Nr. 204 41. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Empfindsame Reise nach Poincarien.
Bon Kuhet.
Donnerstag, 1. Mai 1924
arteiveranstaltungen am Nachmittag und Abend des 1. Mai
We are
Borfpiel: Jeßt dürfen nur noch Leute aus Deutschland hinaus, die materiell Gewähr dafür bieten, daß sie jedermann mit der nötigen Rentenmark vor den Bauch zu treten vermögen. Zu was brauchen die anderen eine Erweiterung ihres Horizontes? Die Reichsregierung fommt ja auch ohne diese neumodischen Bedürfnisse Es war aber schon vorher nicht leicht, z. B. nach jenem Lande zu gelangen, in dem die Worte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit an viele Kirchenfassaden gemalt sind und ein hohen zoller mit der Marseillaise empfangen wird, weil er zufällig König von Rumänien ift.
aus.
Die Grenzrevision: Sie findet im Gegensatz zu der an anderen deutschen Grenzen im Zuge statt. Unser Abteil wurde dabei fo fortiert, daß ich als besonders beachtlicher Gegen stand übrig blieb. Weder Ruffen, Schweizer , noch die einreisenden Franzosen wurden irgendwie befragt. Nur der Deutsche mußte Beruf, ja sogar das Hotel angeben, in dem er zu Paris wohnen wollte, und hatte eine gründliche Betrachtung des Kofferinhalts zu ertragen. Dabei wurde von dem Beamten die Biegsamkeit der französischen Sprache so sichtbar zu feinen Unhöflichkeiten benutzt, daß die mit reisenden Franzosen es danach durch besondere Freundlichkeiten mit Erfolg wieder gutmachen konnten. Leider stieg der eine schon in
St. Quentin aus.
Pariser Boulevards: Das find wirffiche große Berfehrsadern.( Napoleon III. hat auch aus strategischen Gründen mancherlei für ihre Entwicklung getan.) Sie sind stets mindestens noch einmal so breit wie die Leipziger Straße , zumeist holzgepflastert, geteert. Durch Pneus blant gewicht. Auf dem Fahrdamm diefer wahren Berkehrsfluttanäle fommt auf tausend Autos ein Pferd.
( Konzert, Gesang, Ansprachen, Rezitationen, turnerische Darbietungen, Tänze.) mitte: Brauerei Königstadt, Schönhauser Allee 10/11. Beginn 4 Uhr.| Mahlsdorf : Anders, Bahnhofstraße. Beginn 6½ Uhr. Weißenfee: Turnhalle Pistoriusstraße. Beginn 5 Uhr. Tiergarten: Artushof, Perleberger Str. 26. Beginn 3 Uhr. Wedding : Pazenhofer Ausschant, Chausseestr. 64. Beginn 3 Uhr. Pankow : Linder, Breite Str. 34. Beginn 6 Uhr. Prenzlauer Berg und Friedrichshain : Brauerei Friedrichshain. Be- Buch: Göpfert am Bahnhof. Beginn 5 Uhr. ginn 3 Uhr. Karow : Klig, Panfgrafenstraße. Beginn 6% Uhr. Blankenburg : Klug, Dorfstr. 1. Beginn 6% Uhr. Mederschönhausen: Schloß Schönhausen , Lindenstraße. Beginn 5 Uhr. Reinidendorf- Off: Bürgergarten, Hauptstr. 51. Beginn 4% Uhr. Reinidendorf- West: Hartmanns Brauerei, Scharnweberstraße. Be ginn 4% Uhr.
Kreuzberg : Bodbrauerei, Fidicinstr. 2/3. Beginn 4 Uhr. Charlottenburg : Spandauer Bod. Beginn 4 Uhr. Spandau : Concordiafäle, Klosterstr. 13/15, Beginn 4 Uhr, und Lokal Buchholz: Rosjad, Hauptstr. 71. Beginn 6 Uhr. Erbsmehl( am Stadtpark), Hafenfelde, Beginn 4 Uhr. Cladow: Lofal Bäumann. Beginn 5 Uhr. Wilmersdorf : Bittoriagarten, Wilhelmsaue 114/115. Beginn 4 Uhr. wannjee: Reichsadler, Königstr. 26. Beginn 5 Uhr. Schöneberg : Schloßbrauerei, Hauptstraße. Beginn 3 Uhr. Steglith- Lichterfelde- Cantwih: Hertels Festfäle, Zehlendorfer Str. 5. Beginn 3 Uhr.
Tempelhof- Mariendorf- Marienfelde- Lichtenrade: in Marlendorf, Sportshaus( Karlshöhe), Bahnhof Mariendorf . Beginn 3 Uhr. Neufölln Brih: Neue Welt, Hafenheide. Beginn 3 Uhr. Trepton: Nitschte, Treptower Part. Beginn 4 Uhr. Baumschulenweg: Kino Baumschulenstraße. Beginn 4 Uhr. Johannisthal : Bürgergarten und Bartrestaurant. Beginn 4 Uhr. Adlershof : Wöllstein , Bismarckstr. 75. Beginn 4 Uhr.
Rosenthal : Waldemar Schneider, Hauptstr. 3. Beginn 4 Uhr. Hermsdorf : Böttcher, Waldfee- Ede Berliner Straße . Beginn 5 Uhr.
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Ansprachen halten: Aufhäuser, Klara Bohm- Schuch, Pfarrer Bleier, Crispien, Clajus, Dr. Deiters, Karl Dreffel, Paftor Frande, Dr. Freund, Fendel, Göring , Haß, Hehschold, Heinig, Herrmann, Hirsch, Kahenstein, Dr. Löwenstein, Dr. Lohmann, Lempert, La Grange, Leid, Litfe, Meier, Mielisch, Dr. Moses, Möbus, Nietisch, Reventlow, Liesbeth Riedger, Rofin, Ruben, Seger, Dr. Witte, Dr. Zechlin, Jista.
Abends wirken sie die Boulevards natürlich und nicht die Pferde/ Oberschöneweide : Mörners Blumengarten, Wilhelminenhofstraße. Sozialdemokratie in verschiedenen Maiveranstaltungen der
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wie eine Kreuzung zwischen Unter den Linden und Lunapart. Allein mit der allabendlichen Lichtreklame ist ganz Berlin zu beleuchten Paris hat viel Rohle; intereffant ist überdies, daß im Augenblid am meisten für eine bestimmte Seife Geschrei gemacht wird. Wen mag man damit einseifen? Die Platate über und unter der Erde sind ganz allgemein von faum zu überbietender Geschmaclosigkeit, und das in einer Stadt, da Cheret und Toulouse- Lautrec ,
die Bäter des modernen Blafats, gelebt haben!
Die Autobusse haben hier keine Deckpläge, dafür aber häufig fedys Räder. Die Straßenbahn fährt nur hinten herum", mas fehr zu ihrem Vorteil und zugunsten der Beweglichkeit des zentralen Berkehrs wirft. Die Bariser Metro( Untergrundbahn) hält sich auf den Stationen weniger lange auf, als es bei uns üblich ist, schließt ihre Türen automatisch, hat den Einheitstarif und kontrolliert nur den Eingang der Baffagiere. Auf den Boulevards beherrscht das Auto- Tari fleiner, schneller und viel gelentiger als die Berfiner Autobroschte den Berkehr.
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Der Parifer: In den Arbeitervierteln ist er freundlicher als in den inneren Stadtgebieten, wo der Fremde, im besonderen der Deutsche , mehr höflich behandelt wird. Als Publikum ist der Bariser von beachtlicher Disziplin. Drängeleien ums Mitkommen gibt es beim Autobus und bei der Straßenbahn kaum. An jeder Haltestelle hängen Nummernblocks, der Bartende reißt sich einen Bettel ab, der ankommende Schaffner ruft die Ziffern auf. An den Endhaltestellen der Straßenbahn in der Stadt bilden fich bei Geschäftsschluß geordnete Retten. Im Restaurant, im Café, im Kino läßt sich der Bariser in den winzigsten Edchen aufbauen, ohne dabei feinen Individualismus aufzugeben.
Der Ausländer: In Paris herrscht der Engländer, menig ftens soweit die Sterne des Babefer reichen. Sind die Engländer weiblichen Geschlechts, haben sie furzgeschnittene Haare und tragen fie eine mächtige Hornbrille, dann find es Amerikanerinnen. Die Deutsche ist wesentlich weniger zahlreich vorhanden. Wo er erkenns bar wird, wird er beachtet, ohne daß er irgendwie belästigt würde. ( Ich erlebte nur ein fleines Busammenstößchen: Ein Neureicher mußte mit feinem ebenso aussehenden Auto gerade neben mir halten, er rief: Vive Cologne! Dann hielt ihm seine Madonna den Mund zu, sie brauchte dazu beide Hände. Es sollen sich in Paris Mund zu, fie brauchte dazu beide Hände. Es sollen sich in Paris auch Deutsche recht geschmaclos benommen haben.
Die Boulevardblätter hegen natürlich jeden Tag gegen alles, was Deutschland heißt, fie fpinnen eine etwas feinere Nummer als unfere Lotal- Anzeiger", Deutsche Tageszeitung" ufw., es ist aber basfelbe Garn. In einer Hinsicht sind uns bi Franzosen bennoch) weit hintennach: ihre Herrenhäuschen weisen fast teine Aussprüche werdender Männer auf; hier sollten sie von unseren Deutschvölkischen noch etwas lernen, die Bedürfnisanstalt ist und bleibt ein wichtiges politisches Aufklärungsmittel, Bissoir und Hitler gehören auf Leben und Tod zusammen.
Beginn 4% Uhr.
Mederschöneweide: Kyffhäuser . Beginn 4% Uhr. Alt- Glienice: Bohne, Grünauer Straße. Beginn 4 Uhr. Köpenid: Spindlersfeld, Erholungsheim. Beginn 4 Uhr. Bohnsdorf : Lokal Bierbach, Bahnhofstraße. Beginn 4 Uhr. Grünau : Lotal Werner, Kopernikusstr. 108. Beginn 3½ Uhr. Rahnsdorf Wilhelmshagen: in Wilhelmshagen. Beginn 3½ Uhr. Lichtenberg : Schwarz, Möllendorffftr. 25/26. Beginn 6 Uhr. Karlshorst : Fürstenbad, Höhnower Weg. Beginn 4 Uhr. Biesdorf : Porath, Marzahner Str. 31. Beginn 6 Uhr. Saulsdorf- Süd: Sanssouci , Moltkestraße. Beginn 6 Uhr.
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Das Nachtleben: Es scheint im allgemeinen
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wie bei
uns- nur für die Fremden eingerichtet zu sein; der Bariser benutzt es sehr wenig. In den Vororten schließt die Hälfte aller fleinen und mittleren Biers und Cafélokale schon gegen 9 Uhr abends, um 12 Uhr find nur noch wenige, frequentierte, geöffnet. Die Bariser Aschinger", wie Duval, Boulant usw. sind um 10 Uhr dunkel Sonntags geht's natürlich lebhafter zu. Dennoch ist's mir nicht gelungen, einen richtig Besoffenen zu sehen. Bor dem Kriege foll das anders gewesen sein. Nicht einmal die Studenten fand ich, Lage um Lage vernichtend, nach 12 Uhr nachts Rationalhymnen fingend. Sie tanzen. Ich sah Studenten- Dansing- Bars, auch Bullier( etwa Halen fee bei uns), ich fann aber nur sagen, daß es dort durchaus gefchmadvoll- anständig zuging, wobei allerdings ausgeschnittene Kleider ohne Aermel noch nicht zu den Unzüchtigkeiten gerechnet werden. Das Nachtleben der Barifer Maler und Dichter mag ich nicht beschreiben, weil es fchon oft genug beffer geschildert worden ist. Wir faben zwischen Franzosen, Standinaviern usw., männlichen und weiblichen Schwarzen, Braunen und Gelben und sprachen Deutfch.
Das politische Paris : Borerst, in und an der Stadt erinnert neben Straßennamen nicht allzuviel an die große Revo lution. Dort, wo einmal die Guillotine gestanden hat, fehte Napoleon I. einen Obelisten hin, der ihm in egypten" gefchenft" wurde. In den Opern wird im besonderen Wagner sehr viel gespielt. Aber in der Malerei hört es noch heute in Paris im wesent lichen mit den Deutschen bei Dürer auf.( Nebenbei: im Louvre hängen feine Handzeichnungen unter dem Namen Albert Dürer .)
Die neuere und neueste plastische Kunst ist meist nur Marmortonditorei. Sie entspricht etwa der ins weibliche überfekten Sieges allee, nur daß sie etwas mehr verstreut in den öffentlichen Parts herumsteht.-
Außerdem werden als Vertreter der österreichischen Partei die als unsere Gäfte in Berlin anwesenden Genossen Dr. Otto Bauer - und Dr. Renner- Wien Ansprachen halten.
Vormittagskundgebungen der Partei: Wannsee : vormittags 11 Uhr Reichsadler, Königftr. 26. Blankenburg : vormittags 10 Uhr Klug, Dorfstr. 1. Tagesordnung: 1. Mai 4. Mai." Referenten: Dr. Korach, Landa,
mit der Beifügung: zu spät. Die Wirtschaftsverhältnisse und die außenpolitische Situation machen durchaus nicht den Eindruck er drückender Sleghaftigkeit. Dennoch wird auch ein Linksblock feine andere Außen- und Finanzpolitit machen fönnen als die einer siche ren Berpflichtung Deutschlands zur Erfüllung, und diejenigen, die ihn wollen, denken es sich auch nicht anders.
Die arbeitende Stadt: Schon bei flüchtiger Aufmer? famteit ist zu erkennen. daß der franzöfifche Handwerter und Arbeiter Gediegenes leistet, er werkt intelligent und geschickt, des öfteren scheint Mangel an Leitung in der Arbeitsorganisation vorzuliegen. Bon Deutschland aus wird der Franzose häufig als so eine Art Farenmacher, Lebeluftig und Hans Oberflächlich angefehen; das ftimmt mit der Wirklichkeit sehr wenig überein. Natürlich liegt im Romanen viel Antipreußisches, feruelle Lebhaftigkeit und leberzeugungsabneigung der französische Wähler ist noch mehr ein hwankendes Rohr im Winde als der unfrige, aber dahinter stedt sehr ernst zu nehmende Energie, beachtlicher Heroismus, wenn er auch leicht pathetisch wird, und Wille, im besonderen Wille zum bürgerlichen Individualismus.
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Wie fehr ergänzen sich doch der Franzose und der Deutschel drüben in Paris fehen 99 Brozent Aber das ist ein weiter Weg der Bevölkerung Deutschland ebenso falich wie bei uns Frankreich betrachtet wird. Die Arbeiterbewegung tämpft dort auf noch freini gerem Weg als wir. Deswegen haben es die sogenannten Bolitiker auf beiden Seiten so leicht, Wahlen zu machen. Die sozialistische Bewegung wird es ihnen nach Möglichkeit erschweren; es ist eine Bewegung wird große Aufgabe.
Vorträge, Vereine und Verfammlungen.
Bolts- Feuerbestattungsverein Groß- Berlin. Beitragsabbau. Siehe Inferat in heutiger Nummer. Deutscher Arbetter- Manboliniften- Bund, Gan Brandenburg. Sonnabend, Bezirte. Rum Schluß Gaumaffenhor( 300 Mitwirkende). Einlag 7 Uhr. An
Der Mann der Straße, der Beamte und nicht zuletzt der Arbeiter, fie politisieren selbstverständlich. Poincarés neues Kabinettben 8. Mat, 1. Gautonzert im Gaalbau Friedrichshain , Spielen des einzelnen wird durchaus als politische Schwenkung gewertet. Zumeist aber fang 8 Uhr.
Deine Kleine
MASSARY
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