Nr. 153 41. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Horteur, der Begründer bes Etoile", ber politische und fite marische Beiter der Revue Rationale umb des Nouveau Siècle luftré", hatte mich in seinem Arbeitskabinett empfangen und sagte arir non der Höhe feines Direktionsfizes aus:
Mein lieber Marteau, machen Sie mir eine Erzählung für meine Ertranummer des Nouveau Siècle". Dreihundert Zeilen für den Neujahrstag. Etwas recht Lebendiges, mit einem Hauch von Ariftofratie."
Ich erwiderte Horteur, daß ich nicht ber rechte Mann bazu fet, menigstens nicht in dem Sinne, mie er es meine, aber ich molle ihm mohl eine Erzählung schreiben.
Jah möchte gern, daß Sie es.Eine Gefchichte für die Reichen" Mennen würden.'
Mir ware lieber:„ Eine Geschichte für die Armen"." Gehen Sie, ich meine es fo. Es foll eine Erzählung sein, die Den Reichen Mitleid für die Armen einflößt."
Aber ich will gerabe nicht, daß die Reichen Mitseid mit den Armen hegen.
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., Gonderbar!"
Rein, nicht Jonderbar, fondern gereichtfertigt. Ich hatte das Mit Yeid der Reichen für die Armen für beleidigend, es ist aller humanen Brüderlichkeit entgegen. Wenn Sie wollen, daß ich zu den Reichen fprechen foll, so werde ich ihnen sagen: Berschont die Armen mit eurem Mitleid! Warum Mitleid und nicht Gerechtigkeit? Ihr seid in ihrer Schuld. Das ist nicht Gefühlssache, sondern eine vollswirt. schaftliche Frage. Wenn das, was ihr ihnen willig gebt, dazu an getan ist, ihre Armut und euern Reichtum zu verlängern, so ist die Gabe ungerecht, und die Tränen, mit denen ihr sie benetzt, fönnen sie nicht bessermachen."
Was Sie fagen, mein verehrter Rollege, bat feinen Sinn. Ich bin vielleicht ein entschiedenerer Sozialist als Sie, aber ich bin prattisch. Ein Leiden mildern, eine Eristenz verlängern, ein Teil. dhen der sozialen Ungerechtigkeit wieder gutmachen, das ist ein Resultat. Das wenige Gute, was man tut, ist doch getan. Es ist nicht niel, aber etwas. Wenn die feine Erzählung, die ich von Ihnen wünsche, auch nur hundert meiner reichen Abonnenten rührt und sie zum Geben veranlaßt, so wird hundertmal Armut und Leiden gelindert. Auf diese Weise gelangen wir allmählich dahin, das Los der Armer erträglicher zu machen.
Ist es gut, daß das Los der Armen erträglich werde? Man foll das Los der Armen nicht verbessern, das Los der Armen muß aufhören. Ich werde die Reichen nie dazu verleiten, Almosen zu geben, denn ihr Almofen ist vergiftet. Almosen tun den Gebern gut, nicht den. Empfängern. Der Reichtumn ist schon an und für sich graufam, er foll sich nicht noch obendrein in das trügerische Gemand her Sanftmut Bleiben. Da Sie wünschen, daß ich eine Geschichte für die Reichen schreibe, fo werde ich ihnen fagen:
Eure Arinen sind eure Hunde, die ihr nährt, damit sie beißen. Die Unterstüßten bilden für die Befihenden eine Meute, die die Broletarier anfläfft. Die Reichen geben nur denen, die fordern. Die Arbeitsamen fordern nichts und belommen auch nichts. Aber die Baisen, die Invaliden und Greife?...
„ Sie alle haben bas Recht zu leben. Ich werde nicht Mitleid für fie ermeden, sondern ihr gutes Recht verlangen."
Das alles ist reine Theorie Rommen mir zur eigentlichen Sache zurüd. Sie werden mir eine Beine Geschichte anläßlich ber
Reujahrsgaben schreiben. Sie fönnen ja gern eine fleine fozialistische Pointe darin anbringen. Der Sozialismus ist jetzt in der Mode. Bringen Sie mir in Shrer Erzählung junge Gestalten. Sie soll illustriert werden, und man sieht gern angenehme Bilder. Stellen Sie in den Bordergrund ein junges Mädchen, ein aller liebstes junges Mädchen. Das ist doch nicht schwierig?"
Rein, durchaus nicht."
Rönnten Sie in der Erzählung nicht vielleicht auch einen einen Schornsteinfeger anführen? Sch babe ba gerade eine fertige Illustration, einen Farbstich, der darstellt, wie ein junges Mädchen auf den Stufen der Madeleine einem fieinen Schornsteinfeger ein Almosen reicht. Es wäre eine vortreffliche Gelegenheit, das anzubringen.... Es schneit..., ihn friert..., bas niedliche Mädchen übt Barmherzigkeit an dem fleinen Schornsteinfeger... Sehen Sie die Szene vor sich?" Ja, ich sehe es."
" But, so schmüden Sie dies Thema aus."
„ Das werde ich tun.... Der fleine Schornsteinfeger wirft fich in begeisterter Dankbarkeit dem nieblichen Fräulein an den Hals. Die junge Schöne ist teine andere als die Icibhaftige Tochter des Grafen Linotte. Er gibt ihr einen Kuß und stempelt die Wange des reizenden Rindes mit einem fleinen, rußigen o, einem aller. liebsten, ganz runden, tieffchmarzen o... Er liebt fie, und Edmée ( fie beißt Edmée) ist nicht unempfindlich gegen ein so aufrichtiges, freuherziges Gefühl.... Mir scheint, die Sache ist außerordentlich
vührend.
Ja, Sie werden etwas daraus machen können."
„ Sie ermutigen mich also fortzufahren... Als Edmée in ihre herrliche Wohnung am Boulevard Malesherbes zurückgekehrt ist, fühlt sie zum erstenmal eine heftige Abneigung, fich zu waschen, gar zu gern möchte sie den Abdruck der Lippen, die auf ihrer Wange geruht haben, behalten. Der fleine Schornsteinfeger aber ist ihr bis zur Schwelle des Hauses gefolgt und steht in Berzückung unter den Fenstern des jungen Mädchens.... Geht es so?"
Ja, ausgezeichnet!"
* Ich fahre fort.... Am anderen Morgen sieht Edmée von ihrem weißen Bettchen aus, wie der Schornsteinfeger aus dem Ramin herausschlüpft. Er wirft sich unbefangen auf das entzückende Mädchen und bedeckt es über und über mit feinen, rußigen O's. Ich vergaß doch zu sagen, daß er außerordentlich schön ist. Die Gräfin Linotte überraschte ihn bei seiner füßen Arbeit. Sie ruft und schreit um Hilfe. Aber er ist so vertieft, daß er nichts hört noch sieht."
" Mein lieber Marteau!..."
„ Er ist so vertieft, daß er nichts hört noch sieht. Der Graf eiſt herbei. Er ist ein echter Edelmann, so ergreift er denn den tleinen Schornsteinfeger beim Hosenboden, der sich gerade feinen Augen dar. bietet, und wirft ihn zum Fenster hinaus.
Mein lieber Marteau!..
„ Ich faffe mich kurz... Neun Monate später heiratete der Meine Schornsteinfeger die adlige junge Dame. Und es war hohe Zeit.... Das find die Folgen eine wohlangebrachten Mildtätigkeit!" „ Mein lieber Marteau, jetzt haben Sie sich aber genug über mich luftig gemacht."
Glauben Sie das nicht. Ich tomme zum Schluß.... Nach bem der fleine Schornsteinfeger Fräulein von Linotte geheiratet hatte, murde er papftlicher Graf und ruinierte sich bei den Rennen. heute ist er Rauchfangfachverständiger in Montparnasse in der Rue de la Gaité. Seine Frau hat einen Baden und verkauft Salamander zu 18 Frant, die in acht Monaten zahlbar find."
Mein lieber Marteau, das ist durchaus nicht luftig."
Sonntag, 30. März 1924
Gemach, mein lieber Horteur! Was ich Ihnen soeben erzählte, ist im Grunde der Fall eines Engels" von Lamartine oder„ Eloa" von Alfred de Vigny . Alles in allem hat das mehr Wert als Ihre Meinen larmoyanten Geschichten, die den Leuten vorspiegeln, fie feien gut, und doch sind sie es nicht, sie erwiesen Wohltaten, und doch tun fie das nicht. Sie machen es sich leicht, barmherzig zu fein, und doch ist es das schwerste Ding von der Welt. Meine Ge schichte ist moralisch. Außerdem ist sie optimistisch gehalten und endet gut. Denn Cdmée fand in dem Laden in der Rue de la Gaité das Glüd, nach dem sie vergeblich gesucht hätte inmitten der Zer. ftreuungen und Feste, wenn sie einen Offizier oder einen Diplo maten geheiratet hätte.... Num, mein lieber Direktor, ist die Sache abgemacht, nehmen Sie Edmée" oder„ Wohlangebrachte Mildtätigkeit" für den Nouveau Siècle illustré"?
,, Sie sehen aus, als fragten Sie mich das im Ernst?". Ich frage Sie allerdings in allem Ernst. Wenn Sie meine Geschichte nicht wollen, so werde ich sie eben anderswo veröffent. lichen.
Wo?"
In einem Familienblatt."
Da tämen Sie schön an." „ Das merden mir ja sehen."
Gegen rauhe aufgesprungene Haut
CREME MOUSON
vollkommenstes Hautpflegemittel
Creme Mouson Seife* Creme Mouson Rasierseife
Verlangt die gufen CALMON- HANSA
Gummisohlen
LMON
UNON
Nach: denken!
Das zeichnet den denkenden
Raucher aus, daß er zu der Marke hält, die Güte und Preiswürdigkeit in sich vereint. Nicht alles Billige ist schlecht und keineswegs ist das teuerste immer das beste.
Wenn Sie klug sind, geben Sie der Zigarette den Vorzug, die selbst einem sehr verwöhnten Raucher Genuß bietet dabei aber Jhre Börse schont..
Kleine Massary 28
Rein orientalische Zigarette