Dem Fürsten Bülow!
Ein Glückwunschschreiben zum 75. Geburtstag. Herr Reichskanzler a. D.!
Sie feiern heute Ihren 75. Geburtstag. Aus diesem Anlaß werden Ihre Freunde von einst Ihnen allerlei Liebes sagen und alles Gute wünschen.
Sie selbst aber werden zurückblicken auf Ihr politisches Leben und Bergleiche ziehen zwischen einst und jetzt, zwischen der Reichstagswahl von 1907 und der von 1924. Sie rühmten sich einst, die Sozialdemokratie niedergeritten zu haben und nahmen lächelnd all die Schmeichelreden entgegen, die Ihre Hoflieferanten ob solchen Erfolges Ihnen hielten. Auch Ihr kaiserlicher Herr" war des Lobes voll, nur wünschte er noch mehr Volk" auf dem Gemälde, das ihm als Andenken an das Niederreiten gestell: wurde...!
Wie denken Sie heute, Herr Reichskanzler im Ruhestande, über das große Niederreiten von damals? Heute, da jeder deutschnational fonservativer Jockei wieder einmal den Schimmel zäumt, um das Niederreiten zu wiederholen? Sie haben damals fertiggebracht, was feinem vor Ihnen gelang: den Karpfen und das Kaninchen zu ver= mählen, die freihändlerischen Liberalen mit den Schutzzoll- Konservativen in einen Bülow- Block" zu pressen. Sie wissen, daß heute wie damals versucht wird, aus dem Kampfe gegen„ Rom und Juda", gegen Ultramontanismus und Margismus einen neuen Ordnungsblock erwachsen zu lassen, der endgültig vollbringen soll, was Ihr BülowBlock von Heydebrand bis Wiemer nicht schaffen konnte. Wes Glaubens sind Sie heute über die Aussichten solchen Unternehmens? Gie erinnern sich, wie Ihre jubelnden Blöcklinge mißmutig wurden, als es ans 3ahlen ging. Wie alle nationale Tugend der Deutschnational- Konservativen sich verflüchtigte, als es galt, dem Reichsdalles durch Erbschafssteuer abzuhelfen. Wie der Heydebrand und der Oldenburg , Ihre getreuen Knappen, den Grundsatz aufstellten, daß die Erbschaftssteuer, von einem Parlament des gleichen Wahlrechts befchloffen, den Anfang einer Expropriation des Besizes bedeute und daß es daher Aufgabe der Deutschnational- Konservativen sei, sich schüßend vor das Portemonnaie der Besitzenden zu stellen. Und Sie erinnern sich weiter, daß diese Blockpatrioten um des Besizes willen so unpatriotisch wurden, den Block der Niederreiter auffliegen zu lassen, um dafür einen Bund mit dem von Ihnen so start bekämpften Zentrum einzugehen.
O ja, Gie erinnern sich all dessen und Sie werden sich darüber Ihre eigenen Gedanken machen. Vermutlich werden Sie auch jetzt noch ein Niederreiten der Sozialdemokratie für möglich und nüglich halten. Denn Sie leben ja unter dem Schuße des Faschistenhäuptlings im sonnigen Rom , wo das Bündel der Liktoren politische Weisheit versinnbildlicht. Aber Ihre Wünsche werden trotzdem die Tatsache nicht aus Ihrem Erinnern verscheuchen, daß im Reiche Ihres Wirtens und Ihres Blocks die Niedergerittenen weiter ritten, daß auf Ihre Hottentottenwahlen der Wahltag des Boltszorns von 1912 folgte, daß schließlich die Politik, der Sie zwölf Jahre den Namen gaben, ausmündete in den Weltkrieg und den Zusammenbruch. Freilich, Ihr„ kaiserücher Herr" hat erklärt:„ Ich habe es nicht gewollt" und auch Sie haben versichert, daß unter Ihrer Regierung der Krieg, den wir durchlebt haben, nicht hätte eintreten können. Ihr Glaube an sich selbst in Ehren. Aber vielleicht ist Ihnen beim Rückblid auf Ihr politisches Leben und dessen Erfolge doch schon die Frage gekommen, welche Wendung das Schicksal unseres Landes genommen haben würde, wenn nicht die mißachtete, gewal jam auch von Ihnen des gleichen Rechtes unwert erflärten Arbeitermassen, die Niedergeri tenen, sich trotz allem auf die Seite ihres Landes gestellt, die Baterlandsfosen" das Baterland des Bülow- Blocks und der Wahlrechtsverweigerer trok alleben thr eigenes verteidigt hätten, wenn sie nicht nach dem Zusammenbruch die Trümmer zusammengerafft und persucht hätten, aus dem Chaos der Niederlage eine neue Ordnung zu schaffen. Bielleicht.
Aber heute werden Sie als Fünfundsiebzigjähriger gar mandje Erinnerung auftauchen sehen. Sie werden aus ihnen heraus dem 4. Mai mit Hoffnungen und Sorgen entgegensehen. Hoffnungen, daß der Marrismus vernichtet werde und neue Perspektiven der gelobten Politit des Ordnungsblods fich öffnen; Sorgen aber davor, daß der
Wollen sie geschaffen haben. Das Märchen aber muß naturgemäß unpersönlich sein, ganz aus dem Kollektivgefühl einer Zeit heraus geboren werden. Das zeigt sich noch deutlicher bei den Märchen eines Keller, Möricke usm. Die neue Literatur hat deshalb auch ganz bewußt einen neuen Weg beschritten mit überlegener Parodierung des täglichen Lebens und seinem Hineindeuten in das moderne Märchen. Wie es Strindberg und Wilde z. B. taten. Wenn nun aber etwa Maeterlind im Märchen sich zurücwendet zu den verschütteten Quellen mittelalterlicher Mystik oder foluten Gegensatz zu nennen Jungnidel mit seinen Verniedlichun gen ein Märchen für den modernen Menschen schaffen will, dann lehnt der daseinsklare Wille unserer Zeit diese nur Literaturversuche ab. Aber gerne wird man einmal wieder die alten deutschen Volksmärchen vom Schneewittchen usw. lesen, besonders, wenn die Kinder mit großen erstaunten Augen zuhören.
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H. W.
Zwischen zwei Heubünden. In Berliner Journalistenkreisen erzählt man sich: Bald nach dem Tode des Herrn Stinnes ver breitete sich unter den Redakteuren der Deutschen Allgemeinen Zeitung" die Kunde, daß der Verblichene jedem von ihnen ein Legat in Höhe von 5000 Goldmark vermacht habe. Darauf jubelnde Freudens ausbrüche. Doch bald stellte sich der hinkende Bote ein. In Stinnes Testa. ment war nur davon die Rede, daß die Bedientenschaft des Hauses mit gewissen Geldspenden zu bedenken sei. Während nun einer der beiden Testamentsvollstrecker hierzu auch die Redakteure der„ DA3." rechnen wollte, war fein Kollege gegenteiliger Ansicht. Schließlich famen beide Herren überein, den Redakteuren der„ DA3." selber die Entscheidung zu überlassen, ob sie zur Bedientenschaft gerechnet werden wollten. Welch tragischer Konflikt: Hier Standesbewußtsein, dort 5000 M.! Was sich im tiefen Schoße einer Redaktionskonferenz abgespielt hat, entzieht sich bis heute der Kenntnis. Man rechnet damit, daß demnächst Klarheit in die verwidelte Angelegenheit tom
men wird.
( Aus der soeben erschienenen 17. Nummer des republikanischen Witblattes Lachen links". Preis der Einzelnummer 25 Pf.)
AV
der Aula Dorotheenstr. 12.
Humboldt- Hochschule. Ueber„ Die Etbit des Buddhismus und des gilams spricht Dr. Wenzel am 6., abends 8 Uhr, in Tollers Masse Mensch in New York . Nachdem schon Tollers„ Band. lung"," Maschinenstürmer" und" Hintemann" in New Yort zur Urauf führung gelangt find, hat jett im New Yorker Garrid- Theater die englische Uraufführung von Tollers Masse Mensch stattgefunden. Die Ausführung, die sich ziemlich eng an die Jürgen Fehlingsche Berliner Inizenierung antehnte, fand großen Beifall. Wiener Porzellanfabrit. Dieser Tage wurde durch Bundespräsident Dainisch die mit Unterstützung deutscher und österreichischer Stunitfreunde und Interessenten gegründete Wiener Porzellanfabrit im Wiener Augarten feierlich eröffnet. Hiermit lebt die vor etwa 200 Jahren gegründete und in den 60er Jahren aus finanziellen Gründen aufgelassene Altwiener Borzellanfabrik wieder auf. Kristiania wird umgetauft. Das norwegische Barlament, das Stor thing, hat einen besonderen Ausschuß eingelegt, der das Problem einer 1mtauje der Hauptstadt Kristiania zu beraten hat. Das Ergebnis dieser Beratung liegt nun vor: Striftiania with ab 1. Sanude nächsten Jahres in Bom Zarenadler zum Bolschewisten- Denkmal. Zum Bronzeguß des
Dilo" umgeändert.
unerschütterliche Stamm der oft schon erledigten, niedergerittenen,| dem Dedmantel des„ Bolfswohls" wird hier der nadte Unter. rednerisch und gesetzgeberisch vernichteten Sozialdemokratie auch in nehmerstandpunkt vertreten. Doch es fommt noch besser! der Brandung neuer Berleumdungsflut standhalten werde, um sich Der Hinweis von Macdonald, daß, wenn Deutschland gedrängt desto stärker, siegesgewisser dem Kampf um die Seele des Boltes zu würde, den Achtstundentag aufzugeben, schließlich auch der englische widmen. Sorgen quälen Sie auch, ob nicht der neue Block, der in Arbeiter dazu gezwungen würde, länger als acht Stunden zu ar ihren Spuren wandeln möchte, am Egoismus der Besitzenden zer beiten, wird in gleich demagogischer Weise ins Gegenteil verkehrt. schellen werde, wie einst der Block von 1907!
Ihre Sergen sind berechtigt, Ihre Hoffnungen verfehlt. Die Sozialdemokratie wird reiten frog alledem! Genehmigen Sie, Herr Reichskanzler des letzten Kaisers, inmitten der Gratulanten auch diese Versicherung unseres Gedenkens! Die Redaktion des Borwärts".
Auch die Völkischen wollen erfüllen!
Erklärungen Artur Dinters in Heffen.
hält bekanntlich schon seit Wochen im Hessenlande Wahlversamm Der Führer der Deutschvölkischen in Thüringen Arthur Dinter lungen ab. Das ist zum Teil damit begründet, daß er dort zum Reichstage fandidiert. Aber noch bevor der eigentliche Wahlkampf begann, flüchtete Dinter aus Thüringen . Vorher hat er bekanntlich als Vorsitzender der völkischen Fraktion des thüringischen Landtages des Staatsbankpräsidenten Loeb verlangt. Der erste aus eigener Wachtvollkommenheit wiederholt die Entlassung Finanzminister des Ordnungsblods trat zurüd, weil er diese For derung nicht erfüllen konnte, und als der Ordnungsblock auf der Suche nach einem neuen Mann war, erklärte Dinter wiederholt, daß die Regierung nur dann die weitere Unterstützung der Böitischen erhalte, wenn Loeb auf der Strecke bliebe. Inzwischen hat der neue Finanzminister sein Amt angetreten und verfügt schon seit mehreren Loeb Wochen über die thüringischen Finanzen. Trogdem aber ist 2o eb noch im Amt, während Herr Dinter angeblich mit Rüdficht auf die Wahlpropaganda nach Hessen flüchtete, noch bevor dem neuen Finanzminister das Vertrauensvotum erteilt wurde. Diese Flucht hatte ihre Ursache darin, daß Dinter sich nicht in der öffentlichen Landtagsfitung blamieren wollte, nachdem er wiederholt die Ent. lafjung des Staatsbantpräsidenten Loeb gefordert hatte, ohne daß er seine Forderung durchfekte. Sicherlich hat zu der Gesinnungsänderung innerhalb der deutschvölkischen Fraktion des thüringischen Landtages auch eine Rorruptionsaffäre beigetragen, die hoffentlich noch vor den Reichstagswahlen das Licht der Welt erblickt. Es handelt sich um eine Korruption, die maßgebenden Führern des Ordnungsblocks endlose Summen Geldes für nichts und wieder nichts einbringen sollte.
„ Es sollte im deutschen Volke niemand mehr im Zweifel fein, weshalb das frühere feindliche Ausland den größten Wert darauf legt, daß der Achtstundentag in Deutschland wieder zur Einführung gelangt.( Als ob selbst die unter dem Zentrumsmann Dr. Brauns als Reichsarbeitsminister herausgekommene Verordnung über die Arbeitszeit nicht mehr bestände! Red. d.„ Vorw."), Wer das also nicht gewußt hat, mag aus einer Rede des englischen Ministerpräsidenten Macdonald dies entnehmen, der unter anderem in bezug auf den deutschen Achtstundentag wörtlich ausführte:„ Die größte Gefahr, die Deutschland für Europa darstellt, wird nicht die militärische, sondern die Gefahr seiner industriellen Unternehmungen. Bedingungen geschaffen, die es dem englischen Arbeiter mit achtstünWenn man Deutschland aus politischen oder militärischen Gründen drängt, den Achtstundentag aufzugeben, so würden am Weltmarkt diger Arbeitszeit unmöglich machen, mit dem deutschen Arbeiter mit zehnstündiger Arbeitszeit ganz abgesehen von der Entlohnung- zu konkurrieren." Hier find so klar und deutlich die Gründe der früheren Feindstaaten in dieser Angelegenheit dargelegt, daß wir Feine staaten" in der Frage des Achiftundentages in Deutschland dem nichts mehr hinzuzufügen haben." Demit seien so klar und deutlich die Gründe der früheren Feine staaten in der Frage des Achiftundentages in Deutschland dargelegt, daß wir dem nichts mehr hinzuzufügen haben. Was hier flar und deutlich ist, soll durch die chauvinistische Floskel von den früheren Feindstaaten ins Gegenteil verkehrt werden, nämlich die einfache Erwägung, daß es ein vergebliches Beginnen wäte, durch deutsche Schmut konturrenz auf Rofion langer Arbeitszeit bei medrigen Löhnen den Weltmarkt zu erobern. Diese Schmutztonkurrenz würde die Unternehmer in den früheren Feindstaaten dazu treiben, ihr durch Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerung zu begegnen, und die Folge wäre, daß das Gleichgewicht auf dem Weltmarkt wiederhergestellt, die Arbeiter in Deutschland und in den früheren Feindstaaten" in ihrer Lebenshaltung und Kultur zurüd gedrängt würden. Am stärksten der deutsche Arbeiter, der ja heute schen der am schlechtest entlohnte Arbeiter der modernen Industrieländer ist.
Das Zentrum ist nach alledem ein recht unzuverlässiger Kantonist in den wichtigsten Arbeiterfragen, wenn feine StegerwaldJünger so unverblümt die kapitalistischen Interessen vertreten, wie es hier in der Frage des Achtstundentages geschieht.
Nun zu Herrn Dinter als Wahlredner! Bekanntlich lehnen die Deutschvölkischen die Erfüllungspolitik ab. Besonders rabiat wetterte Dinter gegen die Erfüllungspolitik. Schneller aber als der Entente ist Dinter die schotternde Angst ins Bein gefahren! Paris , 2. Mai. ( WTB.) Der Havas- Korrespondent in or wenigen Tagen hielt er z. B. in Nauheim eine Versammlung Washington erfährt von autorisierter Seite, daß in Regierungs ab, bie weniger von Deutschoölkischen, desto stärker aber von freifen der Bericht, den General Dawes in seinen gestrigen UnterSozialdemokraten besucht war. Aus Angst drehte Dinter redungen mit Präsident Coolidge , Staatssekretär Hughes und feinen Mantel nach dem Winde. Er verzichtete auf seine Wahl- Schahlanzler Mellon über die Sachverständigenarbeiten erstattet hat, fampfschlager gegen die Juden und war schließlich durch Zwischen- günstig aufgenommen werde. Der General habe, was den Errufe so aus dem Konzept gebracht, daß er sich in die tollften Wider folg des Sachverständigenplans anlange, feinem Optimismus fprüche verwickelte Der Gegner der Erfüllungspolitit zeigte fich Der Gegner der Erfüllungspolitit zeigte fich Ausdrud gegeben und die Hoffnung ausgesprochen, daß der Plan plötzlich als Erfüllungspolitiker, denn er erklärte, daß auch die Deutsch - im wesentlichen angenommen werde. völkischen für den Versailler Vertrag seien, wenn eine Verständigung über ihn möglich sei und sie schließlich auch bereit wären, die notwendigen Casten zu übernehmen, soweit fie für das deutsche Volk tragbar seien!!
Comp
Seelenverwandtschaft.
Ein jüdisch- kommunistisch- deutschvölkischer Neichstagskandidat.
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Auf der Liste des Böltisch- Sozialen Blocks" für Hessen- Nassau steht an zweiter Stelle der Rechtsanwalt Dr. Roland Freisler aus Kaffel. Diefer Herr gehörte noch vor kurzem zur KPD . Sein Uebergang vom Sowjetstern zum Hakenkreuz ist um so intereffanter, als seine Großmutter( genau wie bei Bulle) eine Jüdin ist. Sein Bruder hat darum auch mit Empörung gegen ihn Stellung genommen und entrüftet erklärt, für Angehörige seiner Familie dürfte der Antisemitismus doch schon deshalb moralisch gar nicht in Frage kommen, weil für sie ein Bekenntnis zum Antisemitis mus eine Pietätlosigkeit sei.
Auf englischen Krücken.
Der Scherlsche ,, Tag" veröffentlicht ein Zuschrift, in der ein angeblicher hoher englischer Offizier auseinanderseßt, weswegen das deutsche Volt am 4. Mai rechts wählen müsse. Er sagt, die Politik der Verbündeten habe auch den größten Optimisten von der Illusion befreit, daß auf englisch - französischer Geite der ehrliche Wunsch bestehe, Deutschland zufrieden und glücklich zu sehen. Fielen die Wahlen wieder für die Linke gut aus, so würden Poincaré und seine Satelliten in England ungehemmt ihre Bolitit der Zerstörung und der Schwäch ung ohne Unter
laß fortsehen.
Die Ministerbesprechung in Chequers .
Paris , 2. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Nach dem Informationen der Pariser Blätter werden die belgischen Minister Theunis und Hymans bei Macdonald in Chequers die Fragen der interalliierben Schulden anschneiden. Gewisse Andeutungen lassen u. a. auch darauf schließen, daß dies in ausdrücklichem Einvernehmen mit Paris geschieht. Der Intransigeant" glaubt, daß die belgische Regierung dem englischen Premierminister Darüber hinaus folgende Fragen vorlegen wird: Wesche Garantien erhauben Frankreich und Belgien gegen Freigabe ihrer Pfänder im besetzten Gebiet? Welches sind die Sanftionen, die in Kraft treten sollen, falls Deutschland seinen Verpflichtungen nicht nachkom. men sollte? In welchem Umfange ist die englische Regierung bereit, an diesen Zwangsmaßnahmen teilzunehmen und endlich: In welcher Weise soll die Sicherheit der französisch - belgischen Okkupationstruppen an der Ruhr garantiert werden?" Damit soll vor. zugsweise die Aufrechterhaltung der franto- belgischen Eisenbahnfontrolle gemeint sein, Nach dem gleichen Blatt sollen die belgischen Minister die Ansicht haben, den Aufenthalt in London auch zu einer Fühlungnahme mit den Delegierten der Sowjetregierung zu benutzen.
Sozialpolitik der Arbeiterregierung.
London , 2. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Der Schatzkanzler Snowden nahm nach Abschluß der Generaldebatte über den Haushaltsplan, die ein großartiger Erfolg der Arbeiterpartei war, Gelegenheit, auch auf einige wichtige soziale Fragen einzugehen. Der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit käme der günstige Finanzabschluß sehr zustatten. Im laufenden Finanzjahr feien nahezu 30 Millionen Pfund Sterling mehr in der Hand des Volkes als im Vorjahr. Dadurch fei die Kaufkraft des inneren Marktes erhöht und die von ihr ausgehende Stärkung des Geschäftslebens werde die Ziffer der Erwerbslosen herabdrücken. Wenn im Haus
Man muß sagen, daß dieser hohe englische Offizier" es ausgehaltsplan feinerlei Spur einer Ausdehnung der sozialen Alters zeichnet versteht, sein Bolk im Auslande zu diskreditieren. Er ist es wert, von der deutschnationalen Presse als Wahlschlepper benußt zu werden, die während des Krieges nicht laut genug ,, Gottstrafe England" schreien konnte.
Das Zentrum und der Achtstundentag.
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Die 3entrumspresse Westfalens, die mit den Matern der„ Ceno" in Münster gespeist wird, verbreitet ein Telegramm unseres Korrespondenten" in Berlin , das sich mit dem beabsichtigten Boltsentscheid über den Achtstundentag befaßt. Dar in heißt es u. a.:
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„ Die Sozialisten scheinen nunmehr die Zeit für gekommen zu erachten, die Frage des Achtstundentages die unseres Erachtens eine rein wirtschaftliche sein sollte in den Kreis politischer Aus einandersetzungen zu ziehen.. Wir sind überzeugt, daß in weitesten Kreisen der deutschen Arbeiterschaft längst die Ueberzeugung fich und damit auch Bahn gebrochen hat, daß Deutschlands Wohlfahrt nur dann wieder zu neuem Leben die Wohlfahrt jedes einzelnen ermedt werden tann, wenn die Arbeitsleistung des deut= schen Volkes ganz erheblich vermehrt wird. Es ist zugegeben, daß für besonders schwere Arbeiten, wie z. B. unter Tage, die achtstündige Arbeitszeit nicht gut überschritten werden kann, vielleicht sogar schon zu weit geht. Es geht aber nicht an, daß ein fo verarmtes Bolk; wie das deutsche , dem so ungeheure Lasten zugemutet werden, nicht die vorhandene Kraft seines wirtschaftlichen Lebens in vollem Ausmaße ausnutt."
Abgesehen von der Tatsache, daß heute noch Hundertausende Ar beitshände in Deutschland unbeschäftigt sind und sehnlichst darauf warten, daß sie zu ganz erheblicher Bermehrung der Arbeitsleistung des deutschen Volkes" herangezogen werden, ist der demagogische Kniff bemerkenswert, mit dem hier diese Vermehrung der Arbeitsleistung des deutschen Boltes einfach gleichgesetzt wird mit gan 3 erheblicher Verlängerung der Arbeitszeit. Unter
pensionen zu finden sei, liege es daran, daß es nicht die Aufgabe des Budgets ist, folche gesetzgeberischen Pläne zu entwickeln, sondern nur die Mittel vorzusehen, die ein solches Gesetz erfordere. Er kündigte an, daß ein Gesehentwurf über die Ausdehnung der sozialen Alterspensionen demnächst dem Parlament vorgelegt werde. Ueber ein Witwen pensionsgesetz fönne er endgültige Angaben noch nicht machen. Die Regierung prüfe aber mit aller Sorgfalt diesen Gedanken, und er glaube bestimmt, daß noch vor Ende des laufenden Finanzjahres die Regierung in der Lage sei, dem Barlament einen Gesegentwurf über diese sehr wichtige soziale Frage verzulegen. Er glaube, daß die Ausgaben für die Witwenpension den Betrag von 20 Millionen Pfund jährlich nicht erreichen werde.
Ablehnung eines Proporzantrags im Unterhaus. London , 2. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Im Unterhaus hat der liberale Abg. Rendall einen Antrag auf Aenderung des englischen Wahlgefezes eingebracht, der einer Erweiterung des Wahlrechts in der Richtung der Proportionalwahl erstrebt. Die jetzt in den einzelnen Wahlkreisen vollkommen ausfallenden Stimmen, die für die unterlegenen Kandidaten abgegeben worden sind, sollen fünftig, damit das Parlament ein genauerer Ausdruck der Volksmeinung ist, nach den Prinzipien der Proportionalwahl verwendet werden. Diefer Antrag findet im Unterhaus teine Mehrheit. Auch die Regierung hat Bedenken, dafür einzutreten. Die
Drohung der Liberalen, das Kabinett zu stürzen, wenn dieses nicht dem liberalen Antrag beitritt, hat Genosse Hen. derson, der Minister des Innern, zum Anlaß genommen, im Namen der Regierung zu erklären, daß sie sich dadurch in ihrer Haltung nicht bestimmen laffe.
Condon, 2. Mai. ( WTB.) Das Unterhaus hat mit 238 gegen 144 Stimmen den liberalen Gefebesantrag abgelehnt, in dem die Einführung des Verhältniswahlsystems bei den Barlamentswahlen vorgesehen wird. Die früheren Parlamente haben schon wiederholt ähnliche Gesetzesvorlagen abgelehnt.