Nr. 206 41. Jahrgang
Wie wähle ich?
Was jeder Wähler wiffen muß.
2. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 3. Mai 1924
Auf dem amtlichen Stimmzette für Berlin fieht die BSPD. an erster Stelle, für Teltow - Beestow ( Botsdam II) an 3 weiter, für Niederbarnim ( Potsdam 1) an dritter Stelle.
Plakate unserer Partei mit Abbildungen des Stimmzetfels werden ertenntlich machen, wie gewählt werden muß, damit fein Irrtum entsteht.
2nfere Ciften beginnen für Berlin : Crifpien, Heimann, für Teltow - Beestow: Zubeil, Bernstein , für Niederbarnim : Wiffell, Breitscheid .
Wo wird gewählt? Die Wahllofale werden heute und morgen durch Säulenanschlag bekanntgemacht. Wann wird gewählt? Bon morgens um 8 Uhr bis nachmittags 5 Uhr. Geht frühzeitig zur Wahl!
Jeder Wähler und jede Wählerin merke fich:
1. Gehe am 4. mai früh zur Wahl.
2. Nimm einen Bleistift mif.
3. Caß Dir beim Eintritt ins Wahllokal den amflichen Stimmzettel und den amtlichen Umschlag
geben.
4. Mache in dem dazu vorgesehenen Wahlraum ein Kreuz in das Feld der BSPD.
5. Stede den Stimmzetfel in den Umschlag und gib tha dann dem Wahlvorsteher.
Keine Stimme darf durch Säumigkeit unserer Partei am 4. Mai verloren gehen!
Wählt VSPD.!
Plakatierung der Einheitsstimmzettel.
Die für die Reichstagswahlen am 4. Mai in den Reichstagswahlfreifen 2( Berlin ) und 3( Potsdam II) zur Verwendung fommenden amtlichen Einheitsstimmzettel werden mit ihrem genauen Wortlaut, aber abweichend von der wirklichen Größe, am Sonnabend, den 3. Mai, und Sonntag, den 4. Mai, in den für den einzelnen Reichstagswahltreis in Betracht kommenden Berliner Ge bietsteilen durch Säulenanschlag öffentlich bekanntgegeben. Die Stimmberechtigten wollen auf dem an der für ihre Boh nung in Betracht kommenden Anschlagsäulen befindlichen Blakat nor bem Betreten des Abstimmungsraumes denjenigen Kreiswahlvor. fchlag feststellen, dem fie ihre Stimme geben wollen. Hierdurch wird fich das Verweilen der Stimmberechtigten in der Mahlzelle auf hen geringsten Zeitraum beschränken lassen und somit eine erhebliche Beschleunigung in der Abstimmung erreicht werden können.
Wahlnachrichten des„ Vorwärts".
Um unseren Lesern möglichst frühzeitig die Ergebnisse der Wahlen aus Berlin und dem Reiche zu vermitteln, wird der„ Borwärts" am Montag früh in einer Sonderausgabe erfcheinen, die allen Berliner Cefern wie gewöhnlich zugestellt und außerdem überall im Straßenhandel zu haben sein wird.
Redaktion und Berlag des„ Borwärts".
Nieder mit der Reaktion!
Der 4. Mai muß für die Reaktion eine Enttäuschung werden. Bei einem Sieg der Reaktion wird die Arbeiterschaft gefnechtet bleiben, muß sich mit geringen Löhnen zufrieden geben und mit dem weiteren Abbau der sozialpolitischen Errungenschaften rechnen. Sie hat deshalb am 4. Mai darüber zu entscheiden, ob sie zurüid will in die wirtschaftliche und politische Untertanenschaft oder vorwärts zu freier Selbstregierung in der demokratischen Republik, vorwärts zur Sicherung und Erweiterung des Mitbestimmungsrechts in den Betrieben und Kontoren,
Darum feine Stimme den deutschvölkischen Mordbrennern! Gewalttat, Unduldsamkeit, Kriegsheherei, Arbeiterverachtung, Feindschaft gegen Parlament, Demokratie und Republik , Zerstörung der Staatsgrundlagen und des Volkswohls bezeichnen ihren Weg. Steine Stimme den Deutschnationalen!
Die Wiederaufrichtung der fahnenflüchtigen Hohenzollernmonarchie, Bernichtung der Berständigungsgrundlagen in der Außenpollit, Brotwucher, agrarischer Schutzzoll, soziale und politische Reaktion, Steuerlasten für die Industriearbeiterschaft und Städtebewohner, Festigung der Klaffenjuftiz, Rüdfehr zum alten Obrigkeitsslaat und Steuerdrückebergerei sind ihre höchsten Jdeale.
Jebe Stimme gehört der Sozialdemokratie!
Sie bürgt entsprechend ihrer Stärte im parla. ment für den nationalen Wiederaufstieg, für die Freiheit nach innen und außen, für Beseitigung der Klaffenjuftiz, Gleichstellung aller Staatsbürger, gerechte Berteilung aller Lasten, Gefundung der Wirtschaft, Ausbau der Sozialpolitik, Förderung der kulturellen Aufgaben und für Aufstieg der Tüchtigen.
Für Freiheit und Demokratie! Wählt VSPD.!
Katastrophenpolitik oder Realpolitik.
Feststellung eines kommunistischen Fachmanns. Die Stellungnahme der Kommunisten zum Bericht der Sachverständigen beleuchtet grell nicht nur den Gegensatz zwischen Realpolitik und Katastrophenpolitit, sondern auch den Widerspruch zwischen der offiziellen Demagogenpolitit der KPD . und der besseren Einsicht ihrer wissenschaftlich geschulten Elemente. In allen bisherigen Rundgebungen und Aeußerungen der fommunistischen Parteiinstanzen und Bei tungen ist das Gutachten der internationalen Sachverständigen, von dessen Annahme und Berwirklichung in hohem Maße die Lösung der Reparationsfrage und die Anbahnung einer außenpolitischen Berständigung abhängt, in ebenso demagogischer Weise wie in den Presseorganen der Völkischen und der Deutschnationalen heruntergerissen worden. Ja, die Kommunisten haben sogar mehrfach versucht, die Konkurrenz der Deutschvöllischen zu übertreffen, indem sie noch hysterischer wie diese gegen das Sachverständigengutachten loszogen und den Hakenkreuzlern den Vorwurf machten, sie seien in ihrem
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Die völkischen Putschiften find die Helfer der sozialen Reaffion. Auf ihren Schulfern erhebt sich die Diffatur des Großkapitals. Siegen fie, so wird das Kapital die Arbeiter versflaven!
Kampfe gegen die Erfüllungspolitit nicht„ national" und konsequent genug. Nun kommt ein kommunistischer Wissenschaftler, der namentlich in wirtschaftlichen Fragen in seiner Bartei als Autorität anerkannt wird, und weist in einer eingehenden Untersuchung nach, daß das Gutachten der Sachverständigen im großen und ganzen eigentlich einen bedeutenden Fortschritt in der internationalen Politik darstellt. In der offiziellen " Internationalen Pressekorrespondenz" stellt Profeffor E. Barga, der frühere ungarische Volkskommissar und jetzige wirtschaftliche Sachverständige der Kommunistischen Internationale, hinsichtlich des Gutachtens folgendes fest:"
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Weltpolitisch bedeutet diese Lösung, wenn sie von den Alliierten nicht nur in Worten, sondern auch tatsächlich durchgeführt wird, die Niederlage der französischen Machtpolitit, den Steg Englands. Die Linie der franzöfifchen Machtpolitik: endgültige Abtrennung des Rhein - und Ruhrgebiets von Deutschland , Separatismus in Bayern und Abtrennung Süddeutschlands von Norddeutschland, Berlegung Deutschlands auf diese Weise in drei bis vier Teile, tann als gescheitert betrachtet werden. Das Gutachten stellt sich ausdrücklich auf den Standpunkt, daß Deutschland ein einheitliches wirtschaftliches Ganzes bilden muß, foll es Reparationen bezahlen können. Die Lösung verhindert zugleich die Vereinigung der fontinentalen eigenen Kohlenvorkommen in französischer Hand, was für die wirtschaftliche und machtpolitische Steilung Frankreichs gegenüber England von größter Wichtig feit ist."
Diese Einschäßung des Sachverständigenberichtes ist in weltpolitischer Hinsicht das Entscheidende. Trotz aller, offen
fichtlich aus Parteirücksichten dirtierten, Einschränkungen, muß Barga zugeben, daß die Annahme und die Verwirklichung des eine Sachverständigenberichtes radikale gruppierung der europäischen Bolitit beU m= deutet, da nicht mehr das Interesse der französischen Machtpolitit, sondern das ökonomische Intereffe Englands die Formen bestimmt, in denen die Reparationsfrage gelöst wird. Entscheidend für die Kritik, die Prof. Barga an dem Sachverständigengutachten übt, ist seine Auffassung, daß England das Programm der Sachverständigen durchsetzen will, um Deutschland als industriellen Rivalen niederzuhalten. Diese Auffassung erscheint uns reichlich überfrieben, da sie die Wechselwirkungen zwischen den großen Industriestaaten übersicht. Gerade die industrielle Entwicklung Deutschlands und Englands vor dem Kriege hat den schlagenden Beweis erbracht, daß beide Länder mirischaftlich aufeinander angewiefen waren, und daß das Auf blühen des einen Landes keineswegs die gewaltsame Niederhaltung des anderen voraussetzte. Diese These wurde vielmehr nur von den imperialistischen Cliquen in Deutschland wie in England vertreten, die ihr enges Gruppeninteresse als das allgemeine„ nationale Intereffe" ausgaben und durch ihre machtpolitischen Bestrebungen und Intrigen beide Länder in den Strudel des Weltkrieges hineinsteuerten.
Müssen wir infolgedessen diese Auffassung Prof. Vargas als eine bedenkliche Konzeffion an den Bulgärmarrismus ablehnen, der unter dem Einfluß Radets so manche Züge von der imperialistischen Ideologie entlehnt hat, so fönnen wir andererseits nicht bestreiten, daß das Gutachten der Sachver