Me.155 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 77
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Dienstag, den 1. April 1924
England und die deutschen Wahlen.
Telegramm der Arbeiterpartei an den ,, Vorwärts".
Am 28. März veröffentlichte die deutschnationale„ Deutsche Tageszeitung" eine angebliche Zuschrift eines angeblichen Politikers, der angeblich der englischen Regierungspartei, d. h. also der Arbeiterpartei, nabesteht. In dieser Zuschrift wurde im schönsten Antimargisten- Jargon unserer Bölkischen und Deutschnationalen gegen den internationalistischen" Bagillus vom Leder gezogen und deffen gänzliche Bernichtung bei den fommenden deutschen Reichstagswahlen gefordert. Der Artikel der Deutschen Tageszeitung"- als solchen tann man ihn trop feiner ausländischen Firmierung wohl uns bedenklich bezeichnen- sollte den Eindruck erwecken, als sei der englischen Regierung und der englischen Arbeiter partei an einem Erfolg der Sozialdemokratie nicht nur nichts gelegen, sondern geradezu ein Sieg der Rechten ermünscht.
Wir haben diefen Ichamlofen Bahlschwindel sofort als das gekennzeichnet, was er ist, zum Ueberfluß aber auch dem
Bureau unserer englischen Bruderpartei von ihm Kenntnis gegeben. Daraufhin lief folgendes Telegramm bei uns ein: Condon, 31. März.
Wir ermächtigen Sie, folgendes zu erklären: Die britische Arbeiterpartei fegt bei den tom. menden Reichstagswahlen ihre Hoffnung an einen Sieg der sozialistischen, republitanischen und internationalen räfte. Derjenige, der sich in der Deutschen Tageszeitung als eine der britischen Regierungspartei rahestehende Persönlichkeit bezeichnet, hat, wer immer er fel, tein Recht, im Namen der britischen Arbeiterpartei zu sprechen. Bramley, Cramp, Sefretär des Generalrafs der Vorsitzender des Eretuliotomitees Gewerkschaften. eder britischen Arbeiterpartei.
Während die Freunde der deutschen Sozialdemokratie im Auslande stets diejenigen Parteien sind, die sich für die Befreiung des deutschen Boltes von der militärischen Be drückung am Rhein und an der Ruhr und für die Revision des Versailler Friedensvertrages einsetzen und deshalb von den Nationalisten ihrer Länder verdächtigt und beschimpft werden- wer er find in im Auslande die Freunde der deutschen
Reaktion?
Das sind z. B. die französischen Antisemiten, die ronalistische Gruppe des Léon Daudet , die seit Jahren die militärische Belegung ganz Deutschlands predigt und als erste den Einmarsch ins Ruhrgebiet gefordert hat; die den tapferen Führer der französischen Sozialisten, Léon Blum , als er zum erstenmal das Wort ergriff, um gegen die Besehung von Effen und Bochum zu protestieren, mit den Worten nieder zubrüllen verfuchte: Salt's Maul, Jud!" Das find die italienischen Faschisten, deren taliens täglich in der deutschvölkischen Breffe als das nach „ Säuberungsarbeit" gegen die sozialistische Arbeiterschaft ahmenswerte Beispiel verhimmelt wird. Daß unsere jetzt Daß unsere jetzt brangfalierten italienischen Genossen unter den schwersten Berhältnissen gegen den Eintritt Italiens in den Krieg fämpften, während an der Spize der Kriesgtreiber und Annegionisten gerade Mussolini stand, fümmert unsere Nationalen herzlich wenig. Ebenso gleichgültig ist es ihnen, daß die Knechtung des Deutschtums in Südtirol sich wesentlich verschlimmert hat, seitdem das vielbewunderte Borbild Hitlers am Ruder ist.
In Ungarn zählt die deutsche Reaktion ganz besondere Herzensfreunde: das sind die ermachenden Magya ren", die nicht mur antisemitisch und antimarristisch find, fondern auch die Zurüderoberung des deutschen Burgenlandes erstreben. Die reaktionären reichsdeute Es fann sein, daß die deutschnationale Presse jetzt verschen Butschiften und Mörder, Oberst Bauer, Lüttwiß, Bapst, fuchen wird, den Spieß umzudrehen und über eine Einmi'chung Schulz und Tillefsen, haben stets eine gastfreie Zufluchtsstätte der englischen Regierungspartei in die inneren deutschen An bei diesen ungarischen Gesinnungsgenoffen gefunden. gelegenheiten zu zeiern. Wenn fie fich lächerlich machen will, mag fie es tun. Denn diese Einmischung" ist durch eine ihrer Kolleginnen, die Deutsche Tageszeitung" provoziert und geradezu erzwungent worden. Die Deutschnationalen follten sich damit begnügen, diejenigen vor ihre Wahlfutsche zu spannen, die sich nicht mehr dagegen wehren fönnen, wie er mann den Cherusfer, Friedericus Reg und Otto v. Bismard. Daß sie auch die englische Arbeiterpartei dazu haben wollen, ist eine Dreiftigkeit fondergleichen, und es ist mur selbstrerständlich, daß sich diese Partei gegen einen so schamlosen Mißbrauch wehrt.
Die deutschnationale Deutsche Tageszeitung" hat durch thren plumpen Versuch, sich hinter die Rodschöße einer aus ländischen nach ihren Begriffen also doch feindlichen Bartei zu verkriechen, den Gipfel der nationalen würde Tofigfeit erflommen. Wir haben ihr schon am Tage ihrer Beröffentlichung prophezeit, daß sie aus dem Drt, in den sie fich begeben hat, gründlich herausgeklopft wird, und wundern uns gar nicht darüber, daß unsere Prophezeiung io rasch in Erfüllung ging.
Für die deutschnationale Bresse wird das vielleicht doch eine Lehre sein, mit ihren Lügen zu Hause zu bleiben und weitere Ausflüge ins Ausland zu unterlassen. Das Reich des Wahlschwindels wird für sie trotz dieser geographischen Befchränkung ohnehin ein Reich der unbegrenzten Unmöglich
feiten bleiben.
Vor dem Urteil im Putschprozeß. Scharfe Warnung der Münchener Polizeidirektion. München , 31 März.( WIB.) Am Vorabend der Urteils. fällung im Hiller- Prozeß hat die Münchener Polizeidirettion folgende Betanntmachung erlassen: Die Polizeidirettion weiß, folgende Bekanntmachung erlassen: Die Polizeidirektion weiß, daß für den 1. April größere kundgebungen geplant find. daß für den 1. April größere kundgebungen geplant find. Umzüge und Anfammlungen find verboten und werden mit allen Machtmitteln unterdrüdt werden. Die Standrechtsverordnung
gilt noch.
Große Freunde befigt die Reaktion auch unter den Ruffen; das find nämlich die in der Emigration lebenden Betreuen der 3 arendynastie, weißrussische oder baltische Adlige, Offiziere und Diplomaten, dieselben Leute, die vor 1914 am Petersburger Hofe zum Kriege gegen Deutschland gehetzt haben.
Vorwärts- Verlag G.m.b.H. , SW 68, Lindenstr. 3 Bostichedkonto: Berlin 375 36- Bquffonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depoüitenkane Lindenstraße 3
-P
" Anschauen und Verändern!"
Die neue wissenschaftliche Zeitschrift der Partei.
„ Die Gesellschaft. Internationale Revue für Sozialismus und Politik" heißt die neue wissenschaftliche Monatsschrift der Partei, die von Dr. Rudolf Hilferding redigiert wird und deren erstes Heft soeben bei I. H. W. Diez Rachf. erschienen ift.*)
Das Erscheinen dieser Zeitschrift ist ein Ereignis nicht nur für die Sozialdemokratische Partei , sondern darüber hinaus für die ganze politisch interessierte Belt. Es ist ein Wert des Wiederaufbaus nach den ungeheuren Berwüstungen, die Krieg und Nachfrieg nicht nur auf materiellem und moralischem, sondern ganz besonders auch auf geistig politichem Gebiet angerichtet haben. Nie hat man diese Verobung stärfer empfunden als jegt in der Schlagwortwüste des öbung stärker empfunden als jest in der Schlagwortwüste des gegenwärtigen Wahlkampfes, und niemand wird sich um unser Bolk ein größeres Berdienst erwerben als der, dem es gelingt, die Kämpfe der Zeit auf die Höhe des Brin zips zurückzuführen und den Respekt vor der Geistigkeit wieder zu erweden, der in manchen Regionen bis auf den Nullpunkt herabgesunken ist.
die von den Klassikern der deutschen Philosophie über Marx, Ber aber sollte dazu mehr berufen sein als die Partei, Engels, Lassalle bis zu den jüngeren Thecretikern auf die glänzendste geistige Ahnenreihe zurückblickt, die mit Bein Ruf die Arbeiter und die Wissenschaft" ins Leben getreten ist und die den stolzen Anspruch verkündet hat, zwischen der Philosophie und dem Proletariat, den höchsten geistigen höhen und den tiefsten sozialen Tiefen, die Brücke zu schlagen? Es ist wahrlich an der Zeit, daß wir uns, inmitten des geiftlosen Demagogenlärms, der uns von rechts und links her ans Ohr schlägt, wieder stärker unserer Würde bewußt werden und der hohen Verpflichtungen, die sie uns auferlegt.
Diese Verpflichtungen zu erfüllen, ist zwar nicht allein, doch in erster Reihe Aufgabe der neuen wissenschaftlichen Zeitschrift. Ob sie den hohen Ansprüchen entspricht, die man an fie ftellen muß, wird nicht nach der ersten Nummer allein zu entscheiden sein, soweit diese aber ein Urteil zuläßt, wird man das neue Unternehmen mit den besten Hoffnungen begrüßen dürfen.
Das erste Heft bringt eine solche Fülle des Interessanten, daß es unmöglich ist, im Rahmen eines einzigen Artikels ihren reichen Inhalt auch nur anzudeuten. Mit außerordent lichem Gefchid sind die wichtigsten Themata ausgewählt und die besten Männer zu ihrer Bearbeitung berufen worden. Niemand war würdiger, das neue Unternehmen zu begrüßen als der Fortfezer marristischer Traditionen Karl Rautsin, der langjährige Herausgeber der Neuen Zeit". Er gestaltet feine Begrüßung zu einem merivollen Beitrag zur Parteigeschichte, in dem er die Entwicklung der verschiedenen wissen leber das Wert der einglischen Arbeiterregierung spricht ber ausgezeichnete Außenpolitiker der Labour Party , H. N. ausgezeichnete Außenpolitiker der Labour Party , 5. N. Brailsford. Emil Bandervelde protestiert in einem aufschlußreichen Aufsck über die„ Ruhrbefehung und Belgien " aufschlußreichen Auffah über die„ Ruhrbefehung und Beigien" tapfer gegen das Unrecht der Invasion. Branting erzählt tapfer gegen das Unrecht der Invasion. Branting erzählt fesselnd von der schwedischen Politit, einem in Deutschland wenig bekannten und doch gerade für uns besonders lehrreichen Gebiet. Hermann Müller schreibt mit der festgefüg ten Logit, die seine Stärte ist, stets mehr an den Berstand als an das Gefühl appellierend, über demokratische Außenpolitik. Der Hamburger Professor A. Mendelssohn. Bartholdy schließt mit einem geistreichen völkerrechtlichen Essay die Reihe der außenpolitischen Betrachtung ab.
3m englischen Bolte besitzt die deutsche Reaktion außer dem fagenhaften anonymen Mitarbeiter der Deutschen Tageszeitung" feinen einzigen Freund, dafür aber zählt sie im Kampfe gegen den Margismus" einen bekannten Gefin nungsgenoffen: Winston Churchill hat endlich seine wahre Sendung auf Erden erkannt und will die beiden bürgerschaftlichen Zeitschriften der Partei zur Darstellung bringt. fichen Barteien zu einer großen antisozialistischen Kampfgemeinschaft zusammenführen. Ganz wie bei uns die Apostel des Bürgerblocks. Auf Winston Churchill , den schlimmsten Kriegsheßer und Kriegsverlängerer Englands in den Jahren 1914-1918, auf Winston Churchill , der am rück fichtslofeften die Haßgefühle gegen das deutsche Bolf aufzupeitschen verstand, und der auch heute noch in seinen Bestrebungen am eifrigsten von den deutschfeindlichen Rothermere Blättern unterstügt wird, mag sich die ,, Deutsche Tageszeitung" und mögen fich mit ihr alle deutschen Marristenfresser" berufen.
Das wären also ein paar ausländische Freunde, auf die sich die Deutschnationalen flügen fönnen. Wir schenken sie ihnen als Ersak!
Inften einen sorgfältig vorbereiteten Plan zurechtgelegt, um ihre an bestimmten Stellen der Stadt verfammelten Mitglieder von dem Ausfall des Urteils in Renntnis zu feyzen und ihre Maßnahmen danach einzurichten. Sie beabsichtigten in Häufern in der Umgebung der Kriegsschule Bertrauensleute unterzubringen, die vom Fenster aus mit nationalsozialistischen Anhängern, die mit Zuhörerfarten ausgerüstet an der Urteilsverkündung teilnehmen, in Verbindung bleiben sollten. Durch verabredete Zeichen sollte auf diesem Wege das Urteil schleunigft übermittelt und dann durch Stafetten und Flaggenfignale zu den Bersammlungsplägen der Na tionalsozialisten weitergegeben werden. Sowohl für den Fall einer Freisprechung Hitlers und Ludendorffs follten dann Demonstra tienen nach der Blubenburgstraße unternommen werden, deren Charakter sich ganz nach dem Ausiall des Urteils richten follte. Diefer ganze Blan ift nun von der Bolizei aufgebedt worden, die ihrer feits alle Borkehrungen getroffen hat, um diese Absichten der Hitler. Leute zurichte zu machen.
München , 31. März.( BS.) Die Stimmung in München am Tage vor der Urteilsverkündung im Hitler- Prozeß ist ziemlich er. regt 3m äußeren Straßenbilb fennzeidmet sich diefe Nervosität schon durch das ungewöhnlich starte Auftreten von Patrouillen der Landespolizei mit Stahlheim und Karabiner, bie feit geftern die Etabt durchziehen. Sowohl die Reichswehr wie die Landespolizei in München find erneut verstärkt worden. Wie wir hören, sind diese verschärften Sicherheitsmaßnahmen durch die Aufdedung eines umfangreichen nationalsozialisti. fen Demonstrationsplanes hervorgerufen worden. Da bekanntlich alle Anfammlungen in der Umgebung der Kriegsschube jeit Brezesbeginn streng verboten fint und außerdem für den Tag her Urteilspertündung eine Berbreitung des Urfeils durch Flug aber Ertrablätter unterfagt worden ist, hatten sich die Nationalfozis. I gefahren werben. Reb. b. 33.)
Das Verbot der Großdeutschen Zeitung" aufgehoben. München , 31. März.( TU.) Auf die erhobenen Beschwerden hin wurde das Berbot ber Großbeutfchen Beitung" wieber aufgehoben. Die„ Deutsche Preffe" bleibt weiterhin verboten. ( Die legte Tat der Großdeutschen" war bekanntlich die Aufforderung zu einem Subentotilag, beginnend bei helfferich und Hergt. Damit tann nun mit bayerischer Gemütlichtet fort
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Es folgt eine Reihe von Auffäßen über innerpolitische Fragen, die mit einer fritisch- nachdenklichen Betrachtung Rabbruchs über die Goldbilanz der Reichsverfaffung eröffnet wird. Der preußische Ministerpräsident, Otto Braun , fehrt mit einem Auffag über Landhunger und Siedlung" zu Den Fragen der Agrarpolitik zurück, die er als Landwiri schaftsminister behandelt hat und denen seine alte Liebe gehört. Lebensfragen der Arbeiterschaft behandelt Richard Seidel in einem Auffah über Aufstieg und Krise der Gewerkschaftsbewegung". Eine Bücherschau, bearbeitet von Ad. Braun, Mar Quard und Hermann Wendel , gibt dem überreichen Inhalt des Heftes den Abschluß.
Das Gebiet der Sozialtheorie, dem in späteren Heften ein breiterer Raum gewidmet werden soll, hat sich für Diesmal der Herausgeber vorbehalten. In einem gehalt vollen Leitaufsatz beschäftigt er sich mit den Problemen der Zeit", wobei er u. a. zu folgenden programmatischen Fest. Zeit", wobei er u. a. zu folgenden programmatischen Feststellungen gelangt:
Wenn Engels fein und Margens Lebensmert als den Fort schritt des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft bezeichnete, fo handelt es sich jetzt um die Anwendung der Sozial miffenschaft auf die soziale Organisation. Es wäre der Uebergang von wissenschaftlichen zum fonffruffiven Sozialismus. Es ist flor,