im konsequenter Durchführung feines Sittengefehes, das sich an den| einzelnen richtet, auch zur Postulierung des Völkerfriedens gelangen mußte. Den Höhepunkt in diesem Gebiete Kantscher Geisteswelt tellt jene Schrift dar, welche nach dem Vorbild des Abbé SaintBierre( Projet d'une paix perpetuelle) unter dem Titel ,, Zum ewigen Frieden", weit entfernt, bloße phantastische Theorien zu entwickeln, bestimmte praktische Forderungen aufstellt, welche heute ihrer Erfüllung leider nicht viel näher gerückt sind als damals. Mit einbringlicher Schärfe zog Prof. Verweyen daraus für die deutsche Politik der Gegenwart die Folgerungen, indem er den Geist Weimars gegen den Widergeist Potsdams zum Kampf aufrief. Erfreut, bei einem deutschen Universitätsprofessor soviel mutige Klarheit und pazifistische Eindeutigkeit zu finden, antwortete die Versammlung mit lebhaftem einmütigen Beifall.
Der neue Elektrizitätstarif.
Der neue Berliner Elettrizitätstarif hat bekanntlich mancherlei Kritik und Widerspruch erfahren. Der Tarif, der im April d. I. eingeführt wurde, beseitigte den bisherigen Einheitssah von 42 Pf. für die Kilowattstunde. Statt bessen hat der Abnehmer nunmehr monatlich eine fefte, gleichbleibende Grundgebühr zu entrichten, beren Höhe sich nach der Größe feines Elektrizitätsanschlusses richtet. Außerdem hat er für jede von dem Elektrizitätszähler gemessene Rilowattstunde eine Arbeitsgebühr von 18 Pf. zu bezahlen. Die Klagen der Abnehmer richten sich weniger gegen den Preis von 18 Pf. wie gegen die Grundgebühr, die von einigen Seiten als zu
hoch oder als ungerecht bezeichnet wurde. In der Tat scheinen bei der Festsetzung der Grundgebühr Härten vorgekommen zu sein. Die Berwaltung der Elektrizitätswerbe ist indeffen bereit, jeden einzelnen Fall der Beschwerde nachzuprüfen und, soweit als möglich, Abhilfe Bu schaffen.
Der neue Tarif ist seit bald 8 Wochen in Kraft. Ueber das Er gebnis des ersten Monats Mai liegen folgende interessanten Daten por, die auf Grund der Zählerablesungen in diesem Monat zufammengestellt sind: Die Zahl der Elektrizitätsmesser be trug am 1. Jumi d. 3. rund 268 000. Bis Mitte Juni waren rund 12 000 Retlamationen, hauptsächlich wegen der Fest Jegung der Grundgebühr, eingelaufen. Die Zahl der Beschwerden beträgt also nur 4,5 Proz. von der Zahl der Elektrizitätsmesser. Die Zählerablesungen erstreckten sich auf eine Gesamtmenge Don 9 186 000 Kilowattstunden. Berechnet man den mittleren Preis, der für eine Kilowattstunde bezahlt wurde, d. h. dividiert man die Summe der Grundgebühren plus der Summe der Arbeitsgebühren( 18 Pf.) durch die Gesamtzahl der Kilowattstunden, So ergibt sich ein Durchschnittspreis von 35,6 Pf. Kilo wattstunde. Der früher in Kraft gewesene Einheitspreis von 42 Pf. ist demnach durchschnittlich um 15,2 Proz. vermindert worden, womit fast mathematisch genau die Absicht erreicht ist, bie man bei Einführung des neuen Tarifes verwirklichen wollte, nämlich, eine Herabsetzung des Elektrizitätspreises um 15 Broz. Die Verminderung der Stromfosten erstreckt sich nicht auf alle Abnehmer gleichmäßig, was sie auch nicht soll. Vielmehr sollen die jenigen Anschlüsse bevorzugt werden- das sind gerade die kleinen und fleinsten, die ihre Anlagen ausgiebig benutzen. Auch in biefer Beziehung gewährt das Ergebnis des Monats Mai einen interessanten Einblic. Berechnet man nämlich den Durchschnittspreis der Kilowattstunde( Grundgebühr plus Arbeitsgebühr) in den einzelnen Megbezirten nach derselben Methode, wie dies oben für die Gesamtzahl der 9 186 000 Kilowattstunden geschehen ift, so ergibt sich folgendes 6 emerfenswerte Resultat: Netbezirk Durchschnittspreis Netbezirk Durchschnittspreis proKilowattstunde profilowattstunde Charlottenburg. 41,1 Bfg. Friedenau. 35,1 Pfg. Neukölln 85,1 35,0 34,8
.
88,5
N
37,5
Norden.
"
"
85,2
•
"
9
"
P
•
33,6 88,1
bahn benußt. Man denkt infolgedessen daran, den Lichtbild mang wieder aufzuheben. Man wird sich aber auch wohl noch aus einem anderen Grund zu dieser Maßnahme entschließen. Man hat die Feststellung gemacht, daß nach Einführung des Licht bildzwangs die Zahl der Abonnenten der Stadt- und Ringbahn abgenommen hat. Man glaubt annehmen zu dürfen, daß, durch den Lichtbildzwang abgeschreckt, viele Personen feine Monatsfarten mehr lösen, weniger häufig aus den verschie denen Vororten nach Berlin fahren und dann eine einfache Fahr tarte taufen. Das kann sich natürlich immer nur auf Personen beziehen, die nicht gezwungen find, täglich in die Stadt, in Bureau und Beruf zu fahren. Aber noch anderen Betrugsmanövern ist man auf die Spur gefommen. Man hat nämlich festgestellt, daß sich Personen eine Monatstarte dritter Klasse und eine einfache Fahrkarte zweiter Klasse taufen. Diese Karte lassen sie einmal tnipsen und glätten dann mit dem Messer das Datum, das die Zange des Bahnsteigschaffners einprägt, bis
Große Protestkundgebungen
gegen völkische Mordpropaganda und Faschismus am Dienstag, den 24. Juni, abends 7 Uhr: im großen Saal der neuen Welt", Hafenheide; Referent: Reichstagsabg. Philipp Scheidemann- Kaffel; für die weftlichen Vororfe Wilmersdorf , Charlottenburg , Schöneberg und Steglitz in den Spichernfälen, Spichernftr.3, abends 71, Uhr; Referent: ehemal, bayerischer Landtagsabgeordneter nietisch;
für die öfflichen Vororte in Mörners Blumengarten, Ober schöneweide ; Referent: Adolf Hoffmann . Arbeiter, erscheint in Massen! Dentt an die ermordeten deutschen Freiheitskämpfer! Denkt an den ermordeten italienischen Genossen Matteotti . Der Bezirksvorstand.
zur Unkenntlichkeit aus. Gie benutzen nun ständig die zweite Wagenklasse, und wenn der Revisor tommt, zeigen sie die Fahrkarte zweiter Klasse vor. An dem unleserlichen Datum vermag der Revisor meistens teinen Anstand zu nehmen, weil er weiß, daß die das Datum ver3angen der Bahnsteigschaffner häufig genug schwommen und verwischt auf die Karte drücken. Berläßt aber ein solcher Betrüger den Bahnsteig, dann zeigt er seine Monatsfarte vor, wodurch er stets im Besiz der Fahrkarte zweiter Klaffe bleibt. Mart zu sparen, zu diesen Manipulationen verleiten lassen können, Es ist jedenfalls unbegreiflich, wie sich Menschen, um ein paar die mit Gefängnis geahndet werden und sie für das ganze Leben unmöglich und unglücklich machen können.
Das Eisenbahnunglück auf dem Potsdamer Bahnhof. Schwere Vorwürfe gegen die Berwaltung. Die Reichsgewertschaft Deutscher Eisenbahnbeamten und Anwärter und der Deutsche Eisenbahnerverband verbreiten den Wortlaut einer öffentlichen Anfrage an den Reichsverkehrsminister, die fich im Zusammenhang mit dem fürzlichen Eisenbahnunglück auf dem Potsdamer Bahnhof mit der Ueberlastung der Betriebsbeamten in folge des Personalabbaues und der verlängerten Dienstdauer be schäftigt. Nach ihren Angaben haben die Organisationen noch an dem gleichen Tage, an dem sich das Unglück ereignete, auf dem Botsdamer Bahnhof eingehende Erhebungen angestellt und dabei folgende Einzelheiten ermittelt, für deren Richtigkeit wir den ge nannten Verbänden die Berantwortung überlassen:
Die Megbezirke find in der vorstehenden Tabelle nach der Höhe bes burchschnittlichen Strompreises geordnet. Die Zusammenstellung lehrt, daß der Durchschnittspreis in den reicheren westlichen Bezirken Charlottenburg , Zehlendorf und Steglit am hochwechsel anwesend. Am 12. Januar 1924 wurden die Telegra sten, in den ärmeren östlichen und nördlichen Beairten Bankow , Mariannenstraße und Spandau am niedrig ften ist. Wenn auch aus dem Ergebnis des ersten Monats nicht allzu weitgehende Schlüsse gezogen werden sollen, so dürfte doch das oberflächliche Gerede widerlegt sein, daß der neue Tarif einen unfozialen Charakter habe. Vielmehr ist das dirette Gegenteil zahlenmäßig festgestellt, daß nämlich der neue Tarif durchaus im Sinne ber sozialen Gerechtigkeit wirft. Der Tarif ist deshalb beizubehalten und in der Zukunft unter dem Gesichtspunkte weiter zu entwickeln, daß Härten gemildert werden, die sich in einzelnen Fällen seiner Anwendung nach ergeben. Dr.- Ing. W. Majerezit.
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Besucht den Raft"! Aus Anlaß des Reichsarbeitersporttages werden die Berliner Arbeitersportler am morgigen Sonntag im Stadion Grunewald ihren Klaffengenossen die Leibesübungen auf allen Gebieten vorführen. Turner und Turnerinnen treten in tausenden zu den Massenfreiübungen des Kreisturnfestes an. Mit beschwingtem Fuße werden die Leichtathleten im 200- Meter- Lauf und bei den Stafetten dahineilen. Ein Mannschaftshochspringen der Männer, Jugend und Frauen, sowie das Mannschaftsspeerwerfen bringen gute Abwechselung. In den Fluten" des Stadionschwimmbedens tummeln sich die Schwimmer. Neben den mutvollen Sprüngen Dom Fünf- und Zehnmeterbrett am hohen Turm, werden Reigen, Stafetten, Lagenschwimmen und Wasserballspiele gezeigt. Die Schmerathleten treten auf im Gewichtheben und im Ringen. Auch die Jiu- Jitsu- Kämpfer treten mit neuen Kampfmethoden an die Deffentlichkeit. Wenn es noch möglich gemacht werden kann, einen Borring aufzustellen, wird auch diese Kampfart von den Arbeiter borlämpfern vorgeführt werden. Die beiden Organisationen der Arbeiterwarderer stellen jede einen großen Sprechchor, der stimm gewaltig proletarische Dichtungen zu Gehör bringt. Ausstellungen der Naturfreunde, des Verbandes Volksgesundheit, des Arbeiter abstinentenbundes und der Arbeiterschachspieler lassen uns einen Einblick in ihre Organisation tun. Ein Fußballspiel zweier ausgesuchter Mannschaften des Arbeiterturn- und Sportbundes( MSV.) läßt alle Anhänger dieses Sportzweiges auf ihre Kosten kommen. Der Arbeiterradfahrerbund„ Solidarität", Ortsgruose Groß- Berlin, entiendet 2000 Radfahrer, die einen Massenreigen, Massenpyramiden, ein Schaufahren der Motorradabteilung und die Entwicklung des Fahrrades von der mit den Füßen gestoßenen„ Draisine" bis zum modernen Motorrad zeigen werden. Zu alledem werden die Turnermusiker, das Bläsertorps der Freien Turnerschaft Neukölln- Brig", die sich aus eigenen Mitteln zu dieser Höhe ihrer Leistungsfähigkeit mühsam aufgeschwungen haben, ihre luftigen Weisen ertönen lassen.
Also auf zum Reichsarbeitersporttag im Stadion Grunewald . Das Stadion ist von 10 Uhr vormittags geöffnet. Beginn 2 Uhr. Eintrittspreis einheitlich 50 Pfennig, nur Sigplätze. Rinder frei. wenn in Begleitung Erwachsener. Eintrittsfarten bei allen Arbeitersportlern in den Betrieben.
Betrugsmanöver bei der Stadtbahn.
Am 1. April wurde bekanntlich für die Monatstarten auf der Stadt- und Ringbahn der Lichtbildzwang eingeführt. Man hat einen Aluminiumrahmen herstellen und patentieren lassen, der Lichtbild und Monatsfarte aufnimmt und der so sinnreich konstruiert ist, daß Betrügereien nicht vorkommen fönnen. So dachte man früher wenigstens. Jetzt ist aber festgestellt worden, daß durch Manipulationen mit der Messerspizze der Rahmen geöffnet, das Lichtbild ohne Beschädigung der Fahrkarte entfernt und durch ein anderes Lichtbild ersetzt werden kann. Auf diese Weise ist es möglich, daß eine ganze Familie auf einer Monatskarte die Stadt- und Ring
Danach waren bis zum 1. Januar 1924 auf dem Stellwert, in dessen Bereich sich der Zusammenstoß ereignete, stets ein Fahrdienst leiter, ein Weichensteller und Telegraphift in achtstündigem Dienst phisten abgebaut. Dringende Vorstellungen der Fahrdienst leiter, des Beamtenrats und des Dienststellenvorstehers bei dem por gesetzten Amtsvorstand, Oberbaurat Duerbott, daß ohne Telegraphisten der Zugverkehr nicht sicher, pünktlich und vorschriftsmäßig durchgeführt werden könnte, änderten an dieser Maßnahme nichts, wie auch selbst für den starken Oster-, Pfingst- und Sommerreiseverkehr trot dringender Borstellungen die Stellung Don Telegraphisten für das Stellwert vom Amtsvorstand abgelehnt wurde. Als zu Zeiten mit besonders dichter Zugfolge der Bahnhofsvorsteher eigenmächtig einen Telegraphisten aus dem Telegraphenbureau nach dem in Frage fommenden Stellwert entfandte, wurde er von dem genannten Oberbaurat scharf zurecht gewiesen und die weitere Entsendung von Telegraphisten nach dem Stellwert von dem Amtsvorstand ftrift untersagt. Alle weiteren mündlichen und schriftlichen Vorstellungen der Fahrdienstleiter mur. den von dem Amtsvorstand mit der Maßgabe abgewiesen, er tönne eine einmal getroffene Abbaumaßnahme nicht widerrufen, da ihm eine einmal getroffene Abbaumaßnahme nicht widerrufen, da ihm ohnehin von den Gewerkschaften zu frasser Abbau vorgeworfen
Züge
Am Unfalltage war, wie es in der Anfrage weiter heißt, eine wesentliche Aenderung der Bahnhofsfahrord nung in Kraft getreten, die eine fast vollständige Berschiebung der Ein- und Ausfahrten der brachte. Diese Alenderung erforderte vom Fahrdienstleiter neben seinem sonstigen über Gebühr anstrengenden Dienst die vollste Aufmerksamkeit. Troh ungeheurer Mehrbelastung der Beamtert wurden Telegraphisten nicht zugeteilt. Hinzu tam noch, daß am Unfalltage furz nach fieben ühr eine Signal störung am Befehlsstellwert bei Ziehen des Ausfahrfignals eingetreten war. Diese Störung lag schon 8 Tage zurück, war immer vorschriftsmäßig eingetragen und gemeldet, die Fehlerquelle aber nicht entdeckt worden. Die Stö rung trat innerhalb einer Woche viermal ein. Nach dem Unfall wurden dann von dem Bahnhofvorsteher eigenmächtig dem Stellwert sofort Telegraphisten zugeteilt, ohne daß der Amtsvorstand nunmehr Einwendungen dagegen erhob. Unter Hinweis auf diesen Tatbestand richten dann die Organisationen an den Reichsperfehrsminister eine Reihe von Fragen hinsichtlich der Richtigkeit dieser Feststellungen, insbesondere wird angefragt, ob gegen Oberbaurat Duerbott eingeschritten worden ist.
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Uns wird von einem Leser folgendes geschrieben: Bei dem letzten Eisenbahnunglück auf dem Potsdamer Bahnhof gelang es erst mittels Beil und Säge die Menschen aus ihrer
Das Rundfunkprogramm. Sonnabend, den 21. Juni.
Tageseinteilung. Vormittags 10 Uhr: Nachrichten dienst. Bekanntgabe der Kleinhandelspreise der wichtigsten Lebensmittel in der Zentralmarkthalle. Nachm. 12.15 Uhr: Vorbörse. Nachm. 12.55 Uhr: Uebermittelung des Zeitzeichens. Nachm. 1.05 Uhr: Nachrichtendienst. Nachm. 2.15 Uhr: Börsenbericht.
5.30-7 Uhr: Berliner Funkkapelle( Unterhaltungsmusik). 7,30 Uhr: Vortrag des Herrn Dr. Max Heidler:„ Gesundes und krankes Träumen( Das schlafende Kind"). 8 Uhr: Vortrag des Herrn Professor Hans Philipp Weitz:„ Die Großstadt als Heimat". 9-10 Uhr Blasorchester. Dirigent: Kapellmeister Karl Woitschach. 1. Schneidige Truppe, Marsch, von Lehnhardt. 2. OuverAndalouse, von Rubinstein. 4. Kind, du kannst tanzen, Walzer ture zu Flotte Bursche", von Franz v. Suppé. 3. Toreador und aus Die geschiedene Frau", von Leo Fall . 5. War die erste Frau The Pleite, Marschlied aus Sennora", von Hirsch. 10.15-11.30 Uhr: Tanzmusik.
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furchtbaren Lage zu befreien. Als ich in diesen Tagen einen Schnellzug benutzte, fiel mir ein in die Wagenwand eingelaffenes Schränk chen auf, das die Aufschrift Beil und Säge frug. Im Schrank selbst, der von einer Glasscheibe verschlossen war, war von einem Beil oder einer Säge aber nichts zu entdecken. Ich ging darauf durch den ganzen Zug. In jedem Wagen fand ich einen solchen Schrank, aber nie das angegebene Werkzeug. Dafür aber in einigen Schränken Zettel, auf denen das Inventar des Wagens, wie Fenstervorhänge, Aschenbecher usw. angegeben war. Es ergibt sich nun die Frage: Warum werden diese Werkzeuge nicht mehr mitgeführt? Oder: Sind Schnellzugsunglüce stets so furchtbar, daß Beil und Säge gar nicht mehr in Frage kommen?
Der kleinste Lebemann.
Er reicht faum bis über die Anklagebant.
Ein langjähriger Bekannter in Moabit erschien wieder einmal vor dem Schöffengericht Berlin- Mitte in der Person des Kaufmanns Georg Abrahamsohn, um sich wegen zahlreicher Betrügereien zu verantworten.
Der kleine Lebemann", wie er in Lebetreifen genannt wird, ist eine befannte Figur, die schon in der Vorkriegszeit im Nachtleben Berlins eine große Rolle spielte. Abrahamsohn ist eine ultig wirkende Person. Mit dem Kopf reicht er taum über die Anklagebant. Auf dem kleinen Körper ruht ein riesiger Kopf, der aber vollständig ohne jedes Haar ist. Abrahamsohn stammt aus einer reichen Familie und hatte seinerzeit beim Lode den Lebemann und war immer mit den elegantesten Damen der feines Vaters ein sehr großes Vermögen geerbt. Nun spielte er Halbwelt umgeben. Mit Vorliebe suchte er sich zu seinen Freun dinnen große fchlante Personen aus, denen er faum bis unter die Armereichte. Liebe" und Spiel verschlangen aber große Summen und bald war das väterliche Erbe verpraßt. Nun legte sich der kleine Abrahamsohn", um die Rolle des Lebe manns weiter spielen zu fönnen, auf Betrügereien und er ist fchon unzählige Male von den Gerichten abgeurteilt worden. Die Strafe fiel immer verhältnismäßig milde aus, da ihm von den Gerichtsärzten eine erhebliche Minderwertigkeit zugesprochen ist. In den jezigen Fällen war der„ fleine Abrahamsohn" als Rechtsanwalt und Arzt aufgetreten. Durch seine vielen Strafprozesse mar er natürlich auch mit zahlreichen Anwälten in Berührung gekommen und hatte deren Unterschriften ziemlich geschickt für Zahlungsanweisungen zu fälschen gewußt. In neuerlicher Zeit war er als praktischer Arzt Dr. Grundmann aufgetreten, und hatte sich in Bensionen eingemietet, wo er auf Kredit wohnte und ab. Er erzählte von seinen großen Operationen und hatte seine Kleider mit Joboform und Lisol komprimiert, so daß man ihn für den pielbeschäftigten echten Arzt hielt. Nachdem er einige Zeit in den betreffenden Benfionen gelebt und genügend chulden gemacht hatte, verschwand er. Das Gericht verurteilte diesmal den ,, kleinen Abrahamsohn" zu 10 Monaten Gefängnis.
Der Kampf um die Blumenhalle.
Die Blumenhalle am Botsdamer Bahnhof, die feit 34 Jahren im Besiz der jetzt gelähmten und um ihre Existenz schmer ringenden Frau Peters ist, hat die Gerichte und die Deffentlichkeit bekannt lich häufig beschäftigt. Der Eisenbahnfiskus, dem das Gelände gehört, auf dem die Blumenhalle steht, hat den Einwand erhoben, diese Blumenhalle bedeute ein Berfehrshindernis und müsse beseitigt werden. Die Gerichte, an die sich Frau Peters in ihrer Not gewandt, haben dem Eisenbahnfiskus recht gegeben, und Frau Peters muß, wie wir im Morgenblatt vom Mittwoch mitgeteilt haben, in den nächsten Tagen den Plag räumen. Wie wir aber inzwischen erfahren, scheint die Behauptung des Eisenbahnfistus, die Blumenhalle sei ein Verkehrshindernis, nur ein Vorwand zu sein. In Wahrheit will man nur mit Frau Peters nichts mehr zu tun haben und reflektiert auf einen Pächter, der bedeutend mehr Bacht zahlt. Frau Peters hat seinerzeit, als der Eisenbahnfistus mit dem Einwand des Verkehrshindernisses tam, zwei andere Plätze an der Zufahrtsstraße zum Potsdamer Ringbahnhof vorgeschlagen. Von der Betriebsinspektion 7 wurde ihr aber damals erflärt, diese Bläge würden überhaupt nicht mit Ver faufsständen bebaut. Indessen kurze Zeit darauf etablierte sich auf dem einen Platz Koschwitz und auf dem anderen Dunsing. Auch der Borschlag der Frau Peters, die Halle weiter zurückzurüden oder Borschlag der Frau Peters, die Halle weiter zurückzurücken oder fichtigung. Dagegen schlug man ihr vor, die halle in Stahnsunter den Potsdamer Fernbahnhof zu verlegen, fand keine Berücborf aufzubauen. Für Frau Peters bedeutet diese Lösung keine Existenzmöglichkeit, weil sich in Stahnsdorf bereits eine große Blumenhalle am Bahnhof befindet und die zahlreichen Kunden der Frau Peters natürlich nicht nach Stahnsdorf fahren werden. Die Betriebsinspektion 7 geht scheinbar durchaus ungerecht gegen die alte und hilflose Frau vor, sie will dieses Berkehrshindernis" beheitigen, um es durch ein neues zu ersetzen. Eine Nachprüfung der Angelegenheit durch die Eisenbahndirektion cheint durchaus notwendig. Man handelt hier ein. feitig bureautratif, wie man ebenso bureaukratisch vor. gegangen ist, als man der Frau Peters bei Umrechnung der Miete von 20 000 m. in Goldmiete für das legte Bierteljahr einen Goldpfennig miete abgenommen hat. Dieje Forderung wurde auf einem schönen Rechnungsformular präsentiert, das allein mehr als einen Pfennig foſtet!
Nachtsikung im Rahardt- Prozeß.
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In dem Prozeß gegen den„ Ehrenobermeister" Rari Rahardt und Genossen fand am Donnerstag, nachdem die Verhandlung einen Tag ausgesetzt worden war, eine Nachtsizung statt. Der Grund dafür war, daß das Gericht dem Anklagevertreter, Assessor Dr. Kußmann, Gelegenheit geben wollte, bei den weiteren wichtigen Teilen der Beweisaufnahme zugegen zu sein. Dr. Kußmann hatte sich am Tage des Beginnes des Prizeffes nach Danzig begeben, um dert an der Bernehmung der Danziger Zeugen durch einen ersuchten Richter des Landgerichts in Danzig teilzunehmen, da sich die Zeugen weigerten, vor einem Berliner Gericht zu erscheinen, vor dem sie als Staatsbürger des Freistaates Danzig nicht zuständig find. Staatsanwaltsaffeffor Kußmann fonnte erst im Laufe des Donnerstag wieder in Berlin eintreffen. Er war dann auch in später Nachmittagsstunde mit einem Flugzeug wieder Berlin eingetroffen und konnte der Abendfizung, die sich bis 11 Uhr nachts hinzog, beiwohnen. Das Gericht bemühte sich, juristisch und wirtschaftlich den Inhalt der Vereinbarungen zwischen der westpreußischen Berwaltungsgesellschaft in Danzig und dem aus zehn Personen bestehenden Konzern, der sich in Berlin zur Ber Angeklagte Rarl Rahardi gab dazu die Erklärung ab, daß die wertung der Danziger Reichswerft gebildet hatte, flarzulegen. Der Hauptstelle in Berlin lediglich als Kommiffionärin für das Berliner Berdingungsamt, ebenfalls einte Handwerterorganisation, tätig pe wesen sei. Als er. Rahardt, nun gesehen habe, welche Mengen von Waren in Berlin antamen, hätte er Angst vor dem Risiko bekommen. Das Risito habe darin bestanden, daß ein Preissturz eintreten könnte und daß überhaupt die Waren zu dem Kaufpreis nicht weiter auf die Konzernteilnehmer persönlich übertragen lassen. Das Berverkauft werden fönnten. Um sich zu sichern, hätte er das Geschäft dingungsamt habe er dadurch geschützt, daß er die Lagerräume, in die die Waren tamen, auf den Namen des Verdingungsamtes lieferte. Die Verteidiger suchten den Beweis dafür zu führen, daß eine Untreue der Rabardt gegenüber der Hauptstelle und dem Verdingungsamt nicht in Frage fommen faan, weil die gesamten Aufträge, die nach Danzig geschlossen sind, auch zur Rückzahlung gelangt sind. Eine Schädigung dieser Stelle sei also gar nicht eingetreten, auch die beweil die Warenbestände unter Tagespreis an die Handwerker abteiligten Handwerferorganisationen feien nicht geschädigt worden, gegeben worden sind. Auf die Preisbildung wird das Gericht später nod) eingehen. Der Bücherfachverständige Leben erstattete an Hand der Geschäftsbücher ein Gutachten, indem er sich in stunden