Abendausgabe
Nr. 126 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 63
Bezugsbedingungen und Anzeigenpreise find in der Morgenausgabe angegeben Redattion: S. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhof 292-295 Zel.- Adresse: Sozialdemotrat Berlin
Vorwärts
Berliner Volksblatt
7 Goldpfennig
70 Milliarden
Freitag
14. März 1924
Berlag und Angetgenabteilung
Geschäftszeit 9-5 Ub:
Verleger: Borwärts- Verlag GmbH Berlin SW 68, Cindenstraße 3 Fernfprecher: Dönhoff 2506-2507
Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Lossows 51 Prozent.
BS. München, 14. März.
Zu Beginn der heutigen Sigung wird ein Brief des Vorfizenden der württembergischen vaterländischen Verbände Alfred Roth verlesen, der leugnet, daß Rahr mit ihnen über einen Bor. marsch nach Berlin gesprochen habe. Die Berteidigung erklärt darauf, es handle sich um einen anderen Roth.
Zum Fall Ebert" bemerkt Juftigrat Kohl, daß ein Neffe des Reichspräsidenten am Kriege teilgenommen habe, der allerdings nicht den Namen Ebert trage.
Der Borsigende hüllt sich in Stillschweigen.
Lossow vor den Verteidigern.
Dann beginnt die Bernehmung Lossows. Im Gegensatz zu Kahr ist Lossom außerordentlich aktiv und versucht, den Gang ber Verhandlung feft in feiner Hand zu behalten. In längerer zu fammenhängender Rede geht er noch einmal auf seine Absichten ein und versucht dabei verschiedene Momente zu klären, die im Laufe der bisherigen Berhandlungen für ihn belastend waren. Im ehr treistommando, so erklärt er, sind teine Befehle ab. gegeben worden, die auf den Vormarsch nach Berlin hindeuten, es fei dern, daß man hier etwas hineingeheimnissen will, was nicht
brin steht.
Rechtsanwalt Hoff bemerkt: Erzellenz fagte bei einer Unter rebung in der Infanteriefajerne am 9. November zu mir: Wir wollen ja den Staatsstreich, nur über den Zeitpunkt waren wir nicht ein'g. Wenn ich 50 Proz. Wahrscheinlichkeit für den Erfolg habe meine Herren, an dem Tage war es 1 Proj. weniger schlage ich los."
-
Lolsom erwidert: h habe bereits bei meiner ersten Bernehmung zugesagt, daß ich meine Ausführungen am 6. mit den Morten schloß: Ich mache teinen Butsch mit, wohl aber jeden Schritt, der zum Erfolge führt, felbst wenn er nur auf dem Bege des Staatsstreiches möglich ist."
Das Wort Staatsstreich ist also gefallen.
Der Zeuge entwide't dann noch einmal des langen und breiten feine politischen Ansichten. Er sei ber festen Ueberzeugung gewesen, daß man damals zur Errichtung des Direktoriums fchreiten mußte, und daß das auch auf Grund des Art. 48 ohne weiteres möglich gewesen wäre. Der Ausnahmezustand, den der Zeuge eine Militär. bittatur nennt, sei eine schlechtere Lösung gewesen, da die Militärbefehlshaber teine geeigneten Organe felen, um die schwierigsten Bros tleme des Reiches zu lösen. Um das Direktorium zu errichten, habe man allerdings einen Drud geplant. Dieser Drud follte einsehen von den nationalen Parteien, von den Vereinigten Bater ländischen Verbänden, den Faktoren der Ernährung, der Industrie und legten Endes auch von den Trägern der Machtfattoren. Hier ist der springende Bunft, denn hier sagt man: 2ha, er rasse't mit dem Säbel." Ich möchte aber betonen, überall waren damals Lebensmittelfrawalie, die mit dem Gewehr nieder. geworfen werden mußten. Die bewaffnete Macht war gezwungen,
-
Claß hinter den Kulissen.
R.-A. Holl: War nicht am 5. November ein Major Boigt aus Berlin bei Ihnen, um Ihnen den Vorschlag zu machen, Herr v. Kahr sollte mit in die Leitung des Reichsdirektoriums eintreten?
Lossow gibt das zu.
R. Holl: Sind von Ihnen alle Maßnahmen eines Reichs. wehrminifteriums durchgeführt worden?
v. Lossow( mit starter Betonung): Jawohl, restlos. Die Angabe Dr. W: bers darüber, daß beim Wehrkreisfommando Be. fehle des Reichswehrministeriums nicht nicht ausgeführt worden feien, find von A bis 3 unwahr. Auch während des Konflifts ist ber Dienstbefehl zwischen Berlin - München reibungslos weiterge. gangen. Die Fafeleien über Nichtausführung und Personalverände rung sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Auf Befragen der Norddeutschland fam mit Major Düsterberg, der im„ StahlBerteidigung erklärt Lossom weiter: Ein Graf Helldorf aus helm" eine Rolle spielt, zu mir. Am 8. November besuchte mich und sagte zu mir: Es ist nichts mit Berlin . Die drucjen alleweil dann Graf Helldorf in Anwesenheit des Oberstleutnants Berchart miteinander. Man redt aber,' s wird halt nig. Ich gab dem Grafen lang fragen müßten, wenn sie immer nur auf Bayern schauten und zu verstehen, daß die Herrschaften uns in Berlin dann den Buckel selbst nichts zu tun imftande seien. Ich habe den Grafen Helldorf dann höflich hinausgeworfen mit der Erklärung:
Wenn die Bäfer des Direttoriums nicht selber weiterfommen, dann fönnen wir auch nichts machen. Wir sind schwarzweißrot, aber den Marasmus dort oben machen wir nicht mit. In Bayern ist damals der Gedanke von einer Goldban? erwogen worden. Kahr , Seißer und ich waren der Ansicht, daß wir eine bayerische Währungsreform nicht durchführen könnten, weil dies
eine Separation bedeutet hätte,
Jept gestaltete sich die Bernehmung offoms zum Teil außerordentlich dramatisch. Es tam zu sehr heftigen Busammen. stößen zwischen dem Zeugen, der während der ganzen Bernehmung aufgeregt vor dem Richtertisch hin und herlief, feine Aussage außerordentlich start betonte und in der Erregung hin und wieder auf den Tisch schlug. Die Gegensäge zwischen General von Lofjom und der Verteidigung spigten sich schließlich so sehr zu, daß die Verteidiger um eine längere Bause baten, um ihrerseits Stellung nehmen zu können, wie man sich Exzellenz v. Lossow gegen.
über verhalten solle.
des
Im Mittelpunkt der Auseinandersegung steht die Behauptung Juftigrats Kohl,
verschiedene Offiziere hätten die Ausführungen Coffoms in einer Kommandeurbefpredjuna jo aufgefant, daß ein Vormarsch nach Berlin geplant fel.
Rohl nennt als Zeugen den Oberst Epel. Lossom erwidert darauf außerordentlich erregt: Darüber fönnen 20 Offiziere gehört werden und niemand von ihnen hat diesen Gindrud gehabt. Wenn Herr Oberst Ezzel aus der Besprechung diese uffaffung, die Herr Justizrat kohl hier vorgetragen hat, mitnahm,
Die Ordnung aufrechtzuerhalten, die durch die Unfähigkeit der Refo gierung gefährdet war.
Menn also die Befehlshaber eines Tages erklärten, daß ihre Soldaten nicht dazu da seien, das Bolt tolzuschießen, bloß weil die Regierung unfähig fei, eine anständige Regierung zu bilden und wenn sie deshalb die weitere Verantwortung für ein solches Berlangen ablehnte, dann war es ein Drud, der damit ausgeübt wurde. Diesen Drud habe ich gemeint und so habe ich auch den Staatsstreid) aufgefaßt, fo und nicht anders. Was die ominöfen 51 Broz. anbelangten, so habe er nicht erklärt, ich marschiere, wenn ich 51 Broz. Chancen habe, sondern: Man muß im Sinne dieses Staatsstreichs handeln, wenn man 51 Broz. Chancen ha, d. h. wenn man weiß, was man will und was man macht; also wenn man das Direttorium fertig in der Tasche, das Brogramm aufrest llt und die Reichswehr reschlossen hinter sich hat. Das nenne ich 51 Proz Macht man es vorher, bevor man die Männer das Brogramm und die Reichswehr hat, dann hat man eine Gfelei gemacht.
R.-A. Ho11 erwidert, daß bie Angeklagten den Staatsstreich ebenfalls niemals anders aufacfaß haben.
Justizrat Schramm: Ich bin überrascht zu hören, daß es etwas Legales ist, wenn die Wehrfreistommmandeure eines Tages zum Reichspräsidenten fommen und ihm erklären:„ Wenn Du nicht mochst. daß Du weiterfommst, denn werden wir eine andere Sprache mit Dir reben." Wie kann die Wehrmacht die doch der poli. tifchen Leitung unterftellt ist, sich das Recht anmohen fich über die politische Beitung hinwegzusehen, sie hinwegzufegen. 3ft Lellow: Der Schritt der Inhaber der vell lehenden Gewalt war so gedacht, daß man darauf aufmerksam machen wolle, daß die Armee durch das Schießen auf das Bolt zerfeht würde und daß man deshalb für eine andere Regierung Serge fragen müsse. Der Schritt mar aber nicht so gedacht, daß man zum Reichspräsidenten ging und ihm erflärte:„ Scheren Sie sich zum Teufel!" Juftigrat Schramm: Ber sollte denn das Diret.
bas legal?
tortum einsehen?
Loflow: Derjenige, der dafür verantwortlich ist, der mit dem
Art. 48 arbeitet.
Justizrat Schramm: Also der Reichspräsident. Lossow: Ich denke ja.
Just zrat Schramm: Sollte nicht noch der Intentionen der Herren auch der Reichspräsident verschwinden? Lossow: Diese Frage müssen Sie an die Herren des Diref. toriums richten.
Justizrat Schramm: Und wenn der Reichspräsident nicht wollte, was follte denn dann geschehen?
Loisow: Auch diese Frage müssen Sie an die Leute vom Direktorium richten.
ift das eben seine Sache.
Justizrat Roh1: Dann bitte ich, den Kommandeur des Remptener Bataillons darüber zu befragen, ob er nicht denselben Eindrud hatte wie Oberst Ehel.
R.-A. Göz: Herr Zeuge, Sie erflärten vorher, die Reichswehr hätte nicht auf hungernde Boltsgenossen schießen tönnen. Wie betrachten Sie, Herr Zeuge, das als vereinbar mit dem Amt und der Verpflichtung eines Militärs, wenn er dem Reichspräsidenten sagt: Ich fann meine Leute auf hungernde Bolfsgenossen nicht schießen lassen.
Lossow: Das liegt doch wohl in der Kompetenz der höchsten Kommandostellen, daß sie dem Reichspräsidenten in schwie. rigen Situationen erflä en:" Herr Präsident, an die er Aufgabe geht die Reichswehr zugrunde, tun Sie etwas, um der Reichswehr cine solche Aufgabe abzunehmen."
R..A. Göt: Gind dem Herrn Zeugen Borgänge befannt, daß von militärischen Stellen ein Drud auf den Herrn Reichspräsidenten ausgeübt worden ist( der Staatsanwalt schüttelt mit dem Kopf).
Lossom Nein, das ist dem Herrn Zeugen nicht bekannt geworden( fehr scharf), aber der Herr Beuge bat Beitungen gelesen und er hat daraus ersehen, wie der Ausnahmezustand zustande ge tommen ist. Aus der Art und Weise wie das geschah, kann jeder vernünftige Mensch entnehmen, daß an den maßgebenden Stellen eine bemerkenswerte Veränderung ein. getreten ist.
R.- 21. Böẞ( ebenfalls scharf):
Sind mit dem Herrn Reichspräsidenten über das Direktorium Berhandlungen gepflogen worden? Lossow: Ich weiß es nicht, habe aber meine Bermutun. gen darüber. Man sagt, daß Herr Henrich sich mit dem Reichspräsidenten über allerlei Fragen unterhalten hat.
miz
Das Geheimnis des Direktoriums. möchten Stellung nehmen über die Art, in der der Zeuge feine BerR.-A. Hemmeter: Wir bitten um eine Pause. nehmung selbst dirigiert. Er läuft auf und ab wie auf dem Kasernen. hof , und schreit in einer vollkommen ungehörigen Weise.
R.-A. Holl: Ich bitte um einen Gerichtsbeschluß, ob der Zeuge die von Herrn Hitler gestellten Fragen zu beantworten hat oder nicht. Vielleicht ist er zufammen mit den Herren Kahr und Seißer einer der Väter des Direktoriums.
gleichgültig. Bor: Das ist für die Schuldfrage der Angeklagten vollkommen
R... Holl: Es ist aber wichtig für die Angeklagten, ob sie von diesen Bätern des Gedantens vielleicht zur Ausführung der Tat berangeholt worden sind.
Juflizrat& ohl: 3ch bitte, das, was ich auszuführen habe, ruhig und fachlich mit anzuhören. Die Staatsanwaltschaft und das Gericht erkennen offenbar die Zusammenhänge nicht, die zwischen der Uffion in München und zwischen der in Norddeutschland vorbereiteten großen Uttion beffanden haben. So oft hier die Rede auf den Justizrat Clak fommt, hüllen alle Zeugen fich in Schweigen. Die Bewegung vom 8. November ist aber nur er. flärlich, wenn man weiß, daß Herr Kahr von Justizraf Claß feine feft umriffenen Aufträge hatte. Die Herren Seedt und Clah müffen hier vernommen werden über das, was in Norddeutschland geplant war und wozu die Vorgänge in Münden am 8. und 9. november nur den Auftakt bilden sollten, Hitler: Erzellenz Lofsom mögen hier betanrt geben, wer der Urheber des Gebantens vom Direktorium ist und mit wem der Genera! Loffow darüber verhandelt hat.
Bors: Herr Staatsanwalt, haben Sie hierzu einen Antrag zu stellen? Erster Staatsanwalt Stenglein: Nein, ich kann in diese
dunklen Bufammenhänge nicht hineinsehen.
entscheiden, cb der von Hitler und Justizrat Kohl angeschnittene Hierauf zieht sich das Gericht zurück, um über die Frage zu neue Kompler öffentlich oder überhaupt erörtert werden kann.
Nach längerer Beratung verfündet der Vorsitzende folgenden Gerichtsbeschluß:
Die von dem Angeklagten Hiller an den Zeugen gestellte Frage wird nicht zugelaffen. Die Angeklagten haben felbft behauptet, daß der erste Grund zu Ihrer Bewegung erst am 6. November abends ohne jede Borbereitung entstanden ist. Die Frage nach der Ur. heberschaft des Direttoriumsgedankens und nach dem Zusammenhang zwischen der dahin gehenden Bewegung in Nord- und Süddeutschland fann als mit der Tai der Angeklagten nicht in einem inneren Zusammenhang stehend, nicht zugelassen werden. ( Fortsetzung im Morgenblatt.)
Die Enthüllung des Verbrechens durch den Vorwärts".
"
Er hatte von
wenden, den Eindruck eines Mannes, der sehr schweres Leid in der
Aus der gestrigen Verhandlung tragen wir noch folgende Einzel-| Aus dieser Aengstlichkeit heraus wollte er auch zunächst teine näheren heiten nach: Angaben machen. Er äußerte: Am liebsten möchte ich mich an den In der wei'eren Bernehmung über den Angeklagten Jurisch Minister Severing persönlich wenden. Aber unsereins wird betont der Kommissar Bahlbid, daß er als Beauftragter der Abtel- ja nicht bei einem Minister vorgelassen. Der Zeuge Schiff versuchte lung la des Polizeipräsidiums Berlin , nachdem er durch den„ Bor - auch vergeblich, den Innenminister telephonisch zu erreichen. Nach wärts" von ber Angelegenheit erfahren hatte, in der Sache tätig dem Jurisch lance mit sich selber gekämpft hatte, gab er sich schließ. gem fen ist und bei der ersten Unterrebung zwischen dem Vorwärts" lich einen Rud und fing an, die Tat in allen Einzelheiten zu schildern. Redakteur Schiff und Jurisch zugegen gewesen war. Jurisch Er machte nich den Eindruck eines Denunzianten, sondern nament. hat bei dieser Unterredung versichert, daß er an der Sache nicht lich durch die Aeußerung des Bunsches, sich an den Minister zu beteiligt und gezwungen hineingeraten war. Jurisch den Eindruck eines normalen Menschen. Er hat jedoch die Seele hatte und den Schuß der Staatsgefeße anrufen wollte. ersten Ermitt ungen an Ort und Stelle angestellt, die die Richtigkeit Auf Befragen des Berteidigers des Jurisch, Rechtsanwalt Dr. der Befundungen von Jurisch beweifen. Allsdenn wird der" Bor : Horowis, schildert Rebateur Schiff eine Szene, bie fich un wärts"-Redal'eur Genosse Schiff vernommen Er bekundet, daß mittelbar nach der Festnahme des Jurisch auf Grund des am 22. Mai ein Mann, namens Drth, beim„ Borwärts" erschienen in Mecklenburg erlaffenen Haftbefehls im Berliner Bolizeipräsidium war, der unbestimmte Andeutungen über die Roßbach- Organisation Bemerken, sein Freund, der in der Nähe fei, wisse genaues darüber. und einen politischen Mord in Medenburg machen wollte, mit dem abgespielt hat. Der Zeuge war dort erschienen mit den Rechtsan wälten Reichstagsabgeordneter Paul Levi und Dr. Horowit, die er zugezogen hatte, weil er es für seine Pflicht hielt, dem Jurisch Es tam dann zu einer Zusammenkunft mit diesem Freunde Rechtsschuß angedeihen zu laffen. Dr. Levi ermahnte den Jurisch auf unter Buziehung von Bahldid. zu schildern, und wies besonders darauf hin, daß man einem das dringendste, den Borfall genau der Wahrheit getreu Berteidiger nichts verschweigen dürfe, namentlich weil oft von Beschuldigten für belastend gehaltene Umstände in Wirklichkeit zur Ent lastung verwendet werden tönnten. Jurisch gab eine genaue Schild
Jurisch
-
-
einen sehr bebrüdten Eindrud. Auf Befragen des Vorfikonden gab der Zeuge an, Jurisch machte
Er gleich einem zu Tode gehehten Tier. Jurisch fühlte sich offensichtlich überall und durch jeden verfolgt.