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Abendausgabe

Nr. 19541. Jahrgang Ausgabe B Nr. 98

Bezugsbedingungen und Anzeigenprete find in dez Mozgenausgabe angegeben Redaktion: SB. 68, Lindenstraße 3 Fernfprecher: Dönhoff 292-295 Tel.- Adreffe: Sozialdemokrat Berlis

200

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Goldpfennig

50 Milliarden

Freitag

25. April 1924

Berlag und Anzeigenabteilung

Geschäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH Berlin SW. 68, Cindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507

Zentralorgan der Vereinigten Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Krieg dem Kriege!

Der Gewerkschaftsbund an die Arbeiter aller Länder.

Der Zeitpunkt ist nicht ferne, an dem die Menschheit zum zehnten| jenen in die Ohren tönen, die sich in falter Berechnung und scham Mal mit Entsetzen auf jenen unheilvollen Augusttag zurüdschauen mird, an dem der erste Kanonendonner den grauenhaften Maffen morb bes Weltfrieges ankündigte.

Vier Jahre lang hing ein dunkles Unheilsgewölf über der mit Blut und Tränen gebüngben Erbe. Vier Jahre lang sprangen die Bölfer in sinnlosem Rafen einander an die Kehle mie wilde Liere. Taufende von jungen Menschen, die Blüte ihres Boltes, von den Schlagworten einer vom Machtswahnsinn erfaßten Rapitalistenclique ummebelt, mußten ihr Leben für die Lüge opfern, daß fie für die Demokratie und die endgültige Befreiung der Menschheit von der Rriegsgeißel in den Kampf zögen.

Dann tam der Friede, der fein Friebe ist,

ber mit schneidender Ironie alle Illusionen zunichte machte, die fo Diele mohlmeinende Optimisten in der ganzen Welt gehegt hatten und fast verwirklicht glaubten.

loser Habsucht aufs neue anschicken, die Menschheit für Jahre und Jahrzehnte hinaus in Elend und Trauer au stürzen.

Arbeiter! Rameraden aller Länder! Am dritten Sonntag im September dieses Jahres organisiert der Internationale Gemert­fchaftsbund in allen angeschlossenen Ländern einen Anti- Kriegs- Tag. Die Sozialistische Arbeiter Internationale, die Genossenschafts- Inter nationale und die Sozialistische Jugend- Internationale werden diefe Beranstaltung unterstützen.

Diefer Tag muß eine Heerschau werben für die internationale Friedensarmee! Mehr noch: er muß ein Barnungssignal für alle Mächte werden, die glauben, daß sie ben unbeugfamen Friebenswillen der Bölfer ungeftraft perhöhnen dürfen. ferem internationalen Anti- Kriegs- Lag! Kameraben! Demonstriert in Maffen von Laufenden an un. Krieg dem Kriege! Es lebe der Weltfrieden! Internationaler Gewerkschaftsbund:

Und schon rüsten die Staaten aufs neue zum Kampf. Mittlerweile sucht die Wissenschaft in den Laboratorien nach éon Jouhaug, Th. Leipart. C. Mertens, Borfizende. Jan Oudegeeft, Joh. Sassenbach, Jon W. Brown, Sekretäre.

neuen, noch piel schrecklicheren und verheerenderen Tötung und Bernichtungsmitteln. Alle Welt weiß, daß ein neuer Krieg an Schreden und Grausamteiten alle vorangegangenen Massenschlächte

Amsterdam : Nederl. Verbond van Vakvereenigingen. R. Stenhuis.

Drittelung oder Halbierung?

Zum Kampf um die Arbeitszeit. Drittelung oder halbierung- das ist die Frage, um die es in den gegenwärtigen Rämpfen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern geht, um die es auch bei nächsten tommenden Stämpfen gehen wird. Sie find herauf beschworen vom Unternehmertum unter dem Feld. gefchrei: Gegen den schematischen Achtstundentag- für ver­mehrte Produktion!" Was in feinem Munde ebenso viel heißt mie: Gegen den fulturellen Aufstieg der Arbeiterklasse für größeren Profit"," gegen den Fortschritt für den Rück­Schritt"," gegen den Margismus für Ausbeutungs. freiheit".

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Die mittelalterliche Auffassung, die einst der Regens burger Bifchof Senle auf die Formel brachte: Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben", findet feinen Raum mehr in den ver­änderten Berhältnissen. Die Halbierung des Tages in Tage­wert und Nachtruhe war so lange erträglich, als die gemäch lidhje Arbeitszeit im Handwert durch eine ganze Reihe von Wochenfeiertagen unterbrochen wurde, denen sich der gute alte blaue Montag" zugefellte. Die Gesellen, bie alljährlich einige Wochen oder Monate auf Wanderschaft, auf der Walze, waren, hatten längere Ferien, als sie heute irgendeine Arbeitnehmerschicht auch nur zu fordern wagte. Wer es zur Meisterschaft brachte, für den spielte weder die Frage der Arbeitszeit noch die der Ferien eine Rolle. Die Zünstler sorgten auch dafür, daß die Pfuscher" oder Bönhasen auch nicht den ganzen Tag über mit Margarinestullen durch zufüttern; um 12 Uhr begann die Mittagspause, die Zeit der Hauptmahlzeit.

reien übertreffen würde. Ein neuer Krieg würde einen Kampf heraute Igrab: Glavni Radnicki Savez Jugoslavije. Luca Bavicevic lich nicht zu überarbeiten hatten. Die Arbeiter brauchten sich beschwören, der mit jedem Windhauch Tod und Berderben mit sich führt, einen Kampf mit Giftgafen und Bakterien, der feinen Raum

läßt für persönliches Heldentum und in dem die Menschen wie Un­geziefer ausgerottet würden.

Die Zeit heilt viele Wunden. Gefühle der Bitterfeit, der Rache und des Haffes fönnen im Laufe der Jahre verblassen und ver schwinden. Ein Haß jedoch muß in den Herzen der Menschen un Dertilgbar weiterleben: ein Haß, ben nur verbrecherische Gleichgültig. feit vergessen tann. Das ist

der heilige Haß gegen den Stieg!

Berlin : Allgemeiner Deutscher Gewerlichaftebund. Th. Leipart. allgemeiner freier Angestelltenbund S. Aufhäuser.. Stähr

Bern: Schweizerischer Gewertschaftsbund. Karl Dürr . Brüiiel: Commission Syndicale de Belgique. Corn Mertens. Bitdapest: Magyarországi Szakszervezeti Tanács. G. Jaszai. Jerusalem : Gen Fed. of Jewish Labour in Erez Israel. D. Ben. Gurion.

Johannesburg : South African Industrial Federation. A. Grawford. laufenburg : Cons. Gen. al Uniunilor Muncitoresti din Romania. Geza offer.

De Samvirkende Fagforbund i Danmark, C. Madien. 2onbon: The Trades Union Congress General Council, Fred. Bramley. uremburg: Gewertidaftskommission Luxemburgs , B. Krier a brid: Union General de Trabajadores, Frane. 2. Caballero. Ottawa : The Trades and Labor Congress of Canada, E. Moore. aris: Confédération Général du Trava I, Léon Jouhaug. Siga: Latvijas Arodbiedr.bu Generalbirojs,. Morics waridhau: Zwiazek Stowarzyszen Zawodowych w Polsce, 8. Bulawati.

Cine Macht in der Belt gibt es, bie Bürge bafür ist, daßopenhagen: diefer Haß nicht verschwindet. As die Menschheit angesichts der nom Krieg gerirümmerten Welt von Bergmeiflung übermältigt wurde, ba war es die Arbeitertiaffe, bie als erste bie Fahne der Internationale wieber emporhob. Es war bie international organi fierte Arbeiterklaffe, bas internationale Proletariat, das den ersten Ruf erschallen ließ: Mieder mit dem Krieg!" Dieses international vereinigte Proletariat ist die Macht, die den Krieg vernichten wird. Wenn diese Friedensarmee will und sie muß wollen, dann wird ihr Massenaufmarsch gleich einer drohenden Warnung allen

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Industrie und Sachverständige.

Der Reichsverband für Annahme. Der Reichsverband der deutschen Industrie , der sich in feiner gestrigen Sigung mit dem Gutachten der Sachvers ständigen befaßte, veröffentlicht folgende Entschließung:

Präsidium und Borstand des Reichsverbandes der deutschen Industrie erkennen an, daß das Gutachten des ersten Sachver fländigenfomitees eine auf volkswirtschaftlichen Erkenntnissen auf­gebaute und geeignete Grundlage zur Lösung des Entschädigungsproblems darstellt, und billigen den Standpunkt der Reichsregierung auf der Grundlage dieses Gut­achiens zu verhandeln. Sie sehen davon ab, die vielfachen Einzel­puntte aufzuzahlen, die noch der Aufklärung bedürfen, und be­fchränken fich darauf, als fundamentale Voraussetzungen für die Un­nahme und Durchführung des Gutachtens zu bezeichnen:

1. Die Wiederherstellung der vollen administrativen und volts wirtschaftlichen Souveränität des Deutschen Reiches in den bejeßten Teilen Deutschlands :

2. Daß die Ausführung des Gutachtens in demselben Geifte erfolgt, der die Gutachten bei der Abfaffung befeelt hat, insbesondere insoweit als es sich um den unerläßlichen Schuh der deutschen Währung bei den sogenannten" Transfers"( Urberfüh rungen) aus dem Entschädigungsfonds in das Ausland handelt.

Der Beschluß zeigt, daß die Industriellen nicht gewillt sind, sich durch eine Politik der nationalistischen Phrase ruinieren zu lassen. Aber die Gefahr dieses Ruins wäre nicht so groß, wenn sie nicht selbst durch ungeheure finanzielle Unter­ftügungen diese Politik der nationalen Verantwortungslosig­feit gefördert hätten.

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Für die Deutschnationalen und die Nationalliberale Bereinigung" bedeutet dieser Beschluß der von ihnen sonst so verhimmelten Industrie- Kapitäne einen empfindlichen Schlag. Ein Rechtsblod mit seiner sogenannten Bolitit des nationalen Widerstandes" ist ohne und gegen den Reichsver­band der Industrie unmöglich. Der Beschluß des Reichsver­bandes bedeutet somit die Zerstörung aller Hoffnungen, die die Rechte auf den Ausgang der Reichstagswahlen gefeßt hatte.

Auf dem Wege zur Lösung.

Macdonalds entschloffene Haltung. London , 25. April. ( WTB.) Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph erfährt, daß Macdonald Im Laufe der Woche in feinem Wahlkreise eine Rede halten werde, die fich haupt­fächlich mit der letzten Rede des Präsidenten Coolidge über die euro­

Mailand: Confederazione Generale del Lavoro, D'Aragona.

päische Regelung beschäftigen werde. Die britische amtliche Antwort auf die Note der Reparationstommiffion an die alliterien Regie­rungen über den Dames- Bericht könne jeden Augenblid in Paris überreicht werden. Die geringe Barzögerung, die ihre Absendung erfahren habe, fel weniger auf die Abwesenheit des Premierministers vom Foreign Office juridzuführen, als auf die Notwendigfelt, die Regierungen der Dominions zu Rate zu ziehen. Inzwischen hätte der Sachverständigenbericht den Anlaß zu wichtigen Besprechungen innerhalb der verschiedenen Regierungsämter gegeben. Diese Be­pred ungen hätten am Mittwoch im Foreign Office stattgefunden. Was den Haupttener der Untwort der britischen Regierung betreff fo habe diefer niemals im Zweifel gestanden von dem Augenblic an, in dem Macdonald feine Erklärung im Unterhaus abgab, in der er den Sachverständigen bericht in feiner Gesamtheit als un­teilbares Ganzes annahm, Selfdem habe Macdonald in einer ebenso festen Aeußerung feiner Entschloffenheit Ausdrud gegeben, die Frage weiterer Sanffionen" gegen Deutschland nicht in Erwägung zu ziehen, bis nicht oder außer wenn das Reich von neuem gegen­über feinen Verpflichtungen, die es durch den Dames- Bericht über­nehmen wolle, in Berzug gerate. Macdonald fei auch in feiner Ent. rung über die Frage der Kriegsschulden ziehen zu lassen, durch dle fchloffenheit, fich im gegenwärtigen Augenblid nicht in eine letzte Erklärung des Präsidenten Coolidge gestärkt worden.

Die belgische Vermittelung.

Heute werden die Kirchenfeiertage bis auf einen fleinen Reft unter Ausschluß der Deffentlichkeit nur noch in der Kirche von den Geistlichen begangen. Der Wanderzwang ist längst aufgehoben und auch die letzten Refte des Walzens find ziemlich entschwunden. Vom blaven Mortag ist faum mehr übrig geblieben als der Ledereinkauf der Schuhreparatur­machermeister am Montog. Die Arbeitsweise ist dem Gang

Der Mafchine angepaßt. Der deutsche Arbeiter mußte fich 2war zur englischen Arbeitszeit, zum Verzicht auf die Mittagszeit, das Mittageffen bequemen, boch fehlt ihm intimer noch bas englische Frühſtüd, bas biele Einbuße erträg licher macht. Gelbst da, wo die Fabriffantine ihm eine warnie Mahlzeit liefert, fehlt ihm die Mitngszeit. Im übrigen wäre fnechtverhältnis nur als ein Uebergangsstadium zum Meister. merden betrachteten; fie wollten schon im Mittelalter nicht nechte bleiben, sondern Meister, das heißt selbständige, unab­hängige Arbeiter werden.

nur noch zu bemerken, daß die Handwerksknechte ihr Gesellen­

Die Industrialisierung führte zu der hygienischen Forderung, anstatt der Halbierung in Tag und Nacht die Dreiteilung der 24 Stunden in a cht Stunden Ar beit, acht Stunden Erholung und acht Stunden Schlaf vorzunehmen. Es hat recht lange gedauert, bis die Arbeiter felber soweit gefommen waren, die Notwendigkeit diefer Forderung zu erkennen, noch länger, bis sie diese For­derung erhoben, und erit feit 35 Jahren ist sie international geworden. Schritt um Schritt mukte die Verfürzung der Ar­beitszeit erfämpft werden. Im Bergbau und in der Hütten­industrie brachte es das Interesse der Unternehmer mit sich. den Tag- und Nachtbetrieb in drei Wechself- hichten einzuführen, die nicht länger als acht Stunden dauern können. Das ist die restlose Ausnutzung des Tages samt der Nacht. Antreiber­oder Affordinstem sorgen für volle Ausnukung der Arbeits­fraft. Eine höhere Steigerung der Produktion ist nur noc möglich durch etwaige Verbesserung der technischen Einrichtun gen und rationellere Arbeitsmethoden. Ist bei dem Dreischicht mechsel die jeweils höchste Broduktion nicht möglich, dann hat dies weder etwas mit der Arbeitszeit noch mit den Arbeitern zu tun. Es liegt dann lediglich an den Betriebseinrich bare Produktionsmarimum in diesem oder jenem Betriebe Erörte- tungen und der Betriebsleitung, wenn das erreich nicht erzielt wird. An der Betriebsleitung auch dann, wenn die Lohnbedingungen der Arbeiter derart fläglich sind, daß die Arbeiter aus den Alltagsnöten nicht mehr heraus­fommen, fast zur Verzweiflung getrieben werden und weder die Kraft noch die Luft haben, sich besonders anzustrengen. Jedenfalls sollte man annehmen, daß die Unternehmer der Großbetriebe mit dem Dreifchichtfnftem vollauf zufrie den sein könnten, zumal die Frage der Arbeitszeitdauer damit auch im Sinne der Arbeiterschaft gelöst wäre und es feinen Streit mehr darüber gäbe.

Paris 25. April. ( TU.) Zu der bevorstehenden Zusammenfunft des belgischen Ministerpräsidenten und Außenministers mit Boincaré glaubt Deuvre" bestimmie Angaben machen zu können. Die belgi­fchen Minister beabsichtigten demnach zur Sprache zu bringen: 1. die Borausseßungen zur Räumung des Ruhrgebiets, 2. die Feitfegung des Anteils der Reparationen für jeden der Verbündeten, und 3. das interaliiierte Schuldenproblem. Was die Ruhr anfangt, so habe fich in der Haltung der belgischen Regierung ein Umschmung vollzogen. Anfänglich hätte sie zu der franzöfifchen Auffassung hin­geneigt, daß für den Fall deutscher Berfehlungen im voraus be­ftimmte interalliierte Sanktionen verabredet werden müßten. Nach einem Meinungsaustau' mit ber Londoner Regierung und im Einverständnis mit ihr vertrete bas belgische Kabinett nunmehr den Standpunkt, daß die wirtschaftstontrolle im befetzten Gebiet entsprechend den Empfehlungen der Sachverständigen rest Tos aufgehoben werden müsse, daß dagegen die militärischen Organisationen an Ort und Stelle zu belaffen und nach Maßgabe ber erfolgten Zahlungen zurüdgezogen würden. Auf diese Weise hoffe man in Brüssel die Frage der interaffiierten Santtionen überhaupt aus dem Spiel laffen zu tönnen. Der Korrefpondent des Deuvre" filot hinzu: Man erflärt an gut unterrichteten Stellen, daß auch Deutschland diefe lettere 2ösung, die in feinen Augen feine demütigenden Drohungen darstellt, vorzieht.

Unfähigkeit zu begreifen, Unfähigkeit du wirtschaften treibt jetzt das Unternehmertum zum Angriff gegen diese ver­nünftige Ordnung. Es will an die Stelle des Dreifchichtmech fels mit je achtstündiger Arbeitszeit den 3 meischicht. wefel mit je 12ftündiger Arbeitszeit ein­führen und damit zur Zweiteilung des Tages zurückkehren. 12 Stunden Arbeit und 12 Stunden für Effenspausen, Ar­beitswege und Schlaf, wobei am Ende auch noch eine Stunde zur Erholung bliebe. Das genügt nach Meinung vieler Unter­nehmer vollkommen. Urlaub ist überflüffig. Daß die Stei gerung der Produktion" babei geringer fein muß als bei der Drittelung, das fönnten sich auch die Unternehmer an ihren fünf Fingern abzählen. Doch wenn sie von Steige rung der Produktion" reden, dann meinen sie was fie ja auch nebenbei befonen Berbilligung der Produktion auf Kosten der Arbeitnehmer, die den Produktionsausfall durch