ist er ein gefährliches Spiel. Für dieses ganze Kulissengeschiehe, das sich jetzt bei uns vollzieht, hat man draußen in der Welt nicht das geringste Verständnis. Wenn schließlich auch endlich doch aus alledem nichts wird, und wenn eine neue Mittelvegierung kommt oder die alte wieder» kommt, wird sie ihre außenpolitische Situation durch die vor- ausgegangenen Verhandlungen erschwert finden. Es ist keine Zeit zu verlieren! Jedermann weiß, daß das Sachverständigengutachten von der Regierung Marx als Grundlage der Reparationsregelung schon angenommen ist und daß die Wahlen eine Mehrheit ergeben haben, die sich mit dieser politischen Handlung einverstanden erklärt. Die Stellung der Opposition gegen das Gutachten ist von den Deutschnationalen— der ersehnten„Futterkrippe" zuliebe— preisgegeben worden und nicht mehr zu halten. Jetzt muß gehandelt'werden und rasch gehandelt werden! Daß die Regelung der Reparationen nach den Vor- schlügen der Sachverständigen erfolgen wird, daran ist nicht zu zweifeln. Jeder Tag, um den die Ausfüh- r u ng beschleunigt wird, ist Gewinn, jeder Tag, um den sie verzögert wird, gefähr- l i ch e r V e r l u st. Denn jeder Tag der Verzögerung, jede Unklarheit rückt den Zeitpunkt,. an dem die Aufhebung der Micum-Lasten, der Zoll-Linie, der Eisenbahnregie, die Frei- lassung der Gefangenen, die Wiederzulassung der Ausgewie- senen erfolgen wird, in die Ferne. Dazu kommt entscheidend die gefährliche wirtschaftlich« Lage. Die Ren- tenmark ist nur noch durch das brutale Mittel einer äußersten Kreditverknappung haltbar, wir brauchen Auslandskredit und solide Fundierung der Währung zum täglichen Brot. Zugleich werden an den amerikanischen Kapitalmarkt von anderer Seite her die größten Anforderungen gestellt. Wer die kostbare Zeit in parlamentarischen Intrigen ver- zettelt, lädt eine ungeheure Verantwortung auf sich. Eine Klärung muß eintreten. Sie duldet keinen Aufschub. deutschnationale Parlamentsjournalistik. Die„Deutsche Tageszeitung" und die Hitze. Entweder ist dem Parlamentsredatteur der„Deutschen Tages- zeitung" die Hitze ins Gehirn gestiegen, oder die Redaktionsferien haben in der„Tageszeitung" bereits begonnen, so daß«in eifriger, aber politisch noch in den Kinderschuhen steckender Sommer. redokteur die immerhin wichtigen Fragen der Regierungsbildung be- handelt. In dem gestrigen Abendblatt der„Deutschen Tageszeitung" finden sich an der Spitze des Blattes in knapp zwanzig Zeilen zwei ausgewachsene Enten von erschütternder Komik. Zunächst wird geheimnisvoll versichert, die Kandidatur T i r p i tz sei der Linken nicht unsympathisch: „Aber auch andere, noch weiter linksstehende b«> amtete Persönlichkeiten spielen in der ganzen Situation eine Rolle. Man beachte beispielsweise, daß in der sozial- demokratischen Presse der sonst so scharf attackierte Name des Admirals heut« überhaupt nicht genannt wird." Weich genial« Ahnung von der Verbindung der Zusammen- hänge! Der„Vorwärts" hat Tirpitz nicht genannt, da der Fall erledigt war— also, so schlußfolgert die„ Tages zeitzing", sym- patisieren„linksstehende beamtet« Persönlichkeiten" mit seiner Kan- *'datur. Do stehst« machtlos viz.a-v!« Aber dann meldet das deutschnationale Organ weiter: „An der neuen Besprechung nahm bezeichnenderweise auch der Abgeordnete Hertz von der Soziakdemokrati« teil" Man denke, die„Deutsche Tageszeitung" hält es für glaubhaft. daß Sozialdemokraten mit Deutschnationalen Wer Regierungs» b'ldung verhandeln, sie hält e« sogar für glaubhaft, daß Deutsch - national« mit Sozialdemokraten verhandeln! Die Herren müssen aber u m lt« l l u n g s fr« u d i g sein, daß sie so blühenden Blöd- nnn glauben und denkenl Wir wollen ihnen verraten: Genosse Hertz ging in die Tür unseres Fraktionssekretariats in Zimmer 9, nicht ins Verhandlungszimmer Zimmer 10. Der Herr Redakteur, der so und auf Grund solcher Informationen in der größten
deutschnationalen Zeitung über die Verhandlungen über dt« Re- gierungsbildung berichtet, hat sich in der Tür geirrt. Es war gestern wirklich sehr heiß, und dem deutschnaiionalen Journalisten mag es n o ch schwüler gewesen fein. Die Sesprechungen im Reichstag. Ein parteioffiziöser Bericht. Die Verhandlungen der Mittelparteien mit den Deutschnationalen begannen am Freitag vormittag um 10 Uhr und wurden nach einer kurzen Unterbrechung um 2 Uhr auf Sonnabend vormittag 10 Uhr vertagt. Die verhandelnden Parteien oeröffentlichen über die De- sprechungen folgenden Bericht: „Die bereits angekündigten Verhandlungen nahmen Freitag vormittag unter der Leitung des Fraktionsvorfltzenden der Deutschen Volkspartei Dr. Scholz ihren Anfang. Es fand eine eingehend« Be- sprechung über die sachlichen Grundlagen einer gemeinsamen Regierungsbildung statt. Die Personenfrag« wurde offen- gelassen. Den Besprechungen lag eine von der Deutschen Volks- partei herrührende mit anderen Parteien besprochene Ausarbeitung zugrunde. Die Verhandlungen wurden allgemein als vertrau- lich bezeichnet, insbesondere verpflichteten sich die Teilnehmer, die erwähnte Ausarbeitung einstweilen nicht zu veröffentlichen. Di« Verhandlungen werden Sonnabend vormittag 10 Uhr in gleichem Kreffe fortgesetzt. Ver ßall Tirpitz . Eine deutschnationale Provokation. Die Kandidatur Tirpitz sst erledigt— der Fall Ttrpitz bleibt. Der Fall nämlich, daß dieser Mann es wagen kann, sich als parlamentarischen Reichskanzler präsentieren zu lassen, und daß die Deuffchnotionaken e« wagen, ihn zu präsentieren. Tirpitz hat in seiner Amtszeit mehrere Mal« den Reichstag dreist, belogen, um sein« gegen England gerichteten Motten- Pläne zu verschleiern. Er setzte falsche Ziffern in die Motten- vorlagen 1899-1900, so daß sich Bebel gezwungen sah, ihm im Reichstag vor aller Oeffentlichkeit groben Betrug gegenüber der deutschen Volksvertretung vorzuwerfen. Ein Privatmann, der so wie Herr Tirpitz gegenüber dem Reichstag handle— so führte Bebel aus— würde wegen Betrugs auf die Anklage- bank kommen. In der gleichen Weis« rechnete Eugen Richter mit den Fälscherkünsten des Staatssekretärs v. Tirpitz ab. Er erklärt« eine» Tages: „Ich habe hier schon über hundert Minister kommen und gehen sehen, aber nicht einen, dessen Mitteilungen und Erklärungen man so wenig Vertrauen schenken könnte wie Herrn v. Tirpitz." Aber der Mann des groben Betruges und des mangelnden Vertrauens wurde trotzdem von den Deutsch - nationalen in einem Augenblick als Reichskanzlerkandidot präsen- tiert, wo nur derjenige das Amt des Reichskanzlers bekleiden kann, der allgemeines Vertrauen, besonder» im Ausland«, genießt. Auf Tirpitz trifft das Gegenteil zu. Englisch « Blätter betrachten die Kandidatur Tirpitz als«in« Kampfansage gegen England. Erinnert man sich dessen, was Conrad Haußmann von Tirpitz wenige Jahr« vor dem Kriege ohne Widerspruch wiederholt öffent- lich feststellen konnte, dann wird dos Mißtrauen der englischen Press« durchaus verständlich. Bereits im April 1912 wies Haußmann in der Zeitschrift„März" nach, daß v. Tirpitz eine vom Rüstungskapital subventioniert« Pressehetz« gegen England im MarineaMt i n s z en i«rt- hat. „Der deutsche Kaiser", so hob er hervor,„hat in England erklärt, er nicht, aber das deutsche Volk sei England abgeneigt. Und er sagt«in andexmal, die Mißverständnisse seien durch Presse- Hetzereien hervorgerufen. Diese Pressehetzereien sind deutscherseits das Verdienst des Flottenvereins , und der Flottenverein ressortiert von S«. Masestät Marineminister." Die Präsentation dieses Mannes ist«in« Provokation des deutschen Reichstages, nicht minder des Auslandes. Das ist deutsch - national« Politik. England und Tirpitz. Die Meldung de,„Berliner Lotalanzeigers', daß die Deutsch - nationalen in England Fühlung wegen einer Kanzlerschaft Tirpitz
genommen hätten, ist— zumal Tirpitz ja nach dieser„Fühlung- nähme" als Kanzler vorgeschlagen wurde, in England so oerstanden worden, daß der„Lokalanzeiger" Tirpitz als persona grata in England bezeichnet hätte. Dazu erhalten wir von unserem Londoner Vertreter dies« Funkdepesche: Zu der Behauptung des Berliner „Lokalanzeigers", Tirpitz fei in England persona grata, schreibt„Manchester Guardian", es wäre interessant, die Herkunft der Behauptung festzustellen und zu wissen, wo sich in England jemand findet, der eine Kanzlerkandidatur Tirpitz billig«. Dies« Frage des großen liberalen Blattes zeigt ebenso wie die Haltung der gesamten Presse, daß die Behauptung des„Lokal- anzeigers" grundlos und vielleicht sogar gegen besseres Wissen auf- gestellt ist. Tirpitz und Ludendorff. München , 23. Mai. (Eca.) Zu Pressemeldungen über eine An- Näherung zwischen Tirpitz und Ludendorff schreibt der „Courier", das Organ Ludendorffs: „Wir sind in der Loge, mitzuteilen, daß die Meldung in dieser Form nicht zutvifst. Zwischen General Ludendorff und Admiral o. Tirmtz fand eine einzige Besprechung vor den Reichstags- wählen statt. Diese Besprechung trug in der Hauptsache rein per- sönlichen Eharakter. Ein neuerlicher Annäherungsver- such von feiten des Sllunirals v. Tirpitz hat nicht stattgefun- den. Generell Ludendorff steht im übrigen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Voraussetzung für die Unterstützung der Deutschnotionalen durch die Nationalsozialistische Freiheitspartei die frundsätzliche Ablehnung der Ersüllungspolirik und im übrigen be- onder» die Ablehnung des Sachverständigengut. achten» bildet. Bei der seinerzeitigen Besprechung mit dem Groß- admiral v. Tirpitz glaubt« General Ludendorff bei Tirpitz die gleiche Auffassung feststellen zu können. Di« Stellung der Fraktion der Nationasozialistischen Freiheitspartei im Reichstag zu einem Ka- binett Tirpitz wird wesentlich davon abhängen, ob man mit der bisherigen deutschen Außenpolitik radikal zu brechen entschlossen ist oder nicht."
vor öegknn üer Reichstagstagung. Reichstagspräfident Genosse Lö be hat sämtlichen Mitgliedern de» Reichstag« folgende Mitteilung zugehen lassen: Für die ersten Sitzimgstage des Reichstags sind so zahlreiche Anträge auf Besucher- imfc Tribünenkarten gestellt worden, daß diese Wünsche auch nicht im entferntesten«rMt werden können. Um«ine Ueberfüllung des Gebäudes an diesen Tagen zu verhindern, wird angeordnet, daß vor Eröffnung der Sitzungen nur Besucher mit Wiswetsen, die vom Bureau des Reichs- tags ausgestellt sind, Zutritt zum Hause erlangen. Vom Sitzungs- beginn an werden weitere Besucher in beschränkter Anzahl zuge- lassen und den Abgeordneten gemeldet. Bei stärkerem Andrang muß mit zeitweiliger Sperrung des Zutritts gerechnet rverden, woraus die verehrten Mitglieder des Reichstags ihre etwaigen Gäste am besten im voraus aufmerksam machen«ollen. Die neugewähl- ten Abgeordneten werden gebeten, um Irrtümer von vornherein zu vermeiden, ihr« Karten zur Legitimierung bei sich zu führen. Ruth schmeißt Rechtser raus. halle, 23. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Der bisherige Land- tagsabgeordnet« Schumann ist erst kürzlich von seinen Borge- setzten Ruth Fischer und Schalem strafversetzt worden, weil er genwgt hatte, an der Unfehlbarkeit der„linken" Taktiker Zweifel zu äußern. Das Hot ihm die Zarin Ruth so perübeit,i daß man sich mit der einfachen Verbannung nicht begnügt«, sondern ihm auch das am 4. Mai errungene Reichstagsmanhat wegen der durch Zugehörigkeit zum„Sumpf" erwiesenen Unwürdigkeit ab- erkannte. Er hat dem Wahlleiter des 11. Reichstagswahlkveises die Nichtannahme des Mandats mitteilen müssen. Als Vertreterin der linken Taktik tritt«m sein« Stell« Hedwig Krüger aus Hall«, die in ihrer Heimat„blutige Hedwig" genannt und durch ihr« Roll« im H ö l z- P u t f ch der Oeffentlichkeit nicht unbekannt ist. Sie macht im Gegensatz zum.Sumpfbruder" Schumann in chemiich reiner Linkstaktik und soll der Reichstagsstaktion der KPD . den längst fehlenden Schwung verleihen.
der Sucklige. Von Elvira Rosenberg. Nein, sie hatte unrecht, dos Fräulein Krüter. Kleine Leute werden nie ecwas. Immer lachen die Großen über sie. Dos war auch so bei den Erwachsenen. Immer würde er Hänne heißen... nie Johannes. Würden sie ihn nicht sonst Hans oder Hänschen rufen...? Weil er einen Buckel hatte... Freilich, besser war» ja schon, wenn sie so sagte und ihm dabei hübsch langsam über das Haar strich, als wenn die Mutter stöhnte: „Du bist auch zu nichts nutze, als Doktor und Apotheker reich zu machen. Dich werde ich wohl auf dem Hals« haben, solang« ich noch krauchen kann." Ja, dos war Hänne« größte Angst, daß er einmal nie Geld oerdienen werden könne. Bucklige Leute müssen Uhrmacher lernen, weil sie keine Muskeln haben, nicht hoch langen können. Das wären drei Jahr« Lehr« gewesen. Und wie er davon einmal angefangen hatte, war die Mutter hochgefahren:„Woher nehmen wenn nicht stehlen." O, wenn er doch Fräulein Krüter» Kind ge- wesen wäre... Banonenschokolade von Sarvtti hott« sie ihm da» letztemol geschenkt. Mutter durfte davon nichts wissen. Fräulein Krüter war«in« Rote und schon zweimal ausgesperrt worden. Und wenn der Meister das sah, mit der Schokolade und so... tonnt« e» der Mutter schaden. Und Vater war tot. Zum Verdienen war keiner weiter da. Don der Mutter aus war es fest, daß er alles von der Wirffchaft lernen sollte, damit er zu Hause bleiben konnte und alles besorgte, wenn Mutter von der Fabrik kam, müde und hungrig war. Mutter war nicht gut zu ihm, und er gab sich doch solche Mühe... Manchmal lachte sie wohl, stieß und knuffte ihn nicht, wenn er alles blitzeblant gescheuert und sogar die Strümpfe gestopft hatte. Dann nahm sie seine Hände und sagte:„So'ne langen, schmalen Dinger. Wo haste die bloß her. Wo Dein Vater zufaßte, wuchs kein Gras mehr. Zum Schluß bekam er«ins an den Kopf:„Wenn Du wenigstens lernen würdest!" Das fiel ihm schwer. Wie tonnte er aufpassen, wenn sie ihn immer hänselten, und wehren konnte er sich nicht; zu Hause aber hatte er soviel zu tun, daß er seine Schul- arbeiten nicht richtig machen konnte. Hänne kam mit Mutter von der Kirche, von der Einsegnung. Fräulein Krüter hatte ihn wollen in die Jugendweihe bringen Sehr hatte er gebeten, das doch zu tun. Soviel schöner war das olles dort. All«, dte zur Jugendweihe gingen, oerhöhnten ihn nicht � Aber dafür war die Mutter nicht zu haben gewesen.... Groß und breit stand Fräulein Krüter in der Küche: „Und was wird letzt mit dem Jungen? Soll er bis an sein Lebensende Strümpfe stopfen und Heimarbeit schwitzen?" „Na, Krütern, Sie sind wall von Iott und alle Welt verlassen? Das is doch woll meine Sache, was ich mit meinem Jungen mach«'" „Ja. für die Eltern die vom Pfarrer sich die Kinder fürs Leben mechen Xss.en, bleiben sie der Eltarn E gentum und Haibtotschlaoe- iachs. aV.'für uns moderne Leute, für die Roten, liebe Steinmann, sind die Kinder nur für sich selbst da. Der Junge muß m die Lehre. Wem, Sie mal die Aug» zumaK», was denu denn? Kehk"
Nun ging es los. Ein Wort gab das ander«. Hänne grub den Kopf in beide Hände. An seinem Einsegungstag. Schon wie er heut morgen sich im Spiegel gesehen hatte mit dem blauen Anzug, den die Mutter für schweres Geld hatte noch Maß machen lassen müssen, war er so traurig geworden. Alles schlubberte an ihm herum.... Und plötzlich wuchs in ihm riesengroß so«in Hartes, Festes. Er stand auf: „Mutter, Fräulein Krüter hat recht. Du kannst ja mit mir machen, was Du willst. Aber daß ich nicht einmal ins Wasser gehe, das kannst Du nicht verhindern. Und dos tue ich, wenn ich mchts weiter werde als was ich schon bin, der Bucklige." Fräulein Krüter warf die Tür zu.... Verblüfft starrt« ihn die Mutter an. Dann setzt« sie sich auf die Kohlenkiste und sing bitterlich an zu weinen. Und es war, als wenn alles Leid, das die grausame Mitjugend Hänne so reichlich zugeteilt hatte m seiner Kindheit, mit erneuter Wucht vor ihm auf- stand. Er schlang seine Arme um der Mutter Hals und weinte herzbrechend mit. Sie rechnet« ihm vor, wie bei dem kleinen Fabriklohn es ja gor nicht möglich sein würde, ihn drei oder vier Jahre zu erhalten. Di« Dämmeruna war herabgesunken, und immer noch hockten sie beide in der dunklen Küche aus dem Kohlentasten.... Aber es dünkte Hann« mit einem Mol« als die schönste Stunde seines Leben» bisher, denn die Mutter hatte ihn in ihre Arme genommen, ge- streichelt und geküßt und dabei so gut und so weich gesagt:„Mein armer, armer Junge..." Da dachte Hänne bei sich, es ist auch besser so.... Auch im Handwerk nehmen sie immer erst die Gesunden, Kräftigen. Weh«, wenn er dann der Mutter zur Last gelegen hätte. Auch hätte ihm Uhren reparieren gar keinen großen Spaß genmcht... au» Gold schön« Schmucksachen herstellen, das wäre etwas gewesen.... So sagt« er auch zu Fräulein Krüter.... Di« aber ruhte nicht und hatte einen Genossen in der Partei ausfindig gemacht, und eines Tages gab sie Hänne einen Zettel mit dessen Adresse. Und so kam es, daß Hann« bei voller Kost und einem Anzug in die Goldschmiedewertstatt des größten Geschäfts der Stadt aufgenommen wurde. Sein kleines bis dahin so oft verwundetes Herz fing an zu heilen und füllt« sich mit einer großen Liebe, mit der Liebe zur Arbeit. Cr blieb zwar das Aschenputtel der Wert- statt, er konnte das Zeichnen nicht lernen, aber er vergaß, daß er oerwachsen war.... Drei Jahr« waren vergangen. Eine eilige Arbeit sollt« fertig. gemacht werden: da erkrankten zwei Gesellen an der Gripp «. Der Meister konnte nicht alles ollein machen. Er gab die Stein«, Saphire, gelbe und weiße Brillanten Hänne mit Zagen. Die Zeich« nung war verschwunden dazu. Hänne war der einzig«, der sie sich näher angesehen hatte. Und so arbeitete er aus dem Kopf. Nur macht« es ihn unfähig, wenn der Meister ihm auf die Hände sah. Heimlich arbeitete er alles vor. und am Sonntag, gleich nach Hell. werden, ließ ihn der Wächter ein. um dos Stück fertig zu machen____ Sprachlos stand am Montag der Meister davor. Siedendheiß wurde es Hänne. Denn es hätte wohl noch manches anders gemußt. Da-u aber fehlten ihm nocb Steine und Metoll. Daß es die ur- fprünglictre Form nach der Zeichnung nicht war, tonnt« der Meister nicht wissen. Hänne konnte zwar nicht zeichnen, aber in feinem Kopf« stand alle» ausgemalt. Mit dem Werkzeug fc« ffiotttias
zeichnete er au» freier Hand seine Arbeit.... Der Meister holte den Chef. Der kniff«in Auge zu: „Und daß wir so was als Lehrling im Hause haben, bemerken Sie erst auf dies« Weise?" Hännes Herz macht« ruck, ruck und schien zu stehen.... Jetzt flog er hinaus...! Wie konnte er auch«igen« Neen hoben. Immrr nur Aschenputtel in den Werkstätten, Handlanger den anderen, dazu langt« es. Da drehte sich der Chef herum-„Ihre Sauklaue im Zeichnen müssen Sie verbessern. Melden Sie sich auf der Kunstgewerbeschule für die Abendkurse. Dafür fangen Sie morgens später an."... Er ging. Hann« aber erlebte in diesem Augenblick sein« ureigentliche Ge- burt. Groß und breit stand Fräulein Krüter vor seinem inneren Auge:„Auch klein« Leute können wertvoll sei.... Paß mal auf. Du mit Deinen langen feinen Fingrn wirst es einmal. Darauf iß man die Schokolade. Fein, was? Und so sein wird es später. Es muß doch auch kleine Leute geben." »- J£!!� Schmerz zog durch sein« Brust. Warum hatte vto* I+c ,u*<r' � Fremde, so an ihn geglaubt und warum nicht
. LarnowM verläßt da» tessingthealer. Direktor Barnowski muß da» Lessinglheoter aufgeben, in dem er 11 Jahre lang zum Nutzen einer anstandigen und auch stilvollen Theaterkunst gewohnt hat. ■«rdrängt von tüchtigeren Unternehmern, denen die Kunst mcht so heilig ist wie ihre Kasse. Als Otto Brahms vor vielen Iafjren dos Deutsche Theater aufgeben muß'«, weil Max Reinhardt ihn ousmielet«, da wich wenigstens ein tüchtiger Mann vor dem anderen tüchtigen Mann. Brahms fand auch bald ein neues Unter- kommen in jenem Lesjingtheater, dessen Türen sich jetzt vor Bor- nowski schließen. Heute ist man gleich obdachlos, wenn die Leute mit dem großen Portemonnaie den Hinauswurf besorgen, und so weiß man auch nicht, was Barnowski eigentlich beginnen wird. Ts heißt, daß er in Amerika deutsch « Kunst zeigen möchte. Dies« Kunst kann sich sehen lassen. Barnowski fft stets ein an- ständiger Direktor gewesen, der Geschäft und Stil gut miteinander verband. Er folgte zwar der Mode, daß er in einem 5)auz Operette und im anderen ernstes Schauspiel gab, aber«r tat es doch nur mit halbem Herzen, um durch das Theater der schönen Beine zu ver- dienen, was er am Theater der ehrlicheren Musen zusetzen könnte. Man dankt es chm, daß er Lautsnsack, den bis zu seinem Tod ver- nachlässigten Dichter, auf die Bretter brachte. Er hat so das An- denken einer starken Individualität geehrt und war bei alledem gar nicht furchtsam. Wildgans und Eulenberg und Strindberg und Goeche und Blumenthal, das ist gewiß ein buntes Potpourri, aber der Mann, der alles das inszenierte und dazu noch Show und Schnitzler, bemühte sich stets, für den guten Geschmack zu retten, was dem hartköpfigen, nur das Amüsement verlangenden Publikum abzuringen war.»Als Regisseur lebt er von den Idealen einer großen Dergangenyeit. Als Wegbereiter für die Mrdernkn ist er «chlicßlich auch mit Georg Kaiser ceqanacn. Der geistiee Aufwand, dm er braucht«, war nicht unbe'rächtlich. denn die Leute, die heut« einen Parkettplatz voll bezahlen, find nicht nur in den Muskeln ver- ««hlicht. widern auch in dey täecm LezirZcn umechM fett