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fchlechtert ihre Aussichten. Bollends die Befriedung der Welt im Zeichen der Demokratie müßte die Grundlagen ihrer Macht erschüttern. Geht die Entwicklung auf dem Wege weiter, den fie jezt eingeschlagen hat, so verliert die sowjetistische Auslands­propaganda mit der Grundlage die werbende Kraft. Eins der wichtigsten Mittel der russischen Außenpolitik wird damit un­brauchbar. Zugleich aber muß die gewaltige Beispielswirkung der demokratischen Entwicklung an den inneren Grundlagen ber Macht der Sowjetregierung rütteln. Dann ist das Beispiel im Ausland nicht mehr gegeben durch Mussolini und Poincaré , sondern durch die große Demokratie Europas .

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Das Sowjetsystem wird damit zum Herd europäischer Reaktion gegen die demokratische Entwicklung. Seine Propa­gandisten in Deutschland empfehlen eine Außenpolitif, die zum Ariege für Deutschland führen muß, damit Rußland den Frieden behaupte. Sie bekämpfen den auf Frieden und Ver­Ständigung zielenden Kurs der Sozialdemokratie, weil er ihnen die Grundlage der Propaganda entzieht. Sie sehen den Friedenskurs der Sozialdemokratie gleich mit der militärischen Rüdwirtung Frankreichs auch des demokratischen Frank­ reich gegen friegerische Bestrebungen in Deutschland , mäh­rend sie selbst durch ihre offene Bundesgenossenschaft mit den Schwarzweißroten den Nollets Wasser auf die Mühle liefern. Demokratie gegen europäische Reaktion das ist die große Alternative, die sich herausarbeitet. Die Kommunisten treten dabei innenpolitisch und außenpolitisch auf die Seite der Reaktion. Der Deutsche Tag der Roten Fahne" ist das Symbol dafür. Unter schwarzweißroter Flagge fämpfen fie gegen die Demokratie und die Republik und gegen den Frieden.

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Annehmen oder ablehnen?

Aber die Zahl ift auch für Deutschlanb lehrreich, als Ju ftration der Erleichterung, die uns wenigstens für die Ueber­gangszeit das Sachverständigen- Gutachten schaffen soll, so hart es uns auch für die Dauer belasten mill. Rund eine halbe Milliarde betrug in diefem Semester die Zahlung. Das entspricht der Milliarde, die der Dames- Bericht für das erste Jahr( in den beiden folgenden find es 1220 und 1200 Millionen) von uns fordert. Der Unterschieb aber ist, daß wir in dem ersten Jahr von dieser Milliarde 800 Millionen vom Auslande in Golb geborgt erhalten sollen: das Budget ist tatsächlich in den beiden ersten Jahren von allen Lasten aus dem Versailler Bertrage völlig frei, im dritten Jahre foll es 110 Millionen, im vierten 500 Millionen tragen, also auch in diesem vierten Jahre nur so otel wie jest in dem einen halbjahr.

Natürlich werden auch die Zahlungen aus der Eisenbahn und aus den Industrie- Obligationen, die schon vom zweiten Jahre ab beträchtlich find, schwer brüden. Aber es ist doch nüßlich, zu be. denken, was schon der gegenwärtige Zustand an Lasten enthält wobei zu den oben genannten Summen ja noch die furchtbaren Lasten der Micum Verträge fommen, die( mit schäßungsweise 1200 millionen Goldmark im Jahre) allein auf den Industrien des besetzten Gebietes und, soweit diese die Last in den Preisen auf den Berbraucher abwälzen können, auf Deutschlands ganzer Weiterver arbeitung wie auf dem privaten Ronfum liegen.

B

Diese nüchternen Tatsachen sollte man dem blöden Ge­schwäß der Nationalisten von dem zweiten Bersailles und der Bersilavung Deutschlands immer wieder entgegenhalten. Sie beweisen, daß es im besten Intereffe Deutsch . I ands liegt, auf der Grundlage der Dawes- Berichte zu einer Regelung der Reparationsfrage zu gelangen.

Industrie und Gutachten.

Randbemerkungen zum Sachverständigengutachten. Die Frankfurter Beitung" beschäftigt sich mit Entscheidung des Barlaments erfolgt ist, im Schoße der Industrie. Der innere Kampf um die Gutachten vollzieht sich, nachdem die ben Zahlungen, die zur Durchführung des Verorganisationen. Der Vorstand des Reichsverbandes der Deutschen failler Bertrages zu leisten find, und knüpft daran fehr Industrie hat den Hauptausschuß des Reichsverbandes auf den bemerkenswerte Betrachtungen über das Verhältnis dieser 2 Juli nach Berlin eingeladen, um zu der gegenwärtigen Wir­Barleistungen zu den praktischen Vorschlägen der Sachverschaftslage und den gesamten Fragen des Reparationsproblems, ins. Barleistungen zu den praktischen Vorschlägen der Sach ver ständigen. Nach den Angaben dieses Blattes hat Deutsch­ land seit der Umstellung des Reichshaushalts auf Gold mart, also feit dem 1. Ottober v. 3. bis zum 31. März d. 3. auf das Konto des Versailler Vertrages fol­

gende Leistungen machen müssen:

1. Rohlen, Rofs und Rebenprodukte. 2. Farbstoffe und chemisch- pharmazeutische Erzeugnisse 3. Aus Anlaß der Ablieferung von Bich

4. Wiederaufbauleistungen

5. Aus Anlaß der Ablieferung von Schiffen.

6. Englische Sanktionsabgabe

7. Ausgleichsverfahren.

8. Besatzungskosten

9. Interalliierte Kommissionen

B 10.

Leistungen außerhalb der Reparationen

11. Immere Abgaben aus Anlaß der Durchführung des Friedensvertrages( Berdrängungsschäden usw.) 12. Berschiedenes( Sanktionsfoften Düsseldorf- Ruhr­ort usw.).

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11 893 917 4 273 588 10 970 -24 815 264 6 911 898

12 702 338

1 125 204

313 478 856

6 726 809

8 390 865

57 936 502

12 207 505

Summe 460 468 716

Dazu bemerkt die Frankfurter Zeitung ": Afo 460 Millionen Goldmart in einem halben Jahre! Die Bahl ft für beide Seiten lehrreich. Für die Sieger: fie haben Don diefer gewaltigen Summe fast nichts gehabt. Denn von ben 460 Millionen find rund 400 Millionen für die Kosten der Be­Jagung und der Kommissionen, sowie für damit zusammenhängende Ausgaben vertan worden; nur rund 60 Millionen blieben für eigent liche Reparationen. Nach dem Dawes Bericht aber wird das fünftig in erster Linie ihre, nicht mehr unsere Sorge sein. Denn die danach von Deutschland zu leistenden Annuitäten umfassen die Ge= Jamtheit der von Deutschland zu tragenden Basten, einschließlich Re parationen, Restitutionen, Befagungskosten, Ausgleichsverfahren, Kommissionen ufw.: was die Sieger für Unproduktives verschwenden, das wird ihnen in dem Jahre der Leiftung bei den Reparationen fehlen.

Dann

Oftfee.

W

Wenn ich Geld hätte.

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Bon Lina Frender.

Zunächst würde ich nicht mehr mit diesem zerfetzten Männer­regenschirm herumlaufen. Hernach hätte ich zarte Sommerschuhe. regenschirm herumlaufen. Hernach hätte ich zarte Sommerschuhe. ja, dann würde ich eine kleine Reise machen-an die Dft- fee, man muß das langsam aussprechen. Da flimmert das Wasser auf, der Strand leuchtet gelbgolden, Kinder buddeln und plantschen, Große freischen vor Wonne beim Baden. Segelboote träumen am verschwimmenden Horizont. Ost- see..

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Dder vielleicht hätte ich noch mehr Geld. Dann würde ich an die Nordsee gehen.

Nord- fee! Seltjam, zu wissen, daß sie immer da ist, auch während man hier sitzt und Aussicht auf einen schmalen Hof hat. Dort, weiter oben, ist die Nord- see. Und wenn man hinfäme, nielleicht auf eine der Inseln, da wäre noch alles wie immer. Blaue Ferne, fila Heide , Luft, Luft, Luft und Waffer! Wellen, Bogen, rollend, brandend! Dünenberge, Schluchten, Irrwege, dazwischen Blumentäler mit Schafherden. Weit ist die Welt dort, größer als nur die Erde, der ganze Himmel, Sonne, Mond und Sterne dabei. Ewiges Lied macht dort so flein, still liegt man am Rande

des Alls.

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Aber vielleicht lieber die Berge? Die machen Mut. Man will fie bezwingen. Sie fleiden gut, rot wird man vor Luft beim Steigen.

Und immer wieder ein neues Bild. Im Tale bleiben die Sorgen, Leicht, befreit umarmt man die Welt. Die Jugend strömt zurüď. Berge berauschen wie Wein!

Italien reifen könnte?

Und wenn ich noch mehr Geld hätte? Wenn ich sogar nach 3- ta- li- en! ie müßte das sein? Ich glaube, allein wäre der Glanz gar nicht zu ertragen. Allein durchs himmliche Tor? Nein! Also müßte das Geld schon für zwei reichen.( Der anbere hat natürlich auch feins.)

Gelb für zwei nur nach Italien ? Nein, überhaupt immer für zwei. Allein reifen ist nur für Weise oder Toren. Der Mensch der Mitte braucht den andern, um in Gesellschaft sprachlos zu sein, sich seines Nichts zu schämen, zu jauchzen oder auch vor Entzücken den andern in die Seite zu fnuffen. Geld für zwei zum Reisen?! Lacht wer??

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Millionärsföhne als Mörder. Gine sensationelle Morbaffäre hält seit einiger Zeit Chikago in Atem. Am 21. Mai verschwand der 14jährige Sohn des Milliar­därs Frants. Eine Männerftimme erklärte dem Vater am Tele phon: Ihr Schn befindet sich in unserer Hand, wir brauchen Geld." Am felben Tage fand die Polizei die Leiche des Jungen völlig ent­

besondere zu dem Inhalt des Sachverständigen- Gutachtens, Stellung zu nehmen, da bis dahin voraussichtlich die Arbeiten der von ber einem gewissen Abschluß gelangt sein werden. Bon außen drückt die Reparationsfommission eingesezten Einzelausschüsse in Paris zu

Industrielle Vereinigung auf den Reichsbund der deutschen In­duftrie. Ihr Führer Dr. Bang veröffentlicht in der Deutschen Zei tung" zum Verbandstag einen langen Aufsatz gegen die Durch führung des Gutachtens. Im Reichsverband selbst ist eine stete Oppo fition, die den Versuch unternehmen wird, in der praktischen Durch führung zu fabotieren, wie es in früheren Jahren geschehen ist. Vor allem aber wird diese Sigung sich praktisch mit der Frage der aftenverteilung beschäftigen. Die Industrie wird ihre An sprüche anmelden, und Vorbereitungen treffen für die Reichstagsver. handlungen über die Durchführung der Gutachten.

Londoner Eindrücke.

Urteile eines führenden Bolschewiften.

Eines der hervorragendsten Mitglieder der nach London ent fandten russischen Verhandlungskommission, der aus den Moskauer Barteibiskussionen befannte Breobraschensti veröffentlicht in der Prawda" Gindrücke seines Londoner Aufenthaltes. Da ber Rampf gegen die Arbeiterregierung Macdonalds von allen bol fchemistischen Agenten in Europa als eine der wichtigsten Aufgaben angesehen wird, ist es nicht unwichtig, die Eindrüde Preobraschenstis wiederzugeben. Er beginnt mit einer Verwahrung gegen die Rri. titlosigkeit der Bolsche wisten:

T

Unser Arbeiterpublifum( lies wir Bolschewiften), bas feine englischen Zeitungen lieft, bildet sich seine Borstellungen über Eng land meistens auf Grund der Telegramme und einzelner Korres fpondenzen. In diesen bruchstückweisen und oft zufälligen Mit teilungen wird die englische Wirklichkeit den repo. lutionären Hoffnungen des Schreibers angepaßt. Außerdem wird die sehr verwickelte und eigenartige Situation in England häufig genug auf der Linie bes geringsten Ge­hirnwiderstandes, d. h. nach der Schablone unie.

fleidet in der Nähe der Stadt. Zur Beerdigung des Knaben wurde Don einem Unbekannten ein Kranz gesandt mit der Aufschrift: Ich fondoliere. Jonjohn." Zur Entdeckung der Verbrecher führte eine an der Leiche aufgefundene Brille. Sie gehörte einem der Mörder, bem 19jährigen Universitätsstudenter Leopold, dem Sohne eines Chikagoer Millionärs. Der andere Mörder war deffen Freund, der Universitätsstudent Loeb, Sohn eines anderen Millionärs. Bei ihrem Verhör zeigten sie wenig Reue, umso mehr Zynismus. Sie ertlärten das Berbrechen durch eine Sucht nach Nervenfigel, be­haupteten, daß sie aus wissenschaftlichen Zwecken an dem Jungen eine Operation vorzunehmen beabsichtigten und ihn getötet hätten, mei er Widerstand geleistet habe, meinten schließlich, er wäre nur ein Opfer der Wissenschaft geworden: sie fähen auch nicht ein, inwiefern die Tötung eines Menschen verwerflicher sei als die Tötung eines Schmetterlings. Das Geld hätten sie vom Vater nur gefordert, um die Spur zu verwischen.

Es besteht der Berdacht, daß Leopold und Loeb nicht zum ersten Male sich an derartigen wissenschaftlichen" Experimenten versuchen. Erst vor furzem war ein Student tot aufgeben worden, der mit einer Kugel erschossen war, die zu Leopolds Revolver paßte. Auch hatte ein Chauffeur, der nicht vor allzu langer Zeit mit der Pistole auf der Brust gezwungen worden mar, eine Aethernartofe über sich ergehen zu lassen, in den beiden jungen Beuben die Uebeltäter er­tannt. Sie hatten ihn an der Geschlechtsteilen arg verstümmelt. Schließlich entfann sich die Polizei noch eines vierten Berbrechens, deffen Spuren zu den beiten Studenten führten. Der Enfel des bekannten Chikagoer Millionärs Lindenthal verschwand eines Tages Spurlos. Seine Leiche wurde nacht aus dem Michiganer See heraus. gefischt. Dieser 13jährige Junge unterhielt aber eine Freundschaft

mit den beiden Studenten.

In der Presse findet nun ein heftiger Feldzug in dieser Sache statt. Die einen erklären die beiden jungen Menschen für trant, die anderen wollen hiervon nichts wissen. Sie erinnern auch an einen anderen Sensationsprozeß. der den Millionär Ton betraf. Letzterer wurde durch das Gericht für frank erklärt, jedoch nicht lange hinterher auf Grund eines ärztlichen Gesundheitsattestes aus der Irrenanstalt fein. Im Falle eines Todesurteils wird jedenfalls der Lob der beiden entlassen. Man kann auf den Ausgang dieses Prozesses gespannt jungen Menschen, durch ein bligartig tötendes Gas, leichter fein, als der Tod des Jungen. Der Bater des ermordeten Anaben soll sich dahin geäußert haben, daß er mit Ungeduld den Tag erwarte, wo er eigenhändig an ihnen die Todesstrafe vollziehen könnte: allerdings nicht aus Rache, sondern aus sozialen Gründen. Als gäbe es keine anderen Mittel, die Gefellschaft gegen Mörder zu schüßen. Lehrreich ist es aber, daß in diesem Lande der unbegrenzten Möglichkeiten felbft Millionärsföhne gegen die Folgeerscheinungen fozialer Krankheiten nicht immun sind. Die Millionen von Dollars fcheinen feinen genügenden Schuß zu bieten gegen die physische, pinchische und soziale Degeneration.

2. R.

Sprechchor für Proletarische Feierstunden. Donnerstag, ben 19. Juni, abends 7%, Uhr, im Gesangsjaal der Sophienschule, Weinmeisterstr . 16/17, Jahresversammlung. Vortrag der Genossen Artur Griſpien und Albert Florath , Jahresbericht und Neuwahlen.

rer Refolutionen beurteilt. Es ist wohl nicht nötig, darauf hinzuweisen, daß diese Art von Information der Wirklich­Irt von Information der W feit faum entspricht." Preobraschensti schildert dann eingehend die Tätigkeit der Ar beiterregierung und ihr Verhältnis zur Arbeiterklasse:

Ueber das Verhältnis zwischen der Regierung Macdonald und den Arbeitern besteht bei uns eine absolut unzutref= fende Borstellung. Die Regierung ist zurzeit außer ordentlich populär in den Arbeiterkreisen und ihre Popu larität nimmt nicht ab, sondern wächst. Gewiß ist eine Oppo­fition vorhanden, die von den Trade- Unions vertreten wird, aber biese Opposition will eine radikalere Politik Macdonalds, aber feineswegs feinen Rüdtritt und den Uebergang der Regierung an die Unionisten und die Liberalen. Einen anderen Ausweg würde es aber zurzeit nicht geben. Die Arbeiterregie­rung muß, um sich zu halten, ihre Politik an der Grenze der Duldung durch die Liberalen führen oder zurfidtreten. Sie zieht Das erste vor.

Ist eine solche Politik richtig?

Das kommt auf den Standpunkt an. Unter dem Gesichts­punkt der Beibehaltung der Regierungsgewalt und der Verstär­fung der Sympathien in der Arbeiterschaft ist diese Politik der Regierung offenbar richtig. Vorläufig bringt die Regierung im Parlament teine Vorschläge von so prinzipieller Bedeutung ein, die ihren unmittelbaren Rücktritt herbeiführen würden. Aber sie versteht es sehr geschickt, den Unwillen, das Mißtrauen und die Abneigung der Arbeitermassen gegen die par­lamentarische Mehrheit der Konservativen unb Liberalen zu erregen. Sie sagt den Arbeitern ständig: ,, Dies und jenes, was für die Arbeiterklasse nötig ist, würden wir durchführen, aber man" gestattet es uns nicht". So stand es zum Beispiel mit dem Punkt der Wohnungs bill, der fich auf die Ermission von Arbeitslosen bezog... Der Jahreshaus halt mit seiner Ermäßigung indirefter Steuern( das Wahl­budget", wie es die Rechtspresse boshaft ironisierte) wurde in Ar­beiterfreisen mit großen Sympathien aufgenommen. Viel Bei­fall findet unter den Arbeitern auch das Programm des billigen Wohnungsbaus, das die Arbeiterregierung durchführen will...

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Auf jeden Fall, wenn jetzt die Regierung Macdonald auf parlamentarischem Wege gestürzt und Neuwahlen ange setzt würden, dann erhielte sie bedeutend mehr Stimmen als bei: der letzten Wahlkampagne. Das haben die Nach wahlen im Parlament und zum Teil auch die Gemeindewahlen der legten Zeit gezeigt. Bezeichnend ist auch, daß die Regierung bie Sympathien eines Teils des Kleinbürgertums gewinnt, der früher nicht für die Arbeiterpartei stimmte. Wenn man bei uns die Re­gierung Macdenalds mit der Regierung Kerenifi vergleicht, so trifft das für den sozialen Charakter der Regierung zu. Aber fehr häufig wird dieser Bergleich bei uns übertragen auch auf das Tempo der Entwidlung aller sozialen Prozesse, vor allen Dingen auch auf die schnelle Erledigung aller reformistischen Illu fionen. Darin liegt der Hauptfehler."

Preobraschensti rechnet nicht damit, daß die englische Arbeiter flaffe ihre reformistischen Illufionen" in Monaten ablegt. Er hält Diele Jahre für diesen seiner Meinung nach unvermeidlichen Prozeß für notwendig. Bor allen Dingen glaubt er, daß dazu die Arbeiterpartei erst einmal die Mehrheit im Parlament erobert haben muß. Ueber diese Illusion" mollen wir mit ihm ebensowenig streiten wie über die bols chemistischen Jllusionen, die in Rußland so fläglich gescheitert sind. Festzuhalten bleibt, daß einer der führenden Männer der kommunistischen Internationale auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Ergebnis kommt, daß die englische Arbeiterregierung fich wachsender Sym­pathien in den Boltsmassen erfreut und daß ihr fchrittweises und behutsames Borgehen dem Rräfteverhältnis, den Möglichkeiten und auch der Auffassung des englischen Boltes entspricht. Die erbärmliche Heze, die von den europäischen fommunistischen Parteien gegen die Regierung macbonalb betrieben wird, erledigt sich damit von selber.

Zur Frauentonferenz. Durch ein technisches Versehen ist in unferem Bericht über die sozialdemokratische Frauentonferenz zwar die Begrüßung durch die Bertreterin der britischen Genoffinnen enthalten, wenn auch mit einer Doppelzeile, aber der Name der Rednerin durch einen Gedankenstrich ersetzt. Es war Genossin Bell, was hiermit nachgetragen fei.

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Könige in Front. Die jüngst hier mitgeteilten Berichte über die Sitte der alten Bewohner der Insel Borneo , im Kriesfalle den friegsluftigen Rönig in die erste Schlachtreihe zu stellen, haben ein verhältnismäßig modernes Gegenstück in dem Vorschlag des als wahnsinnig angesehenen russischen Kaisers Paul, daß die Monarchen sich im Streitfalle duellieren sollten. In dem noch heute lesenswerten Briefwechsel Alexanders von Humboldt mit Barnhagen von Enſe findet sich darüber eine Mitteilung. Die belannte russische Bot fchaftersgattin Gräfin Lieven( von Humboldt wegen ihrer Liaison mit dem französischen Staatsmann Guizot spöttisch Madame de Quizom genannt) hatte sich Anfang 1856 an Humboldt wegen Auskunft über diese Angelegenheit gewandt. Er gibt die Frage an Barnhagen weiter, indem er schreibt: Madame de Quizom, die feit 25 Jahren nie an mich geschrieben hat, will von mir wissen, ob Kaiser Paul, in der Epoche feines politischen Wahnsinnes, durd Kotzebue den Vorschlag habe tun lassen, daß statt der Armeen sich die Minister des Auswärtigen im persönlichen Zweikampfe messen sollten. Ich war damals( 1799 und 1800) in dem Flußneze von Südamerika und kannte die Anekdote, deren Bestätigung die( wie mir jeßt scheint) sehr ofzidentalisch gefinnte russische Fürstin( zur Erklärung dieses Beiwortes: es schwebte damals der Krimfrieg zwischen den Westmächten und Rußland ) fucht, gar nicht. Nad unficheren Nachforschungen, die ich bisher gemacht, sollte der Vor­fdlag gewefen fein, daß nicht die Minister, sondern die Monarchen felbft fidh duellieren sollten. Ich flehe, edler Freund, daß Eie mir ein paar Linien über das schreiben, was Ihnen Ihr herrliches Ge­dächtnis gibt." Varnhagens Antwort ist leider nicht erhalten; er wird aber wohl die Richtigkeit von der Lesart des Duells der Monarchen bestätigt haben. Uebrigens verdient noch ein Saz aus dem Briefe der Lieven zitiert zu werden: Wahrlich Paul I. war gar nicht so verrüdt. Finden Sie nicht, daß unsere Zeit viel ver­rüdter ist?" Eine Frage, die die Betrachtung aller seit 1856 zu ver zeichnenden Kriegsanfänge resp. Hineinschlitterungen zu bejahen nur zu sehr geeignet ist. P. D.

Nadtwanderer" im Harz . Während der Pfingsttage zogen in verschiedenen Teilen des Harzes Bandertrupps umber, die als Klei­fchiedene Zeitungen des Harzes nehmen Stellung gegen dieje Nackt­dung eine Badehose trugen, auf dem Rücken einen Rudsad. Ver­tultur" und verlangen Einschreiten der Behörden.

Sollen denn die Wandertrupps in Zukunft ohne Badchosca erscheinen?

Felig von Weingartner ist für den Herbst 1924 und Frühjahr 1925, so­weit es seine bisher abgeschlossenen Wiener- und Auslandsverpflichtungen geftalten, dem Deutschen Opernhaus für eine Reihe von Bor. ftellungen verpflichtet worden.

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg beabsichtigt in der Woche bom 4. bis 9. August Lehrgänge für deut the Altertumstunde zu veranstalten: Lichtbildervorträge, Vortragsreiben und Führungen durch die Sammlungen des Museums, wie auch durch die Kirchen, bemerkenswerten Häuser und Söfe des alten Nürnberg . Die Zulassung zu den Kursen wird lediglich an eine furze Stennzeichnung des bisherigen Bildungsganges oder des mit der Teilnehmerschaft verbundenen ernſten Bildungszwedes des Antragstellers geknüpft sein. Das genaue Programm ist vom Germanischen Museum in Nürnberg , Kornmarkt 1, fostenlos zu beziehen.