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Nr. 153 41. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 30. März 1924

H.ABEKING.

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Ludendorffs Kapitulation.

Kapitulation und Waffenstillstandsbitte.

Wenn die bei uns wählen dürften!

Der gestrige Leitauffaß des Borwärts" über das Mün­thener Balhalla- Theater" hat den Chefredakteur der Deut­schen Tageszeitung", Herrn Paul Baeder, auf den Blan gerufen. Nach einer Auseinandersetzung mit der Boss. 3tg." schreibt er über Borwärts- Schwindel":

Noch sehr viel leichtfertiger als die Boss. 3tg. verfährt der Vorwärts", indem er gegenüber Ludendorffs Berhalten in der Waffenstillstandsfrage Behauptungen aufstellt, deren erste dahin geht, Ludendorff habe am 28. Geptember 1918 die fofortige Rapitulation verlangt". Da alle Welt weiß, daß Ludendorff nur jofortiges Ersuchen um Waffenstillstandsverhandlungen verlangt, en eine Rapitulation aber niemals gebacht, ihr vielmehr nach allen Kräften widerstrebt hat, so ist die Behauptung des Borwärts" entweder die leichtfertigste oder die perfidefte Ber leumdung, die man sich vorstellen tann. Auf die weiteren Behaup­tungen einzugehen, die er in dem gleichen Artikel gegen Ludendorff vorbringt, erscheint schon deshalb völlig überflüssig.

Hätte Herr Baeder den Mut, in seiner Zeitung die un

anfechtbaren und auch von ihm unangefochtenen geschicht lichen Feststellungen unseres Auffages feinen Lesern auch nur auszugsweise zur Kenntnis zu bringen, so würden diese selbst sofort bemerken, daß sich Herr Baeder in einen Wortstreit flüchtet, um einer Auseinandersetzung über die Tat­sachen aus dem Wege zu gehen.

Wahrscheinlich wird die von Herrn Baecker erfundene Ausflucht nun bei allen Wahlauseinandersehungen eine Rolle spielen, es ist darum nicht ganz überflüssig, auf sie einzugehen. Herr Baecker sagt, Ludendorff habe ja nur ein fofor. tiges Ersuchen um Waffenstillstandsver. handlungen" gestellt, das aber sei feine Kapitulation, vielmehr habe Ludendorff die Kapitulation stets be­fämpft. Herr Baecker sei gefragt und um Antwort gebeten: " Hat irgend jemand in Deutschland vor Ludendorff und vor bem 28. September 1918 das sofortige Ersuchen um Waffen­stillstandsverhandlungen gestellt?" Was die Sozialdemokratie betrifft, so tönnen wir die Frage gleich selber beantworten. Die Sozialdemokratie hat stets verlangt, daß der Krieg vor der militärischen Niederlage durch einen rechtzeitigen Frieden beendet werde. Ein sofortiges Ersuchen um Waffenstill. ft and s verhandlungen" hat sie nie gestellt. Und warum nicht? Weil jedermann weiß, daß ein solches Ersuchen das Eingeständnis der Niederlage und die Ankündigung der Rapitulation bedeutet.

Die Sozialdemokratie ist eine Friedenspartei von Haus " aus. Wenn sie nach einem früheren Abschluß des Krieges durch einen Frieden des Ausgleichs drängte, fo war das nichts Ungewöhnliches und Auffallendes. Trotzdem sind auch die diplomatisch vorsichtigsten Bestrebungen der Sozialdemokratie nach dieser Richtung von den Ludendorff, Baeder und Genossen stets mit dem Argument zurüdgewiesen worden, fie bedeuteten dem Gegner gegenüber ein Betenntnis der Schwäche.

Und jetzt foll das überstürzte, fast tniefällige fofortige Ersuchen" Ludendorffs um Waffenstillstandsverhandlungen feine Kapitulation gewesen sein! War es vielleicht ein

Zeichen der Stärfe?

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Die Mehrheits- Sozialdemokratie war im Herbst 1918 be­reit, in die Regierung einzutreten. Sie hoffte damals vor dem 28. September- noch, es werde gelingen, einen für Deutschland erträglichen Frieden zustande zu bringen. Vor ausfegung dafür war aber, daß die Front bis dahin gehalten würde. Da kam der Nervenzusammenbruch" Ludendorffs, da tam der Mann, der bis dahin jede Andeutung eines Friedenswunsches als Bekenntnis der Schwäche" unter­drückt und mit dem Siegfrieden" geprahlt hatte, mit dem Geständnis heraus, daß Matthäi am letzten sei.

Bolt, das seine Waffen fünf Minuten zu früh an die Wand ftellt."

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Der Borwärts", dessen Redakteure zum großen Teil im Felde gestanden hatten, verstand, was die Waffenstillstands­bitte der DHL. für das Heer bedeutete. Hätte Herr Baecker es nur einmal draußen erlebt, welche Wirkungen es hatte, wenn sich ein falsches Gerücht von einem bevorstehenden Waffenstillstand verbreitete, dann müßte er auch, was die wirtliche Waffenstillstandsbitte der DHL. für das Heer bedeutete. Sie war das Ende, sie war die Kapitu

Iation!

Nein, durch einen erbärmlichen Streit um Worte ist Ludendorff nicht zu retten. Mit dem fofortigen Erfuchen um Waffenstilstandsverhandlungen" hat er die Kapitula. tion angekündigt, und er hat gewußt, daß er das tat. Go dumm ist selbst Ludendorff nicht, um das nicht zu begreifen. Und obendrein hatte ihm die Reichsregierung zu Gemüte ge= führt, daß sein Vorgehen zum Verlust Elsaß - Lothringens , der er hat trogdem Ditmart und der Kolonien führen müffe darauf bestanden!

Wir haben von dem, was wir fagten, fein Wort zurüd zunehmen. Der Mann, den die Rechte als ihren Abgott feiert und der heute in stumpfsinnigem Größenwahn einen Platz in Walhall " fordert, hat die Kapitulation Deutsch lands verschuldet und herbeigeführt.

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Aber dieje Kapitulation war noch nicht die größte Schande. Die größte Schande war und ist, daß man in Deutschland den, der sie verschuldet und herbeigeführt hat, noch als Helden feiert!

Die Kronenflicker.

Nieder mit der Monarchic!

Die Deutschnationalen wollen das Rad der Geschichte rückwärts drehen. Sie wollen die Kronen, die das Ende des Krieges zerbrach, wieder zusammenleimen und wollen sie den Hohen­30llern wieder aufs Haupt drücken. In der Kreuzzeitung" pro­flamiert Graf Westarp folgenden Grundgedanken der Deutsch­ nationalen

:

Wiederaufrichtung des Kaiserfums und& önigtums der Hohenzollern unter fchärffter Ablehnung fremder Ein­mischung in diese innerdeutsche und innerpreußische Angelegenheit. Die Monarchie ist nicht nur die für uns Deutsche und Preußen geeignetfle, fondern auch die nach deutschem und preußischem Rechtsbewußtsein allein rechtmäßige Staatsform." Wer soll die geflicte Krone tragen? Der Mann von Doorn oder der von Dels? Oder etwa Eifel Schieberich? Einem von ihnen will Westarp, der sich schon als Reichstanzler sieht, die frisch zufammengebadene Krone auffehen.

Sollen wir uns dann wieder herrlichen Zeiten ent. gegenführen laffen? Sollen wir wieder von unverantwortlichen und unfähigen Hohenzollern und gewissen ofen Cliquen Deutschland in Grund und Boden wirtschaften lassen? Wir haben genug und über­genug. Die zerbrochenen Kronen flidt feiner mehr. Gebt am 4. Mai den Kronenflidern die Antwort:

Nieder mit der Monarchie!

Sozialdemokratie und Erfüllungspolitik.

Politik und Verantwortung.

Die Sozialdemokratie hat sich seit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zu dem Standpunkt bekannt, daß eine Lösung der Reparationsfrage auf dem Wege der Verständigung gesucht werden müsse. Ihre Politit in der Reparationsfrage war die Politit des guten Billens. Sie ging davon aus, daß eine günstige Stim­mung für die Regelung der Reparationsfrage auf dem Wege der Verständigung im Auslande nur zu erzielen fein würde, wenn Deutschland bis zur Grenze des Möglichen seinen Dieses Geständnis Ludendorffs zerschlug alle Hoffnungen eistungswillen zeigen würde. In der Demonstration und Pläne der Sozialdemokratie, für Deutschland noch einen des Leistungswillens durch wirkliche finanzielle und wirtschaft guten Frieden zu erreichen. Alles, was von da ab unternom liche Anstrengung und durch wirkliche Erfüllung in den Grenzen men werden konnte, waren nur noch letzte Rettungsversuche des Möglichen sah sie die wahrhaft attive Außen in einem hoffnungslos gewordenen Fall. Damals schrieb der politit nicht in starten Worten und leeren Demonstra Borwärts gegen Ludendorff die Worte: Wehe demtionen, nicht im Warten auf ein großes Wunder.

Von diesem Standpunkt aus hat die Sozialdemokratie in den Stunden der Gefahr und der äußersten Bedrohung Deutsch­ lands von außen her seit 1920 fich niemals der Berant­wortung gegenüber den Staate und gegen über dem Bolke entzogen.

Als im Jahre 1921 die Regierung Fehrenbach- Simons die Annahme des Londoner Ultimatums verweigert hatte und französischer Einmarsch in das Ruhrgebiet drohte, ist die Sozialdemokratie in die erste Regierung Birth eingetreten. Im Auftrage der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gab damals Genosse Wels eine Erklärung ab, in der es hieß:

Unter dem Drud angekündigter militärischer Gewaltmaß­regein, angesichts des drohenden Berlustes lebenswichfiger deut­scher Landesteile in West und Ost ist das deutsche Volt gezwungen, binnen fürzester Frist ohne vorbehaltende Bedingungen einen Plan zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden anzunehmen, deffen dauernde und vollständige Ausführung für die arbeitende Bevöl ferung nicht bloß Deutschlands , sondern ganz Europas die aller. schwersten Gefahren in sich birgt."

Nach der Ansicht der sozialdemokratischen Reichstags­fraktion hätten jene Parteien damals die politische Berantwor tung übernehmen müssen, die am meisten zur Berlängerung des Krieges und zur Vermehrung seiner Lasten beigetragen haben. Diese Parteien aber weigerten sich, sich der Berantwortung gegenüber dem Staat und dem Bolfe zu unterziehen. Die sozialdemokratische Erklärung fuhr daher fort:

Da aber jene Parteien iroh ihrer laut befundeten nationalen Gesinnung in schwerster Stunde versagen und bei ihrer Politi? beharren, die unmittelbar zur Auslieferung deutscher Landesteile in feindliche Hand führt, hält es tie fozial­demokratische Reichstagsfraktion für ihre Pflicht am Bolle, die von den eigentlich Verantworfilchen im Stich gelaffene Aufgabe mit zu übernehmen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich daher entschlossen, an einer Regierung teilzunehmen, die durch Annahme des Ultimatums Deutschland vor den un­mittelbaren tatastrophalen Folgen einer Ab­lehnung retten und den ehrlichen Versuch machen wird, das uns Auferlegte nach bestem können zu erfüllen."

In der folgenden Zeit war es die große Aufgabe der deutschen Bolitit, die inneren finanziellen Grundlagen für diese Politik der Rettung und Befreiung durch Erfüllung zu schaffen. Wurde diese politische Linie verlassen, so erhob sich sofort wieder, unmittelbar drohend, die Gefahr der Besetzung des Ruhr­gebiets. Als daher, nach der Abtrennung Oberschlesiens , der Austritt der Demokraten aus der Reichsregierung eine Um­bildung der Regierung Wirth notwendig machte, verblieb die Sozialdemokratie auch in der zweiten Regierung Wirth, weil sie die Verantwortung nicht auf sich nehmen wollte, durch ihren Austritt eine Schwenkung der deutschen Politik und damit die Besetzung des Ruhrgebiets herbeizu­führen. Auch in diesem Zeitraum blieb sie trotz aller schweren innerpolitischen Bedenken ihrer Politik der Verantwortung getreu.

Das zweite Kabinett Wirth zerbrach an dem Drängen der Deutschen Volkspartei , die in die Regierung wollte, nicht um die Berantwortung zu teilen, sondern um den Kurs der deut­fchen Politik abzudrängen von der Linie der Erfüllungspolitii. Unter der Regierung Euno, an der die Sozialdemokratie nicht beteiligt war, fam es zur Besetzung des Ruhr= gebiets. Die Verwüstung der deutschen Finanzwirtschaft und des deutschen Wirtschaftslebens unter den Folgen der Ruhrbefegung ist die Rechtfertigung für die verantwortungs­volle fozialdemokratische Politik, die auf die Vermeidung der Belegung des Ruhrgebiets abzielte.

Als das Ruhrabenteuer liquidiert werden mußte, trat die Sozialdemokratie abermals in die Reichsregierung ein. Eine bürgerliche Regierung unter Einschluß der Deutschnationalen konnte zur Liquidation des Ruhrabentuers nicht gebildet werden. Die Bildung einer kleinen Koalition scheiterte am mangelnden Willen der bürgerlichen Mittelparteien. Von der Verantwortung gegenüber Staat und Bolt getrieben, nahm die sozialdemokratische Reichstagsfraktion die schwere Be­lastungsprobe der großen Koalition auf sich. Denn der Ruhrkampf mußte liquidiert werden: im Interesse der Wäh