Berg, 3. 0. Gerold, Masor Blume und ein paar andere Konservative vor. Hammer st ein erschien kurz darauf und erklärte:„Ich komme eben vom Grafen Eulenburg. Er ist bereit, C a p r i o i s Nachfolge zu übernehmen. Aber unter einer Bedingung: daß er sofort durch den Bundesrat das ollgemeine Wahlrecht außer Kraft fetzen darf. Der Kaiser ist damit einverstanden. Aber Eulen- bürg tut es nur, wenn er die ganze Konservative Partei hinter sich weiß." - Ich war starr. Durch nichts war ich auf diesen Staatsstreich- plan vorbereitet. In meiner Naivität erwartete ich, daß alles sich dagegen wenden würde. Das Gegenteil war der Fall. Allen schien der Plan ebenso sympathisch wie Hammer» stein selbst. Auch Stocifer sprach sich, wenn auch zögernd, dafür aus,„im er ja immer das demokratische Wahlrecht durch ein berufsständisches habe ersetzen wollen". Nun legte ich los und erklärte, daß ich, falls man wirklich die Sache mache, sofort die konservativen Bürgervereine Berlins gegen den Raub des wichtigsten Volksrechts mobilisieren werde. Ober- w i n d e r schloß sich mir an. S t o e ck e r versuchte ein Kompromiß. Wir ließen uns nichts abhandeln. Worauf sich Hammer st ein, bleich vor Aerger, erhob und sagte:„Die Sache ist gescheitert. Wenn wir nicht absolut einig sind, geht es nicht. Der Widerstand wird sonst schon groß genug sein. Für mich ist die Sache erledigt. Ich fahre sofort zu Eulenburg, um es ihm zu sagen." Seit dieser Stunde war ich mit Hammer stein fertig. In meinen Augen war seine Bereitwilligkeit zum antidemokratischen Staatsstreich ein viel größeres Verbrechen als das, dessentwegen er ein paar Jahre später zu Zuchthaus verurteilt worden ist." Von den Deutfchnationalenvonheuteist nicht mehr Respekt vor dem Reichstagswahlrecht zu erwarten als von den Konservativen von 189 3. Daß sie in der letzten Zeit mit Staatsstreichplänen gespielt haben, ist bekannt. Nur würde der Widerstand heute noch größer sein, als er 1893 vermutlich gewesen wäre.
Selbstkritik. Hoetzsch über die Durchführung des Gutachtens. In der„Kreuzzeitung " stellt Professor Otto Hoetzsch fest, daß die Regierung Marx-Stresemann jetzt legitimiert ist, die Gesetzentwürfe, die aus dem Gutachten der Sachverstän- digen hervorgehe?, energisch zu fördern. Er verzeichnet die Tatsache, daß die Arbeiten dazu im Fluß sind, und fährt fort: „Das ist aber auä) nötig. Jetzt muß im weitesten Rahmen außenpolitisch gearbeitet werden! Jetzt muß die Zeit nachgeholt werden, die in den Wochen der Re- gierungsbildung vertrödelt worden ist. Es ist ja ganz unmöglich, daß ein Teil des Reiches, das Ruhrgebiet , mit den Mieuin-Derträgen die Lasten der Reparation trägt, die das ganze Reich tragen müßte. Die Wirtschaft oerlangt, daß die heutigen unsicheren Zustände aushären, und das Ruhrgebiet an, meisten. Si« verlangt, daß die Erörterung über das Gutachten in Fluß und zum Abschluß komme. Sie oerlangt, daß neues Blut in ihre verdorrenden Adern gepumpt wird." Es wäre schlimm, wenn jetzt erst gearbeitet würde. nachdem die deutschnationalen Realpolitiker einsehen, daß ge- arbeitet werden muß. Die erste Regierung Marx hat ar- beiten lassen sobald die Gutachten bekannt waren— die Deutschnationalen ober haben deswegen nach dem Staats- gerichtshof für sie geschrien. Die Deutschnationalen haben durch Ihren charakterlosen Handel um die RegierungsbeteUigung Wochen vertrödelt. Die Wirtschaft hat die rasche Erledigung der Gutachten von jeher verlangt— aber die Deutschnationalen haben sich dem ent- gegengestemmt. Jeder Satz dieser Ausführungen von Hoetzfch ist eine klatschende Ohrfeige für die Deutschnationalen.
Errungenschaften der Technik im Radiobetrieb. Der Künstler kann seine Rolle in dem Aufnahmezimmer ungehindert spielen und findet sich hinterher auf der Platte verewigt. Das dadurch geschaffene Ver- gleich? Material ist für den Aesthetiker wie für den angehenden Schau- spieler von hervorragender Bedeutung. Aber auch die Sprachwissen- schaft wird sich daran bereichern können. Denken wir nur an die Kontrolle und Pfleg« der deutschen Bühnenaussprache, die hier ihre dauerhaftesten und zuverlässigsten Belege findet! Ständige Untersuchung Gesunder. Vor einiger Zeit hat eine private Lebensversicherungsgesellschast in Amerika eine Organisation geschaffen, durch die ihre Versicherten in bestimmten Zeiträumen auch bei völliger Gesundheit ärztlich untersucht werden. Diese Ein- richtung, die sich vortrefflich bewährt Hot und viele Erkrankungen verhütete, soll jetzt in New Park allgemein eingeführt werden. Wie die.Klinische Wochenschrift" mitteilt, trat ein Ausschuß aus Ver- tretern von Behörden, Aerztevereinigungen und Wohlfahrtsorgoni- sationen zusammen, um solche Einrichtungen für die ganze Bevölke- rung unter besonderer Berücksichtigung der Mittellosen zu schaffen. Man strebt dahin, daß jeder amerikanische Bürger wenigstens einmal im Jahr von einem Arzte genau untersucht werden soll. Schildkrölensarmen in Japan . Für die Schildkrötenzuchi sind in Japan große Farmen angelegt worden. Man eifert damit Nord- amenka nach, wo eine ausgedehnte Schildkrötenzucht betrieben wird. Begründet wurde die japanische Schildkrötenzucht von Haitori in Tokio , der zwei Farmen besitzt, von denen die eine 3!4, die andere 1 Hektar umfaßt. Jüngst wurde eine dritte Schildkrötensarm bei Mnsaka im Ausmaß von 12 Hektar eröffnet. Diese drei Farmen beliefern die Aufzucht allein nnt 80090 Eiern jährlich, aus denen sich 60000„marktfertige" Schildkröten entwickeln. Die Schildkrötenzucht wird betrieben zur Verwertung des schmackhaften Schildtrötenfleischcs und zur industriellen Verwendung der Panzerhornplattm der Schildkröte für Schildpatt, dos qualitaNv dem besten Schildpatt von Ost- indien nicht nachsteht._ Benno Walter hat mit den Proben zu seinem mebrmaliaen Dirigenten- aaMdiel im Deutschen OvernbauS begonnen. Unter seiner Leitung kommt zunächst.Tristan und Isolde " am Freitag zur Aufführung. Alacdonald beim ffiolffpiel. Macdonald brachte die Püngstseiertage au seinem lchottischen Landsitz Lossimoutb zu, wo er sich mit dem Minister für da? Flugwesen Tbomlon dem GolMei widmete. Alle wichtigen politischen Meldungen wurde» dem Minifterpräfidente» von London au» mittel» Flugzeug zugestellt. BeHnngsboo,« m» drahllolen Empfangsapparaten. Der Dampfer .Maloia", der dieler Tage von London nach Australien abging, führt at» erstes Schiff Relluiigiboote mit drahtlosen Empfangsapparaten bei sich. Diese fallen es den Rettungsbooten ermöglichen, bei eine« Schiffbruch i« Richtung auf zu Hilf« kommende Schiffe zu sprechen. Ein rOjährlger voftorand Don der philosophischen Fakultät in München wurde ein über SS«obre alter Student..Herr Heinrich Zimmer - mann aus Mannheim , zum Doktor der Philosophie promoviert.— Da« er sein aviahrige« Doktorjubiläum wird feiern können, ist unwahrscheinlich. aber immerhin darf et noch einige Jahre da» schmückende.Dr." seinem Namen hinzufügen, ein Vergnügen, da» ja ein Sxame» nebst PrLfungZ- gebuhrul wert ist.
ftm Zreitag prSsiüentenwahl. Paris , 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Nationalversamm- lung ist auf Freitag nachmittag 2 Uhr einberufen, um den Nach« folger Millerands zu wählen. Im Laufe des Donnerstags treten die Parteien der Linken zu dem üblichen Vorkongreß zusammen, um den osfiziellen Kandidaten der republikanisch-deino- krattschen Parteien zu bestimmen. Zu diesem Vorkongreh sind Ein- ladungen ergangen an die vier im Kartell der Linken zusammen- geschlossenen Kammerfraktionen, darüber hinaus an diejenigen Ad- geordneten, die am Dienstag gegen Millerand und in der ver- gangenen Woche für den öffentlichen Anschlag der Rede des neuen Kammerpräsidenten Poinleve gestimmt haben, jedoch mit Aus- nähme der Kommunisten. Dom Senat nehmen daran te:I die republikanische Linke und die Union Republicaine. Die letztere, der bekanntlich auch Poincarä als Mitglied angehört, ist eingeladen worden in Achtung einer alten Tradition, mit der man nicht brechen wollte. Bei der letzten Präsidentenwahl im Dezember 1920 zählte die Nationaloersammlung 892 Mitglieder. Diesmal sind stimmberechtigt 581 Abgeordnete und 311 Senatoren. Die Wahl erfolgt ln geheimer Ab st immun g. Es finden so viele Wahlgänge statt, bis einer der Kandidaten die absolute Mehrheit erhält, die diesmal etwa 440 Stimmen beträgt. Die Aufstellung der Kandidaten erfolgt am Donnerstag auf den Kongressen der verschiedenen Parteigruppen. Die beiden Präsidenten von Kammer und Senat, Painleoä und Doumergue, scheinen gleich große Aussichten zu haben. D o u« mergues Kandidatur wird besonders von den S e n a- t o r e n betrieben, während Painlevä nicht nur den weitaus größten Teil der Abgeordneten des Kartells der Linken, sondern auch die demokratische Presse auf seiner Seite hat. Selbstverständlich wird nur einer von beiden kandidieren können, da jede Zersplitterung der Stimmen leicht zu unvorhergesehenen Ueberraschungen führen könnte. Denn die ausgezeichnet organisierte und disziplinierte Opposition, die über reichlich ZS0 Stimmen verfügt, wartet nur darauf, sich eine derartige Situation zunutze zu machen. Wen die Opposition auf- stellen wird, steht noch nicht fest. Man spricht von dem Senator Leb r un, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Leygues und neuerdings von Barthou . Gleichoiel, auf wen ihre endgültige Wahl fallen wird, Chancen hätte ein Kandiat nur, wenn ein Teil der Linken aus Mangel an Disziplin sich den Luxus einer inoffiziellen Sonder- kandidatur leisten würde. Milleranüs fibschieüsbotschast. Paris , II. Juni.(MTB.) Millerand hat nach Ueberreichung feiner Demiffion an die Präsidenten des Senat» und der Kammer folgende Kundgebung an feine Mitbürger gerichtet: Mein« lieben Mitbürger! In dem Augenblick, wo ich die Vollmachten niederlege, die am 23. September 1920 die Nationalversammlung mir mit mehr als drei Viertel ihrer Stimmen übertragen hat, möchte ich mich an Euch wenden. Zum ersten Beamten der Republik unmittelbar stach Be- endigung des grausamsten und glorreichsten aller Kriege berufen, über die Geschicke Frankreichs zu wachen, wußte ich. daß Euer«in- mutiger Wunsch sich in einem Wort zusammenfassen ließ: Friede. Friede nach außen durch Einvernehmen mit unseren Verbündeten, durch eine Entwicklung der internationalen Abmachungen unter der Aegide des Völkerbundes, durch Ausführung des Derfailler verkrage s, der uns die Sicher- Heiken und die Repeftakionen gemährlelstea sollte, dmtch An- wendung der diplomatischen Akte, die das neue Europa ge- schaffen haben. Fried« im Lande selbst durch Vergessen der inneren Zwistigkeiien aus der Zeit vor dem Krieg«, durch Respektierung der Glaubens- bekernitnisse und der Meinungen, durch den Schutz aller Rechte und der berechtigten Interessen, in Ruhe, Arbeit und Ordnung durch unablässige Förderung de» materiellen und moralischen Fortschrittes. Die Regierung sollte dieses Programm durchführen und gleichzeitig die gehäufte Schuld tilgen, die Frankreich feinen zerstörten Gebieten und den Opfern des Krieges gegenüber eingegangen war. Um sie ab- zutragen, hat der französische Steuerzahler anstelle des oer- sagenden Schuldners nicht weniger als 100 Mil- liarden vorgeschossen. Alle Ministerien seit demjenigen, dessen Ministerpräsident zu sein ich die Ehre hatte,, haben sich dam Werke gewidmet, das ich hier umrissen habe. Diese vier Jahre hat die Welt dem eindrucksvollen Schauspiel des arbeitsamen, friedlichen Frank- reich, das sich den Aufgaben des Friedens gegenüber ebenso mutig erwies, wie den Prüfungen des Krieges, Anerkennung gezollt. Am 11. Mai haben die allgemeinen Wahlen stattgefunden. Getreu der ersten Pflicht des Präsidenten der Republik, gewissenhaft den Willen des allgemeinen Wahlrechts zu resvek- ti er en, habe ich mich denjenigen Politikern zugewendet, die es in den Vordergrund gerückt hat. Ich gedachte mitihneninaller Loyalität bei der Führung der öffentlichen Ge- schäfte zusammenzuarbeiten. Auf mein Angebot hoben sie mit einer Weigerung geantwortet. Si« haben meinen Rücktritt oerlangt, ein nicht zu rechtfertigender Anspruch, der m entschiedenstem Gegensatz zum Geist und Buchstaben des konstitianellen Gesetzes steht. Wenn unsere Verfassung di« WaP des Staatsoberhauptes ausschließ- lich in di« Hände der Parlamentarier legt, so hat sie wenigstens die Vorsicht walten lassen, dafür zu sorgen, daß dieses Staatsoberhaupt, wenn es einmal gewählt ist, während seiner siebenjährigen Amtszeit, abgesehen von dem Fall« de» Hochverrats, niemals Rechen- abzulegen hat. Ein Beschluß, der einigen Rädelsführern durch den Parteigeist eingegeben worden Ist, hat diese Garantie niedergerissen. Unter ihrem Druck ist in außerparlamentarischen Versamm- lungen erklärt worden, daß der Präsident der Republik der Mehrheit der neuen Kammer nicht gefalle und sich deshalb sofort, ohne den gesetzmäßigen Ablauf seines Mandates abzuwarten, zurückziehen müsse. Ein gefährlicher Präzedenzfall, der die Präsidentschaft der Republik zum Einsatz der Wahlkämpse macht, der auf einem Umweg in unsere politischen Sitten das Plebiszit einführt, und der aus der Verfassung das einzige Element der Stabilität und Stetigkeit her- austreibt, das sie enthält. Ich hätte einen Verrat zu begehen geglaubt, wenn ich mich, fei es auch nur durch mein« Schwäche, zum Miffchul» digen einer so gefahrvollen Neuerung gemacht hätte. Ich habe Wider- stand geleistet. Ich gebe erst nach, nachdem ich alle in meiner Macht stehenden Mittel erschöpft habe. Morgen werde ich mit den guten Slaalshürgera. die mir von allen Seiten des Landes die kostbar« Ermutigung ihrer Sympathie haben zuteil werden lassen, den Kampf für die Zrelheit, für die Republik und für Frankreich wieder anfnchmen. Paris , 11. Juni 1924. gez. A. M i l l« r a n d." Oer wirb Präsident! Paris . 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Die Borbefprechun- gen. die di« Gruppen der Linken am Mittwochnachmittag abhielten, haben gezeigt, daß di« Anhänger von Doumergue und Painleve sich ungefähr die Wag« halten und daß unter diesen Umständen die Enffcheidung für den Kongreß der Linken außerordentlich schwer lein wird. Fall» e» fich al» un» möglich erweisen sollt«,«ine Einigung auf«inen der Präsidenten von Kammer und Senat herbeizuführen, so wäre es nicht ausg>- schlössen, daß beide auf die Kandidatur verzichten und die Linke sich an ihrer Stell« auf«inen anderen Kandidaten einigen würde. Als solcher wird Herr P a m e genannt, der bereits im Jahr« 1913
der Gegenkandidat der Linken gegen Pomcarö gewesen ist und dem der Ruf eines aufrechten und gesinnungstreuen Demokraten vor- ausgeht. Herr Pams hat zwar verschiedenen Kabinetten als Ressort- minister angehört,«r ist politisch trotzdem niemals be- sonders hervorgetreten. Er würde«in Präsident in der Art Fallieres, des Vorgängers Poincares, werden, ein Präsident, der, ohne sich aktiv in die Führung der Politik einzumischen,«in getreuer Hüter der republikanischen Prinzipien und der demokra- tischen Grundsätze sein würde. Milleranü nimmt ein Manüat an. Paris . 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Millerand läßt in der ihm nahestehenden Presse erklären, daßernichtdieAbsicht habe, sich von der politischen Bühne zurückzu- ziehen. Der national« Block hat ihm bereits«in Mandat für di« Kammer angeboten und es ist wahrscheinlich, daß Millerand das durch den Tod«mes der neugewählten Abgeordneten im Departement Meurthe-et-Moselle . einer der sichersten Domänen des Nationalen Blocks, zur Verfügung stehende Mandat annimmt. Nach dme Wahlgesetz kann eine Nachwahl jedoch nur dann statt- finden, wenn zwei Sitze verwaist sind. DesKalb wird der im gleichen Wahlkreis gewählte Abg. Ferry, eines der Mtglieder des neuen Kabinetts Fr an<z vis Marsal, fein Mandat niederlegen und sich mit Mllerand zusammen zur Neuwahl präsentieren. Bei der letzten Neuwahl hatte der Nationale Block 70 000 Stimmen aus sich vereinigt, gegen 20000 Stimmen des Kartells und 10 000 Stimmen der Kommunisten. Millerands Wahl ist also gesichert und er wird aller Voraussicht nach schon in kürzester Zeit als der Führer der Minderheit in di« Kammer einziehen. England weint ihm keine Träne nach. London . 11. Juni. (WTB.)„Star" schreibt, nach Poincarö sei jetzt auch Millerand, der Hauptanhänger seiner oer- derblichen Politik, gefallen. Wenn nun Painleve Präsident der Republik und Herriot Premierminister werden sollte, so eröffne sich wenigstens eine Aussicht, daß die anmaßende und un- nachgiebig« Politik Poincaräs , di« einer Lösung des Repa- rationsproblems und der allgemeinen Regelung der europäischen Fragen entgegenstand, aufgegeben werde. England habe jedenfalls keinen Grund, Millerand eine Träne nachzuweinen. Es wäre jedoch ein Fehler, zu große Hoff- nungen auf die augenblicklich« Krise in Frankreich zu setzen.
Das Lonü ohne Regierung. Noch immer keine Verständigung in Bayern . München . 11. Juni. (Eigener Drahibericht.) Am Mittwoch nach- mittag sollten die Koalitionsbesprechungen zusammen mit den Völkischen wieder aufgenommen werden. Sie sind aber in letzter Stunde abgesagt bzw. vertagt worden. Dies« Absage ist auf die Bayerische Volkspartei zurückzuführen, die sich von der Fort- führung der Besprechungen nicht mehr das geringste oerspricht. Dos kommt auch in der gesamten Press« der Bayerischen Dolkspartei allgemein zum Ausdruck. Der„Bayerische Kurier" z. B. hält jetzt den Gedanken einer par'amentarischen Arbeitsgemeinschaft mit dem völkischen Block völlig außerhalb jeder Diskussion, weil die starten Gegensätze im völkischen Lager zwischen den Nationalsozialisten und der parlamentarischen Gruppe jede Gewähr für di« Einhaltung von Vereinbarungen von vornherein ausschlössen. Noch schärfer spricht sich die„Augsburger Postzeitung" aus, indem sie schreibt:. „An dem Tage, wo in Bayern eine Koalition der bürgerlichen Par. teien mit den Völkischen käme, würde unser Land mit Recht dem GefpöttderganzenWelt verfallen als sin Land, das politisch nicht mehr ernst genommen zu werden verdient. Well dem so ist und weil dem durch kein« noch so kluge Taktik vorgebeugt werden kann, sollte man doch schleunigst all« völlig untauglichen und aussichtslosen Versuche aufgeben und die Besprechungen über«ine Koalittonsbildung aus Punkte konzentrieren, di« tatsächlich allein zum Ausgang für ein praktisches Ergebnis gemacht werden können." Wie verlautet, ist nunmehr bestimmt damit zu rechnen, daß noch in dieser Woche die Koalition aus Bayerischer Volkspartei , Deutschnationalen und Bauernbund endlich zustande kommt. » Der„Völkisch« Kurier" veröffentlicht ein« Wahlstatistit, di« eine genaue Uebersicht darüber gibt, in welchen Teilen des Reiches bis Völkischen ihr« Hauptstützungspunkte haben. Danach entfallen von 100 gültigen Stimmen im Wahlkreis Franken 21,3 auf die völkische Liste, in Mecklenburg 19,8, in Oberbayern - Schwaben 17,3, in Niederbayern . Oberpfalz 10,8, in Thüringen 10,1. Berlin folgt erst cm 26. Stelle mtt 3,8 und zuletzt Koblenz -Trier mit IL Proz Die Zahlen geben ein anschauliches Bild, wie sehr das gesamte Bayern mit Ausnahme der Pfalz in der Hakenkreuzseuche weitaus an der Spitze oller deutschen Länder marschiert. Daß innerhalb Bayern gerade Franken am meisten Hakenkreuzler aufweist, ist darauf zurückzuführen, daß es den Völkischen gelang, die in Franken befindliche deuffchnationale Hoch- bürg nahezu restlos einzunehmen und auch die anderen bürgerlichen Parteien erheblich zu schädigen, während die Sozialdemokratie ihren Besitzstand bekanntlich völlig gewahrt hat. Kohr will nicht zurücktreten! München . 11. Juni. (Eigener Drahtbericht.) Auf Grund der Auf- forderung des bayerischen Kabinetts an Kahr , sich wegen seines Rücktritts zu äußern, hat der immer noch in Urlaub befindliche«h«- malige Generalstaatskommissar nunmehr seinen Vorgesetzten, Innen- minister Schweyer, offiziell wissen lassen, daß er nicht die Ab- ficht Hab« zurückzutreten. Der kommende bayerisch « Innen- minister steht also gleich beim B«giim seiner Tätigkeit vor einer ztem- lich heiklen Aufgabe, die bei der bekannten Einstellung der Deutsch - nationalen sehr bald wieder zu einer Krise und Kraftprobe führen kann.__ Dienstag: Auswärtiger Ausschuß. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Reichstags. Genosse Hermann Müller , hat im Cinver- nehmen mit der Reichsregierung den Ausschuß aus D i e n s- tag. den 17- Juni, vormittags 19 Uhr, einberufen. Auf der Tagesordnung steht die Beratung des Sachverständigen- gutachtens, der allgemeinen Handelsvertragsverhandlungen und der deutsch -russischen Beziehungen. * Das Reichstabinett nahm in seiner gestrigen Sitzung die Vorträg« der Staatssekretär« Trendelenburg und Vogt über die bisherigen Verhandlungen des Organisotionstomitee» für die In- dustrieobligationen und die Eisenbahnen entgegen.