Heheimbünöe im besetzten Gebiet. Noten der Besatzungsmächte überreicht. WTB. meldet: Der in der Presse bereits erwähnte gemeinsame Schritt der an der Besehung der Rheinlande beteiligten Regierungen bei der Reichregierung wegen der Tätigkeit von Gehcimorganisalio- nen im besetzten Gebiet ist erfolgt, und zwar durch Ilebcrgabe identischer Roten des englischen und französischen Botschaflers und de» belgischen Gesandten. Diese Roten unterliegen der Prüfung und werden voraussichtlich in den nächsten Togen beantwortet werden. vie Stärke öer Polizei Sdöens. Karlsruhe , 26. April. (WTB.) Gegenüber Behauptungen über angebliche militärische Rüstungen in Deutschland in einem Artikel des „Temps", der auch einige Angaben über die Polizeiorgan« in Buden enthielt, wird von zuständiger Seite festgestellt, daß keine Per- stärkung der Polizei in Baden erfolgt ist, und daß auch die Zahl der Polizeiführcr sich ganz im Rahmen des Etats hält, ja daß dieser Etat nicht einmal völlig' erreicht wird. Da die Polizei auch einen Teil ihres Dienstes beritten erfüllen müsse, erfolge ein« Ausbildung im Reiten, aber nur in sehr beschränktem Umfang«. Bon einer Abkam- mandierung von Reichswehroffizieren nach Baden sei nichts bekannt, ebensowenig seien irgendwelche Abkommcmdierungen aus den Reihen der badischen Polizei nach Plätzen der Umgebung erfolgt. Die Behauptung endlich, daß bei der Polizei auch Ausbildungen im Fliegen vorgenommen würden und Artilleriekurse statt- fänden.>sei wie die übrigen völlig aus der Luft gegriffen. �ranzöfifche Ireiheit. Frankfurt a. HL, 26, April. (Eigener Drahtbericht.) Di« .Mainzer Volkszeitung" wurde von der Besatzungsbehörde wegen des Abdrucks einer Radioansprache des Genossen S o l l ma n n über die Zukunft der besetzten Gebiete auf drei Tage verboten. Die Red« war in anderen Orten, so in Koblenz , unbeanstandet erschienen. Fer- ner wurde angedroht, daß die Wählerversammlung in Mainz aufgelöst werde, wenn Sollmann die Kritik am Friedensverträge und an der Politik der Alliierten fortsetze, die er in Worms geübt habe. Die Versammlung fand aber, überwacht von mehreren Be- amten der Besatzung, ungehindert statt.
Der Wahlkampf in Mittelöeutsthlaaö. halle, 27. April. (Eigener Drahtbericht.) Der Wahlkampf unserer Partei im mitteldeutschen Bezirk verläuft unter einer Be- teiligung'an den Versammlungen, wie sie seit der Revolution nicht zu verzeichnen war. Bemerkenswert ist, daß die Kommunisten keine Störungsversuche mehr unternehmen, nachdem sie bei anfäng- lichen Vorstößen in dieser Richtung energisch zurückgewiesen worden find. All« sonstigen Anzeichen sprechen dafür, daß die einstige kam» munistische Hochburg Mitteldeutschland » unter dem Eindruck der Währungsreform und des damit verbundenen Rückgangs der Der- elendung langsam verfällt. Erheblich dürfte der Zuwachs für die Kommunistische Partei , abgesehen von den ihr zugefallenen ehemals unabhängigen Stimmen, kaum werden.
Der Krack im Nechtslager. Gleiche Brüder, gleiche Kappen! Der Führer der Vaterländischen Verbände, Abgeordnet« Geister, versendet folgende Erklärung: „Die Deutschvölkische Freiheitspartei oerbreitet im Wahlkampf Flugblätter, in denen u. a. behauptet wird, ich hätte ein«.Kampf- broschüre gegen Ludendorff " geschrieben. Diese— wie alle übrigen— in den Flugblättern der Freiheitspartei und in ihrer Zeitung gegen mich gerichieten Behauptungen find gänzlich u n- wahr. Im Lorjahr« wurde ich von den Herren Ahlemann und Stelter wie auch von Herrn Fahrenhorst als Vertreter der Freiheits- partei gebeten, ihr beizutreten. Dies Hab« ich aus verschiedenen vaterländischen Gründen abgelehnt, und nicht zuletzt deshalb, weil mein Eintritt in die Freiheitspartei mit Drohungen er»
zwungen werden sollte, z. B. der Androhung der Zersplitterung der vaterländischen Arbeitnehmerbewegung. Seitdem verfolgt die Freihkitspartei sowohl mich wie zahlreiche andere vaterländ'ische Führer mit ständiger Verleumdung. Trotzdem lehne ich auch weiter- hin wie bisher ein näheres Eingehen darauf ab und beschränke mich auf die vorgenannten Feststellungen. Ich habe weder für den häßlichen Partei st reit noch für unsachliche und per- s ö n l i ch gehaltene Formen von Auseinandersetzungen, sondern nur für die Aufgabe der überparteilichen Zusammenfassung aller vater- ländisch-völtisch gerichteteen Deutschen , wie sie die Vereinigten Vaterländischen Verbände Deutschlands anstreben. Verständnis, Zeit und Neigung." Wenn der Geisler sich über so brüdeiliche Behandlung durch seine völkischen Freunde beschwert, so reizt das allerdings zur heiter- kelt Er selbst weiß es augenscheinlich nicht, trotzdem auch der DHB. ihm das deutlich genug zu verstehen gab, daß er zu jenen lieben Mitbürgern gehört, vor denen nian weilenweit flüchten muß, wenn man nicht in Verdacht kommen will. Nur bei den Deulschnationalen hat man ihn bisher noch nicht satt. Dort wird er noch als Ehrenmann gefeiert. Und das hat er reichlich wxiient.
völkische Sittel,. Schimpfbriefe a« baperische Minister. München , 26. April. (Eigener Drahtbericht.) Der Mnister des Innern, Schweyer, hat dieser Tage folgenden anonymen Brief erhalten:.Geehrter Herr Schweinehund! Nachdem Ei« Schwein e» nicht für nötig halten, von ihrer Stell« zu verschwinden, Sie katho- lifches Schwein, so werden wir nun die Mittel und Weg« finden, Sie zu beseitigen. Wir haben schon andere Leute beseitigt, wie Sie volks- parteiliches Schwein. Dein Getreuer." Gleichzeitig Hot auch Kultusminister Matt«inen ähnlichen Brief erhalten mit folgendem Wortlaut:.Geehrter Herr Sauhund und Saubayerl Nachdem Du Schwein, Du katholischer Lolksparteller, so gemein Dich benimmst, wirst Du die Konsequenzen tragen müssen. Euch wollen wir schon«inHeizen, Ähr oolksparteilichen Sauhunde. Eurem Faulhaber(der Kardinal. Di« Red.) werden wir auch noch heimleuchten. Deine Freunde." Der Geist und die Ausdruckswcise dieser Briefe lasten unschwer erkennen, daß ihr Schreiber nur im völkischen Lager zu Hause sein kann, in jenem Loger, aus dem die Meuchelmörder eines Gavei», Erzberger und Rathenau gekommen sind. Ob die beiden Adressaten auch zu der Erkenntnis gekommen sind, daß sie mit diesen sie treffen. den Meuchelmorddrohungen nur dieFrüchteernteu.für deren hemmungslose Aussaat in der bayerischen Ordnungszelle sie als Minister seit Iahren die Verantwortung tragen, erscheint allerdings mehr als zweifelhaft. iluöenüorff als Agitator. Er war es nicht gewesen. München , 26. April. (Eigener Drahtbericht.) Ludendorst treibt zurzeit eine sehr eifrige Wahlagitation in den nordbayerischen Städten. Samstag und Sonntag hält er»Deutschen Tag " in dem bekannten Bad Wörrishofen. In seinen Reden in Ansbach und Bamberg hielt er es für angebracht, den kleinen Leuten das Pro- gramm des völkischen Zukunstsstaotcs in folgender Weise anzu- preisen:„Erhaltung des Bauern auf eigener, unverschuldeter Scholle, Sicherstellung des Arbeiters in seiner täglichen Lebenssühruna und für das Alter m sozialer Gcrecbnffkeit und Erhaltung des Mittel- tandes. zu dom wir uns schließlich alle zu zählen haben. Den größten eil seiner Ausführungen verwendet« der General auf den Versuch, seine klägliche Haltung im herbst 1918, die die Katastrophe des über- eilten Waffenstillstandes verschuldete, zu rechtfertigen. Er will das Odium seiner Forderung vom 1. Oktober 1918 nach sofortigem Waffenstillstand und Friedensangebot mit der Behauptung ab- wälzen, daß der Obersten Heeresleitung diese Form notwendig er- schien, um zu verhindern, daß die Regierungsneubildung in Berlin unter dem Prinzen Max wegen der anspruchsvollen und macht- lüsternen Forderungen der Parteien über die vom Staatssekretär hintze dazu als notwendig bezeichnete Zeit hinaus sich verzögert«. Denn für die Reichstagsmehrheit sei die geplante äußerste Anstren- gung des Bolkes nur ein Schlagwort gewesen, um damit im Innern
die Macht zu ergreifen. Dos deutsche Volk wäre unbesiegbar ge* ' wesen. Aber die Sozialdemokratie, die Demokratie und das Z e n t r u m und zulegt eine schwache Regierung, die immer mehr in Abhängigkeit von diesen Parteien gekommen war, seien in weltfremden und staatsfeindlichen Ideen befangen gewesen und oer- mochten und wollten sich nicht zu der Erkenntnis aufschwingen, daß e? nicht um Erlangung des Friedens, sondern um die Behauptung unserer Freiheit ging. Parlamentarischer Kuhhandel sei ihnen viel wichtiger gewelen als das Leben der Nation." Zu ihrer Entlastung werfen jene Parteien die Schuld für das Unglück unseres Landes auf mich. Sie sagen, ich hätte im Weltkrieg durch wilde Annexions - lu't den Frieden verhindert, der so und so oft möglich gewesen sei. Lüg« nichts als Lüge, heute ist man auch mit diesen Behauptungen vorsichtiger geworden. Der parlamentarische Ausschuß, der am 18. November 1929, als er hindenburg und mich in seine Schranken gefordert hatte, das letzt« Mal öffentlich tagte, hat sich seitdem in geheimen Sitzungen vergeblich abgemüht, mir Friedenssabotage vor- zuwerfen. Welche Genugtuung hätte es den Mehrheitsparteien des Ausschusses bereitet, mir so etwas nachzuweisen. Ich vermute, daß der Ausschuß zu seiner Enttäuschung zu einer entgegengesetzten Aus- fastung gekommen ist. Der neue Reichstag wird me Aufgabe habe», klar zu zeigen, wie gewissenhaft die Oberste Heeresleitung jede sich scheinbar bietende Gelegenheit zum Verhandeln unterstützt hat."
Die völkiscken bei üen Christen. Stahlhelm und Christliche gegen AfA-Bund. Die christtichen Gewerkschaften haben nach der Revolution unter Auswendung großer Mittel versucht, in der Angestelltenbewegun« Fuß zu fassen. In Ermangelung besserer Bundesgenossen haben die Stegerwaid und Genosten schließlich den Deutschnationalen Hand- lungsgehilfenverband mit der Aufgabe betraut, die christlich-nationa!« Angestelltenbewegung zu schaffen. Er hat sich alsbald zw«! An- hängfel zugelegt, einen sogenannten.Derband Deutscher Techniker" und einen sogenannten„Deutschen Werkmeister b u n d", die trotz kostspieligen Apparates kein« Mitglieder gewinnen konnten. In seinen Nöten ist nun der DHB. dazu übergegangen, die völkischen Kampfverbände zum Krieg gegen den bösen AfA-Bund auf- zurufen. In einem„Handblatt" für die kaufmännischen und technischen Angestellten, das.Iungdo" und.Stahlhelm" verbreiten, werden die AfA-Organifationen wegen ihrer.sozialisttsch-Nastenkämpferischen Poiltik" heruntergerissen. Dann heißt es wörtlich: .Wir Mitglieder des.Stahlhelm", die Mitglieder des„Jung- deutschen Ordens", usw. können unsere Beiträge nicht einem Vcr- bände zahlen, der heute noch dem AfA-Bunde angehört. Wir können es nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, auf der Brust das Abzeichen des.Stahlhelm' und des.Iungdo" zu tragen. wenn in unserer Brusttasche das Mitgliedsbuch eines Verbandes steckt, der zum roten AfA-Bund gehört.... Wir Mitglieder des .Stahlhelm" und die Mitglieder des.Jungdeutschen Ordens" aber verlangen von unseren Brüdern und Kameraden, daß sie die Kon- sequenzen ziehen. Entweder sie gehören aus Gesinnung zu uns. oder sie sind sozialistisch und zahlen ihre Beiträge für jjolitsich- foziallstiscye Erziehungsarbeit. Beides zusammen ist für einen Mann von Ehre nicht möglich.".... Frontheil! Im.Mitteilungsblatt der Vaterländischen Verbände" heißt es in einem Artikel gegen den AfA-Bund: .Wir müssen dafür Sorg« tragen, daß die Saboteure de? Volksgenieinschost, und zwar 1. die unsozialen Arbeitgeber(gemeint sind südische Arbeitgeber) 2. die Mitglieder der roten Arbeiter- und Angestclltenoer bände aus den Kriegervereinen, dem Jung- deutschen Orden, dem.Stahlhelm" Usw. verschwinden oder den christlich- nati analen Gewerkschaften: DHB.. Äer- band Deutscher Techniker. Deutscher Werkmeisterbund bei- treten." Stahlhelm: Wehrwolf : Iungdo: Arno Zubier. Hans Winter. chans Müller. Es gereicht dem AfA-Bund zur Ehre, daß er von den völkischen Banden boykottiert wird. Für die christtichen Gewerkschaften aber ist«s bezeichnend, daß sie sich heute solch bedenklicher Zutreiber be» dienen, um.Gewerkschastspropaganda" zu machen. Dos Spiel ,st gefährlich, und es kann bald der Zeitpunkt kommen, wo dir christ- lichen Gewerkschaften die völkischen Geister nicht mehr loswerden, die sie riefen.
Sureau. Von Käte Marcus. Die koukrolluhr. Am Tor de» Bureauhauses wachen ein Diener und eine Kontrolluhr. Sie stehen Auge in Auge. Der Diener bewacht die Uhr, und die Uhr bewacht den Diener. Beide sind Diener des Bureaus. Die Kontrolluhr besteht nur aus einem dornspitzen, langen Minutenzeiger. Der springt mit bösen, plötzlichen Rucken von einer Ziffer zu? nächsten. Dabei schneidet er heranhetzende Menschen den Atem ab, messerscharf, schnittglatt:.Zu spät!" Nachts im Schlaf zielt der dornspitze Zeiger auf unsere Brust Früh beim Erwachen schießt er, ein Pfeil, durch die Spalten der Jalousie. Jeder Sonnen- strahl aus den Häusern des Weges— ein Drohdlitz de» Zeigers. Alles gewonnen, wenn er— halbsekundenlang nur— verweilt. Alles verloren jedoch� wenn er springt. Springt in«in flehendes Auge. Die Skenotyplstia. Neun Stunden taglich zwischen Kurzschrift und Maschinrntaflen. Ein endloses Band, auf dem getrieben sie treibt. Ihr Herr ist die Unterschriftenmappe: Löschpapierseiten wenden sich fordernd vor ihr, vom unsichtbaren Motor des Bureaus bewegt. Ihre Hände sind totes Gerät, klappernd wie Arme von Gliederpuppen. Ihr« Augen sind Marionetten, die an unsichtbaren Fäden vom Stenogramm zur Schreibmaschine und wieder zurückgezogen werden. In ihrem Kopf weckt alles ein grelles Echo, Schallecho nur, ohne Begriffsresonnanz. Neun Stunden täglich. Und.Uebcrstunden". Manchmal bückt sie sich wie zu einem neben ihr fließenden Wasser. Da erblickt sie ihr eigenes Bild, vom„Später" magisch bestrahlt. Oder es blinkt an der Wand«in Filmstreifen auf: Romangesichter, Kinofiguren, Kinder—. Das Ziel: der Abend. Eafehauswlnkel, Likör, Tanz. Der Angestellle. Das gute Jackett mit der geflickten Joppe vertauscht. Ein Stuhl ist sein täglicher Platz, immer derselbe am kahlen Tisch, über den Zahlen marschieren wie Bleisoldaten. Das Lampenlicht läßt weiße Blätter zu Schneestarr« gefrieren. Tinte zieht erdschwarze Furchen hinein. Nur hier nicht bleiben, ein Leben langl Sparen, entbehren. um Geld zu sammeln. Und dann: ein kleiner Glasladen mit sauberen, funkelnden Dingen. Wo» braucht nur ein freundliches Gesicht zu machen:„Kaufen Sie das. meinv Dame, billig und hübsch." Am Abend ist die Kasse gefüllt mit Geldscheinen, mehr als ein Monats- gehalt. Oder:«in Versandtgeschäft! Man läßt stch groß«, prunkend« »riefbogen drucken, schreibt, telephoniert. gibt Inserat«"auf:.Im Auge wohnt die Macht der Frau. Kauft„Hmiberblick"!" Rur hier nicht bleibe» ein Lebe« lang.
Der Lehrling. Um 10 Uhr wird er zum Böcker geschickt, um II Uhr zur Post, um 12 Uhr zum Rechtsanwalt. Zwischendurch sitzt er in der Re- gistratur und sortiert Brieftopien. Der Buchstabe? ist ihm anver- traut. Den betreut er mit dem fanatischen Eifer de» Kinde», das «in« Pflicht erfüllt. Er möchte immer da sitzen, im Staubgeruch der Akten und R sortieren. Auf den Gängen rennt er wie«in Schnell- läuser. um wieder zu seinem R zu kommen. Er glaubt an den Sinn des Bureaus, glaubt an Belohnung und Aufstieg. Sein« Augen sind wach um die Stuf« zu finden, die ihn eines Tage« hinaufträgt auf den Gipfel des Lebens: Ais.Chef" in einem hellen. hohen Zimmer am Schreibtisch zu thronen und Abteilungsleitern zu kommandier«». Abbau. Bisher schien alles wie zementgefügt. Auf einmal bohren an- sichtbare Meißel, irgendwo, von außen und innen zugleich. Wo wird es durchbrechen, wo? Wir haben nichts außer diesem täglichen Muß, da» uns jetzt wie ein Dürfen erscheint. Wenn wir dos nicht mehr haben, zieht uns modrig« Flut unhemmbar erstickend hinab, uns, unsere Frauen. Mütter und Kinder. An diesen zerbrechlichen Federhalter klammern wir uns wie Verfolgte. Hinter den Blättern des Konto-Korrrnt-Buches verkriechen wir im», zusommengeschreckt. Wen wird es treffen? Wir sind doch gar nicht auszuschalten. Jeder ist ein wichtige« Rad. Und dennoch— ein Ende? Manchmal zuckt auf: Ob nicht das Ende in Wahrheit ein An- fang ist? Weht da nicht Morgen herein in angstvoll« Dunkelheit, bricht nicht das eiserne Band, das den Schritt so schmerzhaft ge- fesselt? Freiheit«m Frühling! Wir schreiten hinan.
Die Zrau als Minister. Eine Unterredung mit der Genosflu Mna Dang. Nina Bang , die alz Unterrichtsminister im Kabinett Stauning der erste weibliche Minister Dänemarks und wohl über- Haupt der Welt ist, entstammt einer Beamten« und GelehrtenfamUI« und steht heute im S8. Lebensjahre. 1894 legte sie ihr Magister- examen ist Geschichte ab und heiratete kurz daraus ben 1916 ver. storbenen dänischen Historiker des Sozialismus. Dr. Gustav Bang, mit dem sie sich in dem gemeinsamen Streben für dm Sazialtemus zusommengefunden hatte. Ei« gehörte bald dem Mttarl-eiterstab von „Sozial-Demokraten", dem Haupworstand der sozialdemokratischen Partei, seit 1913 der Kopenhogener Stadtverordnetenversammlung und seit 1918 der ersten dänischen Kammer und deren Finanzausschuß an Besonders hervorzuheben ist ihr großes unvollendetes wirt- schaftsgefchichtliches Werk über die Sundschiffahrt. Der liberalen Kopenhagener Zeitung.Politiken" entnehmen wir otis einem längeren Inlerview mit dem Untern chtsminlster Frau Nina Bang folgendes: .Haben Sic diesen Tag erwartet?" fragen wir.»Haben Sie
sich gedacht, daß er einmal kommen würde— und w i e haben Sie sich da» aedocht?" Frau Nina Bang lächelt still. „Das möchten Sie gern wissen? Ja, was hat man sich nicht aedocht? Aber unsere Partei stand ja sc viele Jahre rn einem Kampf. der vorläufig kein« sonderliche Aussicht hatte, uns den Sieg zu bringen. Erst in den letzten paar Iahren konnten wir erwarten. Dänemarks größte Partei zu werden. Aber es kam mir natürlich nicht überraschend, als ich jetzt die Aufforderung erhielt, in das Mi- nistcrillm einzutreten. .Als Dänemarks erster weibticher Minister." Frau Nina Bong lächelt stärker: „Sa, das ist wohl aufsehenerreqend! Und viellercht erhält das ein« gewisse Bedeutung. Sie müssen wissen, daß in Kopenhagen über hunderttausend Frauen über 26 Jahre leben, die allein leben.... Witwen. Geschiedene, Unverheiratete, die für das tägliche Brot arbeiten müssen. Es kann vielleicht für sie einen gewissen Wert Hoden, daß eine Frau im Ministerium sitzt...." .Und einen gewissen Wert für die Frouenfrage." Frau Nina Längs Lächeln wird stark, offen und ansteckend: .Ich bin niemals.Frouensiagen-Dame" gewesen.... Wen« ein« Frau einsam, unbefriedigt ist. wenn ihr der Lebensinhalt fehlt, greift sie oft dies« oder jene Frage auf. Ich war so... glück- l ich. vor 26 Ialzren vom Sozialismus ergriffen zu werden, der gar kein« Frage, durchaus keine Fronen frage, sondern die Frag« a» und für sich für Männer wie für Frauen war. Dem Sozialismus müßten alle die hunderttausend einsam lebenden Frauen ange» Heren.. .Aber das Ministerium, das Sie nun leiten werden?" .Darauf freue ich mich! Das Unterrichtsministerium umfaßt so viele Aufgaben, bei denen«ine Frau Bedeutung haben kann. Dazu gehören die Schulen, die ganz« Erziehung de , neuen Ge. schlechtz, dazu gehört die Kunst--" Frau Nina Bcmg lächelt:.Ja, und die Wisienschafil Die Kopen- Hagener Universität wurde ja von einer F'.au gegründet. Es kann vielleicht ein« Art Genugtuung für die Frau lein, daß eine Mit- schwester sich nun ihrer wieder annimmt. Aber das Schulwesen... hier ist so viel zu tun. tW Lehrerausbildung muß geändert werden, um nur etwas zu iiennen. Ich bin selbst ein« alt« Lekirenn. Aber wenn ich jetzt mit meiner Tochter Merete spreche und ihre Kritik dez Schulwesens höre, muß ich zugeben, daß auch ich viele Fehler be- gangen habe. Die Jugend ist tittischer, sie ist lebendiger, inter- essierter...'
„Auch politischer?" : Unterrlchtsminister
Der Unterrlchtsminister wird ernst, gedankenvoll und fleht uns starr an: .Nein, sonderlich polittsch interessiert ist die Jugend unserer Zell nicht Wir schweigen, und die Füll« sr.scher Blumen w der Elube scheint stärker zu duften. Sie stehen in Gläsern und Krügen auf dem Fensterbrett, auf dem schwarzen Flügel, auf dcm Tisch in Uc Nische steht ein prachtvoller Korb mit flammend heißen Blumen- färben. .Heul ist ein Festtag!" �a, aber danach kommt dl« Arbeit. Ich bekomme alle Hände