesen", an demnoch einmal die Welt genesen" werde. Sic sollte es sich hinter die Ohren schreiben, daß in Indien  , weninften« in Friedenszeiten, nie eine deutsche   oder andere europäische Frau einer solchen Behandlimg ausgesetzt sein könnte/ .» n u Klante abermals vor Gericht. Der vielgervondte Begründer des Wettkonzernschwindels Moz Klante, dessen Kabarettaost'piel« vor einiger Zeit jäh durch seine Der- Haftung zur Strafverbühunq unterbrochen worden waren, wurde an' Freitag früh wieder einmal aus der Strafhaft in Tegel   der zweit.n Strafkammer des Landgerichts III   vorgeführt. Es handelt sich be der Anklage um das neue Wettunternehmen Klontes. Die VerHand lunq bewegt sich in recht ruhigen Bahnen. Bekanntlich hatte Klonte nachdem er im Januar 1923 nach Beendigung seine; Strafprozeste« aus der Untersuchungshaft entlasten worden war, ein neues Wctt> unternehmen gegründet, das bald dem Staatsanwall Anlaß zum Einschreiten gab. Das Schöffengericht Eharlottenburg hatte Klont« wegen Vergehens gegen dos Weit- und Lotterie. aeseß   zu drei Monaten Gefängnis und taufend Gold mark Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil-Hatte Klonte B? rufung eingelegt. Zur Begründung führte Klaffte aus:Als ick aus der Haft entlassen wurde, traten sofort zahlreiche alte Bekannt« an mich heran und drängten mich, weiter auf den Rennen für si<
(Nackdcuck durch Malik-Aerfe«, Berti«.)
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Der Bürger. von lleonhorS Krank.
Aber Tmtte, sprich nicht von Dingen, die du nicht verstehst." mcnn k" überfahren worden wärest!?" Nun, nun. ich brauchte mich ja nur eng gegen die Mauer zu pressen, was konnte da viel passieren... Natürlich" und er sah heiter lächelnd Elisabeth andenkt man in so einem Augenblick nicht an das Nächstliegende." Das eine weih ich: dein ganzes Unglück ist dieses Mädchen." Geschmacklos ist sie nicht, dach»? Jürgen, da Elisabeth sich scfort auf Katharinas seue stellte durch ein Lächeln des Ein­verständnisses mit ihm.Das sollten Sie nicht sagen; Katharina ist doch immerhin e,n ungewöhnlicher Mensch, den man nicht mit dem gewöhnlichen Maße messen darf." Davon versteht die Tante nichts," sagte Jürgen in dem- selben Tonkall, wie damals auf dem Hügel Elisabeth zu Jürgen gesagt hatte, von Literatur versteh« Adolf nichts. Warme Sympathie und Achtung für Katharina erfüllt« ihn und wohltuender Stolz auf sie, die zusammengesunken und versunken in Schmerz lind Vereinsamung am Tische sah und weinte und nur und immer wieder das eine dachte: Warum, warum hat er mir das angetan? ± t. Die Tante wurde mutig:Daran kannst du sehen, wohin dich diese Beziehung noch bringen würde... hätte bringen können. Einfach in den TodI.. Ein zu verruckies, ein... unordentliches Mädchen, finden Sie nicht auch?" Sie sollten nicht so streng sein gegen Katharina, die doch wirklich nicht so beurteilt werden kann wie irgendein dummes bürgerliches Mädchen."" Jürgen zeigte die Miene eines Menschen, der es sich er- landen kann, Dummheiten anzuhören, ohne zu widersprechen. Uebrigens. auch Elisabeth scheint keine bürgerliche Gans zu fein, dachte er. Nichts als Unruhe, ewig? Unruhe kommt dabei... würde dabei... märe dabei herausgekommen." Die ist zech/ sagte Jürgen, kräftig locixmd. als die Tante i aus dem Zinuner war, sich umzuziehen für den Kirchgang.,
Die gibt den Kampf nicht so leicht auf. Jetzt glaubt sie schon gesiegt zu haben in dieser Sache, in der sie nie siegen kann. Niemals!" Mit einem Blicke nahm Elisabeth den Kampf offen auf. So daß Jürgen nach langem Blick- und Wortgeplänkel schließ- lich fragen konnte:Und Adolf?" Er ist mir zn dumm. Einfach zu dumm!" sagte sie, strahlend vor ehrlicher Ueberzeugung. Und ob Jürgen sie be- gleiten wolle, sie müsse Einkäufe machen. Auch Katharina ging, in der Hand das in Papier   ein- gewickelte belegte Brot, das sie abends in der Redaktion essen wollte, durch die Geschäftsstraße. Der Schreck schlug durch ihren ganzen Körper durch. So stand sie, gedeckt von der kauf- und schaulustigen Menschenmenge, die, ein geschecktes, langes, vielhundertfüßiaes Tier, langsam an den Auslagen entlang kroch, und sah, wie Elisabeth Jürgen an der Schulter faßte, ihn vor ein Spiclwarenfchaufenster führte. An der Art des Nebeneinanderstehens erkannte ftatharino, daß sie schon eine Gegnerin bekommen hatte, berührte mit der Zungenspitze nachdenklich ihre Lippen und ging weiter. Immerzu sah sie die zwei vor dem Schaufenster stehen. sah Elisabeths zartgegliederte, weiße Hand auf Jürgens schwarzem Rücken liegen und dachte sich den deutenden Zeige- finger dazu.Was sie ihm wohl gezeigt haben mag? Eine Puppe? Ein Schaukelpferd?" Die ganze Straße hinunter interessierte Katharina sich dafür, aus was wohl Elisabeth Jürgen aufmerksam gemacht habe, stellte sich die Gegenstände eines Spielwarenschastrensterz vor. Erst als sie mit dem innen. Blick plötzlich des Geliebten Gesicht sah, stellte sie sich der Hauptsache. Der schneidende Schmerz zwang sie, Hand auf dem Herzen, stchenzublicben. Und jetzt? Was ist jetzt? Soll ich.... soll ich kämpfen um ihn?" Aber das Bewußtsein, daß Jürgen ja nicht ihr. sondern sich selbst und seiner Hinaabe entlaufen sei, und daß iie. was sie durch den Kampf um ihn gewönne, nur auf Kosten chrer Hingabe gewinnen könne, stieß Katharina hinein in die graue Hossmmgslosigkeit., Dennoch stand sie zur verabredeten Zeit an der Straßen- ecke, gepeinigt von dem Bewußtsein, daß sie, in ibrem versön- lichcn Leben nun so ganz und gar verarmt, noch di? Gebende sein müsse. Denn de/ Fraueninstinkt sagte ihr, daß Jürgen nur deshalb-für Elisabeth interessant und begehrenswert sei, weil er mit der als merkwürdig und unnahbar geltenden
Katharina befreundet war.Wenn sie seine Frau wird, hat er das mir zu verdanken. Wie entsetzlich!" Katharina fror bei diesem Gedanken. Sorgfältig gekleidet, durch Bad, reine Wäsche und durch das Beisammensein mit Elisabeth erfrischt, schritt er, beherrschte .Kraft in den Gliedern, lebensfroh dem verabredeten Orte zu iah Katharina stehen, sah sekündlich den unüberschreitbare: Abgrund, den seine momentanen Gefühle zwischen ihm und Katharina aufrissen, blieb stehen, stand an dem Rande dee Abgrundes, der nur oleichjcitig mit diesen neuen Gefühlen verschwinden konnte, die schon nicht mehr verschwinden konn- ten, tappte über den Rand des Abgrundes hinaus, stand und schritt auf Luft. Wildes, besinnungsloses Aufstezustürzen fnw in seinen Gang und falsche Wiedersehensfreude und gleiä)- zeitig Scham in fein Gesicht. Sie aber stand, ein Mensch, grau und wissend und be- mußt, und nahm auf sich ihr Schicksal. So blickte sie ihn an. Wie die leben, die Bürger! Die, ah. die wissen schon, was sie wollen.,. Aber was alles sie zusammenredet, d-e Tante, du machst dir keinen Begriff... Für die ist alles höchst einfach."" Deine Tante will, daß es dir gut gehe: sie will, daß b Elisabeth Wagner heiratest." Sie horchte auf sein falsch-her, Haftes Lachen und fühlte: Wie weit, wie weit ist er schon wer Wahrhastig, du sagst es. Genau das will sie... S ein Unsinn!... Hab mich aber ganz gut mit ihr unter halten. Sie ist nicht dumm, weißt du, und eigentlich gar nic' bürgerlich.. Ein liebenswürdiges Geschöpf." Ja, Jürgen, sie ist ein kluges Mädchen, ein liebenswerte Mädchen." Kennst du sie denn so gut. well du sagst, sie sei er: liebenswertes Mädchen?" Weshalb denn kein liebenswerte. Madchen  , Jüraei weshalb nicht liebenswert." sagte Katharina in schwerem Le« und dachte: Wie wiegen die Worte so schwer... fallc wie Blei. Sie hat sogar deine Partei ergrissen, ba! dich verteidigt." Wie ist es möglich, daß er mich so beleidigt." Die Hau- ser ne'gten sich: die Straße drehte sich um Katharina herum. Sie mußte sich festhalten an Jürgen, nicht zu versinken in dem schwar-en Nebel vor ihren Anaen. Du arbeitest zuviel; solltest dich schonen, etwas mehr schonen." r!'(Fortsetzung folgt.)