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fofart für geschlossen erklären zu lassen und die ganz« Frage bis zum Herbst zu vertagen. Auch dieses Mittel dürfte Millerand wenig nützen. Denn ein von der Mehrheit der Mitglieder beider Häuser des Parlaments unterzeichneter Antrag genügt, die Regierung zu zwingen, die Kammern sofort wieder zusammenzuberufen. Varls, 6. Juni.  (Eigener Drahtbericht.) Einige der am Freitag morgen von Millerand befragten Politiker haben sich vom Elysee direkt in die Kammer begeben, um die dort beratenden Führer des Linksblocks von dem Verlauf der Besprechung in Kenntnis zu fetzen. Franklin-Boulllon hat dabei mitgeteilt, daß er Millerand nicht im Zweifel darüber gelassen hat, daß er dessen Auffassung von der Lag« nicht zu teilen vermöge. Der Abgeordnet« Brunei  teilte mit, Millerand habe versichert, er fei bereit, den am 11. Mai zum Ausdruck gekommenen Willen der Wählerschaft durch Bildung eines ausgesprochenen Kabinetts der Linken und durch vorbehaltlose Annahme seines Programms Rechnung zu tragen. Auf den Ein- wand Bruneis, daß er unter den Politikern der neuen Mehrheit nicht einen finden werde, der aus seiner Hand den Auftrag zur Kabinettsbildung entgegennehmen werde, habe Millerand geant- wartet, er habe in dieser Hinsicht seine Hoffnungen noch keineswegs aufgegeben. Varls, 6. Juni.  (WTB.) Nach dem Senator C h a u m e t hat der Präsident der' Republik nacheinander den radikalen Abg. Klotz, den Abg. Thomson(der dieser Tage aus der linksrepublikanischen Gruppe ausgetreten ist, als der dieser Gruppe angehörende Abgcord- nete M a g i n o t sich für den Posten des Kommerpräsidenten auf- stellen ließ), den Unabhängigen Sozialisten Brunei und den Radi- kalerr Franklin empfangen. Klotz erklärt« Pressevertretern beim Verlassen des Elysöes, daß er keine Mitteilung über den Inhalt der Unterredung machen könne, die naturgemäß vertraulich gewesen sei. Brunei   sagte den Journalisten, der Präsident habe ihn um seine Mei- nung über die Lage befragt. Cr habe den bestimmten Eindruck, daß Millcrand ein Ministerium bilden werde, aber man könne sicher sein, daß er, Brunei  , in dieses nicht eintreten werde. Thomson lehnte ebenfalls ab, sich über den Inhalt der Besprechung zu äußern, fügte aber hinzu, er bleibe dem Standpunkt treu, den er bei den VerHand- langen unmittelbar vor der Wahl Painleves zum Kammerpräsidenten eingenommen habe. Er sei damals gegen jede andere Kandidatur gewesen, denn er sei fest von der Notwendigkett einer Politik über- zeugt, die sich auf die Linksparteien stütze; aber er se, nicht weniger eittfchlossen, gegen jedes Verfahren Front zu machen, das gegen die verfassungsmäßigen Regeln verstoße. Deshalb schließe er sich der außerparlamentarischen Kampagne gegen den Präsidenten der Repu- blik nicht an. Paris  , 6. Juni.  (Cca.) Millerand hat wetter den Abgeordneten de Vincent, den früheren Gesundheitsminister Paul St raus und den früheren Ackerbauminister Boret empfangen. Paris  , g. Juni.(MTB.) Der Präsident der Republik hat um 12 Uhr die Schriftführcr und Quästoren des Kammerbmeaus empfangen. Kreditsperre für Millerand. Paris  , 8. Juni.  (Eca.) Mehrere sozialistisch-radikale Sena­toren sind heule nachmittag in der Kammer erschienen, um mit dem Leiter des linken Blocks über M o u t e t s Vorschlag zu beraten, dem Präsidenten die Kredite zu sperren. Sie haben versichert, daß sie diesen Borschlag im Senat vertreten würden, ohne dessen Zustimmung Moutets Vorschlag nicht Gesetz werden könnte. Der Kampf gegen den Präsidenten wird also immer heftiger und die Stellung Millerands erscheint selbst Kreisen des früheren Bloc National immer weniger hallbar. Die Tagung der Kammer.. Paris  , 8. Juni.  (EP.) Die Kammer hat heute die Prüfung der Abgsordnetenmandate fortgesetzt. Nachher teilte Painleve mit, daß«r von dem kommunistischen Abgeordneten C a ch i n eine Motion folgenden InHalls erhalten habe:Die öffentliche Meinung ist vom Bewohner des Elysä« selbst aufgefordert worden, zur Präsident- Ichastsfrag« Stellung zu nehmen. Nach den offiziösen Zeitungen fordert Millerand, daß die Kammer sich klar über seinen Rücktritt ausspreche. Wir ersuchen diese Versammlung deshalb, ohne Verzug und mit Entschiedenheit sich über diese Forderung
auszusprechen.. Die Kammer muß darum heute schon ihre Mei nung ausdrücken und über den Vorschlag des Staatsoberhauptes Beschluß fassen. Wenn nach einer Kundgebung, deren Ausgang nicht zweifelhaft ist, der Präsident der Republik daraus bestehen würde, die öffentliche Meinung herauszufordern, so würde diese nicht verfehlen, ihm mit aller angezeigten Deutlichkeit ihren souve ränen Willen aufzudrängen." P ai n l e v ö erklärte, daß dies« Mo- twn nicht angenommen werden könne, da sie der Verfassung zuwiderlaufe. Dies« gestattet nämlich nicht, den Präsidenten der Republik in der Kammer in die Debatte zu ziehen, außer wenn es sich um eine Hochverratsaffäre handelt. Darauf beschloß die Kammer, eine Kreditkommission von 44 Mitgliedern zu ernennen und vertagte sich dann auf morgen nachmittag. Der Kam- munist Verton ruft: Er hoffe, daß bis dahin Millerand sich ent- schlössen haben werde, zurückzutreten! Mehrere andere Kommu- nisten rufen: Nieder mit Millerand! Stimmen ües fiuslanös. London  , 8. Juni.  (Eigener Drahtdericht.)Manchester Guardian" stellt das hohe Niveau der Reichstagsdebatte vom Donnerstag fest. Das Ereignis des Tages fei die Rede Lobes gewesen, der in einer seit vielen Iahren in Deutschland   nicht mehr gehörten Beredsamkeit mit der äußersten Rechten abgerechnet und die Verteidigung der deutschen Republik durch die republikanische Jugend verkündet habe.Manchester Guardian" nimmt an, daß baldig« Neuwahlen bevorstehen für den Fall, daß Schwierigkeiten über' die Durchführung des Sachverständigenplanes entstehen. Kopenhagen  , 6. Juni.  (Mtb.)Politiken  " schreibt zu dem Abschluß der deutschen   Regierungskrise, daß dos neue Ministerium nur eine schwache Position Hab«. Seine Autorität sei von vornherein durch die vorangegangene lang« Krise geschwächt. Schon rein zahlenmäßig betrachtet stünden die Koalitionsparteien viel schlechter da als wie vor den Wahlen. Das Ministerium sei auf die Hilfe der Sozialdemokrat ie angewiesen. Wenn es sich aber dieser Hilfe bediene, werde es den eigenen Block schwächen. Es habe den Anschein, als ob Neuwahlen in kurzer Zeit nicht ausgeschlossen seien.
Reventlows großes Geheimnis. Er weiß, wie Deutschland   zu retten ist, sagt es aber nicht! In alten Zelten fragte einmal«in prüfender Professor«inen Medizinstudenten, welche Funktion im menschlichen Körper die Milz habe:Herr Professor." stammelte der Kandidat,ich habe es ge- wüßt, aber ich habe es vergessen!"Sie Unglücklicher," antwortete der Professor,Sie find der einzige, der gewußt hat, welche Funk- tionen die Milz hat, und Sie haben es wieder vergessen." In einer ähnlichen unglücklichen Lag« befand sich gestern der Reichstag   bei dem Bortrag des nationalsozialistischen Grafen Re- ventlow über die auswärtig« Politik. Dieser Vortrag, der sonst äußerst langweilig war, schloß mit einem unfreiwillig humoristischen Knalleffekt. Der Graf plädierte in seiner blasierten Weise für die glatte Ablehnung des Sachverständigengutachtens. Was dann?" tönt« es ihm aus den Bänken der Sozialdemo- traten entgegen. Dann wird etwas geschehen, was seit fünf Iahren noch nie ge- schehcn ist!" Na was denn?"(Allgemeine Spannung.) Meine Herren und Damen, dann werden wir Politik treiben!" Was für eine Politik denn?" Ja, glauben Sie, daß wir s o d u m m sind, das hier öffentlich zu sagen? Aber wenn sich einer der Herren zu mir bemühen will, dann werde ich ihm das unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit mitteilen. Wir wollen eben eine grund- stürzende Aenderung im völkischen Sinn." Sprachs, klappte sein Manuskript zusammen und ging. Hohn- gelächter der Hölle hinterdrein! Wer geht nun zum Grafen Revenllow? -i- Die Deutschnationalen legten gestern bei Beginn der Rede des Genossen Breitscheid  «in höchst unanständges Be-
nehmen an den Tag, indem sie absichtlich durch minutenlanges Ge- brüll die Stimme des Redners übertönten. Zum richtigen kommu- uistischen Konzert fehlte nur der Bläserchor, den man durch Krair der Kehlen zu ersetzen versuchte. Als später der Demokrat Kock) dieses Treiben scharf tadelte, redeten sich die Schuldigen darauf hinaus, ihr Gebrüll sei nur ein« Revanche da-ür gewesen, wie man ihren Redner, Herrn Schlange, behandelt hätte. Hierzu sei festgestellt, daß Herr Schlange selbst es war, der durch seine Redeblüten schallend« Heiterkeit hervorgerufen hatte und der überhaupt auf den ganzen Reichstag, wahrscheinlich bis in die Reihen der eigenen Parteifreunde hinein, als komische Figur wirkte. Die Ursache der unwiderstehlichen Ulkstimmung, die sich des Hauses bemächtigte, lag einzig und allein in der unglücklichen Wahl, die die Deutschnationolen mit ihrem Fraktionsredner ge- troffen hatten. Breitscheid   aber ist ein formvollendeter Redner und eine Persönlichkeit, die im Inland und Ausland ernst genommen wird. Was er sagte, war wert, auch vom Gegner mit Achtung ausgenommen zu werden. Ob man über Schlange lacht oder zu Breiffcheids Reden blökt, ist also doch zweierlei. Das erst« ist die natürliche Reaktion des kritischen Verstandes, das zweite ist etwas, was Graf Westarp selbst, alz   es ihm von kommunistischer Seite widerfuhr, alsLärm des Viehstalls" bezeichnete. Das Lanöesverrats-Gutachten. Eine sozialdemokratische Anfrage. Der Reichswehrminister hat bekanntlich in der Untersuchungs- fache gegen Dr. Zeigner ein Gutachten an die Untersuchungs- behörde gerichtet. Auf Grund dieses Gutachtens, dessen Inhalt be- kannt ist, hat die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion im Reichstag folgende Anfrage eingebracht: Wir fragen: 1. Auf wessen Veranlassung ist diesesGutachten" an den Herrn Untersuchungsrichter des Reichsgerichts gesandt worden? 2. Kannte der Herr Reichswehrminister dieses Gutachten vor seiner Uebermittlung an den Untersuchungsrichter? 3. Ist es«in Gutachten des Reichswehrmin''iums? 4. B i l l i g t der Herr Reichswehrminister den sachlichen In- holt dieses Gutachtens? 3. Billigt der Herr Reichswehrminister die Form dieses Gut- achtens? 3. Haben dem Verfasser des Gutachtens vor dessen Ausarbeitung die Akten des Untersuchungsrichters vorgelegen? 7. Ist der Herr Reichswehrminister für den Jnhall dieses Gut- achtens verantwortlich? 8. Wenn nicht: Wer ist dafür verantwortlich? g. In wessenAuftrag" hat Oberst G e m p p das Gutachten erstattet? 10. Hatten er oder sein Auftraggeber die G e n e h m i g u n g des Herrn Reichswehrministers zur Erstattung des Gutachtens? 11. Wag gedenkt der Herr Reichswehrminister zu tun, um den Oberst Gempp zur Verantwortung zu ziehen, falls er ohne Genehmigung des Herrn Ministers das Gutachten er- stattet hat? 12. Wie gedenkt der Herr Reichswehrminister dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft nicht wieder Offiziere, Beamte oder sonstige Angestellte des Reichswehrministeriums Gutachten erstatten, ohne daß der HerrMinister ihren Inhalt kenntund billigt?_ Kuhaltische Lanütagswahlen. Halle. 8. Juni.  (Eigener Drahtbericht.) Nicht weniger als 13 Vorschläge sind für die am 23. Juni stattfindenden anhalti­schen Landtagswahlen eingereicht worden, und zwar von der Sozialdemokratischen Partei, den Deutschidemokraten, der Deutschen Vollspartei, den Bvdenreformern, den Landbünden, Kommunisten, Deutschvölkischen, dem Zentrum. Deutschen   Bauernbund, Deutsch  - nationalen, Hausbesitz Stadt und Land, den Deuffchfozialen und Hausbesitz und Gewerb«.
Max Kretzer   siebzig Jahre. Von Josef K l i ch«. Am 7. Juni runden sich sieben Jahrzehnte, seit Max Kretzer  l8S4 in Posen geboren wurde. Er war der Sohn leidlich situierter Leute, die indes ihr Vermögen verloren und also in Berlin   eine neue Heimat suchten. Als Dreizehnjähriger bereits ging hier der Knabe mit seinem Bater in die Fabrik und lernt« so das Milieu kennen, in dem sich seine späteren Romangestolten bewegen sollten. Was Krctzer unter Dutzenden seiner Zunft auf einen besonderen Platz hob. das ist die Tatsache, daß er zum Begründer des naturalistischen Romans in Deutschland   wurde. Daß er nicht nur den Berliner  Roman, sondern darüber hinaus erstmalig breit und wuchtig mit ebenso breitem Erfolg den sozialen Zeitroman formte. Nach Zolas Borbild: bisher der Kunst noch unerfchlossene Gebiete aufzusuchen. ohne Scheu die Schatten- und Nachtseiten des menschlichen und des g?sell!chaftlichen Lebens in breiter Zustandsschilderung in seinen Büchern bloßlegend und so mit warmem Herzen die neue Großstadt- kirnst formend. Daher auch die Kretzer über Berdienst ehrende einst- molige Redensart von demBerliner Zola". Um die Wende der siebziger Jahre, als die soziale Not nach dem gewalligen Kroch der auf den siegreichen Krieg gefolgten Gründer- jähre sich kraß entwickelte, als die erstandenen Fabriken bald Menschenmassen anzogen, bald sie wieder alz überschüssig auf die Straße setzten, damals begann Max Kretzsr die ersten Romane zu schreiben.,Die Betrogenen",Die Verkommenen" und so ähnlich lauteten die Titel, bis dann 1888 im ,.M ei st er Timpe" jenes starke Werk entstand, in dem das durch die Maschine zu Boden gedrängte Klemhandwerk mit dem kapitalistischen   Riesen den un- gleichen Kampf aufnimmt, um gar bald von diesem erdrückt zu werden. Mit der blumsnbekränzten ersten Lokonwtiv« der Berliner Stadtbahn   hält in der Darstellung symbolisch die neue Zeit ihren Einzug, während irgendwo ein braver Kleinmeister unter dem Fluch des Reuen zugrunde geht. Ueber vier Jahrzehnte sind vergangen, seit Max Kretzer   den Stubeninalerpinsel aus der Hand legte und nach anfänglichen Ge dichten und sozialpolitischen Aufsätzen seinen ersten Roman schuf. Cr führte den TitelDie beiden Genosse n", trug einen aus- gesprochen antisoziatistischm Zug und war keineswegs mehr als Kolportage. Kein Wunder, daß der sehr offene und in künstlerischen Dingen keinen Spaß verstehende Arno Holz   damals ein sehr böses Morl auf Kretzer, den Bruder in Apoll  , prägte. Zlus jenem Kol- ' portagenioeau ist Kretzer dann bald herausgewachsen; dennoch, wenn man die fünf Dutzend Roman- und Novellenbücher erblickt, die dieser im Laufe der langen Zeit schuf: noch vieles ist darunter, was durck-ous nicht literarisches Edclgut bedeutet. Dennoch sind einzelne leiner Bücher grankücfe Zeitbilder de? früh-wilhelminischen Berlin  , und in vielen seiner Roman« wurde er zum Anwall der Armen und Unterdrückten, der Enterbten des Glücks wie der sozial Rechttosen.
Auch Ermnerungsskizzen hat Max Kretzer   geschrieben. Unter d«m nicht gerade naheliegenden TitelMilder Champagner" sind diese vor einigen Jahren erschienen. Natürlich Berlin  : so mancher bekannt« Ort und Name tauchen auf. Volkstum, Berliner  Volkstum. Ein Kapitel ist der Zeit des Sozialistengesetzes gewidmet. Paul Singer  , Louis Piereck, Ignaz Auer   und andere von bestem Klang gehen vorüber. Fast macht die Erinnerung sentimental. Die einstigen deutschen   Nachfahren des französischen   Naturalis- mus wurden in ihrem Schaffen von einer starken sozialen Welle ge- trägem Heute geht die soziale Wandlung in unserem Volkstum in gleich scharfer Weise vor sich. Und unsere deutsche   Dichtung? Ein« einzige grandiose Unfähigkeit, sich künstlerisch mit den Problemen der Zeit abzufinden. Ein wirklich bedeutendes, den Geist unserer Zeit widerspiegelndes Werk ist in den Iahren nach dem Kriege nicht erstanden. Der 5ilm als Kulturproblem. In einem Mitte Mai auf der großen L i ch t f p i e l r e f o r m c r> tagung zu Wien   gehaltenen Dortrage untersuchte der Stettiner Stadtbüchereidirektor Dr. A ck e r k n e ch t die Kernfrag« nach dem positiven kulturellen Wert des Lichtspiels und kam dabei zu folgen- den Erkenntnissen. Der Kulturwert des Films ist im Prinzip ent- schieden zu bejahen, es kommt nur darauf an. aus dem eigensten ZVesen des Lichtspiels heraus die richttgen Voraussetzungen für seine schöpferischen Wirkungsmöglichkeiten zu schaffen. Wenn man von der allgemeinen psychologischen Taffache ausgeht, daß der optischen Wahrnehmung von Bewegungen, welche ja auch die Eigenort des Laufbildes im Gegensatz zu der aller unbeweglichen Bilder aus- mochl, eine ganz besonders starke Gesühlsbetonung inne­wohnt. erkennt man die beiden Hauptlinien, auf denen der Film unter Einsatz der ihm eigentümlichen Kräfte seine kulturelle Lauf- bahn zu erfüllen hat: Er ist unter allen bildlichen Veranschaulichungs- Mitteln einerseits der eindrucksvollste Berichterstatter aus der ge- samten Welt der Wirklichkeit(Lehrsilm), andererseits der unwider- stehlichsts Erzähler erdichteter Tatbestände(belletristischer Film). Die Bedeutung des.Lehrfilms" für Forschung und Unterricht innerhalb der rein wissenschaftlichen Sphäre und für die volks- bildnerische Wissensverbreitung und-Vertiefung ist längst an- erkannt. Besonder« Vorteile ergeben sich hier aus der Fähigkeit, ge- geben« Bewegungen zu beschleunigen oder zu zerdehnen, und aus der pädagogischen Ileberzeugungskrast des sogenanntenGraphischen Films"(inTrickmanier"). Stärker noch als im Lehrfilm wirkt sich die dem Lichttpiel eigentümliche Gefühlsbetontheit imbelletristischen Film" aus, der ein Kulturfaktor von gewaltigen, noch lange nicht völlig entbundenen Kräften ist. Der einseittgen ästhetischen Richtung der Lichttpielresormer entgegen, die den kulturellen Wert des Films seinem künstlerischen völlig gleichsetzen, ist der auch auf den anderen Gebieten gl? richtig erkannte Standpunkt bervorzuheben, daß auch der ästhetisch unzulänglichen Belletristik für weite Volksschichten bildungspflegliche Bedeutung zukommt, soweit sie den menschlichen Hunger nach gefühlsmäßigem Erleben in gesunder Weise befriedigt imd solcherart die heute so häufig« Disharmonie der geistigen und
seelischen Kräfte zu wirklichem Einklang auflöst. Alskultu- reller Uebergangswcrt" darf derKitsch" nicht verkannt werden. Derkulturelle Zielwert" ist und bleibt im Be- reich aller Belletristik selbstverständlich das Kunstwerk und seine Vor- aussetzung: die künstterffche Erlebnisfähigkeit.
5reunöe. Sie kommen jeden Nachmittag ms Kaffeehaus: ein Blinder, ein Lahmer und einer, dem man nicht ansieht, ob auch er ein körperliches Unglück mit sich trögt. Der führt den Blinden, der Lahme hat mit sich selbst genug zu tun. Sie sitzen immer an dem gleichen Tisch und trinken den billigsten Kaffes. Sie kommen nicht zum Vergnügen: Sie wollen dem Un- glücklichsten unter ihnen, dem Blind-m. eine angenehme Stunde ver- schaffen, ihn teilhast werden lasten an dem Geschehen in der Welt. Sie lesen ihm die Zeitung vor. abwechselnd, um nicht zu ermüden. und ganz leise, damit niemand an den ondeieu Tischen gestört wird War gerade nicht liest, achtet aufmerksam aus jeden Wunsch des blinden Freundes. Er führt seine Hand zur Tasse, stellt sie für ihn hin, reicht ihm die Zigarette, zündet sie an und drückt sie, aus- geraucht, aus. Ist dann das kurze Stündchen vorüber, zahlen sie für ihn, ziehen ihn an. setzen ihm den Hut auf, schieben die Sessel au  » seinem Weg und geleiten ihn wieder, daß er nirgends sich cm Leids tun kann. Drei gute Freunde. Ein Blinder, ein Lahmer und«in scheinbar Gesunder. Eine Insel in dieser freund- und freudlosen Zeit. Es müßte traurig sein zu wissen, was sie zusammengeführt hat. Wie es beschämend ist, zu tzehen. daß der eine, der nicht wissen müßte, wie unfähig wir anderen, die wir nicht blind und lahm sind, dem Leben gegenüberstehen, wie mir cz nicht meistern können, uns von Fiktionen. Wehnen und Besessenheiten guälen lassen, so neugierig auf das ferne Geschehen ist Oder glaubt er. daß einmal doch das große Heil der Menschheil aus der Zeitung im Kaffeehaus zu ihm dringen könnte?__ Hanns M a r g u l i- s. Das Geheimnis derTodesslrahlen". Das Aufsehen, mit dem der englisch  «Erfinder  " Grirzdell-Matthews seine sogenannten Tode'- strahlen umgeben hat, scheint sich allmählich zu verflüchtigen. Tm, Zteklle Schumann zu Kopenhagen   tritt gegenwärttg ein früherer n--- lischer Fliegerhauptmann A. I.   Roberts auf. der nach den, Kne» k?- Matthews angestellt war. Er führt allabendlich die merkwiii-ta Wirkungen der Licht- und Schallwellen vor. Roberts erbebt spruch. Erindell-Matthews die Idee zu seinen Todesstrahlen oJLfrn zu haben. Früher hatte er schon einen drahtlos st-u-rba-en torpibo und eine hochempfindliche Unterwassermino konftn.i/rt X Zeitungsleuten hat sich nun Roberts folgendermaßen aeäußert X habe niemals aus meinen Erfindungen Geld schlafen könn-n' Matthems hat das getan, der mich nach dem Krieg'gegen eta tzteÄ-lt von zehn Pfund wöchentlich anstellte, damit ich Erp rimetae und ihn mit Ideen versehe. Matthews beschäftigt damaligen Mechaniker A. G. Lüne». Märend un ereg aibeitcm habe ich natürlich mit Matthews oft lichen Wirkungen der Vibrationen gesprochen ander» und öffentlich d-e Explostawirkungen gewisser Strahlm! z. der