Nr.151 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 75

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Sonnabend, den 29. März 1924

Das zweite Kabinett Poincaré  .

Nur zwei Minister behalten zehn entlassen!

Agentur als Minister genannt waren:

Vorsitz und Aeußeres: Poincaré  ,

Juffiz und Bizepräsidentschaft: Lefebvre da Breg Juneres: de Selves,

Krieg: Maginot,

Baris, 28. März.( Eigener Drahtbericht.) Abends 9% Uhr.  | dern Millerand, Maginot und Le Trocquer   die neue Minister. Poincaré   hat im Berlauf des Freitag nachmittag feine Besprechungen lifte zusammengesetzt haben. Darüber hinaus mutet die Preis­fortgesetzt und mit den verschiedensten Persönlichkeiten konserlert. gabe einiger weiterer Mitarbeiter besonders merkwürdig an. Nachmittags 5 Uhr wurde durch Havas folgende Minifterlife Daß er sich vom Marineminister Raibert trennte, in verbreitet, nachdem zuvor bereits andere Männer von der gleichen dessen Ressort zahlreiche Unglücksfälle, zuletzt die„ Dirmuiden" Katastrophe, geschehen sind, ist nicht weiter verwunderlich. Ebenso war es vorauszusehen, daß er den Landwirtschafts­minister Chéron fallen lassen würde, dessen einseitige Agrar­politit eine abnorme Lebensmittelteuerung verschuldet hat. Eigenartig ist es aber, daß er den Justizminister Colrat preisgibt, der mehr als ein Jahrzehnt hindurch zu seinen treuesten Mitarbeitern und intimsten Freunden gehörte, des gleichen seinen Landsmann und früheren Sekretär, den Wiederaufbauminister Reibel Aber den Gipfel der Un­dankbarkeit hat Poincaré   erffimmen müssen, indem er sich Dom Rolonialminister Sarraut   trennte, der ihm so sehr die Treue gehalten hatte, daß er sich lieber aus der radikalfozia listischen Partei fürzlich ausschließen ließ, als daß er seinem Chef bei der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz in den Rücken fiel.

Deffentliche Arbeiten: Je Irocquer,

Finanzen: Francois Marjal,

Handel: Coucheur,

Marine: Bofanowski,

Arbeit: Daniel Bincent,

Unterricht: Henry de Jouvenel  ,

Candwirtschaft: Capus,

Befreite Gebiete: Couis Marin, Kolonien: Oberstleutnant Fabry.

Paris  , 28. März, 11 Uhr abends.( Eca.) Der Präsident der De­

bauminister wird der Abgeordnete Capus, der Bruder des ver.

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Italienische Blütenlese.

Recht und Freiheit im italienischen Wahlkampf.

fönnte.

sp

tatilos war, den Chauffeur zu identifizieren. Ein Mann mit folchem Borleben follte also in Neopet fprechen, als kandidat der konstitutionellen Opposition. Natür lich ließ ihm die Präfeftur fofort das Lokal abtreiben. Also telegraphiert Mussolini   dem Präfekten, daß Amendola ruhig reben solle, ohne daß man darum die Miliz in Neapel   zu­fammenzuziehen brauchte, denn seine Rede ließen bie Regie­rung und die Partei völlig falt". Daraufhin( Disziplin über alles!) versendet die Föderation der falchiftichen Korportaionen der Basilicata   unter dem Datum des 19. März nachstehendes telegraphisches Zirkular, von dem ein Exemplar der Redaktion des Mondo" zugeflogen ift: Ronföderation der faschistischen Syntifate. Caserta  , 19. März. Provinzialföderation von Caferta. 2. Jahr faschistischer Aera. Generalsekretariat. Dringendes telegr. Zirkular. Im Namen S. E. Benite Muffolini, Oberhaupt der Regierung und Heerführer des Faschismus, Wir, Generalsekretär der faschistischen Korporationen der Provinz Caserta  ,

O. L. Rom  , 24. März 1924. Die Opposition, von der die faschistische Partei abwechselitb erflärt, daß sie zermalmt sei, oder, dank des übergroßen faschistischen Edelmutes, heute noch am Leben, morgen zer­Mussolinis überall das Recht der freien Aussprache haben. malmt werden würde, foll nach einem allerhöchsten Befehl Aber das ist nicht so einfach und plump zu verstehen, wie das dem antifaschistischen Gehirn erscheinen könnte. Wir wollen Aber das ist nicht so einfach und plump zu verstehen, wie das das an dem Fall Amendola exemplifizieren. Amendola gilt als Führer der tonstitutionellen Opposition; er ist Abgeordneter von Salerno   und hat den Krieg mitge. macht. Bon diesen drei Eigenschaften hat heute nur bie britic prattische Folgen, fo daß vor einigen Monaten, als Amendola fich bei der Einweihung des Denkmals für die Kriegsgefallenen in Salerno   einfand, auf ausdrückliche Einladung der Stadt­verwaltung, er auf dem Bahnhof von der politischen Bolizei in Schuhhaft" genommen wurde, nach Hause begleitet und dort während der Zeremonie( zu der er eingeladen war!) eingesperrt gehalten, mit der Begrün dung, daß die Polizei nicht für seine Sicherheit garantieren Daß Amendola in der Tat ein unsicherer Kunde" ist, Dieser Dant vom Haufe Poincaré   mutet um so eigen wenigstens in feinen Beziehungen zu Dritten, zeigte sich dann putterten fammer Raoul Péret  , von dem es noch am Abend mit artiger an, als zwei von seinen neuen Mitarbeitern in diefer auch im vorigen Januar, mo er beim Berlassen seiner Woh Bestimmtheit hieß, daß er das Justizministerium und die Bizepräfi- ganzen kritischen Zeit und bei den entscheidenden Abstimmung am hellichten Tage in einer der belebtesten Straßen Koms bent chaft des Rabinetts angenommen habe, hat schließlich diese Be. von fünf einem Auto entstiegenen Bewaff rufung abgelehnt. An seine Stelle tritt ber für das Acer  - mungen auf feiten der linken Opposition gegen fein erstes neten überfallen und schwer mishandelt wurde. Kabinett standen. Beinahe wären es fogar drei geworden, bauminifterium vorgesehene Abgeordnete efebvre du Bren, aber der eine, der frühere Ministerpräsident Georges Ginige alles nationalen Empfindens bare Wichte brachten den der frühere Landwirtschaftsminister im Ministerium Briand  . Ader Leygues, mit dem er am gestrigen Nachmittag wiederholt Berlegten ins Krantenhaus, über die Angreifer sank der wegen der Uebernahme des Innenministeriums verhandelte, storbenen Direktors des Figaro" und Luftfpieldichters Alfred Capus  . hat diesen Bosten schließlich abgelehnt Nichisdestoweniger Die Unterstaatsfetretariate werden fofort aufgefigen in der neuen Regierung zwei Männer, die am hoben. Boincaré begab sich heute abend furz nach 8 Uhr in das 23. Februar dieses Jahres in der Schlußab Enfée, um dem Präsidenten Millerand   die endgültige Liste ftimmung über das Ermächtigungsgefes mit feiner Mitarbeiter vorzulegen. Morgen früh um 10 Uhr wird ein den Raditalsozialisten, den Sozialisten und erfter Kabinettsrat des neuen Stabinetts stattfinden. Die Mini Kommunisten gegen Poincaré   gestimmt fter werden fich alsdann gemeinsam in das Elysée begeben, um sich haben! Es sind dies der Arbeitsminister Daniel Bin dem Präsidenten der Republit vorzustellen. cent und der Handelsminister oucheur. Allein diese Tatsache zeigt, welche Charakterlosigkeit in den Reihen der führenden französischen   Parlamentarier herrscht, sobald Ministerportefeuilles verteilt werden. Afferdings ist gerade Loucheur als ein Mann bekannt, der so fann und auch fo. Nichts wäre aber verfehlter, als auf Grund gewiffer Reden, die er im Laufe der letzten zwei Jahre gehalten hat, bie Erwartung zu hegen, daß er sich im Sinne der inter­nationalen Berständigung betätigen wird. Im Grunde ge­nommen ist Loucheur nur ein talentierter, vielleicht gar genialer 3ynifer. Er wäre zwar durchaus fähig, feine Kenntnisse und Talente im Sinne einer wirtschaftspolitischen Berständigung mit Deutschland   und England zu verwerten, aber in der allgemeinen Atmosphäre dieser neuen Regierung dürfte er feine Straft faum nach dieser Richtung hin betätigen. Das gleiche gilt für den neuen Unterrichtsminister Henry de Jouvenel, der als Mitglied der französischen   Bölfer bunddelegation in Genf   ein paar Reden gehalten hat, die ver­hältnismäßig verföhnlich waren. Wir möchten aber auch ihm gegenüber vor irgendwelchen Illusionen warnen. erster Linie Chefredakteur des Matin", und diese mächtige Er ist in Stellung war ihm bloß Sprungbrett in die hohe attive Politit. Der" Matin" hat sich in letzter Zeit immer mehr zum Ver trauensorgan Millerands entwickelt, und dem verdankt wohl auch Jouvenel seine Berufung. Selbst wenn er ein auf­richtiger Anhänger der wahren Bölferbundidee wäre, so würde er sich wohl hüten, wider den Stachel Millerands zu löten. und Millerand ist nun einmal der Hauptträger der Politik des Nationalen Blods, mit dem er steht und fällt. Alles in allem erscheint das zweite Ministerium Poin­ caré   als ein verzweifelter Bersuch Millerands und der französischen   Generalität. durch Heranziehung zug­träftiger Namen die Wahlen zugunsten des Natio nalen Bleds zu beeinflussen. Mit der gleichen Entichie- fitton. Abgesplitterte. Elemente, deren moralische Bes denheit, mit der wir in Deutschland   die Reaktion bekämpfen, und aus den gleichen Gründen, hoffen wir im Interesse der Wiederherstellung eines wahren europäischen   Friedens, daß auch die französischen   Wahlen mit einer Niederlage dieses unfeligen Nationalen Blods enden werden. lnb deshalb sprechen wir die Erwartung aus nachdem wir die für ganz Europa   fatastrophalen Ergebnisse der zweijährigen Politit des ersten Kabinetts Poincaré   bis zur Neige ausge: fostet haben baß das zweite Kabinett Boincaré unmittel bar nach den französischen   Neuwahlen, also spätestens in zwei Monaten, gleichfalls erledigt sein wird.

Die Zusammensetzung des neuen franzöfifchen Kabinetts ift geeignet, das größte Aufsehen zu erregen. Eigent fich fonnte Boincaré feinem bisherigen Ministerium und seiner bisherigen Bolitit fein schlimmeres Zeugnis ausstellen, als er es tat, indem er nicht weniger als zehn Ministerien von insgesamt dreizehn neu befezte. Hatte nicht das ihm treu ergebene Blatt Liberté" am Mittwoch abend, unmittelbar nach Ausbruch der Regierungskrise geschrieben, Boincaré würde wiederkehren, nachdem er jedoch sein Rabinett von unpopulären Elementen gefäubert" haben würde? Und jetzt stellt sich heraus, daß er selbst die Bolkstümlichkeit seiner Politik so tief einschäßt, daß er nur zwei von seinen bis herigen Mitarbeitern im Amte behält, die zehn anderen hin­gegen furzerhand über Bord wirft!

Daß die zwei einzigen Minister, die Gnade bei ihm ge funden haben, gerade der Kriegsminister Maginot und der Eisenbahnminister Le Trocquer   find, läßt allerdings tief bliden. Diese beiden Männer galten nämlich im alten Rabinett Boincaré als die reattionärsten, und sie wurden fogar von linksbürgerlichen Blättern beschuldigt, mit faschistischen Diftaturplänen zu spielen. Sicher ist, daß Maginot der Exponent und Handlanger der französischen  Generalspolitik ist und daß ihn Le Trocquer in den Beiten des Ruhrtampfes an Brutalität noch zu übertreffen Derfucht hat. Diese beiden starken Männer" galten auch stets als die besonderen Vertrauensleute Miller'ands im Kabinett Poincaré  . Ihre Beibehaltung würde allein schon genügen, um den starken Einfluß zu beweisen, den der Prä fident bei der Lösung der Krise ausgeübt hat. Aber nicht genug damit, Millerand hat noch einen besonders intimen Bertrauensmann in der neuen Regierung untergebracht, und zwar in der Person des Senators François Marfal, der an Stelle des unmöglich gewordenen Sündenbodes de Lastenrie das Finanzministerium übernimmt, das er bereits im Jahre 1920 unter Millerand als Ministerpräsidenten ver waltete. In dieser Eigenschaft nahm Marsal zusammen mit Millerand an der Konferenz von Spa tell. Er zeigte übrigens bei der Gelegenheit der Vorschußzahlungen in Gold für die deutschen   Kohlenlieferungen ein gewiffes Maß von Berständi gungsbereitschaft und Entgegenkommen, das ihm später im Senat schwere Angriffe eingebracht hat. Marsal steht in dem Rufe einer finanziellen Kapazität mit internationalen Be ziehungen und weltpolitischem Blid. Er figt übrigens im Aufsichtsrat von nicht weniger als 18 Aktiengesellschaften, dar­unter fechs Banten.

Es wurde hier bereits von vornherein auf die symptoma tische Bedeutung der Frage hingewiesen, ob Poincaré   unter dem Druck der Rechten den Innenminister Maunoury, der ben Ruf genoß, ein zuverlässiger Linksrepublikaner zu sein, behalten oder ausschiffen würde. Selbstverständlich hat er sich für das letztere entschließen müssen, da offenbar nicht er, fon

"

Keine Verschiebung der Neuwahlen. Paris  , 28. März.( Eigener Drahtbericht.) Das von einigen Morgenblättern verzeichnete Gericht, daß Boincaré, dem Drängen Millerands nachgebend, neuerdings wieder den Gedanken einer inausschiebung der Neuwahlen durch Berlängerung der gegenwärtigen Legislaturperiode ernstlich in Erwägung ziehe, wird in unterrichteten Reifen als anmabreinlich bezeichnet.

befehlen.

Bufammenziehung großer faschistischer Gewerkschaftsfräfte in Neapel  , Bahldebatte Greco Amendoia, gegen fonftitutionelle Opposition. Alle Mitglieder haben mit Fahnen und Schwarzhemd zu erscheinen. Alle öffentlichen und privaten Beförde rungsmittel und die Eisenbahnzüge werden unter Hinterlassung fretärs requiriert werden. Alle Ausgaben werden zurüd von Bons mit Unterschrift des gewertschaftlichen, oder politischen Se tigen Arbeitern wird der Lagelohn ausgezahlt erstattet; freie Berpflegung und Unterkunft gewährt. Bedürf werden. Fabrikleitungen und Arbeitgeber find zu informieren, damit Fabrit- und Landarbeitern Entfernung von Arbeit freisteht. Treffe puntt um 2 Uhr nachmittags 20. März auf dem Bahnhofsplay von Neapel  . Borliegendes Zirkular ist auf Berlangen vorzuzeigen.

Der Generalsekretär.

Die braven Leute erschienen denn auch mit faust. biden knüppeln, fanden aber feine angemessene Arbeit, da das Abtreiben des Lotals eine große Versammlung unmög lich machte, so daß Amendola nur vor dem Komitee feiner eigenen Partei fprechen fonnte!

Bekanntlich gibt es auch eine faschistische Oppo. wertung fich den Außenstehenden entzieht; unter diesen fan­didiert ein gewiffer ferni in der Lombardei  , dem noch in diesen Tagen der faschistische Generalsekretär der Staats­bahnen, der Abgeordnete Torre, fein volles Vertrauen ausgesprochen hat. Auf ihn bezieht sich das nachstehende offizielle Schriftftück:

Rationale fashistische Partei Bandesdirektorium- Politisches Sekretariat. Rom  , 11. März 1924. Streng vertraulich.

An die faschistischen Provinzialföderationen von Alexandria  , Cuneo  , Novara  , Mailand  , Pavia   und Turin  .

Nach dem von dem Ministerpräsidenten und Heerführer des Fa­schismus erlassenen Befehl, unter einhelliger Zustimmung des Landesdirektoriums, haben die Herren Brovinzialsekretäre die Herren Sala und Cefare Ferni als die größten Feinde des Faschis­mus zu betrachten.

Infolgedessen und in Gemäßheit ber gleichzeitig ben Bräfekten Der Broningen von bem Regierungsoberhaupt erteilten Inftruftionen