Abendausgabe
Nr. 182 41.Jahrgang Ausgabe B Nr. 91
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Mittwoch
16. April 1924
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Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Konflikt zwischen Japan und Amerika .
Die Einwanderungsgesetzgebung, die schon mehrfach Kon-| alleinige Verantwortung für das Schreiben an Hughes zu flikte zwischen den Bereinigten Staaten und Japan weist. Telegramme aus Tokio besagen, der Botschafter habe heraufbeschwor, hat jetzt erneut zu einer ernsten Spannung das Schreiben aus eigener Initiative verfaßt und es sei mehr zwischen den beiden Staaten geführt, die möglicherweise einen als wahrscheinlich, daß die japanische Regierung ihn von Abbruch der amerikanisch - japanischen Beziehungen zur Folge seinen Boften abberufen werde. Unter diesen Umständen ist haben wird. Der Konflikt ist dadurch entstanden, daß der wohl anzunehmen, daß der Konflikt keine weitere Zulpigung amerikanische Kongreß bei der Beratung des neuen Einwan- erfährt und daß Japan , wenn auch zähneknirschend, sich vorderungsgefezes Bestimmungen annahm, die auf ein effektives läufig den Beschlüssen der Vereinigten Staaten fügt. Verbot der japanischen Einwanderung hinauslaufen. Der japanische Botschafter wandte sich darauf an den Staatssekretär Hughes mit einem Schreiben, in dem er von den ernsten Folgen sprach, die durch die Annahme der strengen Ausschließungsbestimmungen entstehen würden. Die. jer Schritt des japanischen Botschafters rief einen Sturm der Entrüstung im amerikanischen Senat hervor, der nun mit einer Mehrheit von 76 gegen 2 Stimmen den Gesetzentwurf annahm.
Dieser Beschluß des amerikanischen Senats trägt zweifellos einen demonstrativen Charakter, da er sich vor allen Dingen gegen die im Schreiben des japanischen Botschafters enthaltene versteckte Drohung wendet. Doch darüber hinaus tennzeichnet er den tiefen Interessengegenjas, der zwischen den Vereinigten Staaten und Japan besteht. Dieser Gegensah, der hauptsächlich auf die wirtschaftliche Konturrenz der beiden Staaten an den Küsten des Stillen Ozeans zurückgeht, wurde zwar nach der Washingtoner Abrüstungsfonferenz im Herbst 1921 zeitweilig abgeschwächt. Er tritt aber neuerdings wieder stärker in die Erscheinung, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß das durch die lehte. Erdbebenfatastrophe schwer heimgesuchte Japan beträchtlich an seiner bisherigen Stärte eingebüßt hat.
In Japan versucht man nun den Konflikt abzuschwächen, indem man dem japanischen Botschafter in Washington die
Englands Standpunkt.
London , 16. April. ( WTB.) Reuter berichtzt aus Totio, es werde in Japan bedauert, daß die Wendung ernste Folgen, die von dem japanischen Botschafter gebraucht worden ist, in Washington nicht verstanden worden sei. Der Botschafter habe darunter verstanden, daß eine morati fche Rüdwirtung bei dem unter verstanden, daß eine moratische Rüdwirtung bei dem japanijden Bolfe gegenüber Amerika entstehen würde, die von der Regierung würde kontrolliert werden müssen. Die Reuter- Meldung gibt eine Aeußerung des japanischen Blattes Jiji Schimpo" wieder, in der es heißt, das amerikanische Repräsentantenhaus habe alle Forderungen internationaler Höflichkeit, und Moral außer Ucht gelaffen. Tofio, 16. April. ( WTB.) Der Minister des Aeußern Baron matsui erklärte im Zusammenhang mit der Aktion des ameri tanischen Kongreffes zur Berhinderung der japanischen Einwanderung, daß die Anwendung des Quotensystems durch Amerika und des sogenannten Gentlemen- Abkommens durch Japan die wirksamite Kontrolle der Auswanderung darstellen würde. Er sprach die Hoff nung aus, daß Amerifa nichts unternehmen werde, was die freundschaftliche Gesinnung, die Japan gegenüber den Bereinigten Staaten gehegt habe, zu schwächen geeignet wäre.
New York , 16. April. ( WTB.) Die Haltung des Senates in der japanischen Einwanderungsfrage hat gestern vormittag beträchtliche Berkäufe japanischer Staatspapiere zur Folge gehabt.
Wie er es auffaßt.
Poincaré und die Sachverständigen.
mit dem Namen„ demokratisch", republikanisch" und sozial Eine jener rechts stehenden französischen Gruppen, die sich ( nicht sozialistisch") schmücken, hatte zu gestern abend Herrn Poincaré zu Gast geladen, damit er ihr Bankett durch eine Rede verschöne und ihrem Wahlgeschäft Vorschub leiste. Dergleichen ist in allen Ländern gebräuchlich und nicht au vermeiden, obwohl es eine üble Sache ist, die auswärtige Politik durch Rücksichten auf die Wahlagitation leiden zu lefsen. Auch Herr Stresemann hat gelegentlich bedenkliche Neigung gezeigt, die Aufgaben eines Außenministers mit denen eines Wahlredners zu verwechseln, er hat sich dadurch empfindlichen Tadel in einem Teil der deutschen Presse zugezogen. Aber was sidy Herr Poincaré gestern in dieser Beziehung geleistet hat, das geht darüber unendlich weit hinaus. Die Zustimmung zu den Vorschlägen der Sachverstän digen ist für alle beteiligten Regierungen ein moralisches Muß. Denn die ganze Welt lechat nach einem wirklichen Frieden, dessen Kommen sie von der Durchführung jener Borsage erhofft. Jeder Regierung, die sie brüst ablehnen woe, mürbe aus der ganzen Welt und dem eigenen Bolf heraus eine Belle der Empörung entgegenschlagen, fie würde sich damit zugleich nach außen moralisch isolieren und ihren inneren Gegnern die breitesten Angriffsflächen bieten. Nur ein Volf von politischen Idioten könnte eine solche Regierung an seiner Spize dulden.
Darum hat auch Herr Boincaré seine Zustimmung zu den Vorschlägen ausgesprochen. Er hat sie aber zugleich in fo illoyaler Weise. interpretiert, daß ihr gefunder Sinn in sein gerades Gegenteil verwandelt wird.
Poincaré wird nicht ernst genommen. Condon, 16. April. ( WEB.) Times" bezeichnet die flärungen Macdonalds im Unterhaus als je hr bedeutjam. Das Vollgewicht des britischen Einflusses jei jeht endgültig zum Ausdrud gekommen. Die deutsche Regierung habe offiziell ihre Bereitschaft ausgedrüdt, bei der Durchführung der Sachverfiändigenpläne mitzuwirken. Es könne daher erwartet werden, daß die Reparationstommiffion bald die Gelegenheit ergreifen werde, die Berichte allen in Frage tommenden Regierungen formell mitzuteilen. Poincarés geffrige Rede tönne zwar feineswegs als 3weddienlich angesehen werden, es sei jedoch unnötig, den London , 15. April. ( Eigener Drahtbericht.) Auf die am Tage Aeußerungen, die mitten in einem Wahlfeldzug gemacht werden, in des Zusammentritts der englisch - russischen Konferenz veröffentlichte welchem Poincarés Außenpolifir einen Hauptpunkt bildet, eine wort- Erklärung der Londoner Banten, daß die Wiederaufnahme der wörtliche oder eine internationale Bedeutung beizu- Kreditbeziehungen mit Rußland son Bedingungen abhängig mejjen. Für den Augenblick seien die Aussichten ungewöhn- sei, haben am Dienstag die vier Mitglieder der Arbeiterpartei lich hoffnungsvoll.
Die Borschläge der Sachverständigen legen Deutschland harte und schwere Berpflichtungen auf. Das erkennt aud Herr Boincaré an, indem er sagt, es werde jest vor Deutfche land mehr verlangt, als der konservative englische Premierminister Bonor Law für angemessen und leistbar hielt. fchwierigster Situation den Bersuch unternimmt, den Knäuel Aber nach der flar ausgesprochenen Ueberzeugung der SachDer europäischen Konflikte zu entwirren. Es unterliegt teinem verständigen fann Deutschland diese Verpflichtungen mur Zweifel, daß Lloyd George für die Arbeiterregierung ein ge- dann erfüllen, wenn das im besezten Gebiet herrschende Erfährlicherer Gegner ist als die Führer der Konservativen. Doch System der Pfärberpolitif beseitigt, die Wirtschaftseinheit nicht minder zweifelhaft ist, daß fein unehrliches demagogisches Deutschlands wiederhergestellt, der jetzt einseitig auf den„ ReIntrigenspiel weit über die Streise der Arbeiterschaft Ber- parationsprovinzen" lastende Drud auf das ganze Reias gleichurteilung finden und den moralischen Kredit der Lahpur- mäßig verteilt wird. Nur wenn diese Boraussetzung voll. Regierung verstärfen wird. ständig erfüllt wird, wird sich eine deutsche Regierung finden, die bereit sein wird. die Sachverständigenberichte aus freiem eigenen Willen anzunehmen in der lieberzeugung, daß damit den Interessen aller beteiligten Bölfer, auch des deutschen Boltes und ganz besonders der militärisch unterjochten, nach Befreiung schmachtenden Rhein - und Ruhrbevölkerung gedient wird.
In Ergänzung zu dem in der heutigen Morgenausgabe ver öffentlichten BTB.- Telegramm über die Erklärung Macdonalds im Unterhaus besagt ein uns zugegangener Drahtbericht aus London noch folgendes:
Macdonald wurde gefragt, ob es richtig sei, daß die Sachyperständigenberichte feine Erklärung bezüglich der Gesamthöhe der deutschen Schulb bzw. der Dauer ihrer Abtragung enthalten, und ob die Schuldfumme von 6600 Millionen Pfund( 132 Milliarden Goldmark), die im Londoner Paft von 1921 festgesetzt worden sei, noch immer Geltung habe.
Macdonald antwortete:„ Ich bin mir durchaus dessen bewußt, daß die Borschläge nur für sechs Jahre ausgearbeitet sind und daß nach diesen sechs Jahren ein bestimmter Mechanismus weiterarbeiten würde auf eine nicht begrenzte Zeit. Wenn aber alle Regierungen dem Bericht ihre Zustimmung erteilen, dann wird die Gejamijumme der Reparationen Gegenstand einer Bereinbarung jein."
Lloyd George gegen Macdonald. Er gibt keine Ruhe.
London , 16. April. ( CB.) Die liberale Partei hielt gestern nachmittag im Unterhaus eine Sigung ab, wobei Lloyd George eine Rede hielt, in der er erklärte, daß die bisherige Politik seiner Partei, die auf eine Unterstüßung der Arbeiterregierung hinausgelaufen fei, fich als ein verhängnisvolles Fiasto erwiesen habe. Seine Partei müsse ernstlich prüfen, ob es nicht an der Zeit sei, diejer Politik ein Ende zu machen. Darauf wurde befchloffen, daß die Abgeordneten sich während der Osterferien in ihre Wahlkreise zu begeben hätten, um die Stimmung zu erforschen. Danach soll ein großer Parteifongreß einberufen werden, der darüber zu beraten hätte, ob das Kabinett nicht bei einer der nächsten Gelegenheiten in die Minderheit versetzt werden soll.
Die offene Kampfansage Lloyd Georges gegen das Kabinett Macdonald fommt nicht unerwartet. Es war voraus zusehen, daß der in allen Schlichen der politischen Intrige bewanderte frühere Ministerpräsident die erfte Gelegenheit benuten werde, um den Kampf gegen die Arbeiterregierung zu organisieren. Mit derselben Skrupellosigkeit, mit der er nach feinem Rüdtritt als Antläger gegen eine Politif auftrat, die er selbst als einer der Schöpfer des Versailler Vertrages mitverschuldet hatte, hezt er nun gegen Macdonald, der in
Lansbury, Purcell , Ballhead und Williams in einer Gegenerflärung geantwortet, in der sie feststellten, daß die Londoner Banfiers versuchten, durch wirtschaftliche In terventionen das zu erzwingen, was durch militärische Interventionen nicht gelungen sei.
Gegen die Soldatenspielerei. Koblenz , 15. April. ( Eigener Drahibericht.) Die Rheinla ndtommiffion hat eine neue Ordonnanz herausgegeben, die alle militärischen Borbereitungen unter fchwerste Strafe ftellt. Diese Strafer: treffen alle Bewohner des besetzten Gebietes, die sich an militärischen Ererzitien beteiligen, auch wenn diese im unbefesten Gebiet abgebal en werden. Jede Beteiligung an Organisationen, die theoretisch oder praktisch sich mit militärischer Instruktion, oder militärischen Borberei tungen beschäftigen, fällt unter dieselben Strafen. Ebenso werden Einwohner des befeizten Gebietes bestraft, wenn sie ordentlich und gefeßmäßig fich für die Reichswehr engagieren laffen, ohne vorher die Genehmigung der Rheinlandtommiffion eingeholt zu haben. Die Genehmigung ist durch die Gemeindebehörden bei der Rheinland . tommiffion einzuholen. Die Bürgermeister sollen für die Gemeindebehörden die personliche Verantwortung über nehmen. Diese Ordonnanz ist von den Vertretern Frankreichs , Eng. lands und Beigiens gemeinsamn beschlossen worden.
Die Börse befand sich heute wieder in außerordentlich ner vöjer Stimmung. Die weitere Steigerung des fran. 30sischen Franken bis zu einer Pfundparität von 69s ruft ernftefte Besorgnisse für die Abwidlung be: April- und Maigeschäfte in französischer Währung sowie am Metallmarkt hervor. An der Börje schwirren wieder massenhaft unkontrollierbare Ge Börje schwirren wieder massenhaft unfontrollierbare Ge rüchte über Zahlungsfowierigkeiten und drohende Insolvenzen. Gegeniiber diesen Borgängen fritt die Berlänge: rung der Micumverträge tu etwas erleichterten Bedingungen in ben Hintergrund. Die geftrige Rede Poincarés wurde allerdings ziemlich lebhaft erörtert, fie trug noch wesentlich dazu bei, die allgemeine Börsenftimmung zu verschlechtern. Die Geldmortilage wird irog der leichteren Beschaffung von täglichem Gelb sehr peffimistisch beurteilt. Im inländischen Devisenverkehr macht sich bisher noch teine nennenswerte Erleichterung geltend. Die Kursrüggänge waren be: den schweren Moniemwerken wieder recht beträchtlich.
Mit Recht haben die Sachverständigen ihre Vorschläge als ein untrennbares Ganzes bezeichnet. Aus diesem untrennbaren Ganzen versucht nun der französische Ministerpräsident dasjenige Stück herauszureißen, das dem deutschen Volk das Ganze erst annehmbar macht. Kein Deutscher, der für die sogenannte Erfüllungspolitik eintritt, faßt diese Politik anders auf denn als eine Bolitik der Befreiung, feiner will die Berewigung eines Zustandes der Kontributionsfflaverei unter dem ständigen Druck der militärischen Fauft. Aber was fein Deutscher wollen und fein gerecht denkender Mensch in der Welt qutheißen kann, dazu betenni fich der franzöfifche Ministerpräsident, und folange er bei diesem Bekenntnis bleibt, bleibt auch jede Verständigung zwischen ihm und dem deutschen Volk unmöglich.
Die sofortige militärische Räumung des widerrechtlich befetzten Ruhrgebiets würde von dem gesamten nationalistischen Frankreich als ein neues Fafchoda empfunden werden. Es ist ein weitgehendes Entgegenkommen an die Prefiigerfid. sichten des Siegers, wenn auf die jofortige Beseitigung dieses Unrechts verzichtet wird. Aber wenn nicht die Besetzung wenigftens, wie früher wiederholt auch von franzöfifcher Seite für den Fall einer Berständigung zugefagt murde, unsichtbar" gemacht wird, wenn nicht all die entfehlichen Störungen des Wirtschaftslebens, die mit Regie, Micum usw. verbunden sind, aufhören, dann fann Deutschland das bestätigen die Sache verständigen die ihm zugedachten Verpflichtungen nicht erfüllen, und der ganze Plan bricht in fich zusammen.
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Herr Poincaré hat in seiner Rede die Maste des franzö sischen Imperialismus gelüftet, indem er erklärte, daß die Ueberführung der deutschen Reichsbahnen des besetzten Gebiets in die französisch- belgische Verwaltung nicht nur den Reparationen dienen solle, sondern auch als Erfaz für den Sicherungsvertrag zu betrachten sei, den Frankreich im Jahre 1919 vergeblich mit Amerika und England abzuschließen versuchte. Man muß erstaunt sein, daß ein so geschickter Advokat wie Poincaré sich eine solche Blöße geben tonnte. Denn die Beschlagnahme der Bahnen ist erfolgt unter misbräuchlicher Anwendung eines Paragraphen des Ver failler Bertrags, der von Reparationsperfehlungen fpricht. Davon, daß Frankreich Berechtigt sei, deutsche Bahnen aus militärischen Gründen in seine Verwaltung zu nehmen, steht im Bertrag kein Wort. Und dieser Mann, der selber von Vertragsbruch zu Bertragsbruch schreitet, hat die Stirn, anderen vorzuwerfen, daß sie Berträge, die ihnen unter Erpressungen aufgezwungen sind, nicht heilig" genug halten!
Boincaré nimmt die Sachverständigenvorschläge der Form nach an, um fie in der Sache abzulehnen. Er trumpft