Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion und der Mgemelne ZVuych« Gewerkschaftsbund haben seit Jahr und Tag darauf hin- gewiesen, daß das Produktionsproblem nicht ein Arbeitszeitproblem, iondern ein Unternehmerproblem ist. Sie haben gegen die Auf- babung des Achtstundentags angekämpft. Aber der Zentrums- arbeitsminister Dr. Brauns war es, der sich ihnen entgegenstellt«. A-as nützt die theoretische Einsicht der.Kölnischen Bolkszeitung wenn das Zentrum nicht daraus die politische Konsequenz zieht? Denn der Geist des sozialen Dumping ist mächtig in Deutschland . Er �it aber auch gefährlich für die Zukunft der deutschen Wirtschaft. Das Aufhören der Dalutakonjunktur unterwirst die deutsche In- dustrie wieder stärksten Konkurrenzkämpfen. Unter dem Drucke der Konkurrenz muß sich«ine Veränderung der Struktur der deutschen Wirtschaft vollziehen, wenn sie konkurrenzfähig sein will. Es muß sich aber auch«ine Aenderung in dem wirtschaftlichen Denken des Unternehmertums vollziehen. Der Spekulantcngeist muß zurück- ire'en hinter produktionswirtschaftlichen Erwägungen. Der Schrei nach dem sozialen Dumping ist das Bekenntnis, daß«in großer Teil der deutschen Unternehmer unfähig ist, diese Umstellung vorzu- nehmen. Es fehlen ihm dazu Ideen und Können. . Geben die Wahlen vom 4. Mai diesen Unternehmern die politische Möglichkeit, den Druck gegen die Arbeiterschaft fortzusetzen, und ein soziales Dumping durchzuführen, so wird ihnen kurzfristig die Möglichkeit zu Extraprofiten gegeben— die Konkurvenzfähigkeit der deutschen Industrie aber auf die Dauer zerrüttet. Die Inter- elsen der gesamten deutschen Volkswirtschaft und ihrer Zukunft werden nickst von den Unternehmern vertreten, die ihre eigene Unfähigkeit erkennen lassen, nicht von den bürgerlichen Parteien, die den Abbau des Achtstundentages ermöglicht baben, sondern von der Arbeiterpartei, der Dereinigten So- ? aldemokratischen Partei. Der rettenüe fiusweg. Zum Kapitel„revolutionärer Parlamentarismus". In einer öffentlichen Wählerversammlung in der Nähe von Eberswalde trat vor einigen Tagen in der Diskussion d'm sozialdemokratischen Referenten ein kommunistischer Arbeiter auffallend sachlich entgegen. Nach Schluß der Ber- sammlung unterhält sich der Referent in einem kleineren Kreis von sozialdemokratischen und kommunistischen Teilnehmern mit seinem Widersacher und fragt diesen, was er eigentlich der Sozialdemokrat« f nstlich vorwerfen könne. Da antwortet der Kommunist nach e-nigem Zögern, er habe der Sozialdemokratie, der er früher ange- Kört habe, den Rücken gekehrt, als er zufällig Zeug« von dem p o l i- z etlichen Hin auswurf der kommunistischen Land» iagsabgeordneten durch den sozialdemokratischen Präsi- deuten Leinert gewesen sei. Dies habe ihn um so mehr empört, als er vor dem Kriege gleichfalls Zeuge eines ähnlichen Schauspiels gewesen sei, das sich an derselben Stell« gegen die sozialdemokra» üschen Abgeordneten Borchardt und Leinert richtet«. Unser Genosse sucht nun seinem Partner klarzumachen, daß es immerhin ein gewaltiger Unterschied sei, ob die damalige sozial- demokratische Sechsmännerfraktion im Dreitlassen Parlament rebelliert« oder ob in einem nach dem Grundsatz der freien, gleichen und geheimen Wahl zustandegekommenen Parlament eine kleine Gruppe von Abgeordneten, die nachweislich nur«inen Bruchteil der preußischen Wählerschost bilden, durch Skandalszenen, Stintbomben, Schmähruf« und dergleichen neun Zehntel der Bolksvertretung schachmatt zu setzen versucht. Der Kommunist gesteht nur wider Willen diesen Unterschied«in, bleibt aber dabei, daß der Hinauswurf nicht berechtigt gewesen sei. Daraufhin wird an ihn die Frage gerichtet:.Rehmen wir an, Sie, Herr T., wären Präsident des Landtages und Sozialdemokrat. Al» Präsident wären Sie oerpflichtet, für den geregelten Gang der par- lamentarifchen Arbeiten zu sorgen, nicht wahr?" Die Frage wird bejaht..Was würden Sie nun in einer solchen Situation an Leinert» Stelle getan haben? Hätten Sie, obgleich dem Parlament und der öffentlichen Meinung gegenüber für die Ordnung verant- wortlich, geduldet, daß«in Dutzend Kommunisten durch Radau- szenen den ganzen Landtag schachmatt setzen, nur well die Radau- macher frühere Parteigenosien sind?� Der Kommunist ist ein Weilcyen verdutzt und denkt nach. Schließ. lich hat er einen rettenden Einsall:.An Leinerts Stelle hätte ich dann den volksparteilichen oder deurschnaiionalen Vizepräsidenten zu mir gerufen und ihm gesagt:.Natürlich geht es so nicht weiter. die Kerle müssen rausgefchmissen werden, a b er ich kann als Sozialdemokrat meine Hand dazu nicht hergeben. Bitte, übernehmen Sie jetzt den Borsitz und besorgen Sie das Weitere!"
Daß ein solches Verhalten, wenn Genosie Leinert so verfahren wäre, geradezu feige und jedenfalls vom kommu- nistifchen Standpunkt aus erst recht unschön gewesen sein würde, wollte der über feinen Einfall sehr stolze Kommunist nicht einsehen. Eine andere Frage ist die, wie man im Moskauer Sowjet mit einer winzigen Gruppe von Mcnfchewisten oder Sozialrevolutio- nären oerfahren würde, die sich auch nur den hundertsten Teil der Unverfrorenheiten und Rüpeleien erlauben würde, die bei den kom- munistischen Reichs- und Landtagsabgeordneten gang und gäbe find...._ Kommunisten und Großkapital. Bereichert euch! T f ch i t f ch e r i n, der Volkskommissar für Aeußeres der Union sozialistlscher Sowjetrepubliken, hatte vor kurzem die.Liebens- Würdigkeit", einen Vertreter der.Reuen Freien Presse", des Börsen. blattes der Wiener Regierung, zu empfangen und sich von ihm über die Außenpolitik der Sowjetstaaten ausfragen zu lasten. Dos Ergebnis dieses Interviews ist m der.Reuen Freien Preste" vom 18. März als Leitartikel abgedruckt. Bände sozialistischer Literatur vermögen wicht, das wahre Gesicht„kommunistischer" Politik besser erkennen zu lasten als die wenigen Zitate, die wir im Nachfolgenden aus den von der„Neuen Freien Presse" aufgefangenen Plänen und Ansichten Tschitfcherins wiedergeben. Zunächst stellte Tschitscherin fest, daß alle Bestrebungen der russischen Politik„auf die Beilegung der Weltwirt- s ch a f t s k r i f e" gerichtet sind und den Zweck haben,„den all- gemeine« Weltfrieden zn fördern". Das klingt anders als die bisherigen Aeuherungen tomnm- niftifcher Führer, die behaupten, an der Förderung des Weltfriedens und der Beilegung der Wirtschaftskrise nicht interessiert zu sein, fondern die im Gegentell das Chaos in Europa zu fördern suchen unter dem Dorwand, so den günstigsten Boden für die„morgige Weltrevolulion" zu erhalten, in Wirklichkeit aber, well der Be- stand des Kommunismus russischer Herkunft abhängt von der steten Möglichkeit, immer irgendwo«in Revolutiönchen, ein Pütschchen zu machen. Bor kurzem erklärt« der kommunistische Delegierte S i e g r i st auf einer Berliner Konserenz der Internationalen Ar- beiterhilfe: „Wir Hoden absolut keine Ursache, den kapitalisti. scher. Staaten Westeuropas ihre Arbeitslosigkeit ab. zunehmen." Und nach dem Protokoll der Konferenz erklärte sich diese„mit der Auffassung einoerswnden". Run aber erklärt Tschitscherin in dem Kapitalisten blatt das genau« Gegenteil. Er will nicht die För- derung der Krise und Arbeitslosigkeit, sondern Beilegung der Krise. Biel wichtiger aber als die Festlegung dieses einen der vielen Widersprüche, an denen der russische„Kommunismus " zugrunde gehen muß, ist die grenzenlose Berchrung, die Tschitscherin dem Rachkriegskapstal Wiens zollt, indem er sagt: .Dieses junge Kapital wirft sich mll atemberaubendem wage- mut uach allen chm naheliegenden Ländern, verbindet durch sich die manuigfachflen nrtriichaftlichcn Kräfte, ist aus dem Wege, gewissermaßen eine neue finanziell- wirtschaflliche Monarchie zu bilden, tritt in die verschiedensten Beziehungen zu dem Kapital der älteren Zentren und fühlt sich bereits in feinen wiener Grenzen beengt, warum sollte dieser Amerikanismn», der das junge österreichisch« Kapital durchdringt, nicht in den rein amentaui- scheu weiten, welche die Sowjelsöderattou bietet und in der u n» ermehliche Reichtümer der Berührung de« Zauberstabes des internationalen Kapitals harren, feine Entfaltung finden?" RevÄmionierung(Europas mit dem„Jauberftab des inter » national eil Kapitals"! Das sind.amertkanische Weiten", von denen sich die Schulweisheit der durch den Kommunismus" betörten Ar- beiter bisher nichts träumen ließ. Tschitscherin verspricht dem ausländischen Kapital in Rußland .einen außerordentlich hohen Gewinn".— Vorbe» dingung:„Kühnhcst des Gedankens und großzügige Nerwirklichung". Und dann heißt es weiter: .Erst die allerjüngste Periode zeichnet sich dadurch aus, daß
dos Kapital großen und sogar allergrößten Kalibers sich au uns zu wenden beginnt. Erst dann, wenn ganz« Komplere von Unter- nehmnngen. ganze Kombinalioneu mannigsaltigfler Produktionen. ganze Provinzen Objekte der verwendong des Kapitals sein wer- den, erst dann wird diese» in der Lage sein, sich in der ganzen amerikanischen Perspektive ooseres wirtschaftlichen Lebens zu ent- satten." Ganze Provinzen Sowjetrußlands stellt Herr Tschitscherin dem österreichischen Kopital zur Versügungl Selbstverständlich sind die Kapitalisten von anderwärts höflichst mit eingeladen. Herr S t i n n e s macht« davon reichlich Gebrauch, ebenso die AEG. usw.
Und den Vogel schießt er ab, indem er die weltrevolutionierenden Aussichten etiler Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Oesterreich und Ruhland folgendermaßen charakterisiert: »Sie muh der Entwicklung des Zungen Finanzkapitals Oester. reichs einen neuen Anstoß geben, damit es sich in die uaermeß. Uchen Perspektiven unserer Produktton stürzt.„Enrlchessez vous!" sagen wir auch mit den Worten Guizots,„Bereichert euch!". damit bereichern wir uns selbst." Herr Tschitscherin in Moskau und die Tschirschermchen in Verlin werden sich wohl hüten, den kommunistischen Arbeitern von der Moskauer Aufforderung an die Großindustrie, sich in und an Rußland noch Herzenslust zu bereichern, Mittellung zu machen. So etwas sagt ein Revolutionär von echtem Schrot und Korn nur in der„Reuen Freien Presse". W i r wollen dafür sorgen, daß den irregeleiteten lind umgaukelten Proletariern, die der kommunistischen Demagogie noch immer aufsitzen, die Augen geöffnet werden.
Das Zentrum in Sapern. München , 17. April. (Telunion.) Di« Zentrumspartei in Bayern sChristlichsoziale Partei) hat für Bayern folgend« Spitzenkandidaten für die Reichstagswahl aufgestellt: O be r- bayern, Schwaben : Franz Wettenmann, Gauleiter in München , Dr. Färber, Schriftleiter in München , Lorenz Seydlmayer. Gewerkschaftssekretär in München , Josef Damer, städtischer Beamter in München . Franken: Hermann H o s m a n n, Reichstags- abgeordneter und Oberlehrer in Ludwigshafen , Dr. Ernst Michel . Leiter der Akademie der Arbeit in Frankfurt a. M., Josef Engel- hart. Nürnberg , Bauer Alberg und Ludwig Fuchs, Arbeiter. Nürn « erg. O b e r p f a l z und Niederbayern : Jos«? Kral. Verlagsleiter in München , Anton Sickenburger, Studienrat in Pasiau, Wilhelm Bosbach. Gewertschaftsfekretär in München , Josef Rankl, Bauer in Walding . Keine Mieterwahllisten. Der Bund Deutscher Mietervereine(Sitz Dresden ) macht uns darauf aufmerksam, daß auf seinem 16. Deutschen Mieter. tag vom 27.— SO. März kein Beschluß gefaßr wurde, bei den bevorstehenden Reichstagswahlen mit eigenen Mieterlisten aufzutreten. Der 18. Deutsch « Mietertag lehnte vielmehr dieses An- sinnen ab. Damit entfällt auch das Gerücht, daß der Vorsitzende des Bundes deutscher Bodenresormer, Dr. Damaschke, Spitzenkandidat einer solchen Mieterliste sein werde.
Grlaustbtes. Von Karl Suckert. I. In der Hochbahn . Links von mir saß ein älterer Mann in sehr gewähller Kleidung und links neben diesem ein noch älterer, ebenfalls nach der neuesten Mode angezogen Beide lasen die„D. A. Z". g«' hörten geistig also zusammen. Plötzlich sagte der Aelteste zu seinem rechten Nachbar:.Wissen Sie schon, daß ich mir aus dem Invaliden- kirchhos in der Scharnhorststraß« eine Grabstelle gekauft habe?"— „Nein," sagte der Gefragte,„aber wie kommen Sie denn dahin? Der Kirchhof erhört doch gar nicht zu Ihrem Ktrch'piel?"—„Stimmt!" war die Antwort,„ich habe aber die Gewißheit, dort nur mit anstän- dtgen Menschen zusammen zu liegen." II. Nochmals Hochbahn . Ein Mann hat seinen vielleicht dreijährigen Jungen aus dem Schoß und besieht sich mit ihm die Karnevalsn ummer von.Lachen links." Auf der Titelseite dies«? Blattes wird bekannt- lich unter andern Typen im Kostüm eines Hanswurstes Erich Luden- dorsf gezeigt. Der Junge betrachtete das Bild ganz genau, zeigte out Ludendorff und fragte:„Dati, ist das ein Pitzbube?"(Gemeint war Spitzbube.) III. Mit geistigen Argumenten ist dem Hakenkreuzler bekanntlich nicht beizutommen, deshalb muß man ihn der Lächerlichkeit anheimfallen lasten. Ein Beispiel hierfür, wie es gemacht werden kann, ist beob- achle: worden: Im Straßenbahnwagen sitzt ein älterer, anscheinend jüdischer Mann. Der Wagen ist besetzt. Ein junger Mensch, mit dem Hakenkreuz geschmückt, steigt ein. Der alte Herr steht auf und bietet dem Jüngling seinen Platz an mit den Worten, er sähe, daß er krank sei. Dieser, ganz verdutzt, stellt fest, er sei durchaus gesund und dankte für da» freundliche Anerbieten, könne jedoch keinen Gebrauch davon machen. Der Alt« besteht aber daraus, ihm den Platz anzubieten, da der junge Mann tatsächlich trank sei. Schließlich fragt dieser, wieso er zu dieser Auffassung käme.„Na," antwortete der Alte,„Sie trage» ja das Zeichen der Krankheit auf Ihrer Brust." Unter dem Gelächter der übrigen Fahrgäste stieg der also Gekennzeichnete beschämt an der nächsten Haltestelle aus.
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SCHUHGESELLSCHAFT H-B'H