�benSausgabe Nr. 2S7 � 41. Jahrgang Ausgabe B Nr. 105
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Zentralorgan der Vereinigten Bozialdemokratifcben Partei Deutfcblands Die Zrau am Wahltag. Ei« letzter Ruf an die Wählerinne«!
Die Entscheidung über die ferneren Geschicke unseres Volles liegt morgen in den Händen der Wähler, vor allem aber in denen der Wählerinnen! Diese bilden die unbestreitbare Mehrheit im Volte. Und deshalb ist die Ver- ontwortung, die auf die Schullern gerade der weiblichen Wähler Kelegt wird, doppelt und dreifach groß. Ihre Ab- stimmung wiegt um so schwerer, als gerade von dem Ergeb- nis dies«? Wahlen weittragende außen- und innenpolitische Entscheidungen abhängen. Aus diesem Grunde wird niemand so sehr umworben, als die Wählerin. An ihr Gemüt, an ihr Gefühl, an ihre Liebe Wr Familie und zum Vaterland wird von allen bürgerlichen Parteien in einer Art gerührt, daß man glauben sollte, diese Parteien wären von jeher ganz von der unge- heuren Bedeutung der Frau für das politische Leben über- Zeugt gewesen. Und doch haben noch vor wenigen Iahren sämtliche bürgerlichen Parteien sich gegen die Beteiligung der Frau am politischen Kampf, besonders an den Wahlen, aus- gesprochen: zumeist aus prinzipiellen Gründen, weil „die Frau ins Haus" und„an den Kochtopf" gehöre, teils aber aus der opportunistischen Erwägung, daß die Frauen in der Gegenwart„noch nicht reif für das Wahlrecht" seien und außerdem in der wilhelminischen Zeit doch das Wahlrecht der Frau ohnehin nicht durchzusetzen sein würde. Die offenen Gegner und lauen Freunde der Frauenrechte gebärden sich aber heute, als wenn sie allein das Heil für die Frauenwelt in ihrem Parteischatzkästlein ver- schlössen hiellen. Man soll jedoch den Parteien mehr auf die Fäuste, als aufs Mundwerk sehen, man soll prüfen, was sie tun, nicht nur, was sie reden. Die Frauen haben die schweren La st en der Kriegssahre in erster Linie zu ertragen gehabt. Sie sehen die Unterernährung ihrer Kinder von Monat zu Monat vorschreiten, mußten selbst in langen Polonäsen anstehen, um das bißchen Nahrungsmittel für den täglichen Bedarf endlich zu erlangen, mußten in zermürbender Frohn Kriegsarbeit verrichten, während der Mann in den Schützengräben ver- blutete, mußten wehen Herzens die Erziehung der Kinder vernachlässigen und zudem sehen, wie dann die ganze satte Moral über die„Verrohung der Arbeiterjugend" aburteilte. In jenen Tagen der Kriegsnöte konnte sich all die „Freundschaft" der alten Parteien für die Frau voll aus- wirken. Wo ist sie zutage getreten? Wir wissen, daß man Worte genug des Lobes fand, wenn es galt, die Frauen zu Kriegsarbeit in Fabrik und Werkstatt, im Kontor und in der Landwirtschast, auf der Eisenbahn wie in den Bergwerken, kurz überall dort einzuspannen, wo vorher die robustere Männerkraft herrschte. Aber wo ist heute die Anerkennung geblieben? Jener Oberst Bauer, der im Hauptquartier der Ober- ften Heeresleitung die rechte Hand Ludendorffs und dann einer der Hauptmacher des Kapp-Putsches war, hat ganz nackt und klar ausgesprochen, was diese Kreise über die Kriegs- tätigkeit der Frau zu denken pflegen. Nach seiner Ansicht hätten die Frauen, wohlgemerkt die arbeitenden Frauen, die Niederlage im Kriege verschuldet, weil sie in der Heimat versagten. Zwar hätten sie sich zur Arbeit gedrängt, aber nicht, um dem Land« und ihren kämpfenden Männern zu helfen, sondern um reich- l i ch Geld zu verdienen und dafür ein l i e d e r l i 6? e s Leben zu führen! So sprach einer der bekanntesten mili- tärischen Vertrauten Ludendorffs und Hinden- b u r g s in militärischer Offenheit aus, was zahllose Gleich- gesinnte minder offen nur anzudeuten wagen. Während dieser Wahltage aber ist von solchem Urteil nicht die Rede. Heute wird die Frau umschmeichelt von ollen Kavalieren, von Hergt und Ludendorff, von Ma- retzki und Kloeckner. Haute soll die Frau, die während des Krieges ihr Bestes gab, um später dafür beschimpst zu werden, ihre Stimme geben den Parteien, die vordem nicht das ge- ringst« Verständnis für die politische und soziale Bedeutung her Frauenfrage aufbrachten. Welche Frau kann es mit ihrem Gewissen vereinbaren, den Ge g n e r n ihrer Recht« und ihrer Interessen zum Siege zu verhelfen? „DasVolt hungert bei vollenScheunenl" Dieser lapidare Satz, den der konservatto-deutschnationale Führer. Graf Westarp, in die Welt rief, um Schutz der Landwirtschaft gegen steuerlich« Belastung zu fordern, hat blitzhell die Lage beleuchtet. Die agrarischen Parteien und ihre industriellen Schleppenträger gehen darauf aus. im neuen Reichstag dem Volke neue Schutz- zoll« auf landwirtschaftliche Produtte zu bescheren, die Lebensmittelteuerung, die durch die Einfuhr aus dem Auslands einigermaßen herabgeschraubt werden kann, zu einer Dauereinrichtung zu machen. Ganz wie nor dem Krieg soll wieder das billigere amerikanische Getreide. soll das preiswerte Fleisch aus dem Auslände von deutschen Grenzen ferngehalten werden, damit die deutschen Großgnind-
besitzer an der Not der darbenden Bevölkerung verdienen können. Ihr Frauen, die ihr schon heute nicht wißt, wie ihr die spärlichen Groschen eures Wirtschaftsgeldes am zweck- mäßigsten für die Ernährung eurer Familie einteilen sollt. wollt ihr. daß die Hungerzeit ewig dauere? Woltt ihr durch eure Stimme dazu beitragen, daß Großgrundbesitz und Großindustrie auf e u r e K o st e n sich gesetzgeberisch« Vorteile zuschanzen können? Dann müßt ihr morgen eine der kapitalistischen Parteien wählen. Aber wenn ihr wünscht, daß eine der wichtigsten Auf- gaben des neuen Reichstages erfüllt werde, nämlich die Lebenshaltung des arbeitenden Volkes, besonders der arbei- Lenden Frauen durch gesetzgeberische Maßnahmen sicher- zustellen, dann dürft ihr nicht den Parteien eure Unter- stutzung leihen, die den arbeitenden Menschen nur als O b j e t t kapitalistischen Profit st rebens ansehen. - Die Sozialdemokratie als die Partei der schaffen- den Arbeit hat gegen die Tcuerungspolitik der Großagrarier immer in schärfstem Kampfe gestanden. Sie hat die Gesetzgebung und die Regierung dahin zu beeinflussen gesucht, daß sie in erster Linie zur Pflege der menschlichen Arbeitskraft und zur Förderung der Heranwachsenden wirken.
Wählen ist ganz einfach! Es gibt noch immer komische ftäuze. die meinen, daß da» Wähle« ein Kunststück sei. Die Sache ist ober ganz einfach. Du erfährst Sein Wchllokat an der AnschlagsSvle. bewaffnest Sich mit Ausweispapieren. Nlcistlft, uöllgenfalls eine, Vrille und begibst Sich ins Lokat . Dort bekommst vu einen amMchen Stimmzettel samt amtlichem Umschlag. Du trittst in die Wohl- zetle, machst an der richtigen Stelle, tn den Kreis der .Dereinigten Sozialdemokratischen Partei". Dein kreuz, steckst den Zettel in den Umschlag und gibst ihn ab. Sehe frühzeitig zur Wahl! jtachmittags ist großer Andrang, da mußt Du lange warten! Und nach S ist, über- Haupt zü spät!!
In dieser Richtung liegt auch das Verlangen der Sozialdemo. kraten, den Achtstundentag gesetzlich sicherzustellen und den Schutz der arbeitenden Frau, der Mutter» sch a f t und des Kindes weiter auszubauen. In dieser Richtung liegt auch ihr Bestreben, den Frauen Anteil- nahm« an allen öffentlichen Dingen zu ver- schaffen. Die Sozialdemokratie hat als erste schon vor Jahrzehnten die G l e i ch b e r e ch t i g u n g der Frau, sowohl in der Arbeit wie in der Politik gefordert. Sie wurde von denen verlacht, die sich heute werbend um die Gunst der Frauen bemühen. Ihre Anträge auf Einführung des Frauenwahlrechts wurden immer wieder abgelehnt, sowohl zu den Körperschaften sozialen Rechtes wie zu den Parlamenten. Erst angesichts der immer massenhafter werdenden Zahl der arbeitenden Frauen entschloß man sich vor dem Kriege zögernd und widerwillig, in Krankenkassen und ähnlichen Einrichtungen die Frau nicht nur zahlen, sondern auch mitbestimmen zu lassen. Aber das große politische Wahlrecht zum Reichs- tage und zum Landtage, die allgemeine politische Gleichberech- tigung der Frau, gab erst die sozialdemokratisch« Regierung der Volksbeauftragten, die nach dem Zusammensturz des alten Systems versuchen mußte, aus dem Trümmerhaufen des Weltkrieges ein neues Reich er- wachsen zu lassen. Wenn die Frauen am 4. Mai zur Wahlurne gehen, dann dürfen sie nicht vergessen, daß jede Stimme, die für die reaktionären Parteien fällt, sich richten wird gegen die Frauen selb st und gegen ihre heranwachsenden Töchter, daß diese Parteien, sobald sie die Mehrheit haben, schleunigst dazu übergehen werden, die Frauenrechte zu verkürzen und dafür wieder auszurichten das von ihnen so gepriesene „Herrenrecht" des Mannes! Sie dürfen nicht vergessen, daß am 4. Mai auch zur Entscheidung steht die Frage, ob Deutschland wieder in«inen neuen Krieg hineingetrieben. ob all die Not, das Elend und die Sorge der Kriegsjahre wiederkehren soll. Oder ob durch eine Politik derBer- st ä n d i g u n g. wie sie die Sozialdemokratie fordert, eine friedliche Entwicklung unseres Landes angebahnt und der Ausstieg aus dem Elend von heute zu glückhasteren Zeiten vollzogen werde! Frauen, in eurer Hand ist euer Geschick gelegt.. Ihr selbst habt am 4. Mai zu entscheiden, ob die Entwicklung rückwärts oder vorwärts gehen soll. Wir wissen, daß ihr v o r w ä r t s strebt, daß ihr für euch und eure Kinder sonnigere Zeiten ersehnt! Denkt daran am Tage der Wahlen! Handelt sa, daß eure Kinder nicht einmal
traurig bekennen mühten, ihr hättet in ernster Stund« eure Pflicht nicht erkannt! ..Vorwärts uud aufwärts" fei die Parole! Vorwärts au» der Rot der Kriegsfolgen in die Zeit, da die Arbeil auch der Arau wieder nach ihrem Werte gewürdigt wird! Aufwärts aus den Niederungen des Egoismus zu den Höhen freien sozialistischen Menschentum»!
wahlschwinüel üer letzten Stunde. „Wir gehen lächelnd über die deutsche Nation hinweg." — Eingeständnis sozialdemokratischer Arbeiterführer.— Das Niesen- Wahlpanama.— Wels schluckt dreiviertel Millionen Rentenmark aus Reichswahlmitteln. Mit einiger Spannung durfte man heute zu den Morgen- blättern greifen. Denn auch für den Wahlkampf gilt die Regel, daß das Beste zum Schluß kommt, oder daß das Gift im Schwanz steckt. Die Gegner von rechts und links haben freilich schon bisher über die Sozialdemokratie soviel zu- sammengelogen, daß eine Steigerung immöglich ist, wenn sie nicht ins Humoristische umkippen soll. Die Ausbeute scheint in der Tat auf den ersten Blick gering. Der„Kreuzzeitung ", der„Deutschen Tageszeitung". der„Deutschen Zeitung" ist die Puste ausgegangen; hier findet man nur noch die allen aufgewärmten, hundertmal widerlegten Dolchstoßgeschichten. Das Vergnügen beginnt erst bei dem völkischen„Deutschen Tageblatt". Dieses beschäftigt sich unter der Riesenüberschrist„Marxistische Schande" mit einer Rede. die ein Bankbeamter immens H a d t i» einer Gcineinde- wählerversammlung in Gchwanenstadt(Oberösterreich ) ge- holten haben fall. Dieser marxistische Schurke hat gesagt: Wir gehen lächelnd auch über die deutsch « Nation hinmeg, wenn«s unseren Interessen entspricht. Wir sind o n o t! o- n n lt Da dieser Ausspruch ein sicheres„Symptom für den Geist ist, der von den jüdischen Führern in die marxistischen Massen hineinzutragen versucht wird", bleibt dem erschütterten Leser nichts anderes übrig, als die Liste Fahrenhorst zu wählen. Später wird sich ja herausstellen, ob der Bankbeamte Hadt wirklich existiert, ob er wirtlich Sozialdemokrat ist und ob er wirklich so geredet hat. Sicher aber ist. daß es tatsächlich in Oberösterreich «inen Ort namens Schwanenstadt gibt. Das genügt! Auf dem entgegengesotzten Extrem kann man es aber ebensogut. Wie sich die„Rote Fahne" aus Chemnitz tele- graaphieren läßt, erfährt der dortige„Kämpfer"„aus absolut zuverlässiger Quelle", daß die Sozialdemokratie von der Regie- rung drei Viertelmillionen Mark bekommen hat,„damit die Wahlen unter den Losungen der Arbeitsgemeinschaft, der verlängerten Arbeitezeit, des Lohndrucks, der Annahme derSachverständigengutochten, des Kampfes gegen die KPD. geführt werden". Da die Arbeiter in Chemnitz alle den„Kämpfer' lesen und alles glauben, was drin steht, spielt sich nun in Chemnitz und Umgebung folgen- des ab:. Die Nachricht von der Bestechung der BSPD.-Führerclique ver- breitet sich wie ein Lauffeuer in Chemnitz und im ganzen Begirl Erzgebirge-Dogtland. Die Empörung der Arbeiter kennt keine Grenzen. Aus den Straßen bilden sich Arbeitergruppen, die erregt die neueste Schand- tot der BSPD. besprechen. Aus Zwickau , Limbach, Aue wird ebenfalls eine ungeheure Erbitterung der Arb-citer- schaft gemeldet. Die Redaktion der„Fahne" selber ist geschickt genug, zu der erschröcklichen Begebenhest seufzend zu bemerken: Drei Viertel Millionen Renienmart— da kann man leichter verstehen. warum die SPD. die Arbeiter vom Kampf um den Achi- stundentag abholten will durch das Schwindelmanöver einer zukünf- tigen Volksabstimmung nach den Wahlen. Man kann sich leichler erklären, warum die VSPD den kämpfenden Arbeitern überall in den Rücken fällt und sie dem Kapital, dem Austraggeber, überliefert. „Alles verstehen, heißt alles verzeihen," sagt ein französi- sches Sprichwort. Das menschliche Verständnis der„Roten Fahne" dafür, daß man auch anders kann, wenn es dafür was gibt, ist wahrhast rührend. Ja, drei Viertelmillionen Mark, das ist halt schon eine Sache, da kann man leichter verstehen. Ach, wir verstehen einander so gut, alte, treue, ehrliche„Rote Fahne"! Was kommt jetzt? Es gibt noch einen Abend, und morgen ist auch noch ein Tag! Am Ende kommt doch noch heraus, daß wir auf einem geheimen Parteitag den jüdischen Brauch, zu Ostern Christenkmder zu schlachten, für die ganze Partei obli- gatorisch gemacht haben, und daß wir gegen eine angemessene Vergütung— man kann es ja.ckeicht verstehen" die Rückkehr Wilhelms II. auf den Thron vorbereiten. In Vorahnung solcher entscheidenden Enthüllungen oereinigen sich jetzt schon