Nr. 186441.Jahrgang
Ausgabe A Nr. 93
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Sonnabend, den 19. April 1924
Sturmlauf von rechts.
Tess Helfferich und Reichslandbund gegen Sachverständige.
Nach anfänglichem Schwanken und trop der abweichenden Haltung der deutschnationalen Minister in den Ländern hat die Rechtspreffe jetzt zum Sturm gegen die Annahme der Sachverständigenvorschläge durch die Regierung eingelegt. Die Deutsche Tageszeitung" bringt in ihrer Karfreitagsnummer 1. eine Erflärung des Reichslandbundes, 2. einen Artikel Helfferichs, 3. einen Artikel von Qua ah, dem Führer der Nationalliberalen Bereinigung", die sich samt und sonders scharf gegen die Vorschläge und ihre Annahme aus sprechen. Luaaz gerät dabei in Gegenfaz zu den Industriellen Sorge, Klodner und Thyssen, was für die schwer industrielle Nationalliberale Vereinigung" fein hoffnungs poller Anfang ist. Am schärfsten geht helfferich ins Beug, der seinen Auffah Das zweite Bersailles überschreibt und zu folgenden Schlußfolgerungen fommt:
Am Beginn der Mera Stresemann stand die britische Note vom 11. Auguft, die Frankreichs Borgehen im Ruhrgebiet als rechtsmidrig bezeichnete und von Frankreich die Bereinigung des durch die Ruhrinvasion geschaffenen rechtswidrigen Zustandes verlangte. heute, nach acht Monaten einer Politit unbedingten Berständigungs. willens, stehen wir wieder, wie in den Tagen pon Versailles , vor einer Einheitsfront der Alliierten und der Ber. einigten Staaten. Das gibt der Lage, in der Deutschland zu den Borschlägen der Experten, die inzwischen Forderungen der parationsfommiffion gewerben sind, ihren ungeheueren Ernst. Die Berantwortung für die Ablehnung der Expertenvorfaläge ist ebenso groß wie es die Berantwortung für die Ablehnung des Bersailler Dittates gewesen wäre. Uber auch die Berantwortung für die Annahme der Expertenvorschläge ist ebenso groß, wie es bie Berantwortung für die Unterzeichnung des Berjailler Ditiates war. Der Fluch der Unterzeichnung unerfüllbarer Verpflichtungen und der Fluch der Sünde wider den Geist nationaler Gelbstbehauptung hat fünf Jahre lang auf Deutschland gelafter und das deutsche Bolt hart an ben Rand des Unterganges geführt. Das deutsche Bolt ist ohne Rettung per. foren, wenn es heute diefen Fluch von neuem aut
sich lädt.
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andere Politit treiben tönnte als Ratastrophenpolitit. Die Deutschnationalen werden mit den Bölkischen und den Kommunisten zusammen gegen die Politik der Regierung Marg- Stresemann schärfste Opposition machen müssen. Diese drei Parteien steuern in verschiedener Absicht aber doch gemeinsam auf die außenpolitische Katastrophe zu.
Der außenpolitische Kurs, der mit der Annahme der Sachverständigenberichte begonnen ist, muß bleiben! Innenpolitisch muß das Steuer nach links gedreht werden. Republik und Arbeitnehmerrechte brauchen stärkeren Schutz. Das fann nur erreicht werden, wenn die Sozialdemokratie in imponierender Stärte in den neuen Reichstag einzieht!
and Putsch gefällig? p
In der Deutschen Zeitung", die zwischen den Völkischen und den Deutschnationalen die Berbindung aufrecht erhält, bestreitet Hans v. Sodenstern der gegenwärtigen Regie rung das Recht, burch Annahme der Sachverständigenvor. Ichläge Bindungen für das Reich einzugehen. Er meint, fie folle lieber fang und flanglos verschwinden" und fchließt bedeutungsvoll:
Bielleicht veranlaßt diese ernste außenpolitische Bage von Bolt und Staat die volfifchen und nationalen Rteile vom unfruchtbaren Bruberkempf abzufchen und sich statt deffen in ge mein amer Front bereit zu halter, auch schon vor den Reichstagswahlen die Geschide von Boll und Staat in die Hand zu nehmen, Daß die nölfifchen und nationalen Kreife" durch die Bahlen die Geschide des Staats in die Finger bekommen merden, glaubt wohl Hans v. Sodenstern felber nicht. Wie er fie aber gar fchon zuvor in die Hand nehmen will ohne Butsch, bleibt einstweilen sein Geheimnis. Viel leicht spricht er sich darüber etwas deutlicher aus!
Nach dem Beschluß der Reparationskommission. Mit dem neuesten Beschluß der Reparationsfommission find die egtrem- nationalistischen Barifer Blätter unzufrieben. Sie emp finden die Aufforderung an Deutschland , gefegliche Maßnahmen zu tref. Das England früher die Räumung des Ruhrgebiets ver- fen für die spätere Anwendung der Sachverständigenvorschläge als vor. langt hat, ist ebenso unwahr wie die Behauptung, daß sich eilig. Sie möchten offenbar, daß die französische Regierung in England und Amerika jezt wieder zu einer Einheitsfront mit den kommenden Verhandlungen mit England, Belgien und Stalien Frankreich zusammengefunden haben. Jedes politische Kind einige Abänderungen politischer Art burchbrücke und befürchten, daß weiß, daß das Gegenteil der Fall ist. Ohne fäbeltaffelnde durch diesen Schritt die Möglichkeit folcher Abänderungen verringert Geste aber mit Absicht und Bewußtsein haben England werde. Diesen Kritikern tritt der" Temps " entgegen, der darauf Amerita Herrn Poincaré in die diplomatische Defensive gehinweist, daß, wenn Frankreich den Sachverständigenplan ablehnen brängt. Die Aussichten für die Befreiung des befetten Ge- würbe, um das gegenwärtige Pfänderfystem beizubehalten, es in der biets find baburch wesentlich gebeffert worden, sie würden ganzen Welt als das Hindernis und zwar als das einzige Hindernis allerdings wieder vollständig zerstört werden, wenn Deutsch für eine Regelung der Reparationsfrage erscheinen würde. land durch Ablehnung der Sachverständigenvorschläge die Nach dem Journal" haben die Eisenbahnfachverständigen diplomatische Aktion England- Amerikas vereiteln würde. Acworth und Leverve der Reparationstommiffion zugelagt, Die Sünde gegen den Geist nationaler Selbstbehaup in dem Eisenbahnausschuß, den der Sachverständigenbericht tung" ist in den vier Jahren begangen worden, in denen das vorfieht, mitarbeiten zu wollen. Zugleich hatten sich Rinderslen, deutsche Bolt falsch geführt und über seine Lage fyftematisch Franequi und Parmentier sowie Pirelli bereit erklärt, belogen wurde. Die drückenden Folgen dieser Sünde tann in dem Ausschuß zur Kontrolle der Verwaltung der Gold noten Helfferich mit allen feinen Redensarten nicht megpuften. bant und der Ueberwachung der Steuereinnahmen auf RepaEinen befferen Weg als den von ihm verdammten hat er nie rationstonto mitzuwirken. gezeigt, er zeigt ihn auch jetzt nicht.
Nachdem sich die Deutschnationalen derart festgelegt haben, ist entschieden, daß im neuen Reichstag ein Bürgerblod unter Beteiligung der Deutschnationalen feine
Der Hochbahnerstreik vertagt. Eine Funktionärversammlung des Personals der Hochbahn, die gestern vormittag noch einmal zur Situation Im Hochbahnkonflikt Stellung nahm, tam zu der ein mütigen Auffaffung, daß auf Grund der bestehenden Rechtslage, die sich aus der Berbindlichkeitserklärung des Schiedspruches ergibt, von einem Streitbeginn am Sonnabend morgen abgesehen wird. Davon wird aber die ablehnende Stellung des Berfonals zu den mangelhaften Ergebnissen des Schledsspruches nicht berührt. Das Bersonal behält sich spätere Kampfhandlungen für den Fall vor, daß die Direffion wie bisher alle Lohnforderungen ablehnt.
Der fraktionslose Spitzenkandidat. Tirpitz will der Helfferich- Fraktion fernbleiben. Nach einer MTB.- Meldung hat der gewefene Großadmiral v. Tirpis der deutschynationalen Partelleitung für OberbayernSchwaben, die ihn als Epigenfandidat aufgestellt hat, u. a. geschrieben: I muß meine Lebensarbeit im ganzen für beenbet ansehen. as mir bleibt, ist der Wunsch, die innere Barteizer flüftung des Bolles zu mildern und unablässig auf das gemeinsame Ziel für alle bie, benen es um Deutschlands Butunft ernit ist, hinzuweisen, fo lange mir dies noch vergönnt ist. Meine luffaffung vom Staat ist aus meiner amtlichen Bergangenheit zu bekannt, als daß man
Echo de Paris" hält es für höchst wahrscheinlich, wenn nicht für sicher, daß Poincaré nächste Woche eine Besprechung mit dem belgischen Ministerpräsidenten Theunis und Außenminister 5ymans haben werde,
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Neue Arbeitskämpfe.
Gewerkschaften und Parlament.
Die Wirtschaftsfämpfe fpißen sich in fast allen Industrien zu. In der Holzindustrie fonnte der Reichstarif, der seit 20 Jahren besteht, nicht erneuert werden, und zwar wegen der Forderung der Unternehmer, daß ein Schiedsgericht mit einfacher Mehrheit, also gegebenenfalls ohne und gegen die Stimmen der Arbeitnehmer und des von ihnen vorgeschlagenen Unparteiischen, einen verbindlichen Schiedsspruch fällen soll. Doch handelt es sich ja hier nur um die Form, hinter der sich der eigentliche Konflikt abspielt. Die Unternehmer verlangen die Beseitigung des Achtstundentages.
Die Unternehmer der Berliner Metallindustrie haben bei den Verhandlungen über die Erneuerung des Manteltarifs, der die Bestimmungen über die Arbeitszeit enthält, die gleiche Forderung aufgestellt.
Selt Wochen dauert die Aussperrung in den Gee ( chiffswerften, und zwar werden da rund 50 000 r- beiter aufs Straßenpflaster geworfen, weil fie fich weigern, ohne wirtschaftliche Notwendigkeit länger als acht Stunden täglich zu arbeiten. Hier wie in vielen anderen Berufen ist der Kampf die Folge eines verbindlich erklärten Schiedsspruches.
Aehnlich liegen die Dinge im Baugewerbe des gefamten Reiches. Auch hier haben sich die Verhandlungen infolge der Forderung der Unternehmer auf Beseitigung des Achtstundentages zerschlagen. In Berlin ist der Konflikt im Baugewerbe bereits in ein afutes Stadium getreten. In einigen Branchen des Baugewerbes wird bereits gestreift. Es ft zu befürchten, daß der Kampf innerhalb weniger Lage ein allgemeiner wird. Die Kämpfe, die sich infolge des verbindlich erflärten Schiedsspruches im Buchdrudgewerbe abgespielt haben, find belanni.
Der Streit auf der Hochbahn ist im letzten Augenblid vertagt worden. Wir veröffentlichen an anderer Stelle den Beschluß der Funktionäre. Wir haben die Löhne, die durch Schiedsspruch festgesetzt wurden, bereits veröffentlicht. Niemand wird behaupten wollen, daß sie auch bescheidenen Lebensansprüchen genügen. Wenn die Funktionärfonferens trobem zu einer Bertagung des Streits gekommen ist, so zeigt das von außerordentlicher Selbstüberwindung und großem Berantwortlichkeitsgefühl. Wird die Hochbahngesell schaft diese Haltung zu schätzen wiffen? fchaft diese Haltung zu schäzen wissen?
perbandes deutscher Metallindustrieller getagt. Nach der an die Bresse verschickten Mitteilung hat der Ausschuß von dem Bericht über den Stand des Kampfes auf den Seeschiffswerften Kenntnis genommen und der Norddeutschen Gruppe des Gesamtverbandes den Dank für ihr Durchhalten ausgesprochen. Die Ausschuß beschloß, schleunigst den erweiterten Borstand zur Beschlußfaffung über unverzüg lich zu ergreifende energische Unterstügungsmaßnahmen einzuberufen, falls der Rampf nach Ostern nicht beendet sein sollte, b. h. falls die Arbeiter nicht gewillt sein sollten, den Achtstunbentag preiszugeben.
Aehnlich hat der Berband der sächsisch- thüringischen Tegtilindustriellen die Gesamtausfperrung beschlossen für den Fall, daß in den Orten, wo die Arbeiter die Berlängerung der Arbeitszeit abgelehnt haben, die Arbeit nicht wieder aufgenommen werde. Auch hier ist der ausgebrochene Konflikt bie Folge eines verbindlich erklärten Schiedsspruches, der die Arbeitszeit auf 53 Stunden die Woche verlängert.
Die Tattif der Unternehmer ist überall dieselbe. Sie läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Löhne werden herabgedrückt, und man erklärt den Arbeitern, die diese Löhne für nicht auskömmlich bezeichnen, daß sie ja nur länger zu von mir eine spezielle Iätigteit als Graftions. angehöriger erwarten tönnte. Wenn man sich ungeachtet arbeiten brauchten, um mehr zu verdienen. In dieser etwas dieser Einschränkung irgend welchen Augen von meiner Wahl ver. hanebüchenen Taktik werden die Unternehmer durch die spricht, bin ich gern bereit, in die Sieiben des Reichstags cinzutreten. Bolitit des Reichsarbeitsminifteriums und die SchlichtungsDamit lehnt Tirpitz also unzweideutig den Beitritt zur Frattion instanzen unterstützt. Man sagt den Arbeitern, daß sie sich der Deutschnationalen ab. Berben die helfferichtener in München nicht nur mit geringeren Wochenlöhnen, sondern auch mit gefo felbftlos fein, einem grundläglich„ Ilden" ein Mandat zu verringeren Stundenlöhnen als vor dem Kriege begnügen Schaffen? Freilich, der Mann rechnet ja damit, Reichspräsident zu müßten. Zum Wiederaufbau der Wirtschaft, zur Zahlung der werden, und da mag es ihm aussichtsreicher erscheinen, sich nicht Reparationen, zur Hebung der Währung und zu ihrer Stabiliparteimäßig abstempeln zu laffen! fierung usw. müßten die Arbeiter einen Entbehrungsfattor mit in Kauf nehmen.
Neues französisches Schreckensurteil. Tollwätige Militärjuftig.
Wir haben noch nicht gehört, daß auch die Unterneh mer fich zu biefem Entbehrungsfaftor bekennen. Für ihre Person ziehen sie es vor, im sonnigen Italien zu entbehren", wohl weil man dort, wie das Reichsfinanzministerium amtlich erklärt hat, billiger als in Deutschland lebt. Dak die Arbeiter durch die erhöhte direkte Steuer, daß sie durch die Umsatzunerheblichen Entbehrungsfattor mit in Kauf genommen haben, vergißt man. Daß die Unternehmer es jedoch während ber Inflationsperiode, während der der gesamte Mittelstand enteignet worden ist und die Arbeiterschaft auf ein beispiellofes Elendsbafein herabgedrückt worden ist, es ausgezeichnet verstanden haben, ihren Sachbesig zu erhalten und zu verstärken, vergißt man gleichfalls. Oder glaubt man, daß die jahrelangen Entbehrungen den Arbeitnehmern eine Fortlegung oder sozu
Mains, 18. April .( WEB.) In dem Prozeß vor dem fran3öflichen Kriegsgericht gegen dreißig Deutsche, die der fes angetlagt waren, wurden von den 22 anwesenden Angeklagten Sabotage und Spionage während des Ruhrkampfteuer, durch erhöhte Sozialbeiträge usw. bereits einen nicht 4 3u je 20 Jahren. 2 zu je 12 Jahren, 3 zu je 10 Jahren und 3 zu je 5 3 abren 3wangsarbeit verurteilt. Ferner erhielten zwei Angeklagte je 53 ahre Zugthaus und sieben Gefängnisstrafen von 1 bis 4 Jahren. Ein Angeflagter wurde freigesprochen.
Von den 8 abwesenden Angeklagten wurden zwei zum Tobe und die übrigen sechs zu je 20 Jahren Zwangsarbeit ver. urteilt.
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