Nr.185 41.Jahrgang Ausgabe A nr. 92
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Freitag, den 18. April 1924
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Volk, entscheide dein Schicksal!
Die Reparationskommission hat die Sachverständigenvorschläge einstimmig angenommen. Jetzt Jetzt hat das deutsche Volk das Wort!
Paris , 17, April. ( WTB.) Der heute nachmittag von der Reparationstommiffion gefaßte Beschluß. der einstimmige Annahme fand, hat folgenden Wortlaut: Die Reparationsfommission beschließt:
1. Kenntnis zu nehmen von der Antwort, in der die 1. Kenntnis zu nehmen von der Antwort, in der die deutsche Regierung den Schlußfolgerungen der Be
richte der Sachverständigen beitritt;
2. in den Grenzen ihrer Befugniffe die in diefen Berichten formulierten Entschließungen zu billigen und die Melhoden anzunehmen, die darin enthalten find;
3. die Berichte der beiden Komitees den intereffier fen Regierungen offiziell zuzustellen, damit die vorgeschlagenen Pläne fo rasch wie möglich ihre volle Wirkjamteit erlangen;
4. die deutsche Regierung zu bitten, a) in fürzester Frist auf Grund der Schlußfolgerungen und des Tertes der Berichte die Geleh und Berordnungsentwürfe der Reparations fommiffion zu übermitteln, die dazu be ftimmt sind, die vollkommene Ausführung der Pläne sicherzustellen; b) der Repara. tionsfommiffion die Namen der Mitglieder mitzuteilen, die die deutsche Regierung bzw. die deutsche Industrie in den Organisationsfomitees betreffend die Eisenbahn und die Industriehypothet, wie fie in dem Bericht des Ersten Sachverständigentomitees vorgefehen find, vertreten follen;
5. in einer der nächsten Sigungen diejenigen Mitglieder der Organisationsausschüffe zu bezeichnen, deren Ernennnung der Reparationsfommission zusteht;
6. die Maßnahmen vorzubereiten, deren Ausarbeitung der Bericht der Sachverständigen ihr vorbehalten hat.
Der Beschluß der Reparationsfommission ist vielleicht das größte politische Ereignis seit dem Friedensschluß. Er wird auf alle Fälle die gesamte internationale Politit, aber auch die innere Politik Deutschlands nachhaltig beeinflussen. Die Reparationstommission hat dem Sachverständigen bericht als einem unteilbaren Ganzen zugestimmt. An die Durchführung seiner Vorschläge soll sofort herangetreten werden.
Daher ist auch die deutsche Regierung aufgefordert worden, in fürzester Frist die Geseze und Berordnungen her. auszubringen, durch die der neue Mechanismus der Reparationszahlungen in Gang gelegt werden soll. Es wird notwendig sein, den Reichstag, der am 4. Mai gewählt wird, so rasch wie möglich nach den Wahlen zusammentreten zu lassen, um das dazu erforderliche Gesetzgebungswert zu standezubringen.
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Die im Amt befindliche deutsche Regierung hat durch ihre Note vom 16. April internationale Verpflich tungen übernommen, die von ihr oder von ihrer Nachfolge rin und vom neuen Reichstag eingelöst werden müssen, wenn nicht die schwersten Verwicklungen entstehen sollen.
Unter diesen Umständen gestalten sich die deutschen Reichstagswahlen vom 4. Mai zu einem Voltsentscheid über die Frage, ob der durch die Note vom 16. April beSchrittene Beg weitergegangen oder durch sein Berlassen eine Fahrt in den Abgrund angetreten werden soll.
Die Sozialdemokratische Partei hat als erste auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Borschläge der Sachverständigen auszuführen. Sie ist gewillt. im Reichstag dafür zu wirken, daß diese Ausführung in sozialem Geist, unter Schonung der Intereffen der arbeitenden Massen erfolgt. Die Sachverständigen haben in ihrem Bericht erklärt, daß das deutsche Volk ein Recht auf das gleiche Kulturniveau besitzt wie die anderen Völker. Daran muß festgehalten werden. Auf der anderen Seite muß dem Standal ein Ende gemacht werden, daß sich die Besitzenden von den Steuerlasten drücken. Die bürgerlichen Mittelparteien find der Sozialdemokratie in der Annahme der Sachverständigenvorschläge zögernd gefolgt. Bölkische, kommunisten und Deutsch nationale haben sich gegen fie erklärt. Dabei war frei lich das Verhalten der Deutschnationalen zweideutig und schwankend. Denn während diese Partei ihre Bertreter zur Reichsregierung entsandte, um zu erklären, daß sie die von ihr eingegangenen Bindungen nicht anerkenne, haben die start Deutschnational beeinflußten Regierungen Bayerns , Thürin gens und Wrecklenburgs sich mit der Annahme der Vorschläge
einverstanden erklärt. Trotzdem bleibt die Festlegung der Deutschnationalen auf die Ablehnung so start, daß ihre Mitarbeit an der Durchführung der Sachverständigenvorschläge im Reichstag nicht zu erwarten ist. Dies um so weniger, als ihnen eine völkische Fraktion im Nacken ſizen wird, die bestrebt fein wird, jedes Abgleiten der Nachbarpartei in die verfemte Erfüllungspolitit" zu verhindern.
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Wenn nun auf Grund der Wahlergebnisse eine Regierung zustande kommt, die das von ihrer Borgängerin gegebene Wort nicht hält, oder wenn der neue Reichstag seine Mit arbeit an der Ausführung der Sachverständigenvorschläge verweigert was gefchieht dann?
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Dann wird von allen Seiten her ein neuer Sturm gegen das Deutsche Reich losbrechen. Man wird es befchuldigen, einen Plan zerstört zu haben, der der ganzen Welt eine Beruhigung der politischen Verhältnisse und eine Gefundung der Wirtschaft verspricht. Das bejezte Gebiet wird nicht auf hören, Reparationsprovinz zu sein, die innere Zollgrenze wird nicht fallen, die Rhein - und Ruhrbahnen werdenter französisch- belgischer Berwaltung bleiben, neue Micu Ber träge werden erpreßt oder wenn dies nicht gelingt, neue Santtionen" verhängt werden. Der französische Imperialis mus wird zu neuem Borgehen gegen Deutschland die Hände frei bekommen, die deutsche Währung wird vollkommen zer ftört werden, eine neue Welle der Inflation wird alle Anzeichen wirtschaftlicher Gesundung, alle Anfänge einer Kräf tigung der Arbeiterorganisationen zerstören, die Masse des arbeitenden deutschen Volkes wird in immer noch tieferes Elend versinten. Aber die Welt wird ungerührt diesem Schauspiel zusehen und sagen, daß Deutschland selbst es gewesen fei, das seine unglüdliche Lage verschuldet habe.
Es wird dann fein anderer Ausweg bleiben, als nach neuem Trümmerfall, nach neuem Chaos und Hungerelend neue Forderungen der Gegner anzunehmen, die noch drückender sein werden als die jetzt gestellten.
Das ist jetzt die Lage und mer sie begreift, der wird wiffen, daß es ein Bahnsinn und ein Verbrechen am deutschen Bolte ist, unter solchen Umständen für Bar teien zu stimmen, die die angebahnte Verständigung zer schlagen und die Dinge zum Bruch treiben wollen. Wer jetzt noch deutschnational oder völkisch stimmt, der stimmt für den Selb ft morb der deutschen Ration.
Durch die Annahme der Sachverständigenvorschläge ist der Kampf gegen den französischen Imperia lis mus aufgenommen, der Kampf mit den einzigen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, nämlich mit denen einer flugen Politif. 3eigt sich Deutschland willig, die Vorschläge auszu führen und verweigert Frankreich die Erfüllung der Boraussetzung, auf der sie aufgebaut sind, dann wird sich der Druck der ganzen Welt nicht gegen Deutschland , sondern gegen Frankreich wenden.
Es sei daran erinnert, was die Sachverständigen über die Boraussetzungen sagen, unter denen allein Deutschland ihre Vorschläge auszuführen imftande ist:
Wir haben eingehend erwogen, ob es möglich ist, für das heutige Deutschland , d. h. bei den gegenwärtig bestehenden fiskalischen und wirtschaftlichen Beschränkungen in den befeßten Gebieten das deutsche Budget zu balanzieren und die Währung bauernd zu stabilisieren. Wir müssen erklären, daß es uns nicht möglich gewesen ist, unter diesen Umständen einen Weg zu finden.
Die Wiederherstellung des deutschen Kredits im In- und Auslande ist die Grundlage der deutschen Zahlungsfähigkeit. Dieser Kredit aber fann nicht wiederhergestellt werden, solange der jetzige Zuffand im Ruhr- und Rheingebiet fortdauert. Wir haben uns deshalb gezwungen gesehen, davon auszugehen, daß die finanzielle und wirtschaftliche Einheit des Reiches wiederhergestellt wird und alle unsere Vorschläge sind auf dieser Annahme bafiert...
Nur wenn die wirtschaftliche und finanzielle Hoheit des Reiches für sein gesamtes Gebiet wieder hergestellt ist, kann Deutschland aus eigener Straft fein Budget balanzieren... Der Erfolg unseres Planes hängt unbedingt ab von der Wiederherstellung der deutschen wirtschaftlichen hoheit, und es muß darauf hingewiesen werden, daß auch die Durchführung des Planes hinausgeschoben werden muß, wenn die Wiederherstellung dieser Hoheit verzögert wird. Alle Fristen des Bahlungsplanes haben nur unter dieser Vorausfegung Geltung
Falls politische Sicherheiten und Santtionen für wünschenswert gehalten werden, um die Durchführung des vorliegenden Blanes
sicherzustellen, so liegen diefe außerhalb der Zuständigkeit des Romitees. Ebenso liegen Fragen der militärischen Besetzung außerhalb unferes Auftrages.
Es ist jedoch unsere Pflicht, deutlich hervorzuheben, daß unsere Borschläge auf der Annahme beruhen, daß die wirtschaftliche Tätigteit durch keine andere fremde Organisation als die hier vorgesehene Ueberwachung behindert und beeinträchtigt wird. Folglich beruht unser Vorschlag auf der Voraussetzung, daß die bestehenden maßnahmen, insoweit sie diese Tätigkeit behindern, rüdgängig gemacht oder hinreichend abgeändert werden, sobald Deutschland zur Ausführung des vorgeschlagenen Planes schreitet, und daß sie nur im Falle einer offenfundigen Berfäumnis in der Erfüllung der allseitig angenommenen Bedingungen wieder angewendet werden.
Dieser Gedante tommt auch in den Vorschlägen selbst immer wieder zum Ausdrud. So wird im Bericht über die Eisenbahnen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß man mit der Rückgabe der Regiebahnen an die umzugestaltende allgemeine Reichseisenbahnverwaltung als mit einer Selbstverständlichkeit gerechnet wird.
Eine Frage an die Deutsch nationalen und an die Bölkischen: Ist es national", die Bevölkerung der befetzten Gebiete auf einen illusionären Befreiungsfrieg zu vertrösten und sie bis dahin schutzlos aller Willfür eines fremden Militarismus auszuliefern, weil man vor den Opfern zurückscheut, die sonst auch die Bevölkerung des unbesetzten Gebietes bringen müßte? Und wird der Bevölkerung des unbe setzten Gebietes dadurch etwas erspart, wird sie das, was sie jeßt nach der Meinung der Nationalhelden verweigern sollte, nicht mit Elendszins und Zinseszins schließlich doch bezahlen müssen?
Nein, was jene hirn- und gewiffenlosen Gefellen vorschlagen, ist der nackte Treubruch, der nackte nationale Berrat an Rhein und Ruhr und zugleich die Borbereitung einer neuen Katastrophe für das gesamte deutsche Volk.
SP
Und wie die Böllischen und die Deutschnationalen, jo toben auch die Kommunisten gegen die Vorschläge der Sachverständigen. Mit Rußland im Bunde und mit Mar Hölz an der Spize wollen auch sie in den Befreiungskrieg" ziehen. Was kann von diesen verworrenen Phrasenhelden für die Wahrung praktischer Arbeiterinteressen unter so schwierigen und verworrenen Umständen erwartet werden? Die kommunistische Fraktion im neuen Reichstag wird nichts als der Vorspann für die völkisch- deutschnationale Katastrophenpolitik fein.
Das deutsche Bolte steht vor der Entscheidung. Will es einen Reichstag, der die ganze Welt von neuem in Feindschaft gegen Deutschland vereinigt, will es die ganze Welt zu dem Glauben verleiten, daß mit Deutschland nur in der Sprach e der Gewalt zu reden sei, will es die Fortdauer der militaristischen Tyrannei an Rhein und Ruhr, will es neue Diktate, neue Sanktionen, neuen Währungssturz, neue Berzweiflung in allen Arbeiterhäusern, nun, dann mag es deutschnational, völkisch oder fommunistisch wählen.
Will es aber die Solidarität zwischen besetztem und unbefeztem Gebiet, will es die Befreiung von Rhein und Ruhr, will es die Wiederherstellung des Wirtschaftslebens, die Erstarfung der gewerkschaftlichen Organisationen, den kulturellen Aufstieg der Massen, dann wird es sich nicht bei den schwanfenden und zweifelhaften Gestalten der Mitte aufhalten, sondern es wird entschloffen den Weg zur Rettung betreten und
sozialdemokratisch wählen!
Baris, 17. April. ( WTB.) Die Reparationstommmission hat fich in ihrer heute vormittag abgehaltenen offiziellen Sigung u. a. auch mit den von Deutschland für den Monat Mai zu fordernden Kohlenlieferungen beschäftigt. Nach Beendigung der Sigung haben die Delegierten in einer offiziellen Sigung von der deutschen Note über den Bericht der Sachverständigen Kenntnis genommen. Sie sind in einen Meinungsaustausch darüber eingetreten, welche Haltung die Reparationskommission hinsichtlich der Schlußfolgerungen der Sachverständigen einnehmen soll. Der Meinungsaustausch wird in einer für heute nachmittag anberaumten offiziellen Sigung fortgesetzt werden.
Der französische Delegierte Barthou erklärte nach der Sigung, obgleich noch nicht alle Schwierigkeiten behoben seien, habe er Grund zum Optimismus. Nach Havas herrscht die Anficht, daß man zu einer einmütigen Entscheidung formen werde. ( Siehe auch 8. Seite.)